Maidan und die Linke

  • Die Verhältnisse in der Ukraine sind für uns Außenstehende ziemlich unübersichtlich. Trotzdem meint in Westeuropa (fast) jeder, er könne und müsse mitreden. Auch die westeuropäische Linke tut so, als hätte sie Durchblick und als müsse sie in dem Chaos mitmischen.


    Die europäischen Regierungen suchen nach Partnern (Timoschenko, Jazenjuk, Klitschko, Tjagnibok), nach den „Guten“, die sie auf ihrer Seite wähnen. Die europäische Linke dreht diesen Spieß um und sucht nach Gegnern (USA, EU), den „Bösen“, die mit Geld und Personal im fremden Land Aufruhr schüren.
    Die europäische Linke positioniert sich mit dieser Darstellung der Ereignisse gefährlich nahe bei den Regierungen von Russland und der Ukraine. Für die europäischen Linken wie für die westlichen Regierungen sind die Protestierenden auf dem Maidan nur Marionetten, die nicht für eigene Interessen kämpfen, sondern für fremde Interessen instrumentarisiert werden.
    Diese Sichtweise ist eine Katastrophe.
    Ich denke, vor dieser Katastrophe schützt sich nur, wer eine Kritik der Ziele leistet. Welche Ziele finden wir auf dem Maidan-Platz?
    Da ist zunächst die Forderung nach einem Assoziierungsabkommen mit der EU. Das ist eine Forderung, die ukrainischen Privatkapitalisten hilft, sich aus der Übermacht von ukrainischen Staatskonzernen zu lösen. Es ist eine Forderung von Möchtegern-Reichen und Möchtegern-Machthabern. Wer für diese staatspolitische Forderung Demonstranten in den Barrikadenkampf mit Polizeieinheiten schickt, der instrumentalisiert die Protestbewegung. Wer für diese Forderung Tote billigend in Kauf nimmt, der ist ebenso ein Verbrecher, wie die Leute, die zur Verhinderung dieser Forderung ihre Staatsgewalt einsetzen.


    Da ist weiter die Forderung nach dem Rücktritt des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch. Diese Forderung dient den Politfiguren, die die letzten Wahlen verloren haben (Frau Timoschenko etc.).
    Was wäre mit einem Rücktritt des Präsidenten erreicht? Es kämen andere Figuren an die Staatsmacht, die nicht vertrauenswürdiger sind als Janukowitsch.
    Auch die Rücktrittsforderung instrumentalisiert die Protestbewegung. Für die Protest- und Emanzipationsbewegung ist damit nichts gewonnen und kann nichts gewonnen werden.


    Die Forderung nach einem Assoziierungsabkommen und die Rücktrittsforderung können nicht alles sein, was es an Hoffnungen und Zielen in der Protestbewegung gibt.
    Dass die westlichen Medien nicht von anderen Forderungen berichten, ist kein Wunder. Dass die europäische Linke von keinen anderen Forderungen zu berichten weiß, ist ein Trauerspiel.


    Bevor wir als Linke und Bürger der EU in der ukrainischen Protestbewegung nicht Ziele und Forderungen finden, die wir uns zu eigen machen können, Ziele, die auch unsere Emanzipation voranbringen, solange sollten wir bloße Beobachter bleiben, solange geht es in diesem Konflikt nicht um unsere eigenen Interessen,
    meint Wal

    Liveblog mit Bilder aus Kiev

  • Hallo,
    wie ich erst jetzt feststellte, hatte die Kommunistische Partei der Ukraine den gestürzten Präsidenten Janukowitsch unterstützt. Es ist also "Lagerdenken" und "internationale Solidarität", wenn (Traditions)Linke in Deutschland meinen, sie müssten dem Janukowitsch nachtrauern. Und ukrainische Linke müssen sich nicht wundern, wenn sie als Unterstützer eines korrupten und autoritären Systems nun wenig Freunde haben.
    Natürlich betreiben westliche Regierungen Machtpolitik und wollen ihre Einflusszone ausweiten. Aber die russische Regierung ist um keinen Deut besser. Wer "Imperialismus" nur im Westen ortet und in diesem beiderseitigen Macht- und Konkurrenzkampf meint, direkt oder indirekt Partei für Russland ergreifen zu müssen, der ist und bleibt unglaubwürdig.


    Die neuen Möchtegern-Machthaber (Timoschenko & Co.) sitzen keineswegs fest im Sattel. Das beweist für mich einmal mehr, dass diese Protestbewegung nicht einfach inszeniert war. Wäre die Bewegung inszeniert gewesen, hätte sie nicht Dutzende von der Staatsmacht Ermordete überstanden und könnte nun von den angeblichen "Strippenziehern" leicht abgeblasen und nach Hause geschickt werden.
    Ein weiteres Standardthema der Linken sind die vermeintlichen oder tatsächlichen Faschisten in Kiew.
    Auch diese "Faschisten" fügen sich nicht leicht ins linke Schwarz-Weiß-Denken. Ich halte nichts davon, alle "Rechten" über einen Kamm zu scheren und mit der Hitlerbande auf gleiche Stufe zu stellen. Der Nationalismus in kleinen, schwachen Nationen richtet weniger Unheil an, als der Nationalismus in großen, mächtigen Staaten. Kurz: Der ukrainische Nationalismus ist weniger schlimm als der russische oder deutsche Nationalismus.


    Im übrigen: Eine Volks- und Protestbewegung, die eine Eintrittsprüfung verlangt und nur Gleichgesinnte zulassen will, macht sich lächerlich.
    Weder bei den Protesten im Gezi-Park (Istanbul), noch bei den Fahrpreisprotesten in Brasilien spielte Ideologie irgend eine Rolle - um nur auf die jüngsten Protestbewegungen zu verweisen. Mitmachen konnten alle, die sich für das gemeinsame Ziel einsetzten. Das machte die Stärke dieser Bewegungen aus. Ich denke, das ist/war auf dem Maidan in Kiew nicht anders.
    Eine andere Frage ist, ob nicht die rechten Strömungen der Protestbewegung nach dem Sturz der Regierung über das Ziel der Volksbewegung "hinausschießen" wollen, um ihren Einfluss im Staat zu verbreitern. Das wäre nicht schön, aber das hätte mindestens zum Teil die ukrainische Linke mit zu verantworten, weil die ukrainische KP und ihr Anhang auf der Regierungsseite der Barrikaden standen.
    Gruß Wal

  • Hallo Wal,


    "Bevor wir als Linke und Bürger der EU in der ukrainischen Protestbewegung nicht Ziele und Forderungen finden, die wir uns zu eigen machen können, Ziele, die auch unsere Emanzipation voranbringen, solange sollten wir bloße Beobachter bleiben, solange geht es in diesem Konflikt nicht um unsere eigenen Interessen,"


    Dazu möchte ich ein ganz klares "Jein" von mir beisteuern ;) .


    Der "Fall" Ukraine ist eine ziemlich vielschichtige Angelegenheit, in der mE die diversesten "Interessengruppen" ihr jeweiliges Süppchen kochen. Vielleicht sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass es schon seit etlichen Jahren Bestrebungen gibt, die Ukraine als NATO-Mitglied zu installieren. Ganz abgesehen von dem ziemlich allgemeinen Interesse gewisser "Kreise", überall in geopolitisch interessanten Gebieten Kriege anzuzetteln.


    Was mit Zielen und Forderungen der ukrainischen Protestbewegung war/ist, kam in der MSM-Berichterstattung wohl kaum vor. Inwiefern unsere eigenen Interessen von diesem Konflikt und seiner "Lösung" berührt werden, kann ich ad hoc auch nicht beurteilen, ich muss aber meinen Optimismus schon arg bemühen, um dabei gelassen zu bleiben.


    "Die russische Mobilmachung und faktische Besetzung der Krim" - was genau passiert dort jetzt? Da ich zu den hiesigen Medien keinerlei Vertrauen habe, möchte ich gerne wissen, wo es hierzu einigemaßen vertrauenswürdige Quellen gibt. Soweit ich weiß, gibt es in Sevastopol die Schwarzmeerflotte, und das schon ein paar Jahre - seit 1783 lt. Wikipedia und div. anderen Quellen. Da gibt es wohl auch einen Vertrag, und Russland zahlt dafür "Miete".


    Was das Ganze jetzt speziell mit Putin zu tun hat, weiß ich auch wieder nicht, obwohl mir seine Politik einen Ticken angenehmer erscheint als die von Jelzin. Ich habe jedenfalls länger keine Meldungen mehr gehört, dass die Menschen dort monatelang auf Lohn- und Rentenzahlungen verzichten müssen, das dürfte schon deren Interessen berühren. Wer da genau dahinter steckt, weiß ich wiederum auch nicht, dazu kenne ich nicht genug der russischen Interna. Ob und wessen Marionette der nette Herr Putin halt ist. Bei den Marionetten Herr O. und Frau M. ist mir das geläufiger.


    Ich würde mal sagen, ich stelle mich hinter gar keinen von den 3 - und auch hinter sonst keinen, dessen Handeln nicht meinen Interessen entspricht. Hier speziell nur das Handeln Russlands ins Visier zu nehmen erscheint mir trotzdem etwas einseitig, vor allem, da es unsere Medien eh schon bis zum Erbrechen exizieren. Dabei sieht das Bild je nach Hintergrundwissen schnell ziemlich anders aus, und solche Themen wie "Stay behind", PNAC, "False-Flag-Operationen" etc. gehören nun mal nicht zur Allgemeinbildung dazu.


    Die Gefahr, die ich hier sehe, wenn solche Vorkommnisse allzu blauäugig beurteilt werden, ist die, dass bei entsprechender "Propaganda" halt an der falschen Stelle gejubelt wird - und dann auch wieder "marschiert". "Bündnisfall" und so. Das ist auf keinen Fall mein Interesse, und ich vermute von keinem, der noch bei Verstand ist.


