Welt des Geldes und Welt der Waren




  • 1. Lohnabhängige und Geld
    Unser Verhältnis zum Geld ist einfach: Wir haben es nicht und brauchen es für unseren Lebensunterhalt. Deshalb sind wir gezwungen, unsere Haut zu Markte zu tragen, um an Geld zu kommen. Nur mit Geld können wir unser Leben erhalten.
    Das Geld bleibt nie bei uns, weil wir es für den Lebensunterhalt ausgeben müssen. Wir stehen also am Ende des Tages, am Ende der Woche, am Ende des Monats, wo wir zu Beginn standen: Mit vielen Bedürfnissen, aber ohne viel Geld.
    Wir Lohnabhängige stecken in diesem schlechten Kreislauf: Wir verkaufen unsere Arbeitsleistung als Ware, bekommen dafür Geld, und geben das Geld für unseren Lebensunterhalt. Als Kurzformel: Die Ware Arbeitskraft wird zu Geld, dieses Geld wird zu Ware als Lebensmittel. Kürzer: W – G – W.


    „In dem Begriff des freien Arbeiters liegt schon, dass er ein Armer ist, ein potenzieller und unsichtbarer Armer. Er ist seine ökonomischen Bedingungen nach bloßes lebendiges Arbeitsvermögen, ... Bedürftigkeit nach allen Seiten hin ... Als Arbeiter kann er nur leben, soweit er sein Arbeitsvermögen gegen den Teil des Kapitals austauscht, der den Lohnfonds bildet. Dieser Austausch selbst ist an für ihn zufällige, gegen sein organisches Sein gleichgültige Bedingungen geknüpft. Er ist also potenzieller, unsichtbarer Armer.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 497.
    http://marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_a/armut.html



    2.Kapitalisten und Geld
    Kapitalisten haben ein völlig anderes Verhältnis zum Geld. Der Volksmund sieht die Kapitalisten als „Geldbesitzer“. Das ist nicht verkehrt. Nehmen wir zunächst einen Kaufmann als Beispiel:


    2.a)Kaufmannskapital
    Ein Kaufmann kauft mit seinem Geld Ware, die er gewinnbringend wieder verkauft. Die Bewegung des Kaufmannkapitals ist also: Geld wird Ware, Ware wird G‘, wobei das Häkchen andeutet, dass das Geld vermehrt zum Kaufmann zurückkehrt. Kurz: G – W – G‘. Der Kaufmann setzt Geld in Ware um, damit mehr Geld zu ihm zurückkehrt. Freilich bestreitet er auch seinen Lebensunterhalt von dem zurückgekehrten Geld. Entscheidend ist aber, dass er trotzdem am Ende mindestens soviel Geld wieder in der Hand hat, dass er den Prozess des Kaufens und Verkaufens erneut beginnen kann.
    Der Kaufmann beginnt den Kreislauf als Geldbesitzer und er beendet den Kreislauf als Geldbesitzer.


    Mehr zum Kaufmannskapital steht hier: http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_h/handel.html


    2.b) Industriekapital
    Der industrielle Kapitalist beginnt ebenfalls als Geldbesitzer und verwandelt dieses Geld in Ware. Er verwandelt es in Produktionsmittel und in den Ankauf von Arbeitskraft. Diese beiden Warensorten müssen zueinander passen, so dass die bezweckte Warenproduktion stattfinden kann.
    Die erste Phase des Industriekapitals ist also: Geld wird Ware (Pm + A) oder G – W (Pm+A).
    Darauf folgt die Produktion, aus deren Prozess eine neue Ware von höherem Wert herauskommt, als die Produktionsfaktoren gekostet haben. Kurz: G – W (Pm+A) .... P .... W‘.
    Diese im Wert vermehrte Ware versilbert der Kapitalist und erhält dadurch nicht nur sein vorgeschossenes Kapital zurück, sondern einen vergrößerten Wert, einen Mehrwert. Das zum Kapitalisten zurückfließende Geld lässt sich also aufteilen: G‘ = G + g. G ist hier das ursprüngliche Kapital. g ist der Mehrwert.


    Der Gesamtkreislauf des industriellen Kapitals gestaltet sich so:
    G – W <
    APm ... P ... W′ – G + g.


    Auch dem Industriekapitalisten fließt das Geld wieder zurück. Er startet den Zyklus als Geldbesitzer und beendet den Zyklus als Geldbesitzer. Und er beendet ihn nicht nur als Geldbesitzer, sondern als bereicherter Geldbesitzer. Er hat sein Kapital vermehrt oder „verwertet“ wie es bei Karl Marx heißt.


