Sozialismus in einem Land?

  • Die Diskussion darüber, ob Sozialismus in einem Land möglich sei oder nicht, ist eine Phantomdebatte.

    Es ist völlig ausgeschlossen, dass der Sozialismus/Kommunismus auf einen Schlag in allen Ländern der Welt gleichzeitig siegt. In jedem realistischen Fall wird es also nach einer teilweisen Beseitigung der kapitalistischen Produktion ein „sozialistisches Lager“ und ein „kapitalistisches Lager“ geben.


    Ökonomisch heißt das, dass innerhalb des sozialistischen Lagers die Produktion selbstverwaltet einerseits nach den Bedürfnissen und andererseits nach den vorhandenen Möglichkeiten ausgerichtet werden kann. Andererseits muss das sozialistische Lager aber noch eine bestimmte Menge marktfähige Waren produzieren für den Austausch mit dem kapitalistischen Lager. Ich nenne das „Doppelwirtschaft“.


    Mit „Doppelwirtschaft“ verstehe ich eine selbstverwaltete, geldlose Wirtschaft, in der die wirklichen Produzenten auch die wirklichen Herren der Produktion sind, die aber für den nötigen Austausch mit der kapitalistischen Welt noch so viel Warenwerte produzieren, wie sie als Warenwerte von dort importieren müssen.


    Zum Vergleich: Die EU importiert zur Zeit jährlich Waren im Wert von 2 Billionen Euro von außerhalb der EU. Das sind rund 12,5 Prozent des jährlichen Neuprodukts (BIP).

    Das bedeutet: Ein kommunistisches Europa müsste unter diesen Umständen 12,5 Prozent seiner Wirtschaft (= 12,5% seiner Arbeitszeit) in Form von Exportwaren produzieren, 87,5 Prozent seiner Wirtschaft (=87,5 % seiner Arbeitszeit) könnte unter diesen Umständen kommunistische d.h. selbstbestimmte Gebrauchsproduktion für den Bedarf der Bewohner sein.


    Diese Doppelwirtschaft (Gemeinwirtschaft mit einer begrenzten Menge Warenwirtschaft) ist vergleichbar den frühen Kulturen mit Gemeineigentum, die an ihren Rändern mit anderen Gemeinschaften Produkte austauschten, die sie jeweils im Überfluss hatten:


    „...Wie ich früher bemerkt, entspringt der Produktenaustausch an den Punkten, wo verschiedene Familien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatpersonen, sondern Familien, Stämme usw. treten sich in den Anfängen der Kultur selbständig gegenüber.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 372f.

    Was diese Gemeinschaften austauschten, war ihr Überschuss:

    „Auf der untersten Stufe produzierten die Menschen nur direkt für eignen Bedarf; die etwa vorkommenden Austauschakte waren vereinzelt, betrafen nur den zufällig sich einstellenden Überfluss.“ F. Engels, Ursprung der Familie... MEW 21, 160.

    „Die erste naturwüchsige Form des Reichtums ist die des Überflusses oder des Überschusses, der nicht als Gebrauchswert unmittelbar erheischte Teil der Produkte, oder auch der Besitz solcher Produkte, deren Gebrauchswert außerhalb des Kreises bloßer Bedürftigkeit fällt. Bei der Betrachtung des Übergangs von Ware zu Geld sahen wir, dass dieser Überfluss oder Überschuss der Produkte auf unentwickelter Produktionsstufe die eigentliche Sphäre des Warenaustausches bildet. Überflüssige Produkte werden austauschbare Produkte oder Waren.“ Karl Marx, MEW 13, 105.


    Auch in dieser Frühzeit bestand gemeinschaftliche Produktion und Warenproduktion nebeneinander. Die gemeinschaftliche Produktion betraf die gewöhnlichen Alltagsbedürfnisse. Die Warenproduktion betraf den begrenzten Überschuss, der „exportiert“ wurde, um von anderen Gemeinschaften Produkte zu erlangen, bei denen in der eigenen Kultur Mangel herrschte.

  • Eine interessante Idee... nur sieht es auf nationaler Ebene glaube ich etwas anders aus. Wenn ich richtig recherchiert habe müsste in Deutschland die knapp 33 Prozent seiner Wirtschaft nutzen um den Import zu deckeln. Das ist immerhin ein Drittel. In anderen Ländern mag diese Situation noch sehr viel schwerwiegender sein. Das bedeutet es wäre wahrlich eine sehr schwierige Aufgabe die Wirtschaft so zu doppeln.


    Dazu kommt das du natürlich davon ausgehst, das Länder wie die USA etc. auch noch mit einem, sagen wir mal sozialistischem/kommunistischem Land normal handeln würden. Ich denke das wäre vermutlich nicht so wirklich der fall. Aber ich glaube darauf zielte deine These auch nicht ab.


    Aber an und für sich finde ich deine Idee interessant. Lediglich an der Möglichkeit dies praktikabel umzusetzen würde ich zweifeln.

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