Sinkt die Profitrate des Kapitals?

  • Für den Verlauf einer Tendenz spielt es eine entscheidende Rolle, welchen Ausgangspunkt man wählt.


    Die folgende Darstellung nimmt als Ausgangspunkt das Krisenjahr 1975 – als die Profitraten allgemein niedrig waren. Wir sollten also erwarten, dass nach diesem Tiefpunkt die Profitraten allgemein steigen.
    Die Grafik zeigt es anders:




    Für die Profitrate in Deutschland sehe ich keine großen Veränderungen. Die Profitrate beginnt in dem Fünfjahreszeitraum vor 1980 bei gut 8% und erreicht diese Niveau wieder im Zeitraum 2005 – 2010.


    Ich möchte hinzufügen: Die Profitrate in Deutschland ist mehr oder minder gleich geblieben, obwohl die Reallöhne seit 2000 stagnieren, obwohl die Sozialausgaben pro „Fall“ um 50% gesenkt wurden (andernfalls wären die Sozialabgaben durch die Decke gerauscht), und obwohl die Exportindustrie boomte. Wir können mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass nur deshalb und aus diesen Gründen die Profitrate in Deutschland nicht wesentlich sank.


    In den USA zeigt die Profitrate eine leicht fallende Tendenz (von 6,6% auf rund 6 %) – mit Ausnahme der Jahre 2008 – 2010. Das waren die Jahre der Geldschwemme (Qantitative Easing). Man wird sehen, wie lange das vorhält.


    In Frankreich, Italien und Japan lagen die Profitraten bei 6 % oder etwas mehr und fielen auf fast 4 %.


    Die obigen Daten stammen aus der hochinteressanten Studie von Piketty u.a.: „Capital is back“.


    P.S.
    Es gibt recht unterschiedliche Arten, die Profitrate zu berechnen. Ich denke, nicht, dass man da in die Rechen-Details gehen muss. Ich denke, es genügt für Diskussionen im Alltag, wenn wir Arbeitsergebnisse von nichtmarxistischen Wissenschaftlern aus dem universitären Umfeld nehmen. Ich kenne jedenfalls keine seriöse Berechnung, die für die Zeit nach 1945 in Deutschland und Europa eine steigende Profitrate zeigt.


    Hier noch eine jüngere Berechnung des Statistischen Bundesamtes.





    Gruß Wal Buchenberg

  • Wal, deine Absicht, Behauptungen über "finale Krise DES Kapitalismus" zu widerlegen, teile ich voll und ganz. Die Alternativthese, die du zu verfolgen scheinst, die nämlich von der Verlagerung der relevanten Standorte in die "Peripherie", finde ich nicht präzise genug formuliert, als dass ich ohne weiteres zustimmen könnte.
    Was nun deine Feststellung zur Profitrate einzelner Kapitale oder Kapital-Fraktioonen, auch regionaler, nationaler, oder welcher auch immer, angeht, so möchte ich hier an einen ganze einfachen Sachverhalt erinnern: MEHR WETTBEWERB.
    Der bedeutet immer: Umverteilung, Neuverteilung der überhaupt erzielbaren Profite. Standort-Nachteile (es gibt ja auch einen Standort-Wettbewerb) und LOKALE Folgen (zb Verlust vorübergehender regionaler Wettbewerbsvorteile; beides gibt es in "Kernländern" wie "Peripherie") der Ausbreitung der kap.Produktionsweise auf den gesamten Globus, eben die Globalisierung können natürlich nicht als Beleg einer "globalen" "Verwertungskrise" DES Kapitals interpretiert werden. Die (derzeit völlig offene) Frage ist, ob wir allgemein-theoretische Gründe haben, mit der Tendenz zu solch einer Verwertungskrise spätestens des globalisierten Kapitalismus zu rechnen. Die Frage ist offen, und über sie nachzudenken (auch über ihre mögliche Unentscheidbarkeit allein mit theoretischen Überlegungen), erscheint mir berechtigt und für politisches Handeln durchaus relevant. (Ich selber beschäftige mich damit; wie könnte ich da die Beschäftigung mit diesem Thema vorwerfen (also keinerlei "üble Nachrede" dieserhalb von meiner Seite, wie du sie im andern thread bemerkt zu haben glaubtest).
    Alles Gute, f.

  • Hallo Franziska,
    ich werde in den nächsten Tagen noch mehr Material zum Verhältnis kapitalistische Kernzone - kapitalistische Peripherie bringen. Was sich daraus ablesen lässt, wäre zu diskutieren, und ich freue mich über sachdienliche Hinweise und Kritik - von dir und von anderen.


    Aber: Auf meine "Absicht" kommt es hier (und auch sonst) nicht an. Was Absichten angeht, halte ich es ganz mit Hegel, der meinte, alles Schlimme in der Welt sie in bester Absicht getan worden.
    Deshalb lohnt es nicht über mögliche Absichten von mir oder anderen zu diskutieren. Was zählt, ist allein das Resultat, die Ergebnisse (Text/Argument oder Daten).
    Was zeigen sie? Was lässt sich daraus ablesen und was nicht? Welche möglichen Konsequenzen kann das für uns haben?
    Das steht hier zur Debatte und das ist reichlich Diskussionsstoff.


    Gruß Wal

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