Grundlegungen einer internationalen Kommunalwirtschaft (Teil II)

  • Kommunalwirtschaft will durch konkret verbundenes Handeln die Lebensverhältnisse der Menschen in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehung gesellschaftlich gestalten und als Grundlage ihrer Beziehungen zu anderen Kommunen nutzen. Im Unterschied zu allgemeinen Tauschverhältnissen wird durch konkrete gesellschaftliche Verbundenheiten auf organischer Ebene implizit und explizit den politischen Interessen des Kapitals entgegen gewirkt indem den abstrakten Interessen seiner politischen Positionen die Notwendigkeiten einer bestimmten Kommune als ein konkreter Lebenszusammenhang von Menschen entgegen gestellt wird. So wird eine Selbstverteidigung menschlicher Lebensinteressen gegründet, die sich subversiv gegen die Formbestimmtheiten der Waren- und Kapitalmärkte entwickelt.
    Geschichtlich hat diese Position ihren Ursprung in der Pariser Commune, in welcher - wenn auch nur für drei Monate und unter schwersten Bedingungen - die Bürger als politische Subjekte der Bevölkerung aus deren unmittelbare Notwendigkeiten und Bedürfnisse in den Gremien der Stadtregierung und Stadtverwaltung vertreten und hieraus das Wohl ihrer Stadt bestimmt hatten - soweit es unter den historischen Bedingungen möglich war. Mit der Globalisierung des Kapitals wurden inzwischen die Kommunikationsmöglichkeiten eines internationalen Verhältnisses der Kommunen geschaffen.
    Grundlegend für die Verbindlichkeiten einer internationalen Kommunalwirtschaft ist die Kritik an der politischen Ökonomie der Marktwirtschaft, wie sie von Karl Marx ausgeführt wurde und woraus folgt, dass Wirtschaftlichkeit selbst die gesellschaftliche Eigenschaft von Politik sein muss, dass ein politisches Subjekt also die Erschließung und Entwicklung der Wirtschaft einer Gesellschaft betreibt, worin die Trennung von Form und Inhalt ihrer Arbeit durch ihre Einheit mit den sie begründenden Bedürfnisse aufgehoben werden. Nicht ein politisch bestimmtes Subjekt, das die Ökonomie betreibt, nicht eine politische Ökonomiekann demnach eine Emanzipation der Menschen aus dem Kapitalismus sein, sondern ein wirtschaftliches Verhältnis der Politik, ein Verhältnis der Wirtschaft, worin sich die Menschen politisch bestimmen, in dem sie sich gesellschaftlich verbunden erkennen können. Durch eine ökonomische Politik wäre der Kapitalismus unmittelbar kritisiert, der immer noch als politische Ökonomie durch und durch unwirtschaftlich funktioniert, weil er auf dem Wertwachstum des Geldes und der Produktion von Mehrwert basiert und hierfür seine Ressourcen verschwendet. Grundbedingung für seine Aufhebung ist, dass alle Menschen einer Kommune ihre durch ihren schon erreichten Lebensstandard durchschnittlich notwendigen Lebensmittel (Wohnung, Grundnahrung, Kleidung, Energie, Bildung, Sicherheit usw.) aus ihrer kommunalen Produktion und den hierfür nötigen Verhältnissen zu anderen Kommunen beziehen. Für ihre Fortentwicklung sind politische Entscheidungen nötig, die den wirtschaftlichen Aufwand bemessen und dessen Notwendigkeit ermessen. Und es soll in diesem Sinn auch den Menschen zugleich freigestellt ist, durch Beiträge zu deren Entwicklung im Einzelnen auch solange in den Genuß eines überdurchschnitlichen Lebensstandards zu gelangen, bis dieser zu einem neuen Durchschnitt geworden ist.
    Die Theorie des Kommunalismus versteht eine menschliche Gesellschaft durch den Lebenserhalt der darin verbundenen Menschen begründet. Sie geht von daher von einem System gesellschaftlich notwendiger Grundversorgung und Allmende durch die arbeitsfähigen Menschen aus, worauf die Erarbeitung und Verteilung eines Mehrprodukts aus kommunaler Mehrarbeit und besonderer Einzelbeiträge nach politischer Entscheidung erfolgt. Nur wo diese aus einer Auseinandersetzung und Einigung über Bedürfnisse und Aufwand ihrer Befriedigung erfolgt, kann Politik menschlich bestimmt sein. Weil dies nur in konkreten Verhältnissen möglich ist, begründen sich alle gesellschaftliche Entwicklung in den Beziehungen an Ort und Stelle eines Gemeinwesens, also an erster Stelle in der Kommune, bzw. Gemeinde, und Region, - also jenseits allgemeiner und je nach Vermittlungsebene abstrakter werdenden politischen und wirtschaftlichen Beziehungen, die dann über wirtschaftlich bestimmte Vertragsverhältnisse eingegangen werden müssen.
