Alles außer Staatsbankrott ist asozial

  • Von der linken Euphorie über den Wahlsieg der Syriza-Linken in Griechenland, ist mindestens hier in Deutschland nicht mehr viel zu spüren.
    Die griechische Regierung und auch mancher Linker hier hatten versucht, den Schuldenpoker zwischen Athen und Brüssel so darzustellen, als ob sich das notleidende griechische Volk auf der einen Seite mit hartherzigen Bürokraten in Brüssel und Berlin auf der anderen Seite herumschlagen müssen.


    Tatsächlich steht auf der griechischen Seite, ein bankrotter griechischer Staat, der dringend auf weitere Finanzspritzen von den weniger verschuldeten EU-Staaten angewiesen ist. Wer sich da linke Hoffnungen über eine europäische Trendwende gegen „Neoliberalismus“ gemacht hat, musste enttäuscht werden. Dass kapitalistische Geldgeber ihr Geld nicht verschenken, das ist keine neue und überraschende Erkenntnis.


    Die bisherigen griechischen Regierungen haben in und mit der EU über 300 Milliarden Euro verbraten und verballert. Das sind pro Einwohner und Kopf (jung und alt) mehr als 27.000 Euro. Dieses Geld muss die griechische Regierung mit Zinsen irgendwann an ihre Gläubiger zurückzahlen - sagen die Geldgeber. Und woher anders soll dieses Geld kommen, wenn nicht aus den Taschen der griechischen Bürgerinnen und Bürger?
    Pro Monat und Kopf (von Jung bis Alt der Griechen) muss die griechische Regierung mehr als 100 Euro Zinsen an die Staatsgläubiger zahlen, durchschnittlich 4,72 Prozent - und das noch ohne Rückzahlung der Schuldsumme.
    Wesentlicher Bestandteil der jetzigen Vereinbarung zwischen Griechenland und der EU ist die griechische "Anerkennung aller Schulden gegenüber allen Kreditgebern". Der von Tsipras versprochene "Schuldenschnitt" ist damit vom Tisch.


    Eine griechische Regierung, die behauptet, der griechische Staat zahle die verkonsumierten 300 Milliarden Euro mit Zinsen zurück, verspricht seinen Gläubigern, dass sie künftig jedem einzelnen Griechen vom Baby bis zum Greis je 27.000 Euro aus der Tasche ziehen wird.
    So ein Versprechen ist asozial.
    Ich denke, eine Regierung, die sich auf so einen Deal einlässt, statt zu sagen: Diese 300 Milliarden Euro sind futsch und können nie und nimmer zurückgezahlt werden, ist weder glaubwürdig noch ein Bündnispartner im Kampf gegen die soziale Krise.
    Alles andere als ein offiziell erklärter, schneller Staatsbankrott in Griechenland ist Lüge.
    Alles andere als ein offiziell erklärter, schneller Staatsbankrott ist ein Komplott gegen das griechische Volk,
    meint Wal Buchenberg


    Griechische "Reformliste" im englischen Wortlaut


    Siehe auch:

    Bankenrettung in der Krise


    Wer zahlt für die Krise?


    Wer soll das bezahlen?


    Staatsanleihen und Staatsbankrott


    Die EU-Finanzen

  • In Griechenland ist die Linke in der Regierung, aber ist sie auch "an der Macht"?
    So wie der griechische Staat den anderen europäischen Staaten an Schuldenhöhe voraus ist, so ist die griechische Linke allen anderen Linken in Europa an politischen Positionen und Fragestellungen voraus.


    Wenn wir das Auf und Ab der europäischen Linken im letzten Jahrhundert betrachten, bestimmte nicht die Linke die politische und wirtschaftliche Situation eines Landes, sondern die politische und wirtschaftliche Situation des Landes bestimmte das Schicksal der Linken.
    Im Gefolge der Wirtschaftskrise von 1929-1936 erlebte die Linke in Deutschland und in Italien ein Desaster durch den Machtantritt der Faschisten. In Frankreich scheiterte die Volksfrontregierung ohne Gegenwehr. Die Spanische Republik kämpfte immerhin und verlor.
    All diese Entwicklungen gehörten zusammen und zeigen: Die historische Linke in Europa reagierte auf die kapitalistische Krise kopflos und naiv. Kopflos, weil sie die Möglichkeiten und Kräfte ihrer Gegner in der kapitalistischen Krise sträflich unterschätzte. Naiv, weil sie die Möglichkeiten einer linken Regierungsbeteiligung ebenso sträflich überschätzte.


    Der große Aufschwung der Linken in Europa kam erst mit dem kapitalistischen Wachstumsschub zwischen 1950 und 1970. In diesem wirtschaftlichen Aufschwung und mit diesem wirtschaftlichen Aufschwung entstand und entwickelte sich die Anti-Atom-Bewegung, die Friedensbewegung, die 3.-Welt-Bewegung, die neue ML-Bewegung, die Ökologie-Bewegung, die Schwulenbewegung und die Frauenbewegung. (Hab ich jemand vergessen?) Außer der kommunistischen ML-Bewegung und einem Teil der 3.-Welt-Bewegung waren diese neuen sozialen Bewegung zivilgesellschaftlich, (überwiegend) libertär und staatskritisch bis antistaatlich.


    Das heißt für mich: Eine wirtschaftliche Aufschwungphase begünstigt den Aufschwung der Linken, eine Wirtschaftskrise behindert und stört die Entwicklung der Linken.
    Wir stecken alle in einer schweren Wirtschaftskrise, aber die Linken verfolgen überwiegend Rezepte und Lösungen, die aus den Zeiten des kapitalistischen Booms stammen.

    Die Frage, die ich mir stelle, ist: Finden Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien neue Antworten auf die kapitalistische (Schulden)Krise oder wiederholen sie die linke Scheinblüte der französischen Volksfrontregierung und der spanischen Republik?


