Lehren aus dem griechischen Drama

  • In den Verhandlungen mit der EU hatte die Syriza-Regierung in Griechenland immer wieder betont, dass die Schuldenkrise kein speziell griechisches Problem sei, sondern alle europäischen Regierungen und Staaten bedrohe.
    Das ist völlig richtig. Die europäischen Staaten steuern alle auf den Staatsbankrott zu.




    Naiv war allerdings der Glaube von Tsipras & Co. dass er und seine klamme Regierung die EU-Institutionen "zur Einsicht" und zu einer "Politikwende" bringen könne.
    Naiv war der Glaube, der ärmste Schuldner in der EU könne seinen besser gestellten Konkurrenten in Europa das Gesetz des Handelns vorschreiben.
    Naiv war der Glaube, dass die linke griechische Regierung das kapitalistische Grundgesetz aushebeln könne, das da lautet: Wer zahlt, bestimmt - wer bezahlt wird, gehorcht. Geld ist die kapitalistische Form von Macht.


    Wir Linke sollten andere Schlussfolgerungen aus der Feststellung ziehen, dass die europäischen Staaten auf den Staatsbankrott zusteuern, als Tsipras und Syriza:
    Falsch ist der Tsipras-Glaube, man könne kapitalistische Geldgeber "erweichen" und zur "Vernunft bringen".
    Falsch ist der auch Syriza-Glaube, eine Regierung können sich durch eigene "Geldschöpfung" aus der Schuldenfalle befreien.
    Das Gelddrucken geht nur so lange gut, wie die Kapitalisten des Landes als die eigentlichen Geldbesitzer und Geldverteiler freiwillig und bewusst dieses Spiel mitmachen und die wertlosen Staatszettel als Geld akzeptieren und in Umlauf bringen.
    Im heutigen Japan machen die Kapitalisten dieses Spiel mit, und in Hitlerdeutschland spielten die Kapitalisten zwischen 1935 und 1945 das Spiel mit den MeFo-Wechseln mit. Das Geheimnis der MeFo-Wechsel lag darin, dass die deutschen Kapitalisten der Hitler-Regierung unbegrenzten Kredit für Rüstung und Eroberungskrieg gaben. Ohne Kredit durch die Kapitalisten scheitert jede Gelddruckerei.


    Als Linke brauchen wir uns nicht einbilden, dass eine antikapitalistische Regierung die Gelddruckerei ohne Mittun der Kapitalisten irgendwie nutzen könne. Nochmals: Geld ist die kapitalistische Form von Macht. Ohne aktives Mittun der Kapitalisten lässt sich kein Geld erschaffen.


    Die europäischen Staaten und alle Staaten der kapitalistischen Kernzone gehen dem Bankrott entgegen. Diese Erkenntnis haben wir Linke noch nicht realisiert. Hätten wir diese Erkenntnis realisiert, dann würden wir uns von aller Hoffnung auf den "Sozialstaat" und seinen "Geld-Geschenken" - innerhalb oder außerhalb der EU - verabschieden.
    Wir Linke müssen aufhören, die Staatskasse als Trost- und Heilpflaster für kapitalistische Gebrechen und Verbrechen anzusehen.
    Wir Linke müssen aufhören, auf die EU und den Euro zu starten, als gäbe es nur die Alternative "Mit dem Euro oder ohne den Euro". Das Geld in den Staatskassen wird überall in Europa knapp werden. Wir Linke müssen nach Wegen und Methoden suchen, die kein Geld - mindestens aber kein zusätzliches Geld - kosten.


    Das wird ein schwerer Weg,
    meint Wal Buchenberg


    Siehe auch: "Alles außer Staatsbankrott ist asozial"


    Zum Thema:

  • Letztlich stellt sich damit abermals die Frage wie eine Vergesellschaftung ohne Warenproduktion aussehen könnte. Solange die (marxistische) Linke aber weiterhin in Sozialdemokratismus und Leninismus und somit in Staatsdekreten ihre (vermeintliche) Lösung sieht, wird es wohl keine Alternative geben welche einen Schnitt mit den kapitalistischen Institutionen ermöglichen könnte.


    Die keynesianische Karte ist (weitgehend) nicht machbar und die leninistische würde nur zu einen demokratisch angepinselteren und feministisch-ökologisch aufgeladenen Revival des Staatssozialismus führen, was wenig attraktiv erscheint.


    Robert Kurz schrieb in den 90ern in seiner Schrift "Antiökonomie und Antipolitik":


    "Es kann also nicht darum gehen, gegen den gescheiterten und sowieso niemals emanzipatorischen Staatssozialismus ungebrochen und unvermittelt die Ideen der Genossenschaftsbewegung des 19. Jahrhunderts oder der Alternativbewegung der frühen 80er Jahre wieder auszugraben. Ganz im Gegenteil gilt es, die falsche Polarität von staatsökonomischem Politizismus und kleinbürgerlichem Klitschen- und Schrebergarten-Sozialismus kritisch aufzuheben.(...)

