Zur Sklavenwirtschaft der alten Griechen

  • (Auszüge)


    Es ist ein Vorurteil, dass es immer und überall im alten Griechenland Sklaverei gegeben hätte. Es ist vielmehr ökonomisch naheliegend wie durch die Quellen ausreichend belegt, dass die Griechen zunächst ohne männliche Produktionssklaven wirtschafteten. Und erst mit männlichen Sklaven wurde zur Anhäufung von Reichtum produziert. (...)


    Wenn Sklaven als „sprechende Sache“ bestimmt sind, die einem anderen gehört, so ist über die wirtschaftliche Verwendung und Funktion dieser Sache durch ihren Herrn noch nichts gesagt. Als Sache können Sklaven sowohl ein Spielzeug als auch ein Werkzeug sein, ein Luxusgegenstand oder ein Produktionsmittel. (...)


    Unproduktive und produktive Sklaverei


    Spielzeug und Luxusgegenstand waren alle Sklavinnen und Sklaven, die für die private Lust und persönliche Bedienung ihres Herrn arbeiteten. Sie vermehrten nicht den Reichtum ihres Besitzers, sondern verzehrten ihn. Sie waren zusätzliche Mäuler, die gestopft, zusätzliche Körper, die bekleidet werden mussten, ohne dass sie zur Vermehrung des Lebensnotwendigen beitrugen. Sie schufen für ihren Herrn keinen Reichtum, sondern allenfalls Bequemlichkeit.


    Solche Luxussklaverei entwickelte sich überall schnell, wo sich Reichtum konzentrierte. Sie entwickelte sich auch bald überall in Griechenland, wo Reichtümer angesammelt wurden wie in Korinth. Aber unproduktive Luxussklavinnen und -sklaven waren das Resultat und die Begleiterscheinung von Reichtum, nicht eine Quelle von Reichtum.


    Hatten diese Dienstleistungssklaven ihre Herrinnen und Herren „bedient“, dann lag ihre Arbeitskraft brach und wurde nicht gebraucht und nicht verwendet. Solche Dienstleistungssklaven sind ökonomisch vergleichbar mit Hausdienern des 19. Jahrhunderts oder Hausangestellten der heutigen Zeit: Sie zehren als unproduktive Arbeiter am Vermögen derjenigen, die sie beschäftigen. Sie schaffen für ihre Herrschaft Bequemlichkeit und freie Zeit, vermehren aber nicht deren Besitz.


    Ganz anders produktive Sklaven, die in der Landwirtschaft, im Handwerk, im Transportwesen und in Bergwerken eingesetzt wurden: deren Arbeit war produktiv und vermehrte den Besitz ihrer Herren.
    Alles, was diese produktiven Sklaven über ihren eigenen Lebensunterhalt hinaus produzierten, fiel als kostenloses Eigentum an ihre Herren und vergrößerte deren Reichtum. Diese produktive Sklaverei war bei den frühen Griechen nicht in Gebrauch.


    Die eindeutige griechische Bezeichnung für Sklave war „doulos“. Homer gebrauchte dieses Wort nur ein einziges Mal für eine Frau (doulae). (...)


    Allerdings war auch die homerische Gesellschaft schon so weit differenziert, dass es Reiche und Arme gab, Führer und Gefolge, freie und halbfreie Arbeit in verschiedenen Abhängigkeitsstufen, die teils altersmäßig, teils geschlechtsmäßig, teils verwandtschaftlich bedingt waren.


    Solche Abhängigkeiten, wie sie Homer oder Hesiod als oiketes, therapon, pais oder padarion aufführen, waren jedoch nicht unbedingt von Dauer. Sie waren zeitlich durch freie Vereinbarung oder durch Erwachsenwerden begrenzt. Damit waren diese wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse klar von Sklaverei unterschieden.


    Erst die Produktion für den riesigen mittelmeerweiten Markt statt für den Eigenbedarf schuf den Ansporn zur Ausbeutung von Produktionssklaven. Solange Bedarfsproduktion vorherrschte, konnte Produktionssklaverei kaum eine Rolle spielen. (...)


    Der zunehmende Güteraustausch zwischen den rund 700 griechischen Städten im Mittelmeerraum und den vielen weiteren außergriechischen Siedlungen und Wirtschaftsräumen schuf also sowohl die Möglichkeit als auch den Ansporn zur Warenproduktion und zur Steigerung der Warenproduktion. Als Resultat der griechischen Kolonisation entstand der Ansporn zu weiterer Produktionsausweitung.
    Aber woher sollte diese zusätzliche Produktionsleistung kommen?