    Oder ist es egal, dass die USA angetreten sind, ein "One World Government" zu errichten? Wieviele Militärstützpunkte unterhalten die im Ausland?


    Oder allgemein, wie sollten sich "Linke" zu solchen Themen überhaupt "stellen"? Gibt es schon so etwas wie eine klare Analyse solcher "Ereignisse" und welchen Schaden oder Nutzen und für wen sie hatten/haben können? Passen solche Themen ins Marx-Forum und wenn ja, wie?


    Erst mal beobachten, klar, "machen" können wir von hier aus sowieso ca. nix, aber ich würde es "gut" beobachten von wegen böse Überraschungen. Vielleicht wäre es am sinnvollsten, das ganze unter dem Aspekt "Welche Auswirkungen hat es darauf, den Übergang in eine emanzipierte Gesellschaft zu ermöglichen?" zu betrachten. Bisher ist da meinerseits nur so ein mulmiges Gefühl, dass die Vorgänge in dieser Region (und nicht nur dort) derzeit diesem Ziel ziemlich entgegen stehen.


    cu
    renée

  • Hallo renee,


    du übersiehst bei deiner Analyse einen entscheidenden Punkt: die Einbildung der ukrainischen Bürger, mit Nationalismus ihre Lage verbessern zu können. Solange das so ist, dass sie, anstatt sich als die Deppen in einer für sie schädlichen und überholten Produktionsweise zu begreifen, sich lieber als Ukrainer, Russen, Ungarn, Rumänen usw. fühlen, wo also das materielle Eigeninteresse und jegliche Vernunft ausgeschaltet ist, kann die Sache nur (unter Oberaufsicht von EU, USA und Russland) in einem Blutbad enden. Die Frage ist nur, wie schlimm es sein und wie lange es dauern wird. Was man bei diesem abstoßenden Spektakel aber wieder lernen kann, ist, dass Nationalismus letztlich in Mord und Totschlag endet.


    Beste Grüße
    Kim

  • Hallo Kim,
    was ich an deinem Beitrag nicht verstehe:
    Du nennst den Nationalismus der Ukrainer den "entscheidenden Punkt". Das sieht so aus, als sei es der ukrainische Nationalismus, der diese internationale Krise und Kriegsgefahr hervorgebracht habe.


    Die Denunzierung des ukrainischen Nationalismus ist aber der Kern der russischen Kriegspropaganda, die behauptet, die russische Staatsmacht müsse mittels Militärintervention russisch sprechende Bürger vor dem ukrainischen Nationalismus "schützen".
    Der ukrainische Nationalismus dient Putin als bloßer Vorwand und Nebelwand für russischen Revanchismus.


    Oder habe ich da was missverstanden? ?(


    Nochmals meine Überzeugung:
    Es gibt westliche Großmachtpolitik, die möglichst weit ostwärts (und südwärts) strebt. Und es gibt die russisch-revanchistische Großmachtpolitik, die zurück zur Machtfülle und den Grenzen des sowjetischen Großreiches strebt. Beide Bestrebungen sind nicht "nationalistisch", sondern imperialistisch. Diese beiden imperialistischen Mächte stoßen in der Ukraine aufeinander. Es geht in der Ukraine nicht um russischen oder ukrainischen "Nationalismus", sondern um westlichen oder östlichen Imperialismus.


    Wer immer sich - direkt oder indirekt - auf die Seite einer dieser beiden Imperialmächte stellt, macht sich zur Kriegspartei.


    Gruß Wal

  • Ich schätze Wals Analysen und vereinfachte Darstellungen immer sehr. Wenn ich mir allerdings seine Ansichten zum Euromaidan anschaue, habe ich das Gefühl, dass er sich hier einfach unzureichend informiert hat. Klar haben westliche und russische Imperialisten ihre Interessen daran die Vorgänge in ihre Richtung zu lenken bzw. verstärkt ethnische Widersprüche zu forcieren. Aber zu meinen, der ukrainische Nationalismus, wie er vor allem in der Westukraine wütet wäre unproblematisch und die Akteure nicht faschistoid bis offen faschistisch, zeugt m.E. von starker Uninformiertheit.


    Es ist bekannt, dass die Partei Swoboda so etwas wie die ukrainische Version der NPD darstellt und mit dieser sogar auf Dutzfreund macht. Es ist bekannt, dass der so genannte "Rechte Sektor" aus Organisationen besteht die offen neofaschistisch bis gar neonazistisch und antisemitisch argumentieren.


    In der West-Ukraine herrscht ein völlig unreflektierter Nationalismus vor, der diesen Kräften Auftrieb gibt. NS-Kollaborateure wie Stepan Bandera (Führer der "Organisation Ukrainischer Nationalisten" im Zweiten Weltkrieg) gelten selbst beim "Normalbürger" teils als Nationalhelden. Auf dem Maidan grüßt man sich nicht mit Hallo oder "Wie geht's?", sondern mit "Ruhm der Ukraine" und der Gegenüber antwortet dann "Ruhm den Helden" (den vornehmlich rechten Gefallenen während der Maidan-Schießereien).


    Es ist bekannt, dass die "Selbstverteidigungskräfte des Maidan" überwiegend Hooligans, Faschisten oder Nationalisten sonstiger Coleur sind und vornehmlich "Russen und Juden" die Schuld an der sozialen Misere ihres Landes geben. Diese "Selbstverteidigungskräfte", die überwiegend vom Rechten Sektor gestellt werden, partoullieren zusammen mit der Polizei und haben teils mehr Befugnisse als diese. Ungehindert wird Jagd auf Linke gemacht. Egal ob sie zur ehemals janukowitsch-treuen und stalinistischen KP gehören oder unabhängige Linke darstellen.


    Die junge Welt hat hierzu diverse Artikel von Leuten die vor Ort waren veröffentlicht. Die NAO und ARAB veranstalteten hierzu ebenfalls einen Diskussionsabend mit Linken die den Euromaidan und seine Akteure aus erster Hand erlebten. Mehr zu alledem siehe folgende Links:


    jW über die Jagd auf Linke: http://www.jungewelt.de/2014/03-10/049.php
    Wikipedia über die "Allukrainische Vereinigung"/Swoboda: http://de.wikipedia.org/wiki/Allukrainische_Vereinigung_„Swoboda“
    Wikipedia über den "Rechten Sektor": http://de.wikipedia.org/wiki/Rechter_Sektor
    Audioaufzeichnung der NAO und ARAB-Veranstaltung zu den Hergängen in der Ukraine und den Euromaidan: http://arab.blogsport.de/image…neamAbgrund7.3.2014V2.mp3


    "Prawy Sektor, eine Art Bündnis gewalttätiger extrem rechter Organisationen, ist aus Jaroschs Gruppe Trisub (Dreizack) hervorgegangen, die sich insbesondere durch Angriffe auf Homosexuelle hervortat. Wie Swoboda sieht sich auch der Rechte Sektor in der Tradition des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera und dessen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), die für Massenmorde vor allem an jüdischen Ukrainern und Polen verantwortlich ist." Siehe: http://derstandard.at/13926875…ch-will-Praesident-werden

  • Mario, Kim, Wal...
    es könnte sein, dass alle Beteiligte rechthaben, nur in einem nicht: dass sie DIE "Verantwortlichen" für die Lage versuchen dingfest zu machen, und deren Zwecke versuchen zu erraten. Was die Akteure wollen, muss sich einer entscheidenden Voraussetzung stellen: Dass die Ukraine ein GROSSES Land mit einer (verglichen mit anderen Staaten aus der Konkursmasse des Ostblocks) relativ grossen Bevölkerung ist - und damit ein Sanierungsfall, der für egal welchen Kapitalgeber derzeit einige Nummern zu gross ist. Zumindest, wenn die derzeit in der Bevölkerung und den "Eliten" mit einem Anschluss an eine der sich anbietenden Parteien noch verbundenen Ansprüche halbwegs befriedigt werden sollen. An das "zerfallende" Jugoslawien und die diversen faschistischen Fraktionen dort erinnert manches, bloss: der Brocken ist grösser, und die strategische Situation ist durch das unmittelbare Angrenzen an Russland brisanter. Und das ist so ziemlich das Einzige, wovon Bevölkerung wie Herrschende (soweit da noch welche sind) annehmen können, dass sie es in die Wagschale werfen können. Der Anschluss an egal welche Seite ist zum Verzweifeln, für sich bleiben ist zum Verzweifeln... Und die beiden Seiten WOLLEN vielleicht noch nicht mal wirklich die Konkursmasse, die ihnen da vor die Füsse fällt. Jedenfalls nicht um jeden Preis. Nur eben (die EU) auch keinen ukrainischen Staatsbankrott (mit entsprechenden Kreditausfällen) und Chaos an der Ostgrenze; ebensowenig (die russische Föderation) solches Chaos an der Südwestgrenze, und den Ausfall erhoffter Wirtschafts-Kooperation, von denen es ohnehin nicht soviele gibt. Aber vor allem keine Frontlinie, in der die Ukraine auf der je ANDEREN Seite steht.
    Wieder mal ein schwieriges Problem der internationalen Politik...

  • Hallo,


    ich kann mich dem, was franziska sagt, nur anschließen. Es beschreibt die elende Situation, in die der aus dem Kapitalismus erwachsene Imperialismus die Menschen stürzt, wenn die treibenden Mächte ihren Interessen nachgehen. Ich kann mich aber auch dem, was Mario sagt, anschließen, denn umso verheerender halte ich es unter der von franziska richtig beschriebenen Konstellation nämlich, wenn die ukrainische Bevölkerung glaubt, ihren schon verinnerlichten Nationalismus bestärken zu müssen, um sich eine halbwegs erträgliche Lebenssituation zu verschaffen. Zusammen mit der Religion war ist und bleibt der Nationalismus der dümmste und gefährlichste Weg, die Lebenslage der Lohnarbeiter unter imperialistischen Bedingungen verbessern zu wollen. Das beweist die Vergangenheit und Wirklichkeit zur Genüge.