    Denn die gesamte bisherige Kritik diverser Linksradikalismen am Mainstream der alten Arbeiterbewegung umgeht ihrerseits systematisch das Problem der Keimform einer Vergesellschaftung jenseits der Warenproduktion. Wie ihre staatssozialistischen Gegner ignorieren die Altlinksradikalen die Frage der basalen Formbestimmtheit völlig, um entweder auf eine unausgewiesene bürgerlich-aufklärerische Subjekt-Emphase "der Klasse" bzw. des "Klassenkampfs" auszuweichen oder den bürgerlichen Revolutions-Politizismus eines bemoosten Jakobinertums bloß in einer besonders martialischen Form zu präsentieren.

    Der explizit antistaatliche Linksradikalismus etwa anarchistischer Provenienz (auch darauf wurde in der "Krisis" schon mehrfach hingewiesen) bleibt erst recht an den unaufgehobenen Vermittlungsformen des warenproduzierenden Systems und damit am anderen Pol bürgerlicher Subjektivität kleben, wobei der an Proudhon anknüpfende Argumentationsstrang sogar offen für (tendenziell antisemitische) Formulierungen einer verkürzten Kritik des zinstragenden Kapitals ist."



    Kurz schreibt aber auch über die Probleme einer ohne Märkte funktionieren Gesellschaft. Dieses ist bereits in der Ausgangslage der Übersichtlichkeit der gesamtgesellschaftlichen (Re-)Produktion im Kapitalismus zu finden:

    "Hinzu kommt die Tatsache, daß in einem warenproduzierenden System so gut wie kein gesellschaftliches Wissen über die gesamte Vernetzung der Reproduktion auf der materiellen, stofflich-sinnlichen Ebene existiert.


    Alle gesamtgesellschaftlichen Aggregierungen erscheinen nur in der Form abstrakter monetärer Fließgrößen (Einkommens- und Ausgabenströme etc.), wie sie von der "volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung" dargestellt werden, während die einzelnen Betriebe in materieller Hinsicht nur ihre eigenen Zulieferer und Abnehmer kennen, nicht jedoch den gesamten materiellen Vernetzungsprozeß, dessen Teil sie sind.


    Es gibt also eine geradezu groteske Unwissenheit der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Mitglieder über die materielle Aggregierung ihres eigenen Lebenszusammenhangs, der so fremd ist wie ein unentdeckter Kontinent. (…)

    Ein gesamtgesellschaftliches Repräsentations-System von Betriebs-"Räten" hätte also nicht nur mit den Furien der partikularen Betriebs-Interessen bzw. deren Überresten zu kämpfen, sondern auch mit einer zunächst unüberschaubaren, von den Abstraktionen des Werts geformten Struktur der Reproduktion, die wie von selbst entweder nach warenförmigen Vermittlungen drängt oder aber doch wieder eine politische Meta-Instanz zu erfordern scheint, die "von oben" und damit mehr oder weniger etatistisch eingreift, mit allen Gefahren einer Verselbständigung dieser Instanz. (…)

    Die Organisation einer emanzipatorischen Bewegung kann daher weder allein von den Strukturen der kapitalistischen Arbeitsteilung (Betrieben) noch allein von einer territorialen Basis (Wohngebieten) ausgehen, sondern sie muß bereits die (anti-)ökonomische Keimform einer alternativen Reproduktion enthalten (…)

    Die Dynamik der kapitalistischen Krise läßt den Zeithorizont des Übergangs dramatisch schrumpfen. Nicht Jahrhunderte einer evolutionären Entwicklung liegen vor uns, die in ferner Zukunft einen "politisch-revolutionären" Kulminationspunkt durchläuft, sondern der Durchgang durch ein weltgesellschaftliches Erdbeben von insgesamt höchstens einigen Jahrzehnten, in denen alles entschieden wird, ohne daß die Umwälzung überhaupt noch die Form einer "politischen Revolution" annehmen kann.

    Die "Keimform" entkoppelter Sektoren hat also einen ganz anderen Stellenwert als die "Keimform" der modernen Warenproduktion in der bürgerlichen Urgeschichte. Sie ist ein notwendiges Ferment, um die betriebswirtschaftliche Bornierung zu durchbrechen und eine soziale Aufhebungsbewegung reproduktiv zu stabilisieren; aber sie ist kein "Keim" im Sinne der pflanzlichen Metapher.

    Deshalb muß eine Theorie und Analyse der Entkoppelung gleichzeitig nicht nur von einer Theorie und Analyse der Krise, sondern auch von einer gesamtgesellschaftlichen Planungsdebatte begleitet sein. Die Theorie der Planung kann der realen Entkoppelungsbewegung vorausgreifen, weil diese möglicherweise sehr schnell in die Zwangslage versetzt wird, die Transformation nicht in kleinen Schritten, sondern in großen Schüben organisieren zu müssen.