    Mein Optimismus ist leider gering, wenn ich Statements lese wie von Th. Paraskevopoulos, dem Wirtschaftsberater von Tsipras und Syriza: „Wir wollen den griechischen Staat grundlegend ändern, ihn effektiver und demokratischer machen. Und auch die Wirtschaft in Gang bringen. ... Wir möchten zeigen, dass Griechenlands Wirtschaft ohne Lohndruck und ohne Abstriche in den Sozialleistungen wachsen kann.“

    Das ist das linke Rezept aus Zeiten des kapitalistischen Aufschwungs. Das ist das Rezept der SPD von Willy Brandt. Wie soll das in der jetzigen kapitalistischen Krise funktionieren?,


    fragt sich Wal Buchenberg

  • Der altgediente Linke Karl Heinz Roth hat sich zur griechischen Schuldenkrise zu Wort gemeldet und meint: „Ein Neustart für Griechenland ist möglich, wenn Deutschland seine Reparationsschulden begleicht und so zum Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft beiträgt.“



    In dieser These stecken etliche populäre Irrtümer. Beginnen wir mit dem letzten Irrtum: Dass es in Griechenland „um den Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft“ gehe, ist die gemeinsame Ansicht aller EU-Bürokraten und Kapitalisten in Europa. Für den Wiederaufbau der griechischen Wirtschaft streiten jedoch keine Antikapitalisten, sondern allenfalls Doktoren und Quacksalber am Sterbebett des Kapitalismus.


    Weiter: Wer von den „Reparationsschulden Deutschlands“ redet, kann nicht die heutigen Einwohner Deutschlands meinen, sondern allenfalls die deutsche Regierung. Die heutigen Bewohner Deutschlands haben sich weder an der Besetzung Griechenlands beteiligt, noch dort Verbrechen begangen, noch sich Geld von der damaligen griechischen Regierung geliehen.


    Wenn Karl Heinz Roth den „Neustart Griechenlands“ von der Begleichung alter Reparationsschulden abhängig macht, dann geht es ihm allein um Regierungshandeln. Er verteidigt und unterstützt das Regierungshandeln in Griechenland und kritisiert das Regierungshandeln in Deutschland. So wie Karl Heinz Roth die griechische Krise ansieht, spielen weder die Menschen und Bürger in Griechenland eine Rolle, noch die Menschen und Bürger in Deutschland.
    Karl Heinz Roth sieht nicht die Menschen in beiden Ländern als Leidtragende der kapitalistischen Krise, sondern stilisiert die griechische Regierung als Opfer und denunziert alle Deutschen als Täter: „Denn es ist das zweite Mal in der jüngeren Geschichte Griechenlands, dass Deutsche als zentrale Akteure das Land in den Würgegriff genommen haben...“ (Aus der Verlagsankündigung)
    Zweifelsohne sind die Menschen in Griechenland stärker von der europäischen Krise betroffen als wir in Deutschland. Aber wer immer Solidarität schaffen will, muss eine Gemeinsamkeit der Lage und damit eine Gemeinsamkeit der Interessen aufzeigen, und nicht einen Gegensatz Deutsche gegen Griechen konstruieren. Tatsächlich geht es bei den Staatsschulden nicht um einen nationalen Konflikt, sondern um einen Konflikt zwischen Schuldner und Gläubiger und die Gläubiger Griechenlands werden nicht nur von der deutschen Regierung vertreten, sondern von allen Euro-Staaten.


    Übersehen wird von Karl Heinz Roth, dass es den Europäischen Geldgebern vor allem und in erster Linie um "Zahlungsfähigkeit", also um die Rückzahlung ihrer Kredite geht, nicht um "Austerität". Die Sparprogramme sind keine Bösartigkeit der "Troika" oder von Frau Merkel, sie sollen der Zahlungsfähigkeit der griechischen Regierung dienen. Kapitalisten verschenken ihr Geld nicht, sondern wollen es mit Gewinn zurückbekommen. Gegenüber der griechischen Regierung verhalten sich die EZB, die Troika und die deutsche Kanzlerin als einfache Sachwalter kapitalistischer Zwangsgesetze, nicht als "neokoloniale Macht".
    Übersehen wird von Karl Heinz Roth, dass sich frühere griechische Regierungen leichtfertig in die fatale Situation eines bankrotten Schuldners gebracht haben.
    Übersehen wird von Karl Heinz Roth, dass die neugewählte linke Syriza-Regierung vor der Wahl versprochen hatte, sich aus den Fesseln dieser Schulden zu befreien.
    Nach der Wahl hat die Syriza-Regierung jedoch die Rechtmäßigkeit dieser alten Schulden anerkannt und hat damit die Verpflichtung auf sich genommen, alle diese Schulden mit Zinsen an die Gläubiger zurückzuzahlen.


    Mit dieser Entscheidung hat die Syriza-Regierung alle ihre Untertanen in Geiselhaft genommen. Wer sonst, wenn nicht die griechischen Bürger sollen in den kommenden Jahren diese enorme Schuld abbezahlen? Wie das im Einzelnen gehen soll - wer mehr oder weniger zahlen soll, darum streitet sich die griechische Regierung mit den „Institutionen“ der EU. Warum sollen wir Linke uns in diesen Streit einmischen, bei dem es nur um Zahlungsmodalitäten geht?


    Die Begleichung irgendwelcher alter Reparationsschulden ist dagegen ein Nebenschauplatz, der die griechische Schuldenkrise nicht lösen wird, und bei dem es sich noch weniger lohnt, dass wir Linke uns einmischen als bei den Zahlungsmodalitäten für die Schuldenbegleichung.


    Die Anerkennung aller alten Schulden durch die neue Regierung ist der wahre Skandal in Griechenland. Und so eine Regierung verdient nicht unsere Solidarität,
    meint Wal Buchenberg

  • Die Syriza-Regierung in Griechenland hat nun ein Dekret verfasst, mit dem die Sozialversicherungen, Krankenversicherungen und die Kommunen, aber auch kommunale Wasser- oder Elektrizitätswerke ihre Geldreserven an die Zentralregierung abliefern müssen, damit die Regierung die anstehenden nächsten drei Milliarden Euro an die ausländischen Gläubiger überweisen kann.


