Fragile Staaten - zerbrechliche Welt

  • Der private „Fund for Peace“ listet jährlich die Staaten und Länder auf, die der Fund als „zerbrechlich“ einstuft. Der „Fragile States Index 2014“ stuft 34 Staaten der Welt als „gefährdet“ oder „hoch gefährdet“ ein. Nur 40 von 190 Staaten der Welt gelten gegenwärtig als „stabil“ oder „sehr stabil“.
    Die Zahl der „zerbrechlichen Staaten“ hat in den letzten Jahren ständig zugenommen.




    Für alle, die den Staat als „Ordnungsfaktor“ ansehen, ist das eine bedrohliche Entwicklung, und eine Entwicklung, die den säkularen Abstieg der traditionellen Welt- und Ordnungsmächte deutlich macht.
    In diesem säkularen Abstieg lassen sich drei historische Entwicklungsphasen unterscheiden:


    1) Die globale Ordnung war am stabilsten, solange die ganze Welt auf wenige Großmächte aufgeteilt war, und jede Großmacht in ihrem Einflussgebiet möglichst die direkte Regierungsgewalt ausübte. Das war die Kolonialzeit zwischen 1870 bis 1970.
    Dass die Kolonialreiche in zwei Weltkriege mündeten, war aus Sicht der Staats- und Ordnungsvertreter ein bedauerlicher "Systemfehler".


    2) Eine relativ stabile Weltordnung wurde erreicht, als viele kleine Staaten nebeneinander bestanden, und die Großmächte in diesen Regierungen der Kleinstaaten einen zuverlässigen „Ansprechpartner“ hatten, der sich den Interessen dieser Großmächte fügte. Das war die Zeit zwischen 1970 bis 2000.
    Der Zusammenbruch des Sowjetreiches, das große Ähnlichkeiten mit einem Kolonialreich hatte, führte zu kriegerischen Konflikten unter den (Möchtegern-)Erben. Aber diese Konflikte mündeten keineswegs, wie in den westlichen Hauptstädten erhofft, in eine „neue Weltordnung“.


    3) Seit 2000 lässt die globale Kraft der Staatsmacht nach. Die staatliche Ordnungsmacht wird schwächer sowohl auf zentraler Ebene (Einfluss der Großmächte, vor allem der USA, in der Welt) und die staatliche Ordnungsmacht wird schwächer auf dezentraler Ebene. In vielen Einzelstaaten geht dieses Schwächung der Staatsmacht so weit, dass von einem „failed State“ gesprochen wird, einem Zusammenbruch der Staatsmacht.


    Vom Standpunkt der meisten Menschen, die ungestört und friedlich leben und überleben wollen, ist das eine große Bedrohung.
    Diese gefühlte Bedrohung erklärt für mich die Faszination eines Putin auf Rechte und Linke in Europa. Der russische Präsident steht für scheinbar rasche und scheinbar wirkungsvolle Staatsinterventionismus. Staatsinterventionismus ist für Rechte wie Linke der Strohhalm, der uns vor dem globalen Strudel retten soll.


    Nach meinem Urteil hat sich historisch erwiesen, dass alle staatlichen Lösungsansätze mehr oder minder gescheitert sind und allenfalls ein Hinauszögern, aber keinen wirklichen Ausweg aus dieser bedrohlichen Weltlage bieten. Es ist keine „Neue Weltordnung“ in Sicht. Ganz im Gegenteil, es steht uns eine Epoche der „Weltunordnung“ ins Haus. Der "Multizentrismus", der sogar von einigen Linken unterstützt und propagiert wird, ist allerdings nur der Deckmantel, unter dem die derzeit aufsteigenden Neumächte (BRIC-Staaten) ihren Machtanspruch moralisch bemänteln. Ob die Welt von einer Supermacht oder von vier, fünf Großmächten gemeinsam (?) beherrscht wird, macht für die Meisten soviel Unterschied, als ob ein Unternehmen von einem Einzelkapitalisten oder von einer Aktiengesellschaft beherrscht wird.


    Wenn ein historischer Vergleich erlaubt ist: Im chaotischen 17. Jahrhundert zerstörte der aufkommende Kapitalismus die persönlichen Bande zwischen der Obrigkeit und ihren jeweiligen Untertanen. Daraus entwickelten sich in Europa ein halbes Jahrhundert des europäischen Bürgerkrieges, bis sich die neue, bürgerliche Territorialmacht als Sieger und Ordnungshüter etabliert hatte.


    Ich denke, das 21. Jahrhundert wird weltweit ebenso chaotisch werden wie das 17. Jahrhundert in Europa. Und wir werden lange Zeit nur Niedergang, Zerstörung und Krieg zu sehen bekommen, ohne dass schon sichtbar würde, welche neue Ordnung, welches neue System sich daraus entwickeln könnte.


    Sorry für die Überbringung schlechter Nachrichten! :/
    Gruß Wal Buchenberg

  • Hallo Wal, was für eine düstere Aussicht, die du uns da hinterlässt!
    Zur Zeit des Kolonialismus/Imperialismus stand die deutsche/europäische Arbeiterklasse als Hoffnungsgeber für die Zukunft da.
    Nach dem 1. Weltkrieg und dem Sieg der Sowjets hatte die Welt eine Antwort auf die herrschenden Verhältnisse, auch wenn diese sehr trügerisch war.
    Nach dem 2. Weltkrieg und der Spaltung der kommunistischen Bewegung übte die chinesische Revolution und deren Fortsetzung durch KPCh einen großen Einfluß auf die linken Kräfte in der Welt so wie die Unabhängigkeits- und Befreiungsbewegungen in der Welt aus. Die Hoffnungen und Erwartungen haben sich aufgelöst.
    Tatsächlich hat sich eine neue Ordnung noch nicht sicht- und erfahrbar herauskristallisiert, ebenso wenig wie die Gestaltung einer solchen organisiert werden kann.
    Die Umbrüche in der Welt sorgen für eine neue Sicht, die man/ich aber auch erst einmal einsacken lassen muss.


    Gruß

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