    Beste Grüße
    Kim

  • Hallo Kim, hallo Franziska, hallo Mario,
    auch wenn wir unterschiedliche Einschätzungen zu diesem oder jenem haben, vielleicht sind wir uns darin einig, dass die internen politischen Kräfte in der Ukraine ein kleines Rad drehen, während die externen Kräfte (der Westen (EU, USA) wie der Osten/Russland) an einem großen Rad drehen.


    Ich denke, die deutschlandweite Umfrage von Infratest taugt durchaus als politische Orientierung auch für uns:
    85 Prozent der Befragten misstrauen Russland und Putin. (Zu diesen 85% zähle auch ich)
    Sehr viel weniger, nämlich 58 Prozent sind für Unterstützung der Ukraine gegen Russland. (Das finde ich falsch.)


    37 Prozent wollen, dass sich der Westen aus dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine heraushält. (Das finde ich richtig, denn ich misstraue den Regierungen im Westen nicht minder. Aus der Konkurrenz der Staaten(blöcke) entsteht nur Schlimmes.)


    Trotz des verbreiteten Misstrauens gegen Putin ist nur eine Minderheit der Befragten für Sanktionen gegen Russland:
    19 Prozent für Ausschluss aus der G8.
    12 Prozent für militärisches Eingreifen auf Seiten der Ukraine.
    7 Prozent für Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Russland.
    38 Prozent sind für Wirtschaftssanktionen.
    (Ich nehme an, diese Antworten galten als Alternativen. Sie können nicht aufaddiert werden.)


    62 Prozent sind bloß für „politischen Druck“.


    Mein Resümee:
    Man sieht, die Bundesregierung schwimmt mitten im Umfragemainstream, wenn sie auf "Diplomatie" setzt.
    Meine Position („Wir“/der Westen soll sich aus dem Konflikt heraushalten) findet immerhin Resonanz und Unterstützung bei einer starken Minderheit (37 Prozent)


    Die Linke in Deutschland unterstützt direkt oder indirekt Putin und Russland und schwimmt im Abseits. Seltsamerweise ist in dieser Frage die Linke ganz im Einklang mit der gemäßigten bis extremen Rechten in Deutschland, die ebenfalls Putin unterstützen:
    Siehe dazu die Ukraine-Themen von Nicolay und Piter im Gelben Forum


    Gruß Wal

  • ... ich frag mich da: "Wie blöd ist das denn?"


    Sanktionen gegen einen ohne den 'ich' nicht kann^^
    ... oder braucht's keine Rohstoffe mehr und erst recht keinen Markt, worauf diese verarbeitet dann abgesetzt werden können?

  • Hallo Wat.
    Sanktionen sind eine Kampfmaßnahme. Streik ist zum Beispiel auch eine "Sanktion" gegen Kapitalisten. Jede Kampfmaßnahme schadet immer beiden Seiten. Man hofft jedoch, dass sie dem Gegner mehr schadet als einem selbst.
    Wir müssen also andere und mehr Argumente finden, wenn wir Sanktionen gegen Russland kritisieren wollen. Es reicht nicht, wenn wir sagen: Damit schaden wir uns selbst.
    Ich denke, es ist besser wir argumentieren aus der Interessenlage heraus - ungefähr so:
    "Ja, es ist Scheiße, wenn Russland die jetzige Schwäche der ukrainischen Regierung nutzt, um sich die Krim unter den Nagel zu reißen.
    Aber unsere Interessen als Lohnabhängige im Westen berührt das nicht. Das ist ein Streit zwischen Nachbarstaaten weit weg von hier. Deshalb sollen wir uns da nicht einmischen, deshalb dürfen wir uns da nicht einmischen. Andernfalls macht das den Konflikt nur noch schlimmer."


    Gruß Wal

  • Ob die Ereignisse und Entwicklungen in der Ukraine oder anderen Ländern der "Ex-SU" unsere Interessen berühren oder nicht, wird sich evtl. noch herausstellen. Und was heißt "einmischen"? Darf ich dazu wenigstens noch eine Meinung haben, welche sich von der anderer Menschen unterscheidet?


    Bzgl. Sanktionen, da fielen mir auf Anhieb reichlich Gründe ein, warum man diese eher gen Westen richten müßte, aber dieser Knüller geht ja nicht, gell. Das hat nichts mit gut/böse, sondern mit diversen Rechtsbrüchen zu tun, welche auch nicht erst seit gestern aus dieser Richtung an der Tagesordnung sind. Ganz streng genommen müßte sich die BRD selber sanktionieren. So what?


    Meine Frage:


    ""Die russische Mobilmachung und faktische Besetzung der Krim" - was genau passiert dort jetzt? Da ich zu den hiesigen Medien keinerlei Vertrauen habe, möchte ich gerne wissen, wo es hierzu einigemaßen vertrauenswürdige Quellen gibt."


    wurde geflissentlich übergangen.


    Statt auf mein Resumée im Obigen Beitrag:


    "Vielleicht wäre es am sinnvollsten, das ganze unter dem Aspekt "Welche Auswirkungen hat es darauf, den Übergang in eine emanzipierte Gesellschaft zu ermöglichen?" zu betrachten. Bisher ist da meinerseits nur so ein mulmiges Gefühl, dass die Vorgänge in dieser Region (und nicht nur dort) derzeit diesem Ziel ziemlich entgegen stehen."


    einzugehen, bekomme ich quasi den Satz "Wer immer sich - direkt oder indirekt - auf die Seite einer dieser beiden Imperialmächte stellt, macht sich zur Kriegspartei." um die Ohren gehauen. Weil es mir auf den Keks geht, dies zu einer Angelegenheit eines Herrn Putin zu machen sowie seine permanente Darstellung als das personifizierte(!) Böse durch die Majorität der Medien. Diese mystifizierenden Begrifflichkeiten sind m.E. jenseits aller vernünftiger politischer Analyse wie nur geht.


    Vor allem scheint mein Eingangssatz für die Antwortenden irrelevant gewesen zu sein, für mich war er wesentlich, daher wiederhole ich ihn nochmal:


    "Der "Fall" Ukraine ist eine ziemlich vielschichtige Angelegenheit, in der mE die diversesten "Interessengruppen" ihr jeweiliges Süppchen kochen."


    Sofern mich nicht alles täuscht, wird das "Süppchen" Ukraine gerade ausverkauft. (Und da das ja so weit weg ist, darf es mich auch nicht interessieren, wie sich dies möglicherweise auf die Lohnabhängigen dort auswirkt?) Nein, das ist kein Streit zwischen Nachbarstaaten, die Ukraine ist nur der Austragungsort für den alten kalten Krieg sowie die neueste Beute für den westlichen Kapitalismus. Und selbst für den gilt, dass er "vielschichtig" in seinen Interessen ist, auch da gibt es Allianzen und Gegnerschaften.


    Nochmal: "Welche Auswirkungen hat es darauf, den Übergang in eine emanzipierte Gesellschaft zu ermöglichen?"


    cu
    renée

  • Hallo Renee,
    es ist nicht fair, wenn du mir – und allen anderen im Forum – zum Vorwurf machst, auf einzelne deiner Aussagen nicht eingegangen zu sein. Mit Satz-zu-Satz-Antworten haben wir keine positiven Erfahrungen gemacht. Meist kommen hier mehr oder minder pauschale Antworten.
    Einen Vorwurf mache ich mir aber. Ich muss mir zum Vorwurf machen, dass ich in dieser Diskussion über die Maidanbewegung und ihre Folgen viel Gewicht auf die Kritik anderer Ansichten und zu wenig Gewicht auf die Erklärung und Begründung meiner Ansichten gelegt habe.
    Fest steht jedenfalls, dass es da unterschiedliche Einschätzungen gibt, und diese unterschiedlichen Einschätzungen werden uns noch eine ganze Weile begleiten und beschäftigen.


    Ich will hier trotzdem noch einmal auf die unterschiedlichen Argumentationsmuster und Sichtweisen eingehen, die die Diskussion bisher (nicht nur im Marx-Forum) bestimmt haben.


    Meine eigene Sichtweise lässt sich auf die (verkürzte) Formel bringen:
    Es gibt in der Geschichte und in der Politik nur zwei Mächte: Staatsmacht und Volksmacht.
    In den Worten von F. Engels: „Es gibt in der Politik nur zwei entscheidende Mächte: die organisierte Staatsgewalt, die Armee, und die unorganisierte, elementare Gewalt der Volksmassen.“ F. Engels, Gewalt, MEW 21, 431.


    Jeder Linke muss sich also überlegen, wie er zur Staatsmacht steht und wie zur Volksmacht.


    Meine Stellungnahme sieht so aus:
    Staatshandeln ist überwiegend schlecht – erst recht, wenn Polizeigewalt und Militärgewalt zum Einsatz kommen. Volkshandeln ist überwiegend gut - je mehr Menschen sich beteiligen, desto besser.


    Bezogen auf die Ukraine: Die Maidanbewegung war erfolgreich. Sie hat eine autokratische Regierung gestürzt. Das ist ein gutes Resultat.
    Alles, was westliche Regierung und was die russische Regierung in der Ukraine machen, ist schlecht. Am schlimmsten ist jedoch dort wie überall die Drohung mit Militärgewalt und der Einsatz von Militärgewalt.
    Diese einfache Sichtweise wird von der Mehrheit der Linken nicht geteilt.