    Extensive Reichtumsproduktion

    Bei gegebener Arbeitsproduktivität und gegebener technischer Ausstattung war eine Steigerung der handwerklichen und landwirtschaftlichen Produktion allein durch Zufuhr neuer Arbeitskräfte möglich. Für diese Zufuhr standen jedoch kaum freie Arbeiter zur Verfügung.


    Es gab zwar durchaus freie Griechen, die sich für Lohn verdingen mussten, aber das waren Saison- und Gelegenheitsarbeiter, die sich nur so weit verdingten, wie sie das nötig hatten. Endete ihr Arbeitsverhältnis, dann endete auch ihre Arbeitsleistung. Zusätzliche Schranken für die Nutzung freier Arbeiter schufen der häufige Kriegsdienst, der viele solcher „kleinen“ Leute absorbierte, sowie eine Vielzahl von Feier- und Festtagen. Eine vermehrte Reichtumsproduktion machte die Vermehrung der Arbeitskräfte nötig.


    Sklaven zur Bedienung im Haushalt, im weitesten Sinne „Dienstleistungssklaven“, hatte es längst gegeben. Nun setzten die Griechen auch dort Zwangsarbeiter, sprich Sklaven ein, wo sie an der Steigerung der Produktion für den Markt, das heißt an der Steigerung des Reichtums interessiert waren. Die jetzt zunehmende männliche Produktionssklaverei war auf ein wachsendes Mehrprodukt, das heißt auf wachsende Reichtumsproduktion ausgerichtet.


    Intensive Reichtumsproduktion

    Extensives Wachstum des individuellen und gesellschaftlichen Reichtums war mit freien Arbeitern in der Antike kaum möglich. Noch weniger war mit freien Arbeitern ein intensives Wachstum der Produktion möglich.


    Intensives Wachstum stammt bei gleichbleibender Arbeiterzahl aus der Verlängerung der Arbeitszeit, Senkung der Lebenshaltungskosten der Arbeitskraft und Aus- und Fortbildung der Arbeitskräfte zur Steigerung der Produktivität.


    Eine Verlängerung der Arbeitszeit war bei freien Arbeitern mit Werkvertrag so gut wie ausgeschlossen. War das vereinbarte Arbeitsprodukt geschaffen, dann war der Arbeitsvertrag beendet und der Tagelöhner ging nach Hause. Sein Auftraggeber hatte keine Verfügung über die brach liegenden Arbeitspotenziale dieses Arbeiters. Anders bei Sklaven. Ihre gesamte Lebens- und Arbeitskraft stand unter dem Kommando des Sklavenbesitzers. Es war seinem Kalkül und seinem Geschick überlassen, ob er den Sklaven schon in wenigen Monaten oder erst nach Jahren zu Tode schindete. Vor allem in der Bergwerksarbeit war die Lebensdauer der eingesetzten Sklaven so kurz, dass antike Autoren ihr Mitleid mit ihnen nicht verbargen. (...)


    Allerdings wäre es falsch zu sagen, dass die gesamte Arbeitszeit des Sklaven für die Reichtumsproduktion des Sklavenbesitzers zur Verfügung stand. Eine bestimmte Zeit des Arbeitstages arbeiteten die Sklaven für ihren eigenen Lebensunterhalt. Sie mussten essen, wohnen und bekleidet werden. Soweit ihr Lebensunterhalt also dem Sklavenbesitzer Kosten machten, war das ein Abzug von der Gesamtarbeitsleistung des Sklaven.


    Diese Zeit des Arbeitstages, in der der Sklave den Gegenwert seines Lebensunterhalt herstellte, kann „notwendige Arbeitszeit“ genannt werden. Sie war notwendig für den Erhalt des Sklaven. Diese notwendige Arbeitszeit war die Arbeitszeit, die auch ein selbstarbeitender Bauer oder Handwerker für seinen Lebensunterhalt arbeiten musste. Ein Handwerker oder Bauer konnte nach dieser Zeitperiode die Arbeit niederlegen, diese Entscheidungsfreiheit hatte ein Sklave nicht.