    Eine Produktionsweise, die auf der Subsistenz der Ressourcen, also auf der Lebenserhaltung von Mensch und Natur gründet und hierauf ihre Entwicklung und die Erzeugung eines gesellschaftlichen Mehrprodukts betreibt, muss dies als wesentliche Eigenschaft ihrer ihrer politischen Entscheidungen verstehen. Von daher kann Politik sich auch nur auf die Grundformen der Wirtschaftskreisläufe zwischen Arbeit und Bedürfnis beziehen, muss sich also aus der Wirtschaft der Kommunen in ihnen und zu einander begründen und also auch ihre Formen der Demokratie "auf diese Füße" stellen (siehe hierzu Rätedemokratie mit qualifizierter Delegation). Politische Entscheidungen können also nicht über einen institutionellen Umweg zu höheren Instanzen wie Land oder Staat adäquat und qualitativ gebildet werden. Sie müssen in der Vermittlung der wirtschaftlichen Potenziale unmittelbar und zugleich gesellschaftlich, also in der Reflexion allgemeiner Zusammenhänge an Ort und Stelle (horizontal) gebildet und vollzogen werden und sich in größere Zusammenhänge auch hierarchisieren lassen (vertikale Vermittlung). Es müssen die Lebenszusammenhänge also in einem Subsidiaritätsprinzip entwickelt werden, welches höhere Vermittlungsebenen zum einen als Ort von Verwaltungsbeziehungen (z.B. für große gemeinschaftliche Projekte mehrerer Kommunen und Regionen) nutzt, zum anderen sich darin auch seiner Verallgemeinerung und der Verbundenheit von Neuentwicklungen rückversichert.
    Es werden im Allgemeinen folgende natürliche Grundlagen einer Gesellschaft wie auch einer Kommune so maßgeblich bleiben, wie sie auch schon geschichtlich bereits maßgeblich sind:

    • Aufwand für die Dinge des Lebens, also Arbeit wird immer nötig sein und immer in Beziehung zu anderer Arbeit stehen, gleich ob sie gerne gemacht wird oder nicht.
    • Genuß ohne Anteilnahme am Aufwand wird immer als fremde Aneignung, als Schmarotzerei oder Unrecht gelten. Von daher muss Aufwand und Genuss auch in einem angemessenen Verhältnis stehen. Das Maß würde z.B. ihrer konkreten Zeit entsprechend, welche zugleich auch regionalen Ablaufvorstellungen entsprechen muss. Von daher erzeugt sie keinen Wert, keine abstrakt allgemeine Arbeitszeit, sondern konkrete Beziehungen (z.B. durch örtlich bestimmte Arbeitszeiten).
    • Wirtschaftlichkeit ist immer der Antrieb zur gesellschaftlichenFortentwicklung und verlangt immer auch ein Mehrprodukt, um Erfindungen, größere Projekte usw. zu ermöglichen und Vorschuss zu leisten. Zugleich mindert das Produkt aus dieser Entwicklung den nötigen Aufwand für die Menschen, macht Arbeit zunehmend unnötiger.
    • Von daher wird aber auch planvoll gearbeitet und Arbeit organisiert werden müssen. Die Koordination ist immer allgemeiner als die einzelne Durchführung und hat von daher mehr Macht. Machtmissbrauch muss also immer verhindert werden müssen.
    • Schutz vor Gewalt und Vorsorge werden immer den sozialen Boden bereiten müssen, um Menschen über die Nöte ihres einzelnen Lebens hinwegzuhelfen und gesellschaftlich zu erhalten, wenn sie individuell zu schwach und/oder nicht mehr in der Lage sind, selbst aktiv zu sein.