    Damit setzt die Regierung ihre asoziale Politik „Syriza hilft erst dem Finanzkapital, und hofft, dass dann noch was für die Armen bleibt“ fort.
    Diese politische (linke?) Katastrophe begann damit, dass die Syriza-Regierung die Rechtmäßigkeit aller Schulden akzeptierte, obwohl jeder weiß, dass dieser Schuldenberg viel zu hoch und viel zu schwer ist.


    http://www.neues-deutschland.d…-fuer-die-glaeubiger.html

  • Nicht nur unter Linken wird überlegt, welche Alternativen die griechische Regierung hat, um an Geld zu kommen.
    Die Verschuldung der griechischen Regierung ist kein Sonderfall. Andere Regierungen in Europa haben höhere Schulden. In allen entwickelten kapitalistischen Staaten decken die Einnahmen des Staates nicht seine Ausgaben.


    Das ist die große Lüge der politischen Klassen in jedem dieser Staaten, dass sie behaupten: „Eure Renten sind sicher!“, „der Sozialstaat ist sicher!“. Alles Lüge! Leider beteiligen sich die meisten linken Parteien an dieser Lüge.
    Nichts, wofür unsere Regierungen Geld ausgeben, ist sicher. Alles ist mehr oder minder auf Sand, das heißt auf Schulden aufgebaut – in Griechenland wie anderswo.



    Von den gut 80 Milliarden, die die griechische Regierung im Jahr ausgibt, gehen 22 Milliarden als Lohn an Staatsbedienstete. Weitere 35 Milliarden sind Transferzahlungen – Subventionen an Kapitalisten wie auch Sozialtransfers an Rentner und andere Bedürftige.


    Die griechische Regierung hat allerdings einen schwerwiegenden Nachteil gegenüber anderen Schuldenstaaten: Die Gläubiger Griechenlands sitzen im Ausland.
    Im Moment braucht die griechische Regierung zusätzliches Geld vor allem, um ihre Gläubiger im Ausland zu bedienen. Das ist so, als hatte einer von uns ein Haus gekauft, für das er die Hypothek nicht mehr bezahlen kann. Sein Konto ist auch schon überzogen, und jetzt geht er zu seiner Bank und sagt: Hey, ich brauche mehr Geld!
    In dieser erbärmlichen Rolle befindet sich der griechische Finanzminister Varoufakis, und er spielt seine Rolle höchst unterhaltsam, aber ohne Aussicht auf Erfolg.


    Nicht nur unter Linken fragt man sich, welche Alternativen hat denn die Pleite-Regierung in Griechenland. Die klarste Alternative wäre gewesen, wenn die Regierung die Rückzahlung aller früheren Schulden abgelehnt hätte. Das hat zum Beispiel die Lenin-Regierung nach der Russischen Revolution 1917 gemacht, aber auch die Argentinische Regierung im Jahr 2001.


    Dieser Staatskonkurs ist ganz eindeutig ein Vertragsbruch und damit eine Kampfansage an die Gläubiger. Die Gläubiger werden alle Hebel in Bewegung setzen, um doch irgendwie an „ihr“ Geld zu kommen: Beschlagnahmung von griechischen Konten und Guthaben im Ausland, Beschlagnahmung von Schiffen im Ausland, Zahlungsstopp für Importe aus Griechenland usw. Das schadet den griechischen Kapitalisten. Die griechischen Lohnabhängigen trifft das zunächst nicht.


    Die Tsipras-Regierung tut so, als wären die EU-Gläubiger ihre Feinde, gleichzeitig hofft sie immer noch auf eine gütliche Einigung mit ihren Gläubigern. So wie Vertragsregeln im Kapitalismus zwischen Schuldner und Gläubiger sind, wird aber jede „gütliche“ Einigung, den griechischen Bürgern schaden und weh tun. Die Untertanen eines Staates sind letztendlich die Bürgen jeder Staatsschuld.


    Ein scheinbarer Ausweg, den Argentinien gegangen ist, und der auch für Griechenland in der Diskussion ist, ist die Ausgabe von Regionalgeld, das nur innerhalb Griechenlands zirkuliert.
    Die auswärtigen Schulden würde die griechische Regierung mit einer Parallelwährung nicht los. Die Schulden liegen im Ausland und lauten deshalb alle auf Euro. Die griechische Regierung benötigt weiterhin Euro, um ihre Schulden zu bedienen und zurückzubezahlen.
    Die Ausgabe von regionalem Geld würde jedoch die internen Staatsausgaben senken und ginge deshalb auf Kosten der griechischen Bürger.


    Angenommen die griechische Regierung würde die 22 Milliarden Löhne für ihre Staatsdiener nicht mehr in Euro, sondern in neugeschaffenen Drachmen mit einem festgelegten Umrechnungskurs auszahlen. In dieser Situation spielt es keine Rolle, ob dieser Umrechnungskurs 1:1, 2:1, oder 3:1 wäre. Der Kurs der Drachme gegenüber dem Euro würde sofort dramatisch absinken, weil hinter diesem neugeschaffenen Geld kein vertrauenswürdiger Schuldner und keine wirklichen Werte stehen. Der inflationäre Drachmenlohn wäre sofort weniger wert als der vorherige Eurolohn. Das Ergebnis wäre eine Lohnsenkung.
    Bei den griechischen Renten und Sozialtransfers würde dasselbe passieren.


    Das neue Geld wäre weniger wert. Die Regierung würde Ausgaben einsparen. Und warum? Um die Schulden bei den Gläubigern zu bedienen. Es wäre eine Umverteilung auf Kosten der griechischen Bürgern und zu Gunsten des europäischen Finanzkapitals.
    Das wäre eine höchst asoziale Alternative.