    Der Arbeitstag des Sklaven muss also ökonomisch aufgeteilt werden in einen Zeitanteil, in dem der Sklave seine Kosten ersetzt (das war die für seinen Lebensunterhalt notwendige Arbeitszeit) und in einen Zeitanteil, in dem er Reichtum akkumuliert für seine Besitzer (sogenannte Mehrarbeitszeit).


    Allerdings akkumulierte ein Sklave in seiner Mehrarbeitszeit nicht für einen einzigen Besitzer. Der Sklave war zu einem gewissen Preis gekauft worden. Der Einkaufswert musste vom Sklaven erst einmal abgearbeitet werden, bevor seine Arbeit für den neuen Besitzer Reichtum schuf.
    Je nach Kaufpreis konnte das Jahre dauern. Der Einkaufspreis eines Sklaven war ein Abzug vom Gewinn des neuen Herrn und ging als Wert an den Vorbesitzer des Sklaven.
    Nur was die Sklaven über ihren Einkaufspreis plus ihren eigenen Lebensunterhalt hinaus erarbeiteten, war der Gewinnzuwachs des neuen Herren.


    Bevor Sklavenbesitzer ihren Reichtum durch Sklavenarbeit vermehren konnten, hatten schon Sklavenbesitzer ihren Reichtum durch den Sklavenhandel vermehrt. Die Griechen verdienten als Sklavenbesitzer am Sklavenhandel, bevor sie selbst produktive Sklavenarbeit ausbeuteten.


    Da ein gekaufter Sklave seinen Kaufpreis erst amortisieren musste, konnte es also vorkommen und musste es vorkommen, dass ein Sklave seinem neuen Herrn nicht das einbrachte, was der Kaufpreis versprochen hatte.
    Der Sklave war vielleicht teuer eingekauft worden und war nicht so kräftig, so geschickt, so fleißig, so gesund, dass er seinen Kaufpreis amortisieren und darüber hinaus Reichtum für seinen Herrn akkumulieren konnte. In diesem Fall machte der neue Besitzer mit seinem Sklaven sogar Verlust. Er musste sehen, ihn wieder loszuwerden. Nicht anders war die Situation für alte und kranke Sklaven. Sie brachten ihren Herren zunehmend weniger ein. Viele Besitzer von unrentablen, alten oder kranken Sklaven werden versucht haben, solche Sklaven loszuwerden, sie um jeden Preis loszuschlagen.




    In der griechischen Komödie traten Sklaven nur als hässliche Alte auf, als nutzlose und dumme Geschöpfe.


    Die je nach den individuellen Eigenschaften des Sklaven schwankende Rentabilität der Sklavenarbeit musste zu einer ständigen Fluktuation auf dem Sklavenmarkt führen, sodass zunehmend auch ärmere Griechen sich einen Sklaven billig erwerben konnten, so wie sich heutzutage auch niedrige Einkommensbezieher für wenig Geld ein gebrauchtes Auto kaufen können.
    Ob sie sich dann auch den Unterhalt der klapprigen Mühle leisten können, ist eine andere Frage. Ähnlich wie heute die Zahl der Autos konnte damals die Zahl der Sklaven ständig zunehmen, ohne dass sich der wirtschaftliche Gewinn aus der Sklavenarbeit auf alle gleichmäßig verteilt hätte.


    Soziale Differenzierung durch Sklavenarbeit

    Die produktive Verwendung von Sklavenarbeit wurde in den griechischen Stadtgemeinden seit 600 v. Chr. zum Alltag. Aber die Verwendung von Sklaven und der Nutzen durch Sklavenarbeit waren nicht gleichmäßig verteilt und konnten es nicht sein. Junge, kräftige Sklaven mit produktiven Fähigkeiten waren teuer. Nur alte, verbrauchte Sklavinnen und Sklaven waren preiswert. Wer höhere Summen in produktive Sklaven investieren konnte, konnte auch höhere Summen an ihnen verdienen.


    Die Reichtumsproduktion der Sklaven wurde zum Sprengmittel, das die frühere Homogenität der Polisgesellschaft zerstörte, indem es die soziale Differenzierung in Arm und Reich vorantrieb. Das soll anhand des folgenden Modells anschaulich gemacht werden.