    Zum Nachlesen über den Kreislauf des industriellen Kapitals in meiner Kurzfassung des 2. Bandes des „Kapital“ von Karl Marx:
    Kapitalkreislauf 1:
    http://marx-forum.de/das_kapital/kapital_2/2.007.html
    Kapitalkreislauf 2: http://marx-forum.de/das_kapital/kapital_2/2.040.html
    Kapitalkreislauf 3: http://marx-forum.de/das_kapital/kapital_2/2.043.html
    Kapitalkreislauf 4: http://marx-forum.de/das_kapital/kapital_2/2.055.html
    Kapitalkreislauf 5: http://marx-forum.de/das_kapital/kapital_2/2.069.html


    Wir haben gesehen: Der kapitalistische Wirtschaftskreislauf wechselt ständig zwischen der Welt des Geldes und der Welt der Waren. Ohne diese Wanderung zwischen den beiden Welten stockt der Kreislauf. Auf der einen Seite bleibt Ware unverkäuflich, auf der anderen Seite findet Geld keine Anlage. Sobald der Wechsel zwischen Ware und Geld und Geld und Ware ins Stocken kommt, gerät der gesamte Wirtschaftskreislauf ins Stocken.
    Das ist das Wesen der kapitalistischen Krise: Von allem gibt es Zuviel - zuviel Ware, die keine Käufer findet, und zuviel Geld, das keine profitable Anlage findet. Geld und Ware finden nicht zueinander, deshalb tritt Lähmung ein.


    2.c) Bankkapital
    Der Kreislauf des Bankkapitals verläuft im Prinzip wie der Kreislauf allen Kapitals: Der Bankkapitalist gibt sein Geld weg in der Absicht, es vermehrt und vergrößert wieder zu bekommen. Die Bewegung des Bankkapitals ist Geld – Geld‘, oder G – G‘.
    Dass das Geld des Bankkapitalisten „arbeitet“, klingt verrückt, und es bedarf einer genaueren Untersuchung, um festzustellen, dass das Bankkapital nur eine Teilbewegung und ein Teilaspekt des industriellen Kapitalkreislaufs darstellt. Auch das Bankkapital kann sich nicht (dauerhaft) vermehren, wenn es nicht in die Warenwelt eintaucht, wenn es sich nicht in Ware verwandelt.
    Wie und warum das geschieht, hat Karl Marx hier ausführlich erläutert:
    http://marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_b/banken.html


    2.Notenbank, EZB
    Wie das industrielle Kapital ganz ohne selbständiges Bankkapital wirtschaften kann, so kann das Bankkapital ganz ohne Notenbank auskommen. In beiden Fällen können alle Funktionen des Bankkapitals bzw. der Notenbank von eigenen Angestellten des Industriekapitalisten bzw. der Bank erfüllt werden. Notenbanken sind eine noch junge Institution und die amerikanische Notenbank ist immer noch in privater Hand.
    Die Notenbank ist der Kreditgeber der Banken. Sie gleicht damit zwischen den Banken die Geldmenge aus, so dass florierende Banken mit hohem Geldbedarf sich Geld zu einheitlichen Konditionen besorgen können. Andererseits unterstützt die Notenbank schwächelnde Geldinstitute. Man kann sich die Notenbank als „Überlaufbecken“ vorstellen, womit Geldabflüsse und Geldzuflüsse zwischen den Banken ausgeglichen werden.
    Die Notenbank legt dafür einen „Leitzins“ fest. Erhöht die Notenbank den Leitzins, dann verteuert sie die Kredite der Banken. Die Notenbank kann damit die Kreditvergabe drosseln und eine „überhitzte“ Konjunktur bremsen.
    Von „überhitzter Konjunktur“ war in der Kernzone des Kapitalismus in den letzten Jahrzehnten wenig zu spüren. Die westlichen Notenbanken haben deshalb den Leitzins bis auf Null gesenkt, ohne dassdie kapitalistische Wirtschaft an Fahrt gewann. Die Notenbanken können nur bremsen, sonst können sie nichts.
    Das ist nicht anders als beim Auto: Wenn man den Fuß ganz von Bremse nimmt, bekommt das Auto keine zusätzliche Beschleunigung.
    Um „Gas zu geben“ müsste das „billige Geld“ in den Warenkreislauf eintauchen. Die Welt des Geldes muss sich mit der Warenwelt vermählen – wenn nicht, dann bleibt die kapitalistische Wirtschaft in der Krise.



    Seit der Krise von 2008 kauft die EZB auch Anleihen von den Banken auf. Sie schafft damit eine künstliche Nachfrage nach Staatspapieren der hochverschuldeten südeuropäischen Länder, die ansonsten unverkäuflich wären oder nur zu extrem hohen Zinsen verkäuflich wären. Wie das japanische Beispiel gezeigt hat, lassen sich damit zahlungsunfähige Schuldner künstlich durch „Geldtransfusionen“ über Jahrzehnte weg am Leben erhalten. Diese Schuldner müssten längst für tot erklärt werden, aber sie sind „zu groß zum Sterben“.
    Der überschuldete Kapitalismus ist ein komatöser Kapitalismus, der in einer Zwischenwelt zwischen Bankrott und Wachstum dahinvegetiert.


    [size=12]Wal Buchenberg, 13. März 2016


    Siehe auch: Der kapitalistische Profit


    Und im Handelsblatt ein aufschlussreiches Interview:"Der Wohlstand der Mittelschicht wird sinken" - und die Armut der Unterschicht wird wachsen.

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