    Gruß Wal Buchenberg

  • Tsipras „droht“ nun mit einem Referendum. Die Drohung richtet sich aber gegen die Linke in Griechenland, nicht gegen die EU-Geldgeber.
    Tsipras will um jeden Preis eine Einigung mit den Gläubigern. Jüngste Umfragen zeigen, dass auch eine Mehrheit der Griechen für eine schnelles Abkommen mit der EU eintritt. Die Mehrheit der Griechen hat mehr Vertrauen in die „Institutionen der EU“ als in die eigene politische Klasse – egal ob es sich um Rechte oder um Linke handelt.


    Wie andere bürgerliche Politiker auch, benutzt Tsipras basisdemokratische Elemente weil und soweit kapitalistische Gepflogenheiten nicht in Frage gestellt werden.
    Die kapitalistischen Gepflogenheiten in der Griechenlandkrise heißen: „Pacta sunt servanda!“ – auf Deutsch: „Geliehenes Geld muss mit Zinsen zurückgezahlt werden!“ Indem die Tsipras-Regierung alle alten Schulden anerkannt hat, hat sie die Rückzahlung dieser Schulden zugesichert. Jetzt kann sie nur noch über die Zahlungsmodalitäten streiten.
    Kapitalistische Vertragstreue ist der wirkliche Konfliktpunkt zwischen der griechischen Regierung und ihren Geldgebern. Dass die griechische Linksregierung daraus eine Sache des "griechischen Nationalstolzes" machen will, ist große Kacke und schadet dem linken Ansehen überall in der Welt.


    Gruß Wal



    Siehe: http://www.faz.net/aktuell/wir…er-sparkurs-13563103.html

  • Die Syriza-Regierung präsentiert sich als Interessenvertreter der guten, armen griechischen Nation, die im Clinch liegt mit den bösen, reichen Nationen der EU.


    Wäre es Tsipras & Co. ernst mit den Interessen der Armen in Griechenland, dann würde er eine Volksabstimmung mit der Frage durchführen:


    "Bist du für Bedienung und Rückzahlen der griechischen Staatsschulden? - Ja oder Nein"


    Staatsschulden sind kein neues Problem:
    "Wenn die Demokraten (=Reformisten) die Regulierung der Staatsschulden verlangen, verlangen die Arbeiter (=Antikapitalisten) den Staatsbankrott". Karl Marx, An die Mitglieder des Kommunistischen Bundes, MEW 7, 253.


    Gruß Wal

  • Der Trick mit dem „Greuro“:
    Die Zeitung „Die Welt“ macht sich für eine griechische Parallelwährung stark und erklärt den "Geuro" so:


    "Im Grunde genommen handelt es sich beim "Greuro" um Schuldscheine des griechischen Staates, mit denen man etwa die Gehälter von Beamten und anderen Staatsbediensteten bezahlen kann. Die Griechen bekämen also statt Geld in harten Euro eine Art griechische Staatsanleihe, mit der sie einkaufen können. Da viele dieser Schuldscheine kursieren würden, könnte sich der "Geuro" schnell als Parallelwährung etablieren.
    Der Clou: Der "Greuro" würde recht bald zum Euro massiv an Wert verlieren, damit würden etwa die Arbeitskosten deutlich sinken. Über diesen Kniff könnte Griechenland seine Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen, ohne die Währungsunion verlassen zu müssen. Nach einer wirtschaftlichen Gesundung wäre die vollständige Rückkehr zum Euro ohne Probleme möglich."



    Der „Clou“ des Greuro wären also „deutlich sinkende Arbeitskosten“.
    Im Klardeutsch: Der „Geuro“, mit dem Löhne im öffentlichen Dienst bezahlt werden sollen, wäre weniger wert als der Euro. Heißt: Diese Lohneinkommen wären weniger wert. Kurz: Wer in Griechenland einen „Greuro“ oder andere Parallelwährungen einführt, verursacht massive Lohnsenkungen.


    Nochmals: Solange die griechische Regierung die verzinste Rückzahlung ihrer Staatsschulden zusichert, und dafür die Arbeitskraft und die Vermögen aller griechischen Staatsbürger als Bürgschaft und Hypothek nimmt, solange haben die Griechen von ihrer Regierung nichts Gutes zu erwarten - egal ob Linke oder Rechte in den Amtssesseln sitzen.


    Gruß Wal

  • Es ist für Jeden ein leichtes, sich schlauer zu fühlen als jede Regierung, das zeigt sich in jedem Politikforum.
    Was die griechische Regierung angeht, bin auch nicht frei von solchen Gefühlen.


    Als Tsipras ins Amt kam, kritisierte ich seine ausdrückliche "Anerkennung aller Schulden gegenüber allen Kreditgebern", obwohl klar war, dass keine griechische Regierung ohne Grausamkeit gegenüber den eigenen Bürgern die griechische Schuldenlast bedienen kann.
    Dann kamen viele Gespräche, viele Verhandlungen, viele Worte - und jetzt bleibt doch nur die Erkenntnis: Der griechische Staat ist bankrott und kann nicht zahlen.


    Ich denke, die linke griechische Regierung hat nicht nur viel Zeit, sondern auch viele Chancen vertan. Auch wenn eine linke Regierung wenig Geld hat, kann sie doch einiges Nützliche in Bereichen tun, die den Staat nichts oder nur wenig kosten.
    - warum hat die Tsipras-Regierung nicht das griechische Rechtssystem entrümpelt und alle sexistischen und rassistischen Paragrafen entfernt?
    - warum hat die Tsipras-Regierung nicht alle Küstenstreifen mit einer Tiefe von wenigstens 500 Metern unter Naturschutz gestellt, die weder bebaut noch sonstwie kommerziell genutzt werden dürfen?
    - warum hat die Tsipras-Regierung nicht allen Grundbesitz über einer bestimmten Größe nationalisiert?
    - warum hat die Tsipras-Regierung nicht das Parlament und die Regierung radikal verkleinert und möglichst viele Aufgaben an die griechischen Kommunen abgegeben?
    - warum hat die Tsipras-Regierung den griechischen Kommunen noch Geld genommen statt versucht, die Selbsttätigkeit und Selbstverwaltung auf unterster Ebene zu fördern?