    Das Modell hat keine absoluten Größen nötig.
    Angenommen wird dabei ein gewisses Verhältnis der notwendigen Arbeitszeit der Gesellschaft (Arbeit zur eigenen Reproduktion) zur Mehrarbeit (Arbeit zur Überschussproduktion = Anhäufung von Reichtum). Vorausgesetzt wird damit auch ein gewisses Verhältnis der notwendigen Arbeitszeit zur Gesamtarbeitszeit, der Summe aus notwendiger Arbeitszeit und Mehrarbeitszeit. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass mit dem Steigen oder Sinken der Arbeitsproduktivität dieses Verhältnis sich ändert. Je niedriger die Arbeitsproduktivität ist, desto größer ist im Verhältnis die notwendige Arbeit zur Mehrarbeits- oder Gesamtarbeitszeit der Gesellschaft.


    Als Anhaltspunkt für das Verhältnis von notwendiger Arbeit zur Mehrarbeit bei den Griechen stütze ich mich auf eine Inschrift aus dem Jahr 329/328 v. Chr., auf der das Getreideopfer aus Attika an das Heiligtum von Eleusis verzeichnet ist. Von diesem Opfer machte Gerste elf Zwölftel, Weizen ein Zwölftel aus. Gerste war aber das Grundnahrungsmittel des Volkes, Weizen ein Luxusnahrungsmittel der Wohlhabenden. Man kann aus diesem Verhältnis auf das ungefähre Größenverhältnis des damaligen gesellschaftlichen Überflusses zum Lebensnotwendigen in Attika schließen.


    Ich nehme daher ein Verhältnis von 1 zu 12 als Größenverhältnis des damaligen Mehrprodukts (= gesellschaftliches Überschussprodukt über das Lebensnotwendige) zur Gesamtarbeit. In Arbeitszeit gerechnet hieße das, dass die notwendige Arbeit im Durchschnitt elf Stunden und die Mehrarbeitszeit eine Stunde betragen hätte.


    Man muss annehmen, dass sich dieses Verhältnis im Laufe der Zeit geändert hat und von Gebiet zu Gebiet unterschiedlich war. Solche Unterschiede können wir hier außer Acht lassen, denn die in der folgenden Rechnung aufgezeigte Wirkung ist auch mit beliebigen anderen Zahlenverhältnissen festzustellen.


    Ich nehme weiter an, dass in der griechischen Antike die Sklavenarbeit durch geringere Lebenshaltungskosten und durch längere Arbeitszeiten – wie oben dargestellt – produktiver war als freie Lohnarbeit. Ich unterstelle daher im folgenden Modell, dass Sklavenarbeit aus zehn Stunden notwendiger Arbeit und zwei Stunden Mehrarbeit bestanden hat. Auch hier kommt es nicht auf präzise und absolute Größen an.


    Die Anwendung von produktiver Sklavenarbeit führte notwendig zu erheblichen Unterschieden im Reichtum, führte notwendig zu sozialer Differenzierung. Das verdeutlicht folgende Modellrechnung.


    Falls ein freier griechischer Bauer oder Handwerker seinen gesamten Ertrag aus dem eigenen Mehrprodukt (dem Überschussprodukt über seinen notwendigen Lebensunterhalt) aufsparte, dann konnte er (bei dem gegebenen Verhältnis der Gesamtarbeit zur Mehrarbeit von 12 zu 1) in einem Jahr ein Zwölftel seines Einkommens sparen. Also dauerte es (alle Wechselfälle ausgeschlossen) zwölf Jahre, bis dieser freie griechische Bauer oder Handwerker seinen bisherigen Besitz verdoppeln konnte.


    Betrachten wir nun einen griechischen Handwerker, der zusammen mit zwei Sklaven produzierte. Unter der Voraussetzung, dass Sklavenarbeit zwei Zwölftel oder ein Sechstel Mehrprodukt lieferte, konnte der Sklavenbesitzer im Jahr zwei Sechstel aus der Mehrarbeit seiner Sklaven und ein Zwölftel aus eigenem Mehrprodukt aufsparen. Er hätte (alle Wechselfälle ausgeschlossen) seinen Besitz in sechs Jahren verdoppelt.


    Nehmen wir nun einen griechischen Sklavenbesitzer mit sechs Sklaven, der selbst nicht mitarbeitete, sondern einen besonders ausgebildeten Sklaven als Aufseher hielt. Anschaffung und Unterhalt dieses unfreien Sklavenaufsehers sei so teuer, dass er seinem Besitzer kein Mehrprodukt lieferte. Dann erhielt der Sklavenbesitzer ohne eigene Arbeit pro Jahr von fünf Sklaven je ein Sechstel Mehrprodukt, zusammen fünf Sechstel. Der Sklavenbesitzer würde seinen Besitz in knapp drei Jahren verdoppeln.