    1) Einige Linke unterteilen die Staaten in „gute“ und „böse“ Staaten.
    Die „Antiimperialisten“ kritisieren und bekämpfen fast ausschließlich die Nato-Staaten. In ihren Augen ist Russland per se nicht imperialistisch, - selbst wenn Putin sich nicht nur zum Repräsentanten seines Staates, sondern auch noch zum Interessenvertreter und "Retter" aller russischsprachigen Menschen außerhalb seiner Staatsgrenzen erklärt.
    Wer auf Staatshandeln fixiert ist und vom Staatshandeln positive Impulse für unsere Emanzipation erwartet, muss zwanghaft neben den "bösen" imperialistischen Staaten (EU, USA, Israel) irgendwo auf der Welt auch Staaten und Regierungen ausmachen, die "gut" sind und Positives bewirken (Kuba, Venezuela, Russland, Syrien etc.).


    2) Andere Linke beurteilen eine Bewegung nicht nach ihren Zielen und Resultaten, sondern nach beteiligten Personengruppen.
    Eine Bewegung, an der sich Rechte beteiligen, ist in ihren Augen per se schlecht. Eine Bewegung, die von Nato-Staaten unterstützt wird, ist in ihren Augen per se schlecht.


    3) Andere Linke beurteilen eine Bewegung nicht nach ihren Resultaten, sondern nach den (vermuteten) Motiven.
    Eine Bewegung, die angeblich oder tatsächlich „nationalistisch“ ist, ist in ihren Augen per se schlecht.


    Das sind die unterschiedlichen linken Sichtweisen, die ich zur Zeit ausmachen kann.


    Zu 1) Da ich im Staat und im Staatshandeln gegenwärtig das Haupthindernis für unsere Emanzipation von Lohnarbeit und Kapital sehe, ergibt sich für mich: Ein autoritärer Staat ist ein größeres Emanzipationshindernis als ein liberaler Staat. Wäre ich Ukrainer, dann wäre mir eine Abhängigkeit von der EU wahrscheinlich lieber als eine Abhängigkeit von Russland. Eine „unabhängige Ukraine“ ist angesichts der geografischen Lage und der Finanzlage eine Illusion. Die Orientierung der Maidanbewegung auf den Westen halte ich für das kleinere Übel.
    Das aktuelle Dilemma der Ukrainer zwischen zwei Oberherren sich entscheiden zu müssen, hat Parallelen zum Anschluss der DDR an die BRD. Auch dieser Anschluss wurde nicht von Außen oktroyiert, sondern von den Bewohnern der DDR gewollt. Die Abhängigkeit vom Osten war bekannt und verhasst. Die Abhängigkeit vom Westen schien das kleinere Übel und war tatsächlich das kleinere Übel. Die Linke in Deutschland hat diese Entwicklung damals kritisiert und sie kritisiert das heute an der Ukraine. Ich denke, diese Kritik basiert heute wie damals auf linken Illusionen über die vorhandenen wirtschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse.


    Zu 2) Die Maidanbewegung wollte eine korrupte Regierung stürzen. Daran ist nichts „rechts“ oder „rechtsradikal“ – es sei denn man zieht in Betracht, dass die ukrainische KP an der Janukowitsch-Regierung beteiligt war. Diese Regierungsbeteiligung der KP war jedoch ein schlimmer Fehler, der nun bestraft wird. Da hält sich mein Mitleid mit diesen „Regierungslinken“ in Grenzen.
    Der Sturz einer Regierung schwächt die jeweilige Staatsmacht. Das sehe ich positiv, weil es den Zwang zur Selbstorganisation erhöht und die Möglichkeiten der Selbstorganisation verbessert.
    Die Maidanbewegung kehrte als erstes zu der Verfassung von 2004 zurück, die weniger autokratisch ist als die Verfassung von Janukowitsch. Auch darin sehe ich einen Fortschritt.


    Zu 3) Ich halte es für falsch, Volksbewegungen nach ihren Motiven („Nationalismus“ etc.) beurteilen zu wollen. Erstens sind diese Motive immer vielschichtig und zweitens sind die Motive von abertausenden Menschen gar nicht ausforschbar.
    Außerdem entstehen in der Geschichte wie im privaten Leben, gute Wirkungen aus schlechten Absichten und schlechte Wirkungen aus guten Absichten. Hegel ging sogar so weit zu behaupten, dass „alles Schädliche in der Geschichte aus guter Absicht entstanden" sei.
    In der Geschichte wie im Privatleben zählen letztlich nur die Auswirkungen unseres Handelns, nicht unsere Absichten.
    Es gibt in der politischen Theorie den Gegensatz von Gesinnungsethik und Verantwortungsethik
    Die meisten Linken sind Gesinnungsethiker. Ich bin - falls ich überhaupt zu ethischen Begriffen greife - Verantwortungsethiker.


    Gruß Wal Buchenberg

    P.S.
    In einem anderen Forum hatte ich meine Position zu der Entwicklung in und um die Ukraine so zusammengefasst:
    1. Die ukrainische Regierung sollte die Machtverhältnisse und damit die faktische Abtrennung der Krim durch Russland akzeptieren. Am besten wäre, die Ukraine könnte noch eine finanzielle Entschädigung für den Verlust ihres Staatsgebiets herausschlagen.
    2. Alle anderen Staaten und Regierungen sind von diesem territorialen Nachbarschaftskonflikt nicht betroffen und sollen sich deshalb aus dem Konflikt heraushalten.
    Damit wären hier wie dort emanzipatorische Bewegungen weitgehend unbehindert.

  • Am Fall Ukraine erhärtet sich ein Verdacht, der die radikale Linke notwendig bereits seit längerem beschleichen könnte:
    Es gibt riesige Bereiche der politischen Praxis da draussen, die sogar weit reichende, womöglich dramatische politische Konsequenzen haben können - aber auf fatale Weise stehen sie "quer" zu den eigentlich linken Anliegen.
    Man könnte sagen: Die radikale Linke wird weltfremd (statt mit ihren Analysen ins pulsierende Herz der kapitalistischen Wirklichkeit zu treffen). Man könnte aber auch sagen: Die radikale Linke entfernt sich von den Geschehnissen, die Distanz dazu wird grösser. Es ist ja nichtmal so, dass die linken Analysen soviel schlechter geworden wären. Es ist nur so, dass an den analysierten Ereignissen ENTWEDER ein entscheidender Gehalt theoretisch noch nicht erfasst ist - ODER aber, dass sich aus ihnen - so zugespitzt womöglich die Entwicklung verläuft - für den eigentlich radikal linken Politikansatz kein praktischer Anknüpfungspunkt ergibt - ausser dem ganz banalen (wenn auch aus linksradikaler Sicht natürlich korrekten): Bei Abschaffung der Konkurrenz gäbs das alles nicht.
    Man kann es hunderttausendmal wiederholen, bei allen Anlässen, wo es angebracht ist (und es IST an hundertttausend Stellen angebracht).
    Nur... das führt ja nicht weiter.
    Warum wird die Konkurrenz, die unsagbar schädliche, nicht einfach "abgeschafft"?
    Warum, zum Teufel, GIBT es sie überhaupt, gibt es sie noch und immer noch und unausrottbar immer weiter?
    Die radikale Linke war und ist es gewohnt, sich den historischen Brennpunkten zuzuwenden, dort analytisch präsent zu sein, der bewussteste Teil der tatsächlichen Bewegung usw. Das kann sie (Seit an Seite mit den ebenso genau hinschauenden Angehörigen der politischen Klassen bzw. Interessierten - mehr oder weniger ebenso genau analysierenden Jounalisten und Wissenschaftlern) weiter tun. Aber es wird sich da nichts weiter Neues ergeben.
    Der Grund ist, dass man bei der ODER-Alternative oben stehenbleibt.
    Die entscheidende Schwäche der Linken, weshalb ihre Analysen über die sach-orientierten von Nicht-Linksradikalen nicht hinausweisen, ist theoretischer Art. Ihr fehlen ZENTRALE Kategorien zur Erklärung der Verhältnisse, gerade bei den wichtigsten "Warum?"-Fragen, die man sich als Linksradikaler stellt, bekommt man heute keine Antwort.
    In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen weiteren Text zur Ukraine verweisen, vor allem auf die sarkastischen Fragen im letzten Teil.

  • Ich stimme zu, dass die Verantwortungsethik stets der Gesinnungsethik vorgezogen werden sollte und offizielle Labels weniger wichtig sind als was konkret und greifbar vor Ort im Interesse "des Volkes" passiert. Allerdings halte ich es für genauso naiv zu meinen, nur weil "das Volk" bzw. Teile der Bevölkerung ihren Arsch hochbekommen und sich gegen die momentan Herrschenden richten, dass dieser Schritt als solcher bereits emanzipatorisch genug wäre um nicht mal drauf zu schauen wer da agiert und was die vorhaben. Spätestens seit Aufkommen des Faschismus im 20. Jahrhundert sollte ersichtlich sein, dass jede Form der "Volksbewegung" oder Volksmacht nicht gleich emanzipatorisch wirken muss, sondern durchaus reaktionäre Fahrwasser annehmen kann.


    Ich gehe mit den "Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft" und ihren "28 Thesen zur Klassengesellschaft" d'accord, wenn sie schreiben: "Nur eine Bewegung der ungeheueren Mehrzahl der Lohnabhängigen kann die Gesellschaft umwälzen. Doch nur anlehnungsbedürftige Metaphysiker vergöttern darum das Proletariat als „revolutionäres Subjekt“. Wie die Proletarier kämpfen, so sind sie; und ihre Kämpfe haben sie bis heute nicht über die Klassengesellschaft hinaus, sondern immer tiefer in sie hineingeführt. Ebenso wenig erlischt mit dieser Integration die Möglichkeit der Revolution, die solcher Legende zufolge in irgendwelchen angeblich goldenen Zeiten des Liberalismus gegeben war, als zornige Arbeiter und Schlotbarone aufeinandertrafen, Kulturindustrie und Sozialstaat noch unbekannt waren. Dieser melancholisch gestimmten Verfallsgeschichte ist keine Geschichtsphilosophie des unaufhaltsamen Aufstiegs entgegenzuhalten."