    Das sind nur ein paar Fragen, die mir durch den Kopf gehen.
    Gruß Wal Buchenberg

  • Das parlamentarische Untersuchungskomitee in Griechenland zur Untersuchung der Schuldenlage hat seinen Bericht vorgelegt und kommt zu einem absonderlichen Ergebnis:


    "Alle Fakten, die wir in diesem Bericht präsentieren, zeigen, dass Griechenland weder die Fähigkeit noch die Verpflichtung hat, die Schulden zu bezahlen, vor allem, weil die Kredite, die aus Vereinbarungen mit der Troika resultieren, eine direkte Verletzung der fundamentalen Menschenrechte der griechischen Bürger nach sich ziehen. Daher kommen wir zu der Schlussfolgerung, dass Griechenland seine Schulden nicht bezahlen muss, weil diese illegal, illegitim und erniedrigend sind."


    So oder so ähnlich kann ein Junkie über die Schulden sprechen, die er bei seinem Dealer offen stehen hat.


    Ich meine, an der Bankrotterklärung der griechischen Regierung führt kein Weg vorbei. Falls nun die Vertreter des griechischen Staates ihre Bankrotterklärung mit lyrischen Rechtfertigungen umranken, dann ist das ein ungelenker Versuch, den europäischen "Institutionen" die alleinige Schuld für die griechische Misere zuzuschieben und von der Verantwortung der herrschenden Klasse in Griechenland abzulenken.


    Gruß Wal

    Nachtrag:
    Eine Darstellung, die der Wahrheit nahekommt, wäre: Die politisch und wirtschaftliche herrschende Klasse in Griechenland war und ist korrupt. Sie haben öffentliche Schulden angehäuft, die weder zu bedienen noch abzutragen sind. Dass diese Schulden der griechischen Eliten nun von allen griechischen Bürgern abzutragen seien, ist eine Unverschämtheit. Den Nutzen dieser Kredite hatten bisher hauptsächlich die Reichen, die Armen haben jetzt den Schaden.
    Die Troika tut, was im Kapitalismus üblich ist: Sie fordert, dass verliehenes Geld verzinst wird und dass es zurückgezahlt wird.
    Die Armen in Griechenland haben aber diese Kredite nie erhalten. Die Troika soll ihre Kredite von denen zurückfordern, die sie erhalten haben. Die EU soll die Kredite von denen verlangen, deren Unterschriften auf den Kreditverträgen stehen.

  • Leider finde ich den dazugehörigen Artikel nicht mehr, aber in einer linken Zeitung wurde mal geschrieben, der Zick-Zack-Kurs der Tsipras-Regierung könnte damit zu tun haben, dass a) es der Mehrheit der Griechen schwer zu verkaufen ist weshalb ein EU-Austritt notwendig sei und b) man so dastehen möchte, als hätte man alles erdenkliche getan, es am Ende aber keine andere Option als EU-Austritt und Staatsbankrott gäbe, weil die "Institutionen" nicht eingelenkt haben.


    Ziel dieser Außendarstellung wäre der griechischen Bourgeoisie keine Angriffsfläche für einen eventuellen Militärputsch zu geben.


    Das würde jedenfalls die Taktiererei und das Spiel auf Zeit erklären. Demgemäß würde man der Syriza-Anel-Regierung Unrecht tun und es geht weniger um Anbiederung als angenommen. Jedenfalls ist das eine Theorie. Keine Ahnung wie es wirklich ausschaut.

  • Hallo Mario,


    es kann ja so sein, wie in diesem Szenario geschildert, aber ich finde, wer nicht offen und ehrlich sagt, was er will und was er vorhat, ist ein Manipulator und Betrüger, der kein Vertrauen verdient.


    „Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 493.


    Zum Vergleich:
    Der sowjetische Ministerpräsident Mikojan besuchte Februar 1960 Havanna und berichtet von seinen Gesprächen mit Fidel und Che: Diese beiden hätten unzweideutig ihre Absicht erklärt, eine sozialistische Revolution durchzuführen, ohne dies vorerst offen sagen zu können.
    http://marx-forum.de/Forum/ind…to-Che-Guevara-1928-1967/


    Das sind zwei Wege und zwei politische Kulturen, die nicht zusammen gehören und nicht zusammen passen.
    Gruß Wal

  • Hi Wal,

    Konsens. Ich würde nur noch etwas philosophisch tiefer gehen.


    Links hat nichts mit Kommunismus zu tun, auch wenn das die meisten nicht wissen, und natürlich auch eine gewisse altruistische Empathie beide Lager verbindet. (was streng genommen falsch ist, denn auch der Arme hat kein wissenschaftliches (vierdimensionales) Bewusstsein, sondern ist Opportunist (3D-Behaviour) und will ebenfalls nur die Welt kaputtkonsumieren, egal ob durch zuviel 'Genkopien' oder 'Offroaderkopien')


    (ich habe dazu ein Modell entwickelt; die dialektische Einheit von Volk und Herrscher, wenn es interessiert kann ich es reinstellen)


    Kommunismus ist eine wissenschaftlich gestaltete Gesellschaft. (also auch ein gestaltetes Leistungsprinzip im Gegensatz zum freien Spiel der Kräfte in den religiösen Formationen)


    Links und Rechts im bürgerlichen Parlament dagegen sind die in der ESS Kapitalismus manifesten Formen von Altruismus und Egoismus.


    Hinweis:
    in meiner Phil sind alle religiösen Formationen durch zwei grundlegende Faktoren stabilisiert:


    1.) das von Marx gefundene PV nach PK -> diese von den PK geforderten PV müssen sich unter den herrschenden Mythos subsumieren lassen, anderenfalls wird er abgelöst; Marx: Schlangenhautmetapher
    -> dies beschreibt aber nur die materiell-dingliche Seite der Kultur !