    Wie weit sich unter diesen Verhältnissen die Schere zwischen Arm und Reich im Zeitraum von zwölf Jahren öffnen musste, veranschaulicht die Grafik.






    Der selbstarbeitende griechische Bauer oder Handwerker ohne Sklaven hätte nach zwölf Jahren seinen Besitz verdoppelt, der Anwender von zwei Sklaven hätte in der gleichen Zeit seinen Besitz verdreifacht, der Anwender von fünf Sklaven versechsfacht. Allerdings wurden dabei wirtschaftliche Bedingungen unterstellt, wie sie optimistischer und günstiger nicht hätten sein können.


    Nehmen wir die in der wirtschaftlichen Realität unvermeidlichen Wechselfälle wie Erkrankungen, Missernten, Teuerungen, Unterbrechungen der Zufuhr oder des Absatzes durch Kriege oder Naturkatastrophen in unsere Rechnung auf, dann müssen wir einen Teil des angehäuften Reichtums als Vorrat für Notzeiten abrechnen.


    Erreicht diese Minderung des akkumulierten Reichtums in zwölf Jahren die Größenordnung eines normalen Jahreseinkommens, dann kommen wir an den Wendepunkt, wo der einzelne griechische Handwerker oder Bauer ohne Sklavenarbeit keinen Eigentumszuwachs mehr erzielen konnte. Wurde der Einkommensabzug durch Notzeiten noch größer, erlitt er einen Rückgang seines Einkommens und wurde ärmer. Ganz anders seine mit Sklaven wirtschaftenden Konkurrenten, die ihr Einkommen noch erhöhen konnten, auch wenn sie die gleiche Einbuße (ein einfaches Jahreseinkommen) erlitten: Bei Abzug eines einfachen Jahreseinkommens hätte der Handwerker mit zwei Sklaven nach zwölf Jahren noch eine Einkommenssteigerung auf das Doppelte erreicht, der Eigentümer von sechs Sklaven eine Steigerung auf das Fünffache.


    Sobald die Sklavenarbeit einen gewissen Anteil der Gesamtarbeit ergriff und sobald die Warenproduktion einen gewissen Anteil der Gesamtproduktion ausmachte, war jeder Bauer und jeder Handwerker bei Strafe des allmählichen Ruins gezwungen, ebenfalls Sklavenarbeit anzuwenden und ebenfalls für den Markt zu produzieren. (...)


    Die Sklavenarbeit untergrub die weitgehende Homogenität der frühen Polisgesellschaften, die vor allem auf der Kooperation der Bauern untereinander beruhten. Die frühere Interessengemeinschaft der Bauernkrieger, die ihr Land und ihre Interessen gegen Alteingesessene oder Eindringlinge gemeinsam verteidigten, wurde gesprengt.


    Ökonomisch sichtbar wurde die Auflösung der Polisgemeinschaft am wachsenden Vermögen der Reichen und an der sozialen Differenzierung der Polisgesellschaft.


    Der Schweinehirt von Odysseus hatte noch in alter Zeit vom Reichtum seines Herrn geprahlt: „Nicht zwanzig Männer zusammen haben so viele Reichtümer.“ (Odyssee 14, 96 f.) Das Zwanzigfache eines Durchschnittshaushaltes war also in der Welt Homers ein märchenhafter Reichtum.


    Einige Jahrhunderte später, im 5. Jahrhundert v. Chr., war solcher individuelle Reichtum mehr oder minder alltäglich. Von dem Landgut eines gewissen Buselos in Eleusis wissen wir, dass es einen Wert von 12.000 Drachmen hatte, ohne dass dieser Reichtum irgendeinen Anlass zum Erstaunen gab. Der Besitz dieses Buselos war vierzigmal größer als die damalige athenische „Armutsgrenze“ von 300 Drachmen, bis zu der ein athenischer Bürger Anspruch auf staatliche Unterstützung hatte.


    Politisch sichtbar wurde der Verlust der ursprünglichen Gemeinschaftlichkeit und Interessenidentität der Polisgesellschaft, sobald soziale Gruppen innerhalb einer Polis politische Bündnisse mit Gruppierungen in einer anderen Polis eingingen, was sich bis zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen in einer Polis zuspitzen konnte. Das aber war politischer Alltag in den wohlhabenden griechischen Städten der klassischen und der späteren Zeit. (....)