    Es mögen die Motive abertausender Menschen dadurch zwar immer noch nicht genau ausforschbar sein, dennoch gibt es erkennbare Kräfte und "Avantgarden" (wenn wir sie so nennen wollen), die den Kurs vorgeben.


    Dass die faschistische Rechte vom Gros der ukrainischen Bevölkerung getragen wird (bei den russischsprachigen Ostukrainern sieht das deutlich anders aus), hat natürlich auch mit dem Versagen der stalinistischen KPU zu tun, die den ungeliebten Janukowitsch stützte. Daraus jetzt aber einfach nur ein "Tja, selbst Schuld, Linke" abzuleiten mag zwar einerseits hinhauen, finde ich aufgrund der realen Lage der politischen Linken in der Ukraine - und nicht nur der KP - für ziemlich zynisch. Überhaupt frage ich mich wie die Sache mit dem Nationalismus bloß in Anführungsstriche gesetzt werden kann und die Hergänge seitens Wal so heruntergespielt.


    Nehmen wir den von Franziska verlinkten Text zur Hand, treffen wir abermals auf delikate Infos, die ich bereits versucht habe vorzubringen:
    "Nach dem Sieg der Oktoberrevolution bildete sich eine aus dem Ausland geleitete ukrainische Nationalbewegung, die „Organisation Ukrainischer Nationalisten“ (OUN), die sich nach dem Einmarsch der Wehrmacht mit dieser verbündete. Die Aktionen der von ihr gebildeten Einheiten waren anti-sowjetisch, anti-polnisch und antisemitisch. Sie waren an zahlreichen Pogromen und Vernichtungsaktionen an Juden und Polen beteiligt. Nach 1945 führten sie einen jahrelangen Partisanenkrieg gegen die Sowjetmacht. Die Führer dieser ukrainisch-faschistischen Einheiten im II. Weltkrieg, Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch, stammten aus Galizien."


    Weiter heißt es: "Auf dem Mist dieses Schlagens-auf-die-nationale-Pauke ist die Swoboda groß geworden. Sie griff diese Glorifizierung des ukrainischen Unabhängigkeitskampfes auf und wurde zum Sammelbecken der von der Orangen Revolution enttäuschten Patrioten. Arbeitslose Jugendliche und Afghanistan-Veteranen, verarmte Landbevölkerung und für elende Gehälter tätige Intellektuelle nahmen dankbar das Erklärungsschema an, demzufolge der Verfall der Werte, die Abkehr von (einem vor allem griechisch-katholischen) Gott und die Herrschaft von Russen und Juden der Grund für die trostlose Situation in der Ukraine sind."


    Und: "Inzwischen, wie man mitbekommt, hat die Swoboda Konkurrenz von rechts bekommen, und verschiedene andere Gruppen wetteifern mit ihr im Gestus der Russenfresser. Das sind die Leute, denen die EU und die USA den Rücken gestärkt haben und die – zum Unterschied von den restlichen Figuren in der Regierung und dem Parlament – einen gewissen Rückhalt in der Bevölkerung haben."

    Vieles davon ist einem Versagen der ukrainischen Linken zuzurechnen; daraus jetzt aber zu schlussfolgern, dass die Maidan-Bewegung dennoch irgendwie einen emanzipatorischen Gehalt hatte, nur weil sie die Janukowitsch-Clique gestürzt hat ist als wenn man dem NS-Staat zugute hält die chaotischen Weimarer-Verhältnisse ad acta gelegt zu haben. Pardon, aber ich halte eine solche Argumentation für unverständlich und einer Naivität gegenüber der "Volksmacht" geschuldet, die ich für genauso falsch erachte wie die naive Ansicht, die Staatsmacht könne ganz simpel zum Zwecke sozialer Emanzipation verwendet werden.

  • Hallo Mario,
    du hast realisiert, dass mein Urteil über die Maidan-Bewegung nicht mangelnder Information geschuldet ist, sondern einer anderen Bewertung.
    Mit deinen Bewertungsmaßstäben kann ich jedoch nichts anfangen:
    Du behauptest, der Faschismus sei eine "Volksbewegung" gewesen und habe eine "Volksmacht" etabliert.
    Weder der deutsche Nationalsozialismus noch der italienische Faschismus waren „Volksbewegungen“ und noch weniger errichteten sie eine „Volksmacht“.
    Mit dieser interessierten Darstellung des Faschismus werden alle Volksbewegungen diffamiert.


    Du beurteilst die Maidanbewegung mit Rückgriff auf Leute, die zwei oder drei Generationen vor uns lebten.
    Heutige Bewegungen mit Bewegungen gleichzusetzen, die es vor 70 (Bandera) oder 100 Jahren (OUN) gab, ist ebenfalls bloße Denunziation.


    Dein Vergleich der Maidan-Bewegung mit der Machtergreifung Hitlers ist bloße Denunziation und Diffamierung.


    Eine sachliche Antwort darauf ist mir nicht möglich.
    Wen wollen und wen können Linke überzeugen, wenn sie in Geschehnissen herumstochern, die 70 und mehr Jahre zurückliegen, während sich die Ereignisse in der Gegenwart überstürzen?


    Gruß Wal

  • Hallo renée,


    du fragst auf die Vorgänge in der Ukraine bezogen: "Welche Auswirkungen hat es darauf, den Übergang in eine emanzipierte Gesellschaft zu ermöglichen?"


    Dazu meine ich, dass die gegenwärtig in einem Teil der Ukraine die Macht ausübenden politischen Kräfte offensichtlich Faschisten sind. Es reicht aber nicht aus, diese Menschen, wie viele Linke, moralisch als schlechte Menschen abzuqualifizieren, sondern es ist festzuhalten, dass diese Leute Idealisten und davon überzeugt sind, dass sie aus dem Schlamassel, den das gegenwärtige dysfunktionale (internationale) Geld- und Wirtschaftssystem den Lohnarbeitern in ihrem Land eingebrockt hat, nur noch herauskommen, wenn sich das Volk auf seine (eingebildeten) kulturellen Stärken und seine eigene völkische Kraft besinnt, wofür es, ergänzend, meinen sie, einen straff autokratisch organisierten Staat braucht, der machtvoll und entschlossen nach Innen und Außen auftritt.


    Schlimm an der Maidan-Bewegung ist, dass von ihrer Seite gegen diesen unheilvollen Nationalismus bisher keine Kritik laut geworden ist – ganz zu schweigen von einer entschiedenen Auflehnung dagegen. Also schließe ich, solange ich nichts Gegenteiliges höre, daraus, dass auch die Bewegung selbst diesem Idealismus anhängt, wobei die Faschos diejenigen sind, die diesen Idealismus mit der gewohnten faschistischen Brutalität praktisch vollziehen.


    Wegen der nationalistisch/faschistischen Ausrichtung der Maidan-Bewegung ist in emanzipatorischer Hinsicht überhaupt kein Fortschritt feststellbar. Ganz im Gegenteil: sie ist ein abschreckendes Beispiel dafür, wohin es führt, wenn der Nationalismus insbesondere von den Linken (Realsozialisten und KPU) gepflegt wurde und wird. Jetzt hat dieser blöde Idealismus die Menschen in der Ukraine wohl folgerichtig in eine Lage gebracht, in der die Vernunft vollends ausgeschaltet ist und die Gegensätze nur noch mit Gewalt ausgetragen werden können.


    Beste Grüße
    Kim

  • Hallo Kim,
    du lieferst eine Vorverurteilung einer Regierung ab, die quasi im Wartestand ist, und von der so gut wie keine Meldungen kommen.
    Ist diese Regierung mit der Maidanbewegung identisch? Ich denke nicht. Sie ist daraus erwachsen, aber sie ist nicht die Bewegung.
    Siehe die Erklärung dieser ukrainischen linken Strömung der Maidanbewegung. Oder dieses Statement.


    Du sagst, die neue Regierung in Kiew sei nationalistisch. Das will ich nicht in Abrede stellen. Aber sind andere Regierungen weniger nationalistisch? Wenn ja, welche?


    Derweil überschlagen sich die Nachrichten über die Regierungen in Moskau, Washington, Brüssel und Berlin.
    Ich hatte schon einmal gesagt:
    Kiew dreht an einem kleinen Rad. Die Nato-Staaten und Russland drehen an großen Rädern. Von diesen beiden Großmächten geht die Kriegsgefahr aus. Beide mischen sich mit Drohungen und Einsatz von Militärgewalt in ein fremdes Land ein.
    Wer in diesem Territorialkonflikt nur eine Kriegspartei kritisiert, der unterstützt die andere Kriegspartei.


    Gruß Wal

  • Zum geschichtlichen Rückblick:
    Ich denke, es ist verkehrt, 70 oder 100 Jahre zurückzublicken und dabei das wichtigste Datum zu "übersehen": den Zusammenbruch des Sowjetimperiums 1989. Alles, was seither auf dem eurasischen Kontinent geschah, war eine Folge dieses Zusammenbruchs. Dabei vermischten sich die Interessen von zwei imperialen Großmächten (USA/NATO und Russland) mit den Interessen kleiner Nationalstaaten.
    Mit den Balkankriegen hatte die Nato bewiesen, dass sie wirkliche Unabhängigkeit (Jugoslawien/Serbien) nicht zulassen will. Auch in der Ukraine war die Nato die aggressivere Macht. Aber gegen die Ausbreitung des Nato-Imperiums großrussischen Chauvinismus zu setzen, wie es Putin tut, ist absolut keine gute "Verteidigung". Auch Russland akzeptiert keine nationale Unabhängigkeit. Auch Russland möchte vom Erbe der Sowjetunion möglichst viel für sich.