    2.) und das konnte der orthodoxe Marxismus noch nicht wissen, es gab schließlich noch keine Psychologie: es ist immer - quasi genau/ähnlich wie im Tierreich - eine ESS
    -> und dies beschreibt die zwischenmenschliche Seite


    ( gut wird ESS bspw. bei Dawkin in 'Das egoistische Gen' beschrieben )



    mvg Philzer

  • Kommunismus ist eine wissenschaftlich gestaltete Gesellschaft.

    Hallo Philzer,
    von dieser Behauptung halte ich nichts.
    Ja, ich halte diese Behauptung sogar für gemeingefährlich.


    Die Behauptung, der Kommunismus sei eine "wissenschaftlich gestaltete Gesellschaft" ist für mich und wohl auch für die meisten anderen deckungsgleich mit der Behauptung, der Kommunismus sei eine "von den Wissenschaftlern gestaltete Gesellschaft".
    Die Wissenschaft war - seit es sie gibt - immer das Spielzeug und Monopol der Wissenschaftler. In der modernen Businesssprache heißt so was: KOPFMONOPOL.


    Dass Leute mit einem Kopfmonopol den Kommunismus gestalten, ist für mich und wohl auch für die meisten anderen Menschen eine gruselige Vorstellung. Ich sehe darin nur eine neue Variante der Leninschen Avantgarde-Theorie.


    Ich denke, eine Klassengesellschaft dient in erster Linie den Interessen der herrschenden Klasse.


    Wird die Klassengesellschaft beseitigt, dann können und sollen die Interessen der (kooperativ handelnden) Menschen herrschen und nichts anderes und niemand anderes.
    Zwischen den Wissenschaftlern bzw. der Wissenschaft und den Interessen der nachkapitalistischen Menschen kann Übereinstimmung herrschen, muss aber nicht. Und in der Mehrzahl der Fälle in der Vergangenheit herrschte da keine Übereinstimmung.


    Gruß Wal


  • Hi,


    Na macht nix. In meiner Phil ist das anders. Wissenschaft ist vierdimensionale Kognition, und also über eine Menschheit intersubjektivierbar.(siehe Rad; Schießgewehr etc. -> Erkennen der Welt an sich - zumindest aber der vierdimensionalen Raumzeit im Bereich des Mesokosmos)


    Religiösität, Ausdruck dreidimensionaler Kognition aus dem Unbewussten (Erkennen der Welt für sich selbst), dagegen nie, denn dann wäre es keine mehr.
    (siehe Zerfall aller Religionen wenn sie zu groß werden)


    Deine Kritik an der Wissenschaftlichkeit ist m.E. nicht logisch durchdacht, denn sie sollte sich darauf beschränken den Missbrauch von Wissenschaft durch Religiösität zu analysieren und zu kritisieren. (bei Adorno/H. die sog. instrumentelle Vernunft, bei Lenin: das tradeunionistische Bewusstsein)


    Goethe:


    Er nennts Vernunft und brauchts allein, nur tierischer als jedes Tier zu sein.



    -> ich hätte noch einige Modelle dazu, bspw. meine Phylogenese der Erkenntnisapparate, aber mal sehen, vlt. später...


    mvg Philzer



    PS: wenn Du also nicht für eine 4D-gestaltete Gesellschaft bist, dann?
    Religiösität = 3D-Behaviour = ESS = also das was wir haben!; oder eben (Scherz) 5 oder 6 dimensionale Kognition? (/Scherz) :D

  • Hi,


    "Drei Viertel der Menschen haben grundlegend gemeinsame Interessen.
    Sie sollen und können sich frei und selbstbestimmt auf Bedingungen und Umstände ihres Lebens einigen."


    Sagen wir mal so, vom Bewusstseinsstand 1915 hätte ich so etwas noch akzeptiert. :D SCNR


    Wir sind aber 100 Jahre weiter.


    Klar bestimmen sie ihre Umstände selbst, die Starken tun das weil sie es können, und die Schwachen eben nicht.
    Das ergibt dann unter Einhaltung einer Minimal-Kooperation im Ganzen eine ESS.
    Also das was wir haben.



    Was der gemeine Linke nicht begreift, er begreift vieles nicht :) - zum Beispiel das er zumeist gar nicht wissenschaftlich (vierdimensional) denken kann, sondern nur über emotionale Rhetorik kämpft - und Kampf ohne wiss. Theorie ist reine Strategieübernahme aus dem unbewussten Leben, weshalb er eben mehr als eine ESS nicht zusammen bekommt - und zwar weder praktisch noch geistig,
    was er also nicht begreift, ist das all diese falschen esoterischen Freiheiten, die er genauso liebt wie der Bourgeois selbst, eben unweigerlich den Bourgeois (Kapitalist) hervorbringen.
    Alles andere geht nur mit Wissenschaft, das aber lehnt er (genauer gesagt sein 'Es') ab, bei Strafe des Todes.


    Er dreht sich im Kreis und stirbt dabei (Fertilität). Mehr ist eben nicht. :)



    mvg Philzer

  • Hallo Philzer,
    das führt jetzt weit vom Thema Griechenland-Bankrott ab.
    Aber vorsorglich erhebe ich in der Sache Einspruch.


    Und als Moderationshinweis: Unterschiedliche Auffassungen und Theorien können hier nur dann nebeneinander und miteinander überleben, wenn wir keine wertende Urteile über andere Menschen treffen. Wir kritisieren hier Auffassungen, nicht Menschen.


    Abfällige Aussagen über den "gemeinen Linken" oder sonstige lebende Menschen sind hier ebenso Tabu wie gegenseitige Beschimpfungen.
    Ich denke, das wirst du hinkriegen! :thumbup:


    Gruß Wal

  • Hi Wal,

    das führt jetzt weit vom Thema Griechenland-Bankrott ab.
    Aber vorsorglich erhebe ich in der Sache Einspruch.