    Ungekürzter Text hier:


    Gruß Wal Buchenberg

  • Ich halte die unterscheidung zwischen" produktiver und unproduktiver Sklaverei" für fragwürdig.

    Sie schaffen für ihre Herrschaft Bequemlichkeit und freie Zeit, vermehren aber nicht deren Besitz.


    Quote

    „Arbeitszeit ... bleibt immer die schaffende Substanz des Reichtums und das Maß des Aufwands, der seine Produktion verlangt. Aber freie Zeit, verfügbare Zeit, ist der Reichtum selbst – teils zum Genuss der Produkte, teils zur freien Tätigkeit, ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 253.

    http://marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_k/klassenlos.html
    Die geschaffene freie Zeit (als Produkt der Sklavenarbeit) schafft auch die Möglichkeit sie wiederum neuerliche Produktivität zu verwandeln. Auch die Bequemlichkeit mag kein anhäufbarer aufgeschobener Reichtum sein, ist aber dennoch Produkt (und deshalb eben: produktiver) Sklavenarbeit


    Erst die Produktion für den riesigen mittelmeerweiten Markt statt für den Eigenbedarf schuf den Ansporn zur Ausbeutung von Produktionssklaven. Solange Bedarfsproduktion vorherrschte, konnte Produktionssklaverei kaum eine Rolle spielen. (...)


    Der Markt brachte neue Produkte und Begierde und damit fremdes _beschütztes_ Eigentum, das nur gut zu ergattern war durch Tausch. Das brachte die Notwendigkeit und die Möglichkeit selbst Eigentum zu produzieren (die Möglichkeit, weil gleichzeitig auf dem Markt fremder Bedarf nach eigenen Produkten entstand)


    Vor dem Markt war der Sklave (oder als Mensch in ähnlcher Abhängigkeit) wohl eher als Soldat von Bedeutung, um Reichtum anzuhäufen. Oder irre ich mich da?

  • Hallo Agnes,
    es ist dir unbenommen, die Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Sklavenarbeit für "fragwürdig" zu halten. Ein isoliertes Marx-Zitat mit einem Reichtumsbegriff, der epochenübergreifend ist ("Reichtum ist freie Zeit"), reicht mir jedenfalls nicht als Argument.
    Marx hat sich lange und ausgiebig mit dem Unterschied von produktiver und unproduktiver Arbeit befasst. Und Marx hatte diese Unterscheidung auch ausdrücklich auf Sklavenarbeit bezogen: "Ein produktiver Arbeiter ist einer, der Reichtum seines Herrn unmittelbar vermehrt, sagt Malthus ... sehr richtig; ... das gilt ebenso vom Sklaven ... K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 213 Anm.


    Zurück zur Geschichte der Griechen:
    Fakt ist, dass die Griechen von ihren Anfängen bis in homerische Zeit alle im (Raub)Krieg besiegten Männer getötet hatten. Die Frauen ließen sie - wie das Vieh - am Leben und nahmen sie als Zweitfrauen oder Sklavinnen in ihren Haushalt.
    Das machten die Griechen so lange, bis sie auch nützliche Verwendungszwecke für die besiegten Männer hatten.


    Der Nutzen, den die alten Griechen aus den Sklavinnen zogen, war also zeitlich und inhaltlich klar von dem Nutzen geschieden, den sie aus den männlichen Sklaven ziehen konnten. Aus meiner Sicht lassen sich diese Unterschiede am ehesten durch die "klassisch-ökonomische" Unterscheidung "unproduktiv" und "produktiv" klären.
    Die Bestimmung "produktiv-unproduktiv" bezieht sich laut Marx auf die ökonomische "Formbestimmtheit der Arbeit", nicht auf ihren Inhalt. Siehe K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 196.


    Das Arbeitsergebnis des männlichen Sklaven trat (in der Regel) auf den Markt. Das Arbeitsergebnis (in der Regel) der Sklavinnen nicht. Die Arbeit der Sklavinnen diente der Reproduktion. Die Arbeit der Sklaven diente der Produktion.
    Der Wechsel von unproduktiver zu produktiver Sklavenarbeit war der Epochenwechsel der griechischen Antike.


    Gruß Wal

  • Hallo Wal,
    da meine Gedanken des Nachts nochmal darum kreisten, will ich meinen ursprünglichen Einwand doch noch erklären - obwohl ich auch deine Sicht ja verstehe.


    es ist dir unbenommen, die Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Sklavenarbeit für "fragwürdig" zu halten. Ein isoliertes Marx-Zitat mit einem Reichtumsbegriff, der epochenübergreifend ist ("Reichtum ist freie Zeit"), reicht mir jedenfalls nicht als Argument.


