Mythopoeia als kapitalistische Verkaufsstrategie?

  • Hallo Allerseits!


    Da dies mein erster Eintrag ist möchte ich mich zunächst vorstellen: Ich bin Student der Musikwissenschaft in Berlin und seit vielen Jahren ein Marx- und Kommunismusrezipient. Im Rahmen einer Seminararbeit zum Topos der 'Musikstadt Wien' untersuche ich deren Mythos. Das jedenfalls ist die offizielle Sichtweise meiner Dozentin, die von einem Mythos der Stadt Wien als europäisches Zentrum der (Musik-)Kultur ausgeht. Nun wurde während des Seminars einige Male daraufhingewiesen, dass insbesondere in der jüngeren Zeit der Begriff der Mythos auf alles mögliche angewendet wurde und wird, nur um Insitutionen oder andere Phänomene zu legitimieren. Diese Kritik an der inflationären Verwendung des Terminus lässt sich bis auf Poseidonios im antiken Griechenland zurückverfolgen.
    Als grundlegende Lerninhalte des Seminars wurde uns vermittelt, dass die Musik und Musikbetätigung genuin 'wienerisch' seien. Dies trifft sicherlich zB. beim Walzer zu, der eng mit der Stadt verbunden ist.
    Meine Vermutung ist aber, dass es zunächst einmal sich um einen stark beengten Blick auf die Stadt Wien als geschlossenes System gehandelt hat. Wir haben keine Vergleiche zu anderen Städten, wie zB Paris, London oder Berlin angestellt, uns nur in einer Sitzung mit der höfischen Repräsentation im Tanz bei Elisabeth I. von England und Ludwig XIV. in Frankreich beschäftigt, mit dem Ergebnis, dass es sich hierbei um einen Schwerpunkt der Selbstdarstellung hegemonialer Macht durch den Tanz handelt, während in Wien die Musik dafür genutzt wurde.
    Interessanterweise fand sich in einer Monographie Martina Nussbaumers mit dem vielsagenden Titel "Musikstadt Wien" ein längerer Abschnitt über die Mythopoeia, die Mythenbildung, im Zeitraum von ca. 1830-'50 an, wo in den Reiseführern des aufkommenden neuen Tourismustypus Wien zunehmend als Musikstadt verkauft wird, als Ort in dem "Musik im Blut liegt".
    Also zusammenfassend ist die Vermutung: Der Mythosbegriff ist auf die Musikstadt Wien nicht anwendbar. Wien ist kein Mythos, da ein Mythos eine Narrative braucht etc. selbst eine strukturalistische Methode im Sinne C. Lévi-Strauss ist nicht anwendbar, wir haben keine richtigen Protagonisten oder ähnliches, vielmehr ist der Mythos Musikstadt Wien durch den Verlustmoment der Trias der klassischen Musik, Mozart, Beethoven, Haydn (evtl. auch Schubert), geprägt - das Wissen um den Verlust der Meister vermittelt den Schein eines Mythos, der sich lediglich auf der diachronen Darstellung dieser Biographien begründet. In Wirklichkeit ist die ganze Darstellung der Musikstadt Wien ein vom kapitalistischem Gewinnstreben getriebener Versuch, etwas zu verkaufen.
    Ich würde mich freuen, Eure Meinungen oder vielleicht Ideen für eine theoretische Unterstützung dieser Hypothesen zu hören!


    Vielen Dank!


    Patrick

  • Hallo und Willkommen bekerpat .


    Was ein Mythos ist, sagt schon (sorry) Wikipedia.
    Wenn ich Dir jetzt zustimme und sage, daß im Kapitalismus alles zur Ware wird/ werden können muß, hörst Du dann auf Musik zu studieren oder nimmst Du dann das Seminar nicht wahr?
    Mich interessiert Deine Ansicht hinter Deiner Frage: Was würde eine Unterstützung oder nicht gegebene für einen Unterschied machen, wozu Zuspruch oder Ablehnung?
    Ich mein, ich leide grad nicht an Langeweile...


    Nichts für ungut.


    Liebe Grüße - Wat.

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