    Und als Moderationshinweis: Unterschiedliche Auffassungen und Theorien können hier nur dann nebeneinander und miteinander überleben, wenn wir keine wertende Urteile über andere Menschen treffen. Wir kritisieren hier Auffassungen, nicht Menschen.


    Abfällige Aussagen über den "gemeinen Linken" oder sonstige lebende Menschen sind hier ebenso Tabu wie gegenseitige Beschimpfungen.
    Ich denke, das wirst du hinkriegen! :thumbup:

    Ok, ich geb mir Mühe. :) Mit gemeiner Linker war kein konkreter Mensch angesprochen, sondern die Auffassungen der Linken Mehrheit. (?)


    Aber Emotionalität ist Religiösität.


    Und jede wissenschaftliche Erklärung, vor allem aber die Analyse über die Psyche des religiösen Individuums im Besonderen, ist eine starke narzistische Kränkung.



    Freud:


    .... 1917 erklärt Freud, „daß der allgemeine Narzißmus (…) bis jetzt drei schwere Kränkungen (…) erfahren“ habe, nämlich die Kränkungen der Menschheit, welche die Entdeckungen Kopernikus', Darwins und die des Unbewussten in der Psychoanalyse darstellten.


    Ich möchte Wissenschaft betreiben, nichts sonst.



    Thomas Metzinger:


    Philosophie ist die Synthese des Wissens der Zeit.



    mvg Philzer


  • Philzer


    Deine Ausführungen in allen Ehren, aber Wissenschaftsgläubigkeit (Szientismus) dürfte nicht die Lösung aller Probleme sein. Und das sage ich als jemand, der viel von wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn hält. Allerdings gibt es genügend kritikwürdige Grundvoraussetzungen der (bürgerlichen) Wissenschaft, die es erstmal zu beleuchten gelte, wofür hier allerdings nicht Platz genug ist.


    Bei der gesamten Debatte setzt du hier ein Vorwissen voraus, das wohl genügend Leute die deine Beiträge lesen nicht mitbringen. Das erschwert das Verständnis. Aber soweit ich es kapiert habe, meinst du wohl, die Linke reproduziert bürgerliche Ideologie, wenn sie einfach dem Meinungspluralismus zu Munde redet oder nach postmoderner Manier gar meint, es gäbe gar keine richtigen und falschen Erkenntnisse. Wenn das gemeint ist, gehe ich mit deiner Kritik mit.


    Wohl sollte aber nicht übersehen werden, dass die Wirklichkeit für den Menschen weitgehend intersubjektiv ist. Will heißen, obgleich es einen objektiven "Hintergrund" geben mag, den wir hier und dort erkennen können, ist die Bewertung und Interpretation dieses Hintergrunds durch die subjektive Wahrnehmung "gefiltert". Das lässt sich gar nicht vermeiden, eben weil sich Gefühle gar nicht vom Erkenntnisprozess herauslösen lassen. Im Übrigen gibt es ja auch intuitive Erkenntnisse, die sich der puren Ratio entziehen bzw. durch diese erst nachträglich erschlossen werden können.


    Wissenschaft ist hilfreich und wichtig, aber sie wird nicht alle Lösungen bieten. Schon gar nicht wenn es um Bedürfnisse geht. Und wie Wal einmal anmerkte, kann es auf dem Weg der Emanzipation deshalb gar keine Einheit des Denkens geben (das wäre blanker Totalitarismus), sondern nur eine Einheit des Handelns. Und diese ergibt sich oft nur durch Praxis, die vielfach nicht vorhersehbar ist.


    Aber wir sollten nun back to topic gehen oder einen separaten Thread eröffnen.


    PS: Dass die Armen kein Interesse an Kooperation hätten, sondern jeder nur danach bedacht wäre auf Kosten anderer mit dem Arsch an die Wand zu kommen mag unter kapitalistischen Verhältnissen nicht 100%ig falsch sein (denn schließlich ist es im Sinne der Systemlogik nur rational derart zu denken), aber das verleugnet das (teils angeborene) menschliche Einfühlungsvermögen und den Grad an Humanisierung der weltgeschichtlich trotz alledem erreicht wurde und bezüglich des Alltagsbewusstseins der Individuen in seiner Umfassenheit so noch nie da war.


    Soweit meine paar Cent dazu und was ich von deinen Ausführungen verstanden habe inklusive meiner Kritik daran. Sonst weiß ich ehrlich gesagt nicht worauf du hinaus willst und worin deine Message bestehen soll. Eine weniger philosophisch hochtrabende Ausdrucksweise wäre hilfreich.

  • Hi Mario,


    Ok, Danke für Deine Stellungnahme.


    Das beim Normalindividuum die Wirklichkeit nur begrenzt intersubjektiv ist, nämlich auf den evolutionären Nahhorizont begrenzt, ist heute durch soziobiologische Forschungen bekannt (siehe oben Link zu Metzinger - dort wird das erklärt!), eben deshalb interessiert es das Normalindividuum auch nicht wirklich wie es dem gerade geht, dessen Produkte er massenhaft im Supermarkt verkonsumiert.


    Fazit: die Schere zwischen dem emotionalen Bewusstseinshorizont des außerinstrumentellen Nichtdenkers und der globalisierten Welt, ist so groß wie noch nie.
    Ein Arbeiter der BRD bekommt 15 Euro die Stunde und konsumiert viele viele Dinge von Menschen die nur 1/10 oder gar wie in Indien nur 1/100 davon verdienen. War die Ausbeutung im Feudalismus größer? Ich glaube nicht!
    Das ist es was den Menschen hier an der Demokratie gefällt. Auch wenn es nahezu niemand zugeben wird. :D
    Das war so noch nie da. :(


    Einheit des Denkens kann es nicht geben, Konsens, aber Einheit der Denkweise, nämlich wissenschaftlich.
    Das heißt das alle strategisch/existenziellen Bewusstseinsinhalte welche von Individuen entwickelt werden, sollten hypothetischer und damit auf eine Menschheit intersubjektivierbarer Natur sein.
    Das nenne ich wissenschaftlichen Pluralismus und also Selbstverpflichtung zur Hypothese. (im Gegensatz zum esoterischen Pluralismus im Pantheismus=Demokratie)
    (die Meinung als gesellschaftspolitische Strategie ist eines Menschen nicht würdig ... o.s.ä.) ok, vlt. besser in einem anderen Thread weiter,



