Und die Probleme, die da auf der einen wie andern Seite je besser oder schlechter oder gleich gut gelöst werden sollen, stellen sich spätestens UNS, denen, die sich vom Eigentum und der damit verbundenen Gewalt und Irrationalität emanzipieren wollen, wirklich. Und DARUM vor allem müssen wir uns fragen (und das Ausmass an Einigung und Differenz in diesen Fragen ermitteln, das der genanten Emanzipation im Wege steht):
1) Wollen wir ein Mehrprodukt, und in welche Richtung soll es sich entwickeln??
Hallo Franziska,
"Mehrprodukt" wird von den allermeisten, die Marx gelesen haben, mit "Mehrwert" und Ausbeutung gleichgesetzt. Deshalb antworte ich: Nein, ich will keinen Mehrwert, kein Mehrprodukt, keine Ausbeutung.
Soweit "Mehrprodukt" - ganz unschuldig - mit dem Produkt gleichgesetzt wird, das über den notwendigen Arbeitstag (im Kapitalismus = Reproduktion der Lohnarbeiterklasse, im Kommunismus = Reproduktion aller Gesellschaftsmitglieder) hinausgeht, so hat Marx klargestellt: Nein, der Kommunismus kennt kein Mehrprodukt:
„Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken. Jedoch würde letztere, unter sonst gleich bleibenden Umständen, ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche größer. Andererseits würde ein Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen, nämlich die zur Erzielung eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds nötige Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.
Diese Frage ist aus meiner Sicht geklärt und vom Tisch.
Wie steuert man eine kommunalistisch organisierte Reproduktion kollektiv, kann man das überhaupt?
Alle Sozialisten sagen wie das DDR-Wörterbuch der Ökonomie.Sozialismus: "Die Befriedigung des Bevölkerungsbedarfs ist unmittelbares Ziel der sozialistischen Gesellschaftsordnung." (S. 131) Die Frage, die dabei vertuscht wird: Wer bestimmt, was gesellschaftlicher Bedarf ist?
Die eindeutige Antwort von Karl Marx war hier:
"Nur wo die Produktion unter wirklicher vorherbestimmter Kontrolle der Gesellschaft steht, schafft die Gesellschaft den Zusammenhang zwischen dem Umfang der gesellschaftlichen Arbeitszeit, verwandt auf die Produktion bestimmter Artikel, und dem Umfang des durch diese Artikel zu befriedigenden gesellschaftlichen Bedürfnisses." Karl Marx, Kapital III, 197.
So oder so steht die Ermittlung des gesellschaftlichen Bedarfs an erster Stelle: Im Staatssozialismus bestimmten die zentralen Planer den Bedarf. Im Sinne von Karl Marx bestimmen alle Individuen je einzeln ihren eigenen Bedarf, dessen Summe sich zum gesellschaftlichen Bedarf addiert. Ja, das ist kein leichtes Unterfangen, aber nur so geht es und nicht anders.
Welche Probleme, die auch gegenwärtig sich spürbar machen, werden durch dieen Übergang NICHT bewältigt?
Das kommt mir vor wie eine Leerformel. Da müsstest du schon etwas deutlicher werden. Offenbar hast du ja bestimmte Probleme im Sinn.
- All das sind genuin ökonomische Fragestellungen, und auf die muss sich eine emanzipatorische Bewegung und Theorie einlassen und wenigstens die Art und den Umfang an Problemen abschätzen lernen, mit denen denen die von ihr befürwortete Gesellschaftsform konfrontiert sein wird. Sie darf sich nicht in die Tasche lügen, dass sie durch Abschaffun des falschen "Systems" automatisch dessen Negativ etabliert hätte, das gute und endlich richtige System, mit dem es garnicht anders als gut werden kann. Das wäre nämlich die Wiederholung des oben genannten politisch- oder sozial-religiösen System-Aberglaubens auf links.
