Staatsschulden sind ein Teufelspakt



  • 1) Nimmt ein Kapitalist einen Kredit auf, dann vergrößert er damit sein Kapital und durch das vergrößerte Kapital hat er Aussicht auf vergrößerten Profit. Den Kredit zahlt er dann – mit Zinsen – aus dem zusätzlichen Mehrwert, den er mit seinem zusätzlichen Kapital abgreift.

    „... der Kredit (bietet) dem einzelnen Kapitalisten oder dem, der für einen Kapitalisten gilt, eine ... Verfügung über fremdes Kapital und fremdes Eigentum und dadurch über fremde Arbeit.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 454.

    „Selbst wo ein vermögensloser Mann als Industrieller oder Kaufmann Kredit erhält, geschieht es in dem Vertrauen, dass er als Kapitalist fungieren, unbezahlte Arbeit aneignen wird mit dem geliehenen Kapital. Es wird ihm Kredit gegeben als potentiellem Kapitalisten. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 614.

    Mit dem Anwachsen des gesellschaftlichen Kapitals wächst notwendig auch die Summe der Schulden, die einzelne Kapitalisten bei anderen Kapitalisten haben.


    2) Nimmt die Regierung einen Kredit auf, dann handelt es sich um etwas ganz anderes. Der Kredit, den kapitalistische Gläubiger an die Regierung geben, vergrößert nicht das gesellschaftliche Kapital, vergrößert nicht die gesellschaftliche Profitmasse. Der Kredit, den kapitalistische Gläubiger an die Regierung geben, ist ein „Konsumentenkredit“. Das geliehene Geld wird von der Regierung nicht produktiv, sondern konsumtiv angewandt. Das geliehene Geld verschwindet im staatlichen Konsum. Der Staatskredit kann deshalb auch nicht aus seiner produktiven Frucht zurückbezahlt werden, sondern aus Einnahmen, die der Staat aus anderer Quelle bezieht, aus den Steuern.


    „Der Staat hat seinen Gläubigern jährlich eine gewisse Menge Zins für das geborgte Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann hier nicht seinem Schuldner aufkündigen, sondern nur die Forderung, seinen Besitztitel darüber, verkaufen. Das Kapital selbst ist aufgegessen, verausgabt vom Staat. Es existiert nicht mehr.

    Was der Staatsgläubiger besitzt, ist

    1. ein Schuldschein auf den Staat, sage von 100.000 Euro;

    2. gibt dieser Schuldschein ihm den Anspruch auf die jährlichen Staatseinnahmen ... für einen gewissen Betrag, sage 5.000 Euro oder 5 %;

    3. kann er diesen Schuldschein von 100.000 Euro beliebig an andere Personen verkaufen. Ist der Zinsfuß 5 %, und dazu die Sicherheit des Staats vorausgesetzt, so kann der Besitzer A den Schuldschein in der Regel zu 100.000 Euro an B verkaufen; denn für B ist es dasselbe, ob er 100.000 Euro zu 5 % jährlich ausleiht, oder ob er durch Zahlung von 100.000 Euro sich einen jährlichen Tribut vom Staat zum Betrage von 5.000 Euro sichert.

    Aber in allen diesen Fällen bleibt das Kapital, als dessen Abkömmling (Zins) die Staatszahlung betrachtet wird, illusorisch, fiktives Kapital.

    Nicht nur, dass die Summe, die dem Staat geliehen wurde, überhaupt nicht mehr existiert. Sie war überhaupt nie bestimmt, als Kapital verausgabt, angelegt zu werden, und nur durch ihre Anlage als Kapital hätte sie in einen sich erhaltenden Wert verwandelt werden können. ...

    ... das Kapital der Staatsschuld bleibt ein rein fiktives, und von dem Moment an, wo die Schuldscheine unverkaufbar würden, fiele der Schein dieses Kapitals weg.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 482f.


    Für die politische Klasse ist der Staatskredit ein kapitalistisches Wundermittel: „Die Anleihen befähigen die Regierung, außerordentliche Ausgaben zu bestreiten, ohne dass der Steuerzahler es sofort fühlt...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 784.

    Für die Kapitalistenklasse ist der Staatskredit ein einfaches Mittel, sich zu bereichern: „Wie mit dem Schlag der Wünschelrute begabt sie das unproduktive Geld mit Zeugungskraft und verwandelt es so in Kapital, ohne dass es dazu nötig hätte, sich der von industrieller und selbst wucherischer Anlage unzertrennlichen Mühwaltung und Gefahr auszusetzen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 782.