    Diese Grundlagen bleiben weiterhin auch tragende Bedingungen einer kommunalen Vertragswirtschaft. Sie unterscheidet sich jedoch wesentlich vom Kapitalismus darin, dass sie ohne Markt auskommt und also eine direkte, eine unmittelbar politische Aufteilung der einzenen und allgemeinen Erzeugnisse ermöglicht. Geld wird zunehmend unnötig werden, wenn es nur das Maß konkreter Aufwände in Raum und Zeit vermittelt, also terminiert und lokalisiert ist. Es wird ein Maß sein, das mit den vorhandenen Gütern korrespondiert (z.B. mit ihrer zeitlichen Existenz zwischen Produktion und Konsumtion) und unterschiedliche Regionen in Beziehung bringt (z.B. durch ein aus der Bevölkerungsdichte entnommenes Maß für ihre natürlichen Ressourcen). Solches Geld gibt es nur als Vertragsgeld, das als Rechengeld (z.B. über Computersysteme) funktioniert. Es ist von daher auch ohne eigenständige politische Form, weil es abhängig von Politik, Wirtschaftlichkeit und Naturgegebenheiten, also in konkreten Relationen variiert und Unterschiede vertraglich kompensiert. Solches Geld drückt lediglich einen existenznotwendigen Aufwand in Raum und Zeit zahlenmäßig so aus, wie er sich erzählen lässt.Als Kommunalwirtschaft zählt eine solche Produktionsweise zunächst auf folgende Grundprinzipien:

    • Wirtschaft ist nicht durch Märkte, sondern aus den konkreten Lebensräumen der Menschen nach Maßgabe ihrer Beteiligung bestimmt.
    • Die Reproduktion der Menschen wird durch einen Subsistenzvertrag gesichert und eine entsprechende Industrie regional als Subsistenzindiustrie errichtet, welche die Grundsicherung durch die hierfür nötige Arbeitszeit und einem angemessenen Naturverbrauch gewährleisten soll. Der Anteil an einem Mehrprodukt, das durch Mehrarbeit entsteht, wird in einem kommunal bestimmten Verhältnis zwischen mehr arbeitenden Individuen und Kommune aufgeteilt.
    • Aus der gesellschaftlichen Notwendigkeit der Subsistenz werden alle einzelnen Verhältnisse so bestimmt, dass die Menschen ihre Beiträge individuell vorschlagen und ausführen oder von der Kommune vorgeschlagene Arbeiten erbringen können.
    • Die entsprechende Aufwände werden in Zeit- und Stoffbedarf durchschnittlich bemessen und ihr Maß nach politischer Auseinandersetzung bestätigt. Die Menschen, welche durch ihre Zeit und auch mit Mitteln der Kommune Entwicklungsarbeit leisten, z.B. durch Ideen, Erfindungen, Kulturwerke, Politik, usw. befinden sich hierbei in einem besonderen Vertragsverhältnis.
    • Das regionale Mehrprodukt ist Eigentum der Kommunen und wird zur Vorsorge, für kommunale Investitionen und zur wirtschaftlichen Beziehung auf andere Kommunen verwendet.

    Mit ihrer Mehrproduktion weist die Komunalwirtschaft weit über ihre Region hinaus, und ist auf alle Menschen und Ressourcen bezogen, die sich im Zusammenhang eines wirtschaftlichen Fortschritts der Menschheit überhaupt, also in einer internationalisierung des Menschlichen Reichtums verstehen.Als Konzept internationaler Beziehungen soll Kommunalwirtschaft als eine interkommunale Ergänzungswirtschaft realisiert werden, also als Wirtschaftsbeziehungsgeflecht (Netzwerk) über die kulturellen, nationalen und kontinentalen Grenzen hinweg, als direkter Austausch der kommunalen Produkte nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Kraft und des entsprechenden Aufwands (siehe hierzu auch Vertragswirtschaft). Nicht Geld und Kapital und auch nicht die Verhältnisse von Nationalstaaten sollen hierbei bestimmend sein, sondern der konkrete Sach- und Arbeitsaufwand der Produkte und ihrer Entwicklung, die weltweit zur wechselseitigen Ergänzung dienen. Der Nutzendes Einen wird somit unmittelbar auch zum Nutzen des Anderen, die unmittelbare Wechselseitgkeit zu doppeltem Nutzen (siehe Synergie) - und ist somit auch weit wirkungsvoller als Geld. Ähnliche Beziehungen gibt es längst schon in der Beziehung einzelner sozial engagierten Einzelunternehmungen zu Rohstoffproduzenten in der sog. Dritten Welt (z.B. Ressourcenbeschaffung für Kosmetik im Austausch mit Produktionmittel) oder auch im Konzept des fairen Handels, der allerdings den Mangel hat, nicht an die wirklichen Gemeinwesen gebunden zu sein, sondern weiterhin nur an die Geldform der Beziehung verblieben ist.