    Der Streit zwischen Russland und dem Westen um das Erbe der Sowjetunion ist auf beiden Seiten ein imperialistischer Streit um imperialen Einfluss jenseits der eigenen Staatsgrenzen. Da gibt es auf keiner Seite einen "Guten". Beim Kampf zweier Großreiche ist es von untergeordnetem Interesse, wer sich gerade verteidigt und wer gerade angreift.


    Ich denke, wenn Linke das nicht nüchtern sehen können, dann nur, weil sie selbst den Zusammenbruch des Sowjetsystems noch nicht verstanden und noch nicht für sich geklärt haben. Linke, die vom Sowjetimperium irgendwas retten wollen, schlagen noch einmal verlorene Schlachten. Zugespitzt: Zombielinke.
    (Sorry für Polemik).


    Gruß Wal

  • Ich beurteile die Maidan-Bewegung anhand der aktuell gegebenen Kräfte. Diese beziehen sich halt auf Organisationen die vor 70 oder 100 existierten, in deren Tradition stehen sie sich begreifen. Daraus kann man ableiten wohin die Reise gehen soll.


    Ich finde es ein wenig seltsam Swoboda oder dem Rechten Sektor irgendwelche emanzipatorischen Potenziale andichten zu wollen. Den Faschismus/NS als Volksbewegung dargestellt zu haben, mag polemisch überzogen gewesen sein, aber deshalb auch die Anführungsstriche. Es handelte sich dabei dennoch um eine klassenübergreifende - wenn stark durch das Kleinbürgertum dominierte - Bewegung die im (völkischen) Nationalismus ihr Bindemittel fand.


    Meine Kritik an den ukrainischen Nationalismus/Faschismus dient nicht dazu sich auf die Seite der russischen Regierung zu stellen. Vielmehr bin ich Gegner der westlichen wie gleichermaßen russischen Intervention und der Nationalisten/Faschisten vor Ort. Soweit mir bekannt ist auch das die Position der von Dir verlinkten "Linken Opposition" des Landes.


    Andererseits lässt sich nicht verhehlen, dass es der Westen war, der die Hergänge massiv provoziert hat. Die Reaktionen der russischen Staatsführung bei einem geplanten EU- und NATO-Beitritt der Ukraine und der Verlust ihres Flottenstützpunktes auf der Krim, welcher der russischen Marine als Zugang zum Mittelmeer dient, sind aus Sicht nationalstaatlicher Politik nur logisch. Ich stimme aber zu, dass die deutsche und europäische Linke nicht so stumpf sein sollte die Intervention des Kremls als selbstlosen humanitären Akt anti-imperialistischer Natur zu verstehen. Soweit mir bekannt tun das aber die Wenigsten.

  • Hallo Mario,
    ich halte nichts von einer "Genealogie des Faschismus". Ich glaube nicht, dass man heutige Parteien und Organisationen aus Ereignissen "deuten" kann, die 70 oder mehr Jahre zurückliegen. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass das entscheidende Datum auch für die Ukraine das Jahr 1989 war. Ich finde, bei der Beurteilungen von Menschen und Parteien/Menschengruppen, sollten wir darauf schauen, wo sie hinwollen, nicht wo sie herkommen.


    Ich habe auch mehrmals schon darauf hingewiesen, dass von der aktuellen Regierung in Kiew erstens nicht die Kriegsgefahr ausgeht - die Kriegsgefahr geht von Russland und den Natostaaten aus - , und dass zweitens diese neue Regierung nicht identisch ist mit der Maidanbewegung. Teilweise wurden Leute, die heute die Kiewer Regierung stellen bzw. bei der kommenden Wahl antreten wollen, von den Maidanprotestierern ausgepfiffen und abgelehnt.
    Falsch ist es auch, die Maidanbewegung insgesamt als faschistisch zu denunzieren wie es Putin und seine Helfershelfer tun.
    Dazu zitiere ich die aktuelle Erklärung der Kiewer „Linken Opposition“, die ich oben schon verlinkt hatte.
    „Der Maidan[-Protest] war nicht einförmig - radikale Nationalisten dominierten wirklich die Proteste mit Fremdenfeindlichkeit, aber glücklicherweise bestimmten sie nicht die Forderungen des Maidans. Die Bevölkerung der Ost- und Südukraine sowie die Mitglieder der ethischen Minderheiten sollten wissen, dass auf dem Maidan viele Vertreter der Kräfte standen, die internationalistische, linke und demokratische Positionen hoch hielten.“


    Das finde ich die richtige Betrachtungsweise: Eine Bewegung danach beurteilen, welche Forderungen sie aufstellt, und welche Erfolge und Auswirkungen sie hat, - nicht danach, ob mir alle Leute gefallen, die da mitmachen. Volksbewegungen sind kein linker Klüngel und auch keine Therapiegruppe.
    Die Forderung nach dem Rücktritt von Janukowitsch war nicht "faschistisch", sondern demokratisch, vielleicht sogar basisdemokratisch. Ansonsten ist es noch zu früh, um alle Auswirkungen der Maidanbewegung zu beurteilen. Das nächste Wahlergebnis und die regierungsamtliche Reaktion auf die russische Abtrennung der Krim sollten wir dafür mindestens noch abwarten.
    Gruß Wal


    P.S. Natürlich lässt sich in dem Tun der Mächtigen "Logik" entdecken. Aber es ist für uns und die Emanzipationsbewegungen vertane Zeit, sich mit der "Logik aus nationalstaatlicher Sicht" zu befassen, wie du es nennst.
    Wir müssen unsere eigene "nichtsstaatliche Logik" finden. Das heißt: Was können wir selber tun um uns zu helfen?

  • @Wal


    Russische Fahnen schwenkende Menschen sind nicht weniger abstoßend als ukrainische Fahnen Schwenkende. Das zeigt ja wie blöd Nationalismus ist und in welche Richtung er weist, nämlich auf die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Herkunft. An dieser, die Gewalt bergenden nationalistischen Konkurrenz, wird deutlich, dass das Ideal der (modernen) nationalistischen Weltanschauung vom friedlichen Zusammenleben (kulturell, ethnisch oder sonst wie gereinigter) geeinter Völker nationalistische Schwärmerei und Humbug ist.


    Bei der Beurteilung der Vorgänge in der Ukraine sollten Kommunisten / Kommunalisten nicht in Maßstäben von Nationen denken und urteilen. Für sie kann nur der Maßstab von mit Verstand begabten Menschen gelten. Deshalb kann auch eine nationalistische Bewegung, wie Maidan-Bewegung eine ist, nicht als (emanzipatorisch) fortschrittlich eingestuft werden, nur weil sich daran Lohnarbeiter massenhaft beteiligten, sondern muss mit aller Entschiedenheit kritisiert und verurteilt werden.


    @Mario


    Aus dieser Sicht ist auch die Haltung der linken Gruppe des von Wal verlinkten Beitrags zu kritisieren. Sie ist selbst nationalistisch (für eine unabhängige Ukraine etc.) und stellt sich mit ihrer Forderung gegen den russischen Imperialismus auf die gleiche Seite der rechten Nationalisten, die sie eigentlich kritisieren will. Damit werden ihre Forderungen aber zur Farce. Es ist der große Fehler der Linken, wenn sie sich immer wieder auf den Nationalismus einlässt und vielleicht doch was Positives (wegen kulturellere Vielfalt, natürlicher Herkunft und so) darin entdecken will. Aber dann braucht sie sich auch nicht wundern, wenn dann so seltsame Bewegungen, wie die Maidan-Bewegung zustande kommen, wo das Volk auf einmal nichts mehr von ihnen wissen will.


    Beste Grüße
    Kim

  • @Wal
    Russische Fahnen schwenkende Menschen sind nicht weniger abstoßend als ukrainische Fahnen Schwenkende. Das zeigt ja wie blöd Nationalismus ist und in welche Richtung er weist, nämlich auf die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer und kultureller Herkunft.


    Hallo Kim,
    diesen Punkt werden wir wohl noch länger diskutieren. :|
    Erstens finde ich Fahnenschwenken jedweder Art nicht sympathisch. Aber bei den Meisten ist das nur eine äußere Hülle, ein Dresscode, der nicht zu wichtig zu nehmen ist. Das ist jedenfalls meine Erfahrung mit etlichen tausend Menschen ausländischer Herkunft aus vielleicht einem Dutzend Ländern, die ich im Laufe meines langen Ausland-Aufenthaltes kennen und schätzen lernte. Von denen gehörte die Mehrzahl zu den von dir verhassten "Fahnenschwenkern".


    Abgesehen davon, dass so Äußerlichkeiten wie Fahnenschwenken wenig über einen Menschen aussagen, kann man auch nicht alle Nationalismen über einen Kamm scheren, wie du es tust. Der Nationalismus einer Großmacht (USA, Russland, Hitlerdeutschland etc.) ist weitaus gefährlicher als der Nationalismus einer kleinen Nation (Iren, Basken, Schotten etc.). Und je nach Lage der Dinge sind da unterschiedliche Maßstäbe an denselben Nationalismus anzuwenden.
    Kurz es gibt - zeitweilig oder nicht - aggressive Nationalismen und defensive Nationalismen. in deiner Nationalismustheorie gibt es keine Grautöne. Das halte ich für falsch.


    Bei der Beurteilung der Vorgänge in der Ukraine sollten Kommunisten / Kommunalisten nicht in Maßstäben von Nationen denken und urteilen. Für sie kann nur der Maßstab von mit Verstand begabten Menschen gelten. Deshalb kann auch eine nationalistische Bewegung, wie Maidan-Bewegung eine ist, nicht als (emanzipatorisch) fortschrittlich eingestuft werden, nur weil sich daran Lohnarbeiter massenhaft beteiligten, sondern muss mit aller Entschiedenheit kritisiert und verurteilt werden.


