Doppelte Kolonialisierung der Ukraine

  • Ein Jahr nach den Maidanprotesten, die die Janukowitsch-Regierung stürzten und zum Verlust der ukrainischen Hoheit über die Krim führten, und nach einem halben Jahr erbitterter Kämpfe um die Westverschiebung der russischen Staatsgrenze zur Ukraine, hat die ukrainische Regierung in Kiew alle Zahlungen an Staatsbedienstete in den neurussischen Rebellengebieten eingestellt. Wie der neugewählte Bürgermeister von Donezk, Martinow, der FAZ mitteilte, übernimmt nun der Russische Staat diese Kosten. Igor Martinow gab an, dass nur etwa 20 Prozent der Donezker Verwaltungskosten aus eigenen Mitteln gedeckt seien. Seit Sommer „hilft uns die Russische Föderation“, sagte er der FAZ. Ohne heftige Unterstützung durch Moskau ist „Neurussland“ nicht lebensfähig.
    Die Wirtschaft dort ist weitgehend zusammengebrochen. Die Industrie der Region Donezk produziert nur noch 40 Prozent, die Industrie von Luhansk nur noch 15 Prozent der Vorjahresproduktion.


    Aber auch die Westukraine hängt längst am Finanztropf des IWF und der EU. Im April dieses Jahres rettete der IWF die ukrainische Regierung mit Kreditzusagen über 17 Milliarden Dollar vor der Pleite. Davon sind bisher 7 Milliarden Dollar ausbezahlt worden.
    700 Millionen US-Dollar monatlich muss die Kiewer Regierung für russische Gasimporte bezahlen.
    Bis Ende 2016 werden ukrainische Staatspapiere im Wert von 14 Milliarden Dollar in ausländischer Währung fällig und müssen von der Kiewer Regierung ausbezahlt werden.
    Die klamme Finanzlage Kiews wird noch bedrohlicher durch die Tatsache, dass Putin vor einem Jahr eine tödliche Schlinge um den Hals der Kiewer Regierung gelegt hatte. Damals gewährte Moskau der klammen Kiewer Regierung einen Kredit von 3 Milliarden Euro nur unter der Bedingung, dass die ukrainischen Staatsschulden unter der Grenze von 60% der jährlichen Wirtschaftsleistung (BSP) bleiben. Diese Grenze haben die Kiewer Schulden längst überschritten. Sobald diese Zahlen offiziell bestätigt werden, hat die Moskauer Regierung das vertragliche Recht, eine sofortige Rückzahlung ihrer 3 Milliarden Euro zu verlangen. Das könnte den Staatsbankrott von Kiew herbeiführen. (alle Wirtschaftsdaten aus: The Economist)


    In den Zeiten der Sowjetunion befand sich die Ukraine in einer halbkolonialen Abhängigkeit. In 23 Jahren der wiedererlangten politischen Selbständigkeit erreichten die Machthaber in Kiew keine wirtschaftliche Selbstständigkeit. Eine kleine postsowjetische Clique hat sich bereichert, die Masse der Ukrainer ist heute, 23 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ärmer als damals.


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    23 Jahre Misswirtschaft haben die Ukraine in eine doppelte Abhängigkeit zurückfallen lassen. Ja, die Großmächte, Russland im Osten, Nato und EU im Westen, haben in der Ukraine geschoben und gezogen, aber in den jetzigen Kolonialstatus ist die Ukraine vor allem wegen der Misswirtschaft und Korruptheit ihrer postsowjetischen Führungsschicht gefallen.
    Der Westen der Ukraine kann nicht mehr ohne ständige Geldzufuhr von IWF und EU überleben. Der „neurussische“ Osten hängt ab von Geld- und Sachlieferungen aus Russland.


    Leider ist weder ein Ende der wirtschaftlichen Misere, noch ein Ende des ukrainischen Bürgerkrieges abzusehen. Die neurussischen Rebellen dürfen sich vorerst als Sieger fühlen. Sie haben keine Veranlassung, einen Verhandlungsfrieden zu schließen, der sie wieder der Staatsgewalt der Kiewer unterwirft. Sie werden aber 1000 Gründe finden, um ihr Herrschaftsgebiet durch weitere Eroberungen auszudehnen.


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    Die neugewählte Regierung in Kiew hat weder die moralische Kraft noch den politischen Rückhalt, um einen „Verzichtfrieden“ schließen zu können.
    Wie das traurige Beispiel Israel zeigt, ist es für eine uneinige politische Führungsschicht viel einfacher einen scheinbar gerechten Krieg Jahr für Jahr fortzusetzen, als mit dem „Erzfeind“ einen Kompromissfrieden zu schließen.
    Wie der Krieg in Nahost wird auch der Bürgerkrieg in der Ukraine Jahre und Jahrzehnte weiter töten,
    meint Wal Buchenberg


    Hinweis: Bisherige Texte und Diskussionen im Karl-Marx-Forum zum Ukraine-Konflikt


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    Russland und der Westen von Alexander II. bis Putin



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