Kommentare 20

  • Hallo Wolfram, --- ich finde deine Darstellung der Kommunalwirtschaft durchaus sympathisch und ich würde es 1000mal vorziehen, in einer Kommune zu leben, wie du sie hier vorstellst, als im heutigen Kapitalismus. --- --- Für mich entsteht dann allerdings die Frage: Warum finden nicht Millionen andere lohnabhängige und geknechtete Menschen diese Kommunalwirtschaft ebenso attraktiv wie ich und du? --- --- Ein möglicher Grund liegt vielleicht in der apodiktischen Art, mit der Dein Modell der Kommunalwirtschaft vorgestellt wird. Es ist ständig von „Notwendigkeiten“ die Rede und das Modalverb „müssen“ beschließt jeden dritten oder vierten Satz. Es scheint alles in der künftigen Kommunewirtschaft schon festgezurrt und festgelegt zu sein. Man fragt sich doch, wo Deinen Kommunemitglieder noch eine Entscheidungsmöglichkeit bleibt und wo ihre Freiheit beginnt. --- --- Darüber hinaus sehe ich ein kleines Problem mit Deiner Begrifflichkeit von „Mehrarbeit“ und „Mehrprodukt“. Du schreibst: „Der Anteil an einem Mehrprodukt, das durch Mehrarbeit entsteht, wird in einem kommunal bestimmten Verhältnis zwischen mehr arbeitenden Individuen und Kommune aufgeteilt.“ --- Die Vorstellung, dass es im Sozialismus/Kommunismus noch Mehrarbeit und Mehrprodukt gebe, stimmt zwar mit dem Mainstream der Marxisten überein, entspricht aber nicht der Begrifflichkeit von Marx und Engels. --- Dazu habe ich im Forum einen eigenen Thread angelegt. marx-forum.de/Forum/index.php/…ukt/?postID=2652#post2652 --- Das kann auch hier diskutiert werden, muss aber nicht. --- Grüße von Wal Buchenberg ---
    • Hallo Wal, ob das eine „apodiktischen Art“ ist, wenn ich einen Verhalt als Bedingung eines anderen darstelle, lass ich dahingestellt. Jedenfalls gründet jede Freiheit, von der meist nur noch geschwärmt wird, auf der Überwindung einer Notwendigkeit. Und das sollte man auch sagen und vielleicht öfter mal ideologiekritisch vermitteln. Das „kleine Problem“ mit der Begrifflichkeit des Mehrprodukts scheint mir ein sehr großes zu sein. Ich habe mal in deinem Forum, wie von dir zitiert, nachgeschlagen, und ziemlich viele ziemlich falsche Interpretationen aufgefunden, die alle von einem Unverständnis von Wertform im Verhältnis zur Produktform zeugen. Du bringst es tatsächlich fertig, die Aussagen von Marx und Engels in ihrem Sinn stetig für ein Verständnis zu verkehren, das zwischen Formbestimmung und Inhalt nicht unterscheidet und damit de facto ihren kritischen Gehalt zu annullieren. Beispiel zu Engels, der schreibt: „Bleiben aber würde die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds, und daher würden auch dann zwar die Arbeiter, d.h. alle, im Besitz und Genuß ihres Gesamtproduktes bleiben, nicht aber jeder einzelne seinen „vollen Arbeitsertrag" genießen.“ (MEW 4, 567) Was ist denn dieser Fonds anderes als ein Mehrprodukt, das im unterstellten Fall keinen Mehrwert mehr darstellt, also als Gesamtprodukt verfügbar ist? Beispiel Marx über die organische Grenze des Arbeitstags: „Die absolute Minimalgrenze des Arbeitstags wird überhaupt gebildet durch diesen seinen notwendigen, aber kontraktiblen Bestandteil. Schrumpfte darauf der ganze Arbeitstag zusammen, so verschwände die Mehrarbeit, was unter dem Regime des Kapitals unmöglich. Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken. Jedoch würde die letztre, unter sonst gleichbleibenden Umständen, ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche größer. Andrerseits würde ein Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen, nämlich die zur Erzielung eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds nötig Arbeit. “ MEW 4, 552. Und du schreibst dazu „Anmerkung w.b. heißt eindeutig: Die Mehrarbeit entfällt!