Aber das ist nur die eine Seite der theoretischen Klarheit, die die Linke erstmal sich erarbeiten müsste.
Die andere ist: zu begreifen, worauf eigentlich die weit jenseits aller Ökonomie, ja sogar jenseits des DASEINS des realen Kapitalismus liegende Bereitschaft beruht, ihn zu wollen und über allen Irrwitz und alle Schwierigkeiten, die er mit sich bringt, aufrechtzuerhalten und verzweifelt an ihm festzuhalten, sogar GEGEN jede ökonomische Einsicht (wie sie, vielleicht, Linke irgendwann einmal endgültig konsistent vorzutragen in der Lage sein werden)?
Das ist bis heute nicht beantwortet.
Meine Antwort darauf ist: Die von Marx skizzierte Alternative zum Kapitalismus ist so überzeugend und so attraktiv, dass sich jede/r dafür entscheidet, der die Sache für praktisch möglich und machbar hält.
Ob man die nachkapitalistische Gesellschaft für machbar hält, ist aber keine Sache der Worte und der Theorie, sondern der Praxis und der Erfahrung. Wie sieht es mit dieser Praxis und Erfahrung aus?
Soweit die Staatssozialismen politische und ökonomische Erfahrungen geliefert haben, waren die aus Sicht der Werktätigen katastrophal.
Soweit es um politische Praxis (Kampfpraxis) geht, so waren die Erfahrungen mit dem Faschismus für die Arbeiterbewegung katastrophal.
Ich könnte noch ein paar andere Dinge aufzählen, wo gegenwärtige linke Praxis abschreckt.
All das zusammen schafft in meinem Augen die Zentnerlast, die jeden emanzipatorischen Ansatz niederdrückt - und sicherlich auch die Menschen, die sich dafür engagieren.
Warum sind wir links, und die andern wollen Privateigentümer, zur Not auch nur ihrer Arbeitskraft, sein und bleiben?
Bevor du eine Antwort auf diese Frage findest, solltest du erst einmal sagen: Was ist denn in deinen Augen links? Wer und wo sind denn die Linken, die für dich Emanzipation verkörpern?
Ich habe den Eindruck, nur sehr wenige Linke wollen alle fremdbestimmte Arbeit beseitigen. Ich habe den Eindruck, nur sehr wenige Linke wollen selbst Arbeiter werden. Dass jede/r Einzelne zum Arbeiter wird, ist aber die Voraussetzung der klassenlosen, emanzipierten Gesellschaft:
„Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 342.
Ich habe den Eindruck, die meisten Linken fühlen sich als (verkannte) Elite im Wartestand und wollen ihren Willen allen anderen aufdrängen bis aufzwingen.
Ich habe den Eindruck, die meisten Linken suchen nach einer "Gefolgschaft". Die "Leute da draußen" wollen aber nicht mehr "Gefolgschaft" sein. Die Leute wollen nicht mehr bevormundet werden.
Ja, die kapitalistische Bevormundung ertragen die Leute. Das wäre ein eigenes Thema, warum das so ist und wie der Kapitalismus das schafft. Ausgangspunkt meiner Erklärung dafür ist hier: Die kapitalistische Bevormundung ist schon vor den Leuten da. Die finden sie vor als "natürliche Umwelt" ihrer Lebensplanung. Und kein normaler Mensch sieht sich in der Lage, sich für oder gegen Kapitalismus entscheiden zu können oder entscheiden zu müssen. Dass sich Lohnarbeiter bewusst für den Kapitalismus entscheiden würden, ist eine spinnige linke Idee.
Es wäre vielmehr Aufgabe der Linken, theoretisch und praktisch nachzuweisen, dass der Kapitalismus nicht unsere "natürliche Umwelt" ist, sondern ein Menschenwerk, das durch besseres Menschenwerk beseitigt werden kann. An dieser Aufgabe versagen die Linken sowohl theoretisch wie praktisch.
Gruß Wal