Die Verhältnisse in der Ukraine sind für uns Außenstehende ziemlich unübersichtlich. Trotzdem meint in Westeuropa (fast) jeder, er könne und müsse mitreden. Auch die westeuropäische Linke tut so, als hätte sie Durchblick und als müsse sie in dem Chaos mitmischen.
Die europäischen Regierungen suchen nach Partnern (Timoschenko, Jazenjuk, Klitschko, Tjagnibok), nach den „Guten“, die sie auf ihrer Seite wähnen. Die europäische Linke dreht diesen Spieß um und sucht nach Gegnern (USA, EU), den „Bösen“, die mit Geld und Personal im fremden Land Aufruhr schüren.
Die europäische Linke positioniert sich mit dieser Darstellung der Ereignisse gefährlich nahe bei den Regierungen von Russland und der Ukraine. Für die europäischen Linken wie für die westlichen Regierungen sind die Protestierenden auf dem Maidan nur Marionetten, die nicht für eigene Interessen kämpfen, sondern für fremde Interessen instrumentarisiert werden.
Diese Sichtweise ist eine Katastrophe.
Ich denke, vor dieser Katastrophe schützt sich nur, wer eine Kritik der Ziele leistet. Welche Ziele finden wir auf dem Maidan-Platz?
Da ist zunächst die Forderung nach einem Assoziierungsabkommen mit der EU. Das ist eine Forderung, die ukrainischen Privatkapitalisten hilft, sich aus der Übermacht von ukrainischen Staatskonzernen zu lösen. Es ist eine Forderung von Möchtegern-Reichen und Möchtegern-Machthabern. Wer für diese staatspolitische Forderung Demonstranten in den Barrikadenkampf mit Polizeieinheiten schickt, der instrumentalisiert die Protestbewegung. Wer für diese Forderung Tote billigend in Kauf nimmt, der ist ebenso ein Verbrecher, wie die Leute, die zur Verhinderung dieser Forderung ihre Staatsgewalt einsetzen.
Da ist weiter die Forderung nach dem Rücktritt des ukrainischen Präsidenten Janukowitsch. Diese Forderung dient den Politfiguren, die die letzten Wahlen verloren haben (Frau Timoschenko etc.).
Was wäre mit einem Rücktritt des Präsidenten erreicht? Es kämen andere Figuren an die Staatsmacht, die nicht vertrauenswürdiger sind als Janukowitsch.
Auch die Rücktrittsforderung instrumentalisiert die Protestbewegung. Für die Protest- und Emanzipationsbewegung ist damit nichts gewonnen und kann nichts gewonnen werden.
Die Forderung nach einem Assoziierungsabkommen und die Rücktrittsforderung können nicht alles sein, was es an Hoffnungen und Zielen in der Protestbewegung gibt.
Dass die westlichen Medien nicht von anderen Forderungen berichten, ist kein Wunder. Dass die europäische Linke von keinen anderen Forderungen zu berichten weiß, ist ein Trauerspiel.
Bevor wir als Linke und Bürger der EU in der ukrainischen Protestbewegung nicht Ziele und Forderungen finden, die wir uns zu eigen machen können, Ziele, die auch unsere Emanzipation voranbringen, solange sollten wir bloße Beobachter bleiben, solange geht es in diesem Konflikt nicht um unsere eigenen Interessen,
meint Wal
Liveblog mit Bilder aus Kiev