“. Ich habe das Mehrprodukt im Kulturkritischen Lexikon in einen textadäquaten Zusammenhang gestellt (kulturkritik.net/begriffe/index.php?lex=mehrprodukt), den ich hier ganz kurz nur zitieren kann: „Der Reichtum einer jeden Gesellschaft, durch welchen die Menschen aus der Befangenheit und den Notwendigkeiten ihrer Natur herausentwickelt sind, besteht aus der gesellschaftlichen Verfügbarkeit über Produkte, mit der sie sich reproduziert und fortentwickelt. Von daher erzeugen die Menschen in solcher Gesellschaft durch ihren Arbeitsprozess immer auch ein Mehrprodukt, d.h. ein Mehr an Gütern, das über den zu ihrer Reproduktion benötigten Umfang hinausgeht, einen Reichtum für ihre Fortentwickung und Vorsorge. Dies ist das Mehrprodukt: Ein Mehr an Gütern, das über den bestehenden Lebenstandard und seine Reproduktion hinausgeht. "Mehrarbeit überhaupt, als Arbeit über das Maß der gegebnen Bedürfnisse hinaus, muß immer bleiben." (MEW 25, S. 827) Das Ausmaß der Mehrproduktion hängt weitgehend von der Produktivität der Arbeit ab. Da mit der Entwicklung der Technologie bis hin zur Automation und Vollautomation diese Produktivität stetig wächst, müsste sich das Mehrprodukt auch stetig vergrößern und/oder der Arbeitsaufwand verkleinern. Aber die Tendenz der Kapitalverwertung durch die Ausbeutung der Arbeitskraft, also das Wertwachstum, vekehrt diese organisches Verhältnis in ihr Gegenteil: Zur Produktion überschüssiger Menschen, um den Mehrwert aus einem unsinnigen Mehrprodukt an Geld zu beziehen.“
    • Auf obigen Text hat mir Robert Schlosser per Mail folgendes geantwortet: „Du schreibst: "Zur Produktion überschüssiger Menschen, um den Mehrwert aus einem unsinnigen Mehrprodukt an Geld zu beziehen." Aus dem, was ich über Wert und Tauschwert geschrieben habe - bzw. meinem Nachvollzug der marxschen Argumentation - ergibt sich schon, dass ich dem nicht zustimmen kann. Mehrwert kann meiner Meinung nach nicht aus einem "unsinnigen Mehrprodukt an Geld" bezogen werden, sondern nur aus unbezahlter Mehrarbeit. Das "Mehrprodukt an Geld" kann aus meiner Sicht immer nur ein vermehrter Tauschwert sein. Es liegt nach meiner Überzeugung in der Natur von Geld als verselbständigtem Tauschwert, dass dieser sich vermehren kann auch unabhängig von der Vergrößerung des Mehrwertes ... auf Zeit jedenfalls. Gleiches gilt auch für weiter entwickelte Formen des verselbständigen Tauschwertes (Wertpapiere). Der Tauschwert/Preis ist ja auch nicht unmittelbar durch Arbeit und damit Wert bestimmt, sondern entwickelt sich relativ unabhängig davon. (Tauschwert wird immer nur in der Zeit "gewaltsam" auf den Wert zurück geführt.) Die Verselbständigung des Tauschwertes erlaubt es, Profit (Profit, soweit er sich nicht auf das gesellschaftliche Gesamtkapital bezieht, ist immer eine Kategorie des Tauschwertes, nicht unmittelbar des Wertes) aus Preisschwankungen zu ziehen, aber nicht Mehrwert!“ Und ich habe ihm folgendes geantwortet: „Ja, Mehrwert ist immer nur unbezahlte Arbeit, also Arbeit, die über den Reproduktionswert der Arbeitskraft hinaus geleistet wird, von daher Arbeit von Wert aber ohne Preis. Und der Tauschwert stellt das Verhältnis der Preise auf den Märkten (der Warenzirkulation) dar, worin die Werte der Arbeit aus der Warenproduktion erscheinen. Alle drei Bände des Kapitals handeln darüber, wie sich aus dem Widerspruch zwischen dem Wert der Arbeit und dem Preis der Arbeitskraft der Kapitalismus als ein sich selbst als widerpsüchliches Verhältnis zwischen dem Wirtschaftswachstum (Produktivkraftentwicklung) und dem Wertwachstum (Finanzmachtentwicklung) entfaltet, dem die Konsumtionsfähigkeit der Massen durch die Beschränkung ihrer Kaufkraft (Löhne) zur Schranke wird und die kapitalistischen Krisen