Die Krise der (Staats)Linken ist unheilbar

  • In der verdienstvollen linken Monatszeitschrift „Sozialismus“ hat Bernhard Sander eine Nachbetrachtung über die Wahlschlappe der Linken allgemein und der Linken in Frankreich im besonderen geliefert.
    Aus seiner Analyse lässt sich etwas lernen. Im folgenden die Analyse von B. Sander in Kurzform:


    „Die französische Linke steht weiterhin unter dem Schock des Triumphs des rechtspopulistischen Front National. Offenbar haben weder dieser oder zuvor die Große Krise nach 2008 noch das Versagen der Sozialdemokratie bei deren Bewältigung dafür gesorgt, dass die Ursachen für diese Probleme genauer untersucht wurden bzw. werden.(...)

    Die Frage nach den Ursachen sollte sich nicht auf die bisherigen Antworten (Armut, Medienmacht und niedrige Bildungsabschlüsse) begrenzen, sondern selbstkritisch die eigene Entwicklung in die Erklärung einbeziehen. (...)

    Der Niedergang des Sozialstaats am Ende des Fordismus und die marktradikale Eigentümergesellschaft des Neoliberalismus unterminierten die Gestaltungsmöglichkeiten der Linken in den Kommunen und Stadtvierteln. Der Einflussverlust traf nicht nur die Akteure der Sozialdemokratie (14% bei der Europawahl), sondern auch den PCF und die von den Kommunisten mitgetragene Linksfront, die seit 2002 an keiner Regierung mehr auf nationaler Ebene beteiligt waren.

    Zwischen den Kommunalwahlen 2008 und 2014 hat der PCF sechs Städte im Département Seine-Saint-Denis verloren. 1977 verwalteten die Kommunisten in diesem Département rd. 80% der Gesamtbevölkerung, heute sind es noch 26%. Im benachbarten Val-de-Marne ging der Anteil von 50% auf 30,8% zurück. Der ehemalige sprichwörtliche rote Gürtel um die Hauptstadt Paris existiert nicht mehr. (...)

    In Bobigny mit 47.000 Einwohnern stellte der PCF seit 1919 den Bürgermeister. Bei den Kommunalwahlen im Frühjahr 2014 fiel die Stadt an die rechtsliberale UDI (unterstützt von UMP), weil die dort lebende migrantische Bevölkerung, die sich oft in die zweite Reihe gedrängt, in den Entscheidungszentren der Stadt nicht sichtbar und nur bei Volksfesten als Folklore erwünscht fühlt, sich mit dem Slogan »Gebt uns unsere Stadt zurück« identifizierte. (...)


    Die Bevormundung (»Wir wissen schon, was richtig für euch ist; wir sind die Guten«) durch die PCF-Kommunalverwaltung stößt auf Misstrauen, zumal die Spielräume für die Lokalpolitiker immer enger werden. Das kann sich in den Vorwurf verkehren lassen, dass die kommunistische Verwaltung davon lebt, die Engpässe zu verwalten, soziale Anwartschaften zu verteilen (z.B. Wohnungen usw.) und die Leute daran zu hindern, ihre Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen.“


    Ich denke, aus dieser Analyse der französischen Verhältnisse lassen sich zwei Schlüsse ziehen:
    1. Die traditionelle Linke ist eng verbunden mit dem Sozialstaat. Sie versteht den Sozialstaat eigentlich als ihre Erfindung und ihr Baby.
    Je mehr der Sozialstaat – vor allem auf kommunaler Ebene - durch Verschuldung und durch Zentralisierung der Staatsmacht - also durch die Krise des Kapitalismus in Europa - in die Krise hineingezogen wird, desto mehr gerät auch die Staatslinke in die Krise.
    Die Krise des Sozialstaats und die politische Krise aller Staatslinken sind untrennbar miteinander verflochten. Wer wie die Staatslinke an die heilende Kraft des bürgerlichen Staates glaubt, der ist verloren und der hat verloren.


    2. Eng verbunden mit der Vergabe von sozialstaatlichen „Geschenken“ ist die Stellvertreterpolitik dieser Linken ("Wir wissen, was zu tun ist!"). Nein, die Linken wissen nicht, was zu tun ist. In der Boomzeit des Kapitalismus hieß das linke Rezept: "Mehr!" (mehr Lohn, mehr Rente, mehr Sozialwohnungen, mehr Demokratie) in der heutigen Krisenzeit des Kapitalismus heißt das linke Rezept: "Weniger!" (weniger Sparen, weniger Kürzungen, weniger Überwachung, weniger Militär etc.). Ob "Mehr" oder "Weniger" - beide Rezepte sind ebenso ziellos wie wirkungslos.
    Auch hier ist die kapitalistische Krise des Sozialstaats mit der Krise der (Staats)Linken untrennbar miteinander verflochten - sowohl der linke Stellvertreter-Anspruch steckt in der Krise, wie die linke Glaubwürdigkeit.


    Ich denke, die Krise des Sozialstaats ist unheilbar und chronisch. Deshalb halte ich auch die Krise der Staatslinken für chronisch und unheilbar.


    Gruß Wal Buchenberg

  • .... Und fügt man noch einen 3. Punkt, nämlich den Nationalismus (die einheimischen Arbeiter müssen dafür hergerichtet werden, damit unsere Kapitalisten Erfolg im Ausland haben, die einheimischen Arbeitsplätze müssen um jeden Preis erhalten bleiben usw.) hinzu, dann wird auch verständlich, warum unter diesen, von den Staatslinken geschaffenen Voraussetzungen, viele Lohnarbeiter den Übergang zum so genannten Rechtspopulismus (oder besser (Neo)Faschismus) unbedingt als Chance begreifen wollen.


    Beste Grüße
    Kim

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