    -> ich wollte nur zeigen das wenn man die Welt nicht versteht, so wie das beim Demokrat eben der Fall ist, dann kann man auch die Griechenlandproblematik nicht verstehen - man verwechselt vermutlich die verschiedenen emotionalen Standpunkte (also bloßes herum-Meinen) mit Erkenntnis. :)



    mvg Philzer

  • Ich glaube du verwechselst Emotionalität mit Ideologie. Emotionen sind nicht religiös, sondern das entscheidende Mittel zur sozialen Revolution. Du blendest aus, dass Menschen auf gesellschaftlicher Ebene keine Maschinen sind und auch nicht wie solche funktionieren. Die revolutionäre Linke will die Revolution nicht aus ästhetischen oder idealistischen Gründen. Das ist kein bloßer Gewaltakt zur Befriedigung ihrer Kampflust, weil sie noch rebellische Studententräume in sich tragen. Eine Revolution verändert vor allem auch gesellschaftliche Beziehungen und Wahrnehmungen. Während die alte Konkurrenzgesellschaft, mit all ihren Fesseln und Schranken, die Menschen voneinander entfremdete, wird die Revolution sie zusammenbringen und verbinden, sie lernen sich als soziale Wesen zu verstehen. Sie müssen ihr individuelles und soziales Bewusstsein verändern, ihre Wut am Alten auslassen, um sich mit dem Neuen vertraut zu machen.
    Eine Revolution funktioniert aber überhaupt nur mit Emotionen. Was sonst gibt den Menschen ihren Antrieb zur radikalen Veränderung, wenn nicht Elend und Unzufriedenheit gepaart mit hoffnungsvoll geladener Rhetorik? Es sind keine wissenschaftlichen Analysen und strengst rationale Erkenntnisse, welche ihr Handeln determinieren. Was man braucht, ist eine wissenschaftliche Basis und die wissenschaftliche Basis, das Erbe des Marxismus, dass der Kommunismus realisierbar ist, ist bereits gegeben. Klassenbewusstsein aber, die Voraussetzung zur Umwälzung, lässt sich nicht durch Wissenschaft aufbauen, sondern durch gesellschaftlichen Kontakt und mittels gemeinsamer Gefühle. Wenn du von den Menschen verlangst erst rational zu denken, damit sie solidarisch werden, vertrittst du da eine sehr idealistische Position, wenn auch auf besonderer Art.
    Eine Revolution des Bewusstseins scheitert, wenn sie nicht mit einer Revolution der materiellen Gegebenheiten einhergeht; und eine Revolution der materiellen Gegebenheiten bleibt besiegt vergessen, wenn sie nicht das Bewusstsein revolutioniert.

  • Ich frage mich weiterhin was geschehen würde und welche Handlungsspielräume blieben, wenn eine griechische Regierung - von Syriza ist das wohl nicht mehr zu erwarten - den Staatsbankrott erklärt. Wikipedia gemäß wären typische Folgen: "



    • eine Bankenkrise, da die Banken hohe Abschreibungen auf ihre Staatskredite vornehmen müssen;
    • eine Wirtschaftskrise, da die inländische Nachfrage sinkt und Investoren Gelder zurückziehen;
    • eine Währungskrise, da ausländische Anleger die betroffene Währung meiden.

    Dies wirkt sich auf viele Bürger typischerweise durch hohe Arbeitslosigkeit und Streichung staatlicher Leistungen aus."


    Für eine auf Import angewiesene Volkswirtschaft wie diejenige Griechenlands wäre eine derartige Situation, und es wäre wohl obendrein mit einem Embargo zu rechnen, noch drastischer als momentan. Welche Maßnahmen könnten hier überhaupt angegangen werden um aus der Misere herauszukommen?
    Grüße



    Mario

  • Hallo Mario,


    ich bin nicht in Griechenland...


    Die Entscheidung steht mE: Für 'wen' soll die Misere gelöst werden?
    Ich denke, daraus ergäben sich dann vielleicht ungefähr die 'Antworten'.


    Bin da etwas ratlos insofern, als es ja wohl nicht wirklich darum geht, die Misere für die Besitzlosen und Lohnabhängigen zu lösen - dann hätte es mE gar nicht erst Verhandlungen gegeben sondern gleich Staatsbankrott.
    Für die Kapitalisten generell ja wohl eher auch nicht, dann hätte es mE ebenfalls keine Diskussion mit 'Europa' gebraucht sondern es würde gemacht, was verlangt.
    Für wen also sonst? Für die Griechen? Wer ist das im Speziellen, ich meine - es mögen schon alle in einem Boot dort sitzen, aber eben bei weitem nicht auf einem Deck.


    Und dann kommt für mich 'automatisch' für wen kann die Misere gelöst werden?


    Mein Fazit und ich lasse mich da gern vom 'Leben' korrigieren: auf dem eingeschlagenen Weg gar nicht. Es steht mE nicht eine Sekunde Warenwirtschaft zur Debatte, nicht eine Sekunde Kommunale Selbstverwaltung, nicht eine Sekunde irgendetwas prinzipielles.
    (Wie gesagt, ich bin nicht dort, vielleicht ist mir ja was entgangen)


    Vielleicht steht wirklich nur Militär oder Staatssozialismus - gelöst wird damit nichts, gelindert mE auch nicht - wo die materielle Basis nichts hergibt - einstweilen auch nichts hergeben kann oder soll - da kann mE auch nix werden.


    Sorry, daß ich so trocken und nüchtern reagiere, menschliche Schicksale bewegen mich schon, aber Mitleid bringt dort so wenig jemanden weiter wie hier.


    Liebe Grüße - Wat.

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