hervorruft, weil das Mehrprodukt nicht mehr oder nur unter Wert realisiert werden kann. Darauf gründet das Finanzkapital, das Kredite zum einen als Aneignung von Mehrwert durch Vorschüsse erzielt, zum anderen als Wertbindung von Eigentum, dessen Wert nicht mehr warenförmig zirkuliert (Grund, Boden, Lizenzen) aber durch ihre Macht als Privateigentum erarbeitetes Geld eintreibt. Wo dieses nicht mehr real aus der Arbeit und der Kaufkraft der Arbeitskräfte umlaufen, also nur als Fiktives Kapital existieren kann, bildet sich hieraus der Finanzmarkt der Börsenspekulationen, die Glaubenswelt der in Wetten angelegten Geldbeträge.  Hieraus hat sich im 20. Jahrhundert ein Schuldgeldsystem entwickelt, das weiterhin unbezahlte Arbeit einzieht, aber sich in keinerlei "Realökonomie“ rückvermitteln kann, weil die Entwicklung der Produktivkraft die Realisierungsmglichkeiten des Kapitalismus überholt hat und in Staatsverschuldungen oder Kreditversicherungen gehalten wird. Inzwischen sind das weltweit über 199 BILLIONEN Dollar bei einem Umsatz durch Sachwerte von etwa 55 Billionen Dollar. Es handelt sich hierbei durchaus um Geldwerte aus unbezahlter Arbeit, die aber zugleich nur als Realisierungsdruck aus unbezahlter Arbeit existiert, die sich nicht mehr produktiv verwerten lässt, also auch immer weniger Realisierung durch Profite des Warenhandels- und Geldhandelskapitals erfährt und die Preisbestimmungen immer irrealer werden lässt und die gesellschaftlichen Grundlagen des Kapitalismus bedroht, respektive aufzehrt. Immer deutlicher wird dies im Verhältnis der Future-Bonds und der Wachstumskurve der Börsenpegel mit schwindenden Zinsen. Von daher findet die von dir beschriebene Darstellung des Tauschwerts auch nicht mehr wirklich statt. Das lässt sich in Kürze leider hier nicht weiter  ausführen Um das genauer zu verfolgen bitte ich dich, den Anfang meines Textes zum Schuldgeldsystem zu lesen: kulturkritik.net/lexex.php?lex=schuldgeldsystem“
    • Hallo Wolfram, ich teile hier die Bedenken von Robert Schlosser, aber ich finde, aber da es hier zunächst um die Grundlegungen einer kommunal strukturierten Wirtschaft ohne Geld und ohne Lohnarbeit geht, können wir diese Fragestellung erst mal beiseite lassen - eine Fragestellung, die aus meiner Sicht zu dem Thema "fiktive Werte" bzw. "fiktives Kapital" gehört. Andererseits wäre es für die Klärung nützlich, wenn sich Robert Schlosser hier an der öffentlichen Debatte beteiligte. Ich hatte ihm das erst kürzlich wieder angetragen. Gruß Wal
    • Wozu dann aber dein Einwand: "Die Vorstellung, dass es im Sozialismus/Kommunismus noch Mehrarbeit und Mehrprodukt gebe, stimmt zwar mit dem Mainstream der Marxisten überein, entspricht aber nicht der Begrifflichkeit von Marx und Engels."? Ich denke, da dreht sich dann die Argumentation im Kreis. Nach meiner Auffassung kann die Grundlegungung einer internationalen Kommunalwirtschaft, besonders die Frage ihrer Realisierbarkeit, nur aus einer richtigen Analyse der gegenwärtigen Machtverhältnisse erfolgen.
    • Hallo Wolfram, die Frage "Mehrarbeit im Sozialismus/Kommunismus" ist aus meiner Sicht, ein anderes Thema und nur eine begriffliche Frage. Der Sache nach sind wir uns wohl einig, dass im Sozialismus/Kommunismus vom bisherigen Mehrprodukt nur noch ein "gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds" (F. Engels) über bleibt. Das genügt dir, um diesen Fonds immer noch "Mehrprodukt" zu nennen, obwohl damit der Hauptzweck der Mehrarbeit, nämlich die Existenzgrundlage einer Ausbeuterklasse zu bilden, entfallen ist, und obwohl Marx diesen kommunistischen Reserve- und Akkumulationsfonds im "Kapital" zur "notwendigen Arbeitszeit" rechnete. Das ist letztlich eine terminologische Frage. Gruß Wal