    Du verurteilst die Maidanbewegung, weil sie nicht deine hehren kommunistischen Ziele teilt. Darin steckt eine doppelte Arroganz: Erstens urteilst du über hunderttausende Menschen aus der Ferne und zweitens verurteilst du sie mit einem ziemlich willkürlichen Maßstab: Seid ihr nationalistisch? Dann findet ihr vor mir keine Gnade!
    Die meisten Menschen, die ich kenne, sind irgendwo mehr oder minder nationalistisch, aber darüber hinaus auch fortschrittlich und "mit Verstand begabte Menschen".
    Ich denke, der Nationalismus ist eine Form der Suche nach Solidarität und Gemeinschaft. Nation ist die Gemeinschaft der Sprache und Kultur unter der Dominanz der Kapitalistenklasse. Meistens dient Nationalismus den Interessen der Kapitalisten. Andersherum: Wo die Herrschaft der Kapitalisten nicht massenhaft in Frage gestellt wird, ist Nationalismus zwangsläufig die vorherrschende Ideologie. Wenn du forderst, dass die Menschen ihren Nationalismus ablegen, ist diese Forderung ebenso abstrakt und hilflos, wie wenn du forderst, dass die Menschen endlich den Kapitalismus beseitigen sollen.


    Wie werden wir Nationalismus los? Auf keinem anderen Weg als wie wir den Kapitalismus los werden.
    Erst, wenn die Leute sinnvollere Gruppen und rationalere Gemeinschaften entdeckt haben, werden sie auf Nationalismus verzichten.
    Erst wenn und soweit die Menschen Solidarität und Kooperation sowohl als Klasse und als Kommunarden, als auch als internationale Solidarität erleben, werden sie auf Nationalismus verzichten.
    Kurz: Nationalismus verschwindet nicht durch Argumente oder Apelle, sondern kann nur durch wachsendes Klassenbewusstsein und bewusste Kooperation beseitigt werden.
    Nationalismus verschwindet also nicht durch anderes Denken, sondern durch anderes Tun - vielleicht auch durch solche Proteste wie auf dem Maidan. :thumbsup:
    Gruß Wal

  • Hallo Wal,


    der Punkt ist doch nicht, dass (hilflose) Appelle an die Lohnarbeiter gerichtet werden, sondern dass wir Linken uns mal einig werden; dass wir zu einer gemeinsamen und richtigen Auffassung von Nationalismus kommen, um zu wissen, wie dann theoretisch und praktisch mit ihm umzugehen ist.


    Ich habe nirgendwo gefordert, dass die Lohnarbeiter keine Nationalisten sein sollen, sondern festgestellt, dass es nicht gut (für sie) ist, wenn sie welche sind. Ich habe versucht klarzustellen, dass Linke, zuvorderst Kommunisten / Kommunalisten, nicht in nationalistischen Kategorien denken sollten, so wie du es leider tust, indem du behauptest, man dürfe nicht alle Nationalsmen über einen Kamm scheren, es gäbe doch große und kleine, gefährliche oder weniger gefährliche Nationalismen - soll heißen: vielleicht findet man ja hie und da doch etwas Positives an der Sache. Und das halte i c h eben für falsch, weil mit so einer Haltung die generelle Schädlichkeit des Nationalismus falsch eingeschätzt wird und auch keine richtige Beurteilung von nationalistischen Bewegungen möglich ist.


    Ich halte Nationalismus generell für eine schädliche Haltung. Wo, frage ich, ist unter vernünftigen Überlegungen am Nationalismus etwas Positives zu entdecken? Lassen sich mit mehr Nationalismus denn die Lebensbedingungen der Lohnarbeiter verbessern? Ich glaube kaum. Nationalisten haben ja auch kein besseres Reproduktionskonzept als das herrschende. Ihnen fällt dazu halt auch nur die blöde Markt- und Geldwirtschaft ein - idealistisch abgewandelt halt: auf den Vorteil der Nation soll die Wirtschaft bedacht sein und ein rigoroser Staat soll es ansonsten richten. Und wenn’s mit dem anachronistischen Reproduktionssystem nicht so klappt wie vorgesehen, dann hat sich der Staat eben – und wenn’s sein muss mit ein bisschen Krieg - in der internationalen Konkurrenz darum zu kümmern, der Nation einen Platz an der Sonne zu verschaffen. Und für so einen Mist sollen dann die Leute auf die Straße gehen und sich die Köppe einschlagen lassen. Dumm genug wenn sie’s tun.


    Aber die Maidan-Bewegung tut es eindeutig, und ihr Tun kann nicht entschieden genug abgelehnt werden, weil daraus nur weitere Schäden zu erwarten sind (Massenarmut, Bürgerkrieg usw.). Wie kann man denn diese nationalistische Bewegung für gut heißen, nur weil sie etwas tut, von dem man meint, dass es in irgendein geschichtliches Fortschrittskonzept passt, und dann hoffen, dass sich der Nationalismus in den Köpfen der Menschen schon irgendwann auflösen wird.


    Bisher jedenfalls ist immer das Gegenteil eingetreten. Wenn sich die Linke auf das nationalistische Ideal einlässt und damit ihren Materialismus aufgibt, gewinnt am Ende immer der Nationalismus. Das aus dem logischen Grund, weil das Sein das Bewusstsein beherrscht. Ferner beweist das die Vergangenheit und die Gegenwart: Zu welchen Resultaten haben die nationalistischen sozialistischen/kommunistischen Befreiungsbewegungen geführt? Zu veritablen Nationen, wo Sozialismus / Kommunismus eher ein Fremdwort ist. Wohin hat schließlich der Nationalismus der deutschen Sozialisten geführt? Zum Nationalsozialismus. Wohin führt der zunehmende Nationalismus der französischen Linken? Dass die Lohnarbeiter lieber gleich direkt zur Front National gehen. Und wohin hat der Nationalismus der Linken in der Ukraine geführt? Dass der Nationalismus dominiert und die Linke nichts mehr zu melden hat.


    Beste Grüße
    Kim

  • Hallo Kim,
    Wo es um die Bewertung der Maidanbewegung geht, drehen wir uns im Kreis. Du wiederholst deine (Vor)Verurteilung - ohne jeden Beleg und ohne weiteres Argument. Dir genügt die Behauptung: Alles Nationalisten! Gleichzeitig schweigst du dich beharrlich aus über die wachsenden Spannungen zwischen Ost und West, die ihre Ursache nicht auf dem Maidan-Platz haben, sondern in den Hauptstädten der Großmächte.
    Im übrigen machst du hier ein großes Fass auf mit deiner speziellen Nationalismustheorie. Nach dieser Theorie waren Marx und Engels ebensolche Nationalisten wie ich, weil sie auch Unterschiede machten zwischen kleinen und großen Nationen. Und weil sie der Meinung war, dass sich der Nationalismus mit der Zeit durch die Globalisierung des Kapitalismus von selbst erledigen würde.
    Für dich ist der Nationalismus der "Hauptfeind" der kommunistischen Bewegung. Für Marx und Engels waren das Staat und Kapital.


    Karl Marx schrieb über Polen:
    „Solange ein lebensfähiges Volk von einem auswärtigen Eroberer gefesselt ist, wendet es alle seine Kraft, alle seine Anstrengungen, alle seine Energien notwendig gegen den äußeren Feind; solange bleibt also sein inneres Leben paralysiert, solange bleibt es unfähig, für die soziale Emanzipation zu arbeiten.“ K. Marx, Über Polen, MEW 18, 574.


    In die gleiche Kerbe hieb F. Engels: „Es ist für ein großes Volk geschichtlich unmöglich, irgendwelche innere Fragen auch nur ernsthaft zu diskutieren, solange die nationale Unabhängigkeit fehlt.“ F. Engels, Brief an Kautsky (1882), MEW 35, 269.
    In deinen Augen ist das pöser Nationalismus.

    Marx kommentierte die Arbeit der Pariser Kommune: „Die Einheit der Nation sollte nicht gebrochen werden, sondern im Gegenteil organisiert werden durch die Kommunalverfassung. ... Die Kommunalverfassung würde ... dem gesellschaftlichen Körper alle die Kräfte zurückgegeben haben, die bisher der Schmarotzerauswuchs Staat, der von der Gesellschaft sich nährt und ihre freie Bewegung hemmt, aufgezehrt hat.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 340f.


    Mit der "Bekämpfung von Nationalismus" haben sich Marx und Engels nie befasst. Sie gingen davon aus, dass sich aller Nationalismus durch die Globalisierung des Kapitalismus und durch die soziale Revolution von selbst erledigt:
    „Die nationalen Absonderungen und Gegensätze der Völker verschwinden immer mehr, schon mit der Entwicklung der Bourgeoisie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der industriellen Produktion und der ihr entsprechenden Lebensverhältnisse. Die Herrschaft des Proletariats wird sie noch mehr verschwinden machen. Vereinigte Nation, wenigstens der zivilisierten Länder, ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung ...In dem Maße, wie die Ausbeutung des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Ausbeutung einer Nation durch die andere aufgehoben. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 479.

    Siehe dazu im Karl-Marx-Lexikon die Stichworte Nationale Befreiung und Nation.


    Zu guter Letzt: Nationalismus war vielleicht ein äußerliches Gewand der Maidanbewegung, aber nicht ihr bestimmendes Element. Der Kern der Maidanbewegung waren Antistaatlichkeit, Anti-Obrigkeit und Demokratismus. Die Maidanbewegung stürzte eine Regierung. Das ist das Wesentliche. Die Fahnen, die dabei geschwenkt wurden sind für die Beurteilung wenig interessant - es sei denn, man behauptet, die Janukowitsch-Regierung sei "fortschrittlich" gewesen und die neue Regierung sei "faschistisch".