    Da der Staat die Kredite aus Steuermitteln bedienen muss, holen sich kapitalistische Großgläubiger über die Staatsanleihen einen Großteil ihrer vorher an den Staat abgeführten Steuern wieder zurück.

    Mit zunehmender Staatsverschuldung wird der Staat immer abhängiger von seinen Gläubigern, was ihn im Krisenfall um so härter trifft, je mehr Schulden aus dem Ausland er aufgenommen hat. An inländischen Gläubigern kann sich ein verschuldeter Staat anderweitig durch Steuererhöhungen etc. schadlos halten, an ausländischen Gläubigern nicht.

    „Es zeigt sich daher auch, dass, sobald die Bourgeoisie Geld gesammelt hat, der Staat bei ihr betteln gehen muss und endlich von ihr geradezu an sich gekauft wird.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 344f.


    3) Längst haben die Staatsschulden in Deutschland und in der gesamten kapitalistischen Kernzone jedes händelbare Maß überschritten. Im Weltdurchschnitt ist jede Regierung mit mehr als 75% der Jahreswirtschaftsleistung verschuldet. Die Gesamtschuld aller Regierungen der Welt beläuft sich auf rund 6 Trillionen Euro.

    Keine Regierung verfügt jedoch über 100 Prozent des Bruttosozialprodukts. Setzen wir die Staatsschulden in Relation zu den Staatseinnahmen, so kommen wir auf eine Schuldenlast von rund 140% der jährlichen Staatseinnahmen, denn die „Staatsquote“, der Anteil der Staatseinnahmen am BSP, liegt meist bei 40 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung.

    Eine Schuldenlast von 140% bedeutet, dass ein Staat fast eineinhalb Jahre lang seine gesamten Einnahmen NUR für Schuldenrückzahlung verwenden müsste, um seine Schulden ganz los zu sein.

    Nehmen wir als Beispiel einen Haushalt mit einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro und ein Schuldenkonto von 70.000 Euro, dann ist diese Schuldenlast mit der aktuellen Staatsverschuldung vergleichbar.

    Man wundert sich, dass die Regierungen nicht unter dieser Last zusammenbrechen. Aber die Bankrotterklärung eines Staates hätte den sofortigen Verlust des gesamten Kapitals zur Folge, das an diese Regierung verliehen wurde. Die Staatsgläubiger wollen ihren Kredit nicht verschenken. Für die Gläubiger sind Staatsanleihen Kapital, dass sie verzinst wieder zurückhaben wollen.

    Solange die Gläubiger nur irgendwie Zinsen aus einer Regierung herauspressen können, wollen sie um jeden Preis einen Staatsbankrott verhindern.

    Aufs Ganze gesehen verzichten die Staatsgläubiger auf die wirkliche Rückzahlung ihres Kredits und geben sich mit der bloßen Verzinsung zufrieden.

    Immer dann, wenn einzelne Staatsanleihen fällig werden und komplett zurückgezahlt werden müssen, dann „rollieren“ die Regierungen diese Schuld, das heißt sie nehmen frische Schulden auf, um alte Schulden zu begleichen.

    Das System der Staatsschulden ist ein Teufelspakt zwischen Regierung und Kapitalisten.

    Es ist deshalb auch völlig illusorisch, wenn Linke glauben, sie könnten bei einer linken Regierungsübernahme ihre zusätzlichen sozialen Geschenke durch zusätzliche Staatsschulden finanzieren. Wenn eine Regierung den Kapitalisten nicht in den Kram passt, treten sie in Kreditstreik und geben dieser Regierung keinen Penny. Dann bekommt die Regierung nicht nur keine zusätzlichen Geldmittel, sie muss auch noch bei der nächsten Fälligkeit eingegangene Schulden zurückzahlen, die sie nicht rollieren kann. Dieser Regierung fehlen dann nicht nur zusätzliche Mittel für linke Wohltaten, ihr fehlen dann sogar die Mittel für laufenden Staatsgeschäfte.


    Siehe auch:


    Kapitalistische Staatsfinanzen


    Was kümmern uns Schulden!?


    Lehren aus dem griechischen Drama


    Finanzwirtschaft und Schuldenkrise 1920 - 2014

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.