    Das epochenübergreifende Argument war ja gerade Absicht, und auch die Begriffe der Produktivität würde ich, wenn es um das Allgemeine geht eben so verwenden:


    „Betrachtet man den ganzen Prozess vom Standpunkt seines Resultats, des Produkts, so erscheinen beide, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, als Produktionsmittel und die Arbeit selbst als produktive Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 196.


    „Diese Bestimmung produktiver Arbeit, wie sie sich vom Standpunkt des einfachen Arbeitsprozesses ergibt, reicht keineswegs hin für den kapitalistischen Produktionsprozess.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 196, Anm. 7.


    (alle Marxzitate dem Forum-Lexikon entnommen (das im übrigen sehr gut und oft hilfreich war und ist- danke Wal !!!)


    Das speziell im Kapitalismus eben Reichtum in Warenwert sich misst und in dieser Beziehung Arbeit nur produktiv ist, wenn sie sich an dieser Art Reichtum zu messen vermag, war gerade der Grund, warum ich die Unterscheidung von produktiver und unproduktiver in einer vorkapitalistischen Zeit für fragwürdig halte.


    „Nur die Arbeit, die Kapital produziert, ist produktive Arbeit. ... Damit ist auch absolut festgesetzt, was unproduktive Arbeit ist. Es ist Arbeit, die sich nicht gegen Kapital, sondern unmittelbar gegen Revenue (= Mittel zum Lebensunterhalt/Privatkonsum) austauscht ...“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert I, MEW 26.1, 127.


    Was Marx hier meinte, macht ja gerade nur für den Kapitalismus Sinn!


    Aber natürlich kann man die Tätigkeit der "unproduktiven" Sklavin am Maßstab des Kapitalismus blamieren, wie es mit dem Tun der Hausfrau im Kapitalismus auch geschieht.


    In einer eventuell nachkapitalistischen Epoche sollte die einseitige Arbeitswahrnehmung ja auch negiert sein, weil der
    Maßstab des Reichtums jener ist, der auch für den Sklavenhalter einer war: Freizeit und Bequemlichkeit (nur künftig ja hoffentlich nicht mehr auf Kosten anderer).


    (Daneben gab es natürlich für die Sklavenhalter auch noch den Reichtum in Form von Luxusgegenständen oder Gold, aber eben grundlegend nicht in Form von Kapital als Eigentum an Produktionsmitteln.)


  • Hallo Agnes,
    Die Marxsche Bestimmung des Reichtums als "freie Zeit" halte ich wie du für eine ganz kluge und wichtige Bestimmung.
    Und wie du sehe ich in diesem Freie-Zeit-Reichtum ein zentrales Element der künftigen Gesellschaft.


    Du "zwingst" mich nun, diese Bestimmung auf den, wie ich meine, fundamentalen Unterschied zwischen weiblicher/männlicher Sklaverei in der griechischen Antike anzuwenden. Mein Versuch:
    In meinem Buch über die griechische Frühzeit gibt es auch ein eigenes Kapital über die Arbeit der Frauen. In dieser Arbeit gab es durchaus auch produktive Tätigkeiten im landläufigen Sinn, die einen materiellen Reichtum erzeugten, also solche Tätigkeiten wie Tuche weben, das Vieh betreuen etc.
    Soweit nun weibliche Sklaven in den Haushalt aufgenommen wurden, so wurde damit freie Zeit für die Frau des Hauses geschaffen, nicht für den Mann. Die Trennung in männliche und weibliche Tätigkeiten war relativ strikt - vor allem für die Polisbewohner.


    Freie Zeit für Männer wurde erst dann gewonnen, als die männlichen Tätigkeiten sich so weit spezialisiert hatten, dass ein griechischer Handwerker oder Bauer einfache Tätigkeiten ausgliedern konnte, die er dann einem Sklaven auftrug. In aller Regel waren diese männlichen Sklaven zunächst nur Hilfsarbeiter.
    Diese Arbeitsteilung erforderte aber immer noch, dass die Sklavenhalter als Aufseher und "Meister" die Arbeit anleiteten und überwachten. Durch diese männliche Sklavenarbeit wurde also der materielle Reichtum vermehrt, aber noch keine freie Zeit für den Sklavenhalter gewonnen.