    Damit da keine Missverständnisse aufkommen: Ich verteidige die Bewegung, die Janukowitsch stürzte. Ich verteidige nicht die jetzige Regierung in Kiew oder die Parteien, die sie tragen.
    Das war es von mir aus in diesem Thread zum Nationalismus.


    Gruß Wal

  • @Wal
    1. Die Zitate von Marx und Engels beweisen nur, daß Marx und Engels eben die Vor- und Fehlurteile ihrer Zeit geteilt haben.
    Das ist in diesem Zusammenhang nicht interessant.
    2. "Der Kern der Maidanbewegung waren Antistaatlichkeit, Anti-Obrigkeit und Demokratismus."
    Diese Aussage stimmt mit meinen Quellen überhaupt nicht überein. Genau das Gegenteil trifft zu.

  • Kai Ehlers ist einer der Linken, der auch außerhalb seines Dunstkreises gelesen und respektiert wird. Er hat sich während der Ukraine-Krise oft zu Wort gemeldet und seine Beiträge fanden ziemliche Resonanz.
    Ich will hier auf zwei Merkmale seiner Stellungnahmen kritisch eingehen:


    1. Die Gedanken und Überlegungen von Kai Ehlers spielen auf höchster Ebene.
    „EU/USA-Gipfel: Hände schütteln, neue Freundschaft, Bündnispflege.“ Und Kai Ehlers ist quasi einer von denen: Einer, der Regierungschefs die Hände schüttelt – oder ihnen Wahrheiten ins Gesicht schleudert.


    Ehlers hat die Brille eines Staatsmanns auf und weiß, wie die politischen Geschäfte da oben ablaufen. Ehlers ist ein Top-dog: „Lassen wir alle diplomatischen Schnörkel weg, konzentrieren wir uns für einen Moment nur auf die zentrale Botschaft des Tages. Was soll der Öffentlichkeit als Ergebnis der Ukraine/Krim-Krise jetzt verkauft werden?“


    Kai Ehlers ist ein Durchblicker: „Ein zentrales Motiv hinter der Ukraine-Krise leuchtet hier auf....“ „Es geht um die Zurückdrängung Russlands ... unter klarer Ausgrenzung Russlands.“
    Ganz sicher gab und gibt es solche Roll-back-Überlegungen bei westlichen Regierungen. Aber die Wünsche und Pläne der staatlichen Akteure im Westen ist eine Sache, die Kräfteverhältnisse und die daraus resultierenden Optionen sind eine andere.
    Die Vorstellungen der „Kalten Krieger“ gibt es mindestens seit 1945. Einflusszonen zu gewinnen und zu vergrößern ist eine Konstante der kapitalistischen Staaten im Westen wie der Regierungen im Osten. Wer auf diese Konstanten staatlicher Machtpolitik hinweist, sagt nichts Neues und erklärt nichts Wesentliches. „Hier geht es um mehr: um ein auf lange Sicht angelegtes reaktionäres Bündnis zur Erhaltung der atlantischen Hegemonie unter einem erneuerten US-Führungsanspruch.“


    Und worum geht es Putin, worum geht es der russischen oder chinesischen Regierung? Darüber schweigt sich Ehlers aus. Er informiert uns nur über die bösen Absichten der einen Seite.


    Absichten und Wünsche sind die eine Seite von Machtpolitik, die wirklichen Kräfteverhältnisse und die daraus resultierenden Möglichkeiten eine andere.
    Wichtig für uns als die Leidtragenden jeder Staatsintervention wäre die Frage: Kommt es zum Krieg? Wichtig für uns wäre es, die heutigen Kräfteverhältnisse auf beiden Seiten zu analysieren. Wichtig wäre es, zu erklären, warum die Westmächte nach der schnellen Krimbesetzung Russlands so völlig ohne Hosen dastehen. Darüber schweigt sich Ehlers aus. Er spricht nur über Absichten, über Gedanken, nicht über Verhältnisse, nicht über die Realitäten.
    Meine Vermutung ist: Die Machthaber im Westen haben längst ihren Einfluss überdehnt. Ihre Augen sind größer als ihr Magen. Einerseits wollen sie die (ganze) Ukraine in ihren Einflussbereich holen, andererseits haben sie nicht die Mittel, diesem bankrotten Staat wirtschaftlich auf die Beine zu helfen. Der Zugewinn der Ukraine wird die Mächtigen des Westens nicht stärken, sondern schwächen.
    Belege für die imperialistische Überdehnung der Nato-Staaten gibt es mehrere: Der schmähliche Rückzug der USA und ihrer Verbündeten aus dem Irak und aus Afghanistan. Die Hilflosigkeit der Nato während des „arabischen Frühlings“ und in der Syrienkrise. Dann wurde die politische Klasse der Nato-Staaten weiter durch die Finanz- und Schuldenkrise geschwächt.


    2. Kai Ehlers macht Regierungspolitik für den Osten
    Was die hohe Politik der Nato-Staaten angeht, spielt Kai Ehlers den großen Checker. Da kennt er alle Tricks, da deckt er alle Täuschungsmanöver auf.
    Und bei Putin? Die russische Regierung und der russische Staat sind für Kai Ehlers keine Gegenspieler im globalen Konkurrenzkampf der Großmächte. Für Ehlers sind sie Opfer: „China und Russland werden in die Klammer genommen. Es ist klar, dass Russland ebenso wie China dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen kann.“
    In dieser staatsfixierten und binären Weltsicht von Kai Ehlers gibt es auf Seiten des Westens böse, imperialistische Staaten und auf Seiten des Ostens nur Opfer, keine imperialistischen Gegenspieler. Für Kai Ehlers und für alle "Antiimperialisten" sind Imperialismus und staatliche Aggression regionale Phänomene, die nur im Westen auftreten. In welchem Zeitalter leben diese Antiimperialisten?

    Das ist die traurige Bilanz der meisten linken Reaktionen auf die Krimkrise: Unsere „Oberlinken“ spielen Staatsmann: Sie kritisieren die eine Seite der Machtkonkurrenz und verteidigen damit die andere Seite der Machtkonkurrenz: Für sie ist es „klar, dass Russland ebenso wie China dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen kann.“


    Dass die staatliche Machtkonkurrenz aus der wirtschaftlichen Konkurrenz des Kapitalismus erwächst, dass diese Machtpolitik in sich und auf allen beteiligten Seiten schlecht und gefährlich ist - egal ob es sich um Privatkapitalismus oder um Staatskapitalismus handelt, dass diese Staatenkonkurrenz immer wieder in Krieg mündet, dass diese Konkurrenz im Krieg wie im Frieden auf dem Rücken aller „Untertanen“ - auf unserem Rücken wie auf dem Rücken der russischen oder chinesischen Bürger - ausgetragen wird, diese Wahrheiten und Einsichten gingen diesen Linken leider verloren.
    Die Linke in Deutschland hat in dieser Krise einmal mehr versagt,
    meint Wal Buchenberg


    Der hier kritisierte Text von Kai Ehlers


    Siehe auch den Text von Thomasz Konicz, der zu dem richtigen Schluss kommt:
    „Staaten agieren zwar wie Subjekte auf der Weltbühne, sie fungierten aber noch nie als Subjekte menschlicher Emanzipation.“


    Siehe auch meinen jüngeren Beitrag: Ukraines reichere Nachbarn in Ost und West

  • „Endlich ein entschlossener Schritt“, feiert der Russlandverehrer Kai Ehlers Putins Importstopp für westliches Gemüse.


    Die westlichen Sanktionen gegen Putin „werden auf die Dauer Russland nur stärker machen“, freut sich Kai Ehlers.
    Statt westlicher Importe würden wieder verstärkt russische „vaterländische“ Waren gekauft. Wenn „Westwaren aus Ländern, die Sanktionen gegen Russland verhängt haben, für ein Jahr nicht mehr eingeführt werden dürfen, ist der Markt frei für russische Waren.“
    Kai Ehlers hat kein Problem mit einem „freien Markt“, aber er unterstützt den "freien Markt" in Russland und bekämpft ihn im Westen.
    Kai Ehlers hat nicht einmal ein Problem mit dem Kapital. Für Kai Ehlers muss es allerdings ein „soziales Kapital“ sein, das in Russland beheimatet ist: „Soziales Kapital – das ist in Russland die soziale Grundstruktur einer Gesellschaft, die sich immer noch in der lebendigen ergänzenden Familienwirtschaft ausdrückt, in der Datscha der Städter, im Hofgarten auf dem Lande.“ Bei Kai Ehlers ist soziale Utopie bei Schrebergarten-Idylle gelandet.


    Kai Ehlers hat kein Problem mit autoritär gefällten „entschlossenen Schritten“. Kai Ehlers hat kein Problem mit einer starken Staatsmacht. Diese starke Staatsmacht muss nur geografisch im Osten liegen:
    „Es beginnt ... wieder einmal der aus der Geschichte bekannte, vergebliche Kampf des Westens gegen ein Russland, das immer dann stark wird, wenn es sich auf seine Autarkie besinnen muss...“
    Kai Ehlers hat eine Wahlheimat, ein Vaterland. Das Ehlers-Vaterland ist Russland. Dort ist die Heimat des guten, „sozialen Kapitals“. Der Feind von Ehlers und der Feind Russlands ist der Westen, das ist die Heimat des bösen, des privaten Kapitals.


    Ohne Staat, ohne Kapital und ohne Vaterland kann Kai Ehlers allerdings nicht links, nicht politisch sein. Das hat er mit anderen nostalgischen Linken gemein.
    Für Nichtlinke ist diese selektive Staatsverliebtheit schwer nachzuvollziehen und verstärkt zwangsläufig die Staatsfixiertheit in Deutschland, weil sich jedem von uns durch eine linke Parteinahme für den russischen Staat 100 Gründen aufdrängen, warum einem der deutsche Staat doch lieber sei, meint Wal Buchenberg.


    Siehe: Kai Ehlers

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