    Reichtum als freie Zeit ergab sich erst, als sich die Arbeitsteilung und damit auch der materielle Reichtum so weit ausdifferenziert hatten, dass auch Sklaven als Aufseher und als "Meister" bzw. "Facharbeiter" eingesetzt werden konnten.
    Jetzt erst schuf die Sklavenarbeit nicht nur materiellen Reichtum, sondern auch freie Zeit für die männlichen Polisbewohner.
    Erst jetzt waren Sklavenhalter von Arbeit befreit und es waren nur solche Sklavenhalter von Arbeit befreit, deren Sklaven in Anzahl und Ausbildung ein bestimmtes Mindestmaß überschritten hatten.
    Die gewonnene freie Zeit füllten diese Sklavenhalter mit "Politik" und mehr oder minder fruchtlosen Debatten. :thumbsup:


    Dass freie Zeit (der männlichen Griechen) die Voraussetzung war für die Entwicklung von Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Architektur darüber besteht Einigkeit auch unter Universitätswissenschaftlern.
    Freie Zeit der männlichen Mazedonier (waren das überhaupt Griechen?) war auch die Basis für die Entwicklung ihrer Kriegstechnik und Kriegskunst, also der Eroberungszüge eines Alexander.


    Reichtum als freie Zeit erfüllt sich also erst auf einem gewissen Höhegrad der gesellschaftlichen Entwicklung und der gesellschaftlichen Produktion.


    Außerdem beweist sich die freie Zeit nur für diejenigen wirklich als Reichtum, die in ihrer freien Zeit Zugang zu allen gesellschaftlichen und technischen Möglichkeiten ihrer Epoche haben.
    Wer zum Beispiel heutige HartzIV-Empfänger oder Durchschnittsrentner als "reich" bezeichnet, weil sie über vergleichsweise viel leere Zeit verfügen, der übersieht, dass ein Mindestmaß an materiellem Reichtum nötig ist, um die freie Zeit wirklich genießen zu können. Für HartzIV-Empfänger und Durchschnittsrentner erfüllt sich nicht freie Zeit als Reichtum, sondern freie Zeit als Armut, die gegebenenfalls noch drückender ist als "Keine-Zeit-in Lohnarbeit", weil ihnen die Mittel fehlen, um die freie Zeit sinnvoll zu gestalten.
    Für HartzIV-Empfänger und Durchschnittsrentner schafft die "freie" Zeit keine Freiheit für etwas (Bildung, Kunst, Reisen, Gemeinschaft etc.), sondern nur eine Freiheit von etwas (von Lohnarbeit). Das ist keine wirkliche Freiheit


    Im übrigen:
    Es bleibt auch eine epochenübergreifende Wahrheit, dass Reproduktionsarbeit den vorhandenen materiellen Reichtum nicht vermehrt. Die Reproduktionsarbeit ist auf die Zulieferung von ausreichend materiellen Produkten angewiesen: Mehl für Brot, Wolle für Tuch, Putzmittel zum Säubern etc.
    Insofern ist materielle Produktion immer die Voraussetzung der Reproduktion. Während die Reproduktion die Menschen und die Sachmittel wieder zurückführt zum Ausgangspunkt der Produktion.
    Klassische Reproduktionstätigkeiten (Kinder versorgen, Essen machen, Hausputz etc.) vermehren nicht den materiellen Reichtum, sind aber zwingend notwendig für die Fortdauer und für den Genuss jedes Reichtums.


    Warum der moderne Feminismus unbedingt aus Reproduktionstätigkeiten "produktive Arbeit" machen will, ist mir ein Rätsel.
    Da halte ich es mit dem alten Marx, der meinte: "Produktiver Arbeiter zu sein ist ... kein Glück, sondern ein Pech.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.
    Es gibt heute ja keine einzige "weibliche" (Reproduktions)Arbeit mehr, die nicht schon vom Kapital in abhängige Lohnarbeit und damit in kapitalistisch-produktive Arbeit verwandelt worden wäre. Alle diese Dienstleistungsberufe (Pflege, Säubern, Wachen, Entsorgen etc.) sind am Elendsrand der Lohnarbeit angesiedelt. Als Dienstleisterin in einem Lohnverhältnis zu stehen und damit zur produktiven Arbeiterklasse zu zählen, ist wahrlich ein Pech!


    Gruß Wal

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