    Theoretisch ist diese Transformation sowohl in einer Perspektive der unmittelbaren als auch der vermittelten Identität von Produktion und Konsumtion aufzurollen, einerseits auf der Problemebene der direkten Entkoppelung von Grundbedürfnissen und andererseits auf der Problemebene der gesamtgesellschaftlichen Staffelung nicht-warenförmiger Reproduktion."


    Kommunalisierung und Demokratisierung also schön und gut. Die Frage bleibt aber wie ein geldfrei vermittelte gesamtgesellschaftliche Netzwerk-Planung machbar ist, die für das Individuum eine Übersichtlichkeit und Transparenz der (Produktions- und Verteilungs-)Zusammenhänge ermöglicht. Hierzu gibt es zwar schon einige Ideen, aber wirklich überzeugt hat mich bisher keine hundertprozentig (auch das Vorausplan- und Bestellsystem des Modells der Kommune Bochum halte ich für zu starr).

  • Hallo Mario,
    es gibt eine avantgardistische Arroganz und eine postavangardistische Verzweiflung.


    Die avantgardistische Arroganz zeigt sich darin, dass ein Einzelner oder eine kleine elitäre Gruppe meint, sie wüssten auf alle Fragen eine Antwort.
    Die postavantgardistische Verzeiflung kommt dann auf, wenn ein Einzelner oder eine kleine elitäre Gruppe feststellt, dass er/sie keineswegs auf alle Fragen eine Antwort wissen.



    In dem Zitat von Robert Kurz, das du hier anführst, zeigt sich die postavantgardistische Verzweiflung. Vielleicht ist diese Verzeiflung auch der Tenor deines Postings.


    Ich teile weder das eine noch das andere.
    Ich bin sicher, dass ich als Einzelner keineswegs Antwort auf alle Fragen finden und wissen muss. Mein Optimismus kommt daher, dass ich der Überzeugung bin, dass möglichst Alle an der Lösung unserer Probleme beteiligt werden, und dass dann und nur dann richtige Lösungen gefunden werden.


    Der erste Schritt dahin, den jeder Einzelne von uns tun kann, ist die richtigen Fragen zu stellen.


    Gruß Wal


    Siehe auch:
    Robert Schlosser: "Avantgardismus"
    W. Buchenberg: Avantgardistische Arroganz

  • Hallo Wal. Woher weiß man, dass "Die europäischen Staaten und alle Staaten der kapitalistischen Kernzone" dem Bankrott und dementsprechend auch das Ende des Sozialstaats nahe sind? Reicht da ein Blick auf Haushaltsdefizit und Staatsschulden wirklich aus, um das prognostizieren zu können? Ich dachte immer, dass Staaten Schulden machen und Defizite zu verantworten haben wäre völlig normal und wird mittels anderer Wege überbrückt. Nicht, dass ich am Sozialstaat festhalten oder deine Fachkenntnisse anzweifeln würde, aber die Überlegung kommt mir so dreist simpel vor, dass ich da lieber nochmal nachfrage.

  • Ich verstehe dich, Alet, dass es nicht ausreicht, stets nur auf die Staatsschulden zu schauen, und die Forderungen solcher Länder, die diese als Staat oder als Kapitalisten haben dabei vernachlässigt. Dann kommt man nämlich zu falschen Schlüssen hinsichtlich der „Finanzkrise“, ein Begriff, der oberflächlich sachliche Probleme unter Kapitalisten beschreibt und komplex erscheint, aber im Grunde lediglich für die zusätzliche Ausbeutung der Lohnarbeiter und damit Verarmung der Massen steht und anhand der hier nicht näher behandelte gewisse Probleme (letztlich ist es ein Geldverteilungskampf) der Kapitalisten und kapitalistischen Staaten gelöst werden sollen.



    Warum ist Japan, der am höchsten verschuldete Staat, eigentlich längst noch nicht pleite? Antwort: Nun, weil Japan als Nation die höchsten Forderungen vor China und Deutschland an den Rest der Welt hat und außerdem, im Gegensatz zu Griechenland, die in Japan ansässigen Kapitalisten zu den wettbewerbsfähigsten auf der Welt gehören, sodass dieses Land, solange das so bleibt, keine großen Probleme hat, die Schulden zu tilgen, Schuldzinsen pünktlich zu bedienen und gleichwohl weiter Schulden zu machen. Das gleiche gilt für Europa und dabei insbesondere für Deutschland. Der deutsche Staat hat etwa 2,2 Billionen inländische und ausländische Staatschulden aber etwa 1,8 Billionen Forderungen als Nation ans Ausland. In diesem und ähnlich entwickelten kapitalistischen Ländern sitzen also Kapitalisten, die ihr nicht im Produktionsprozess zu verwertendes Kapital ausländischen Staaten, aber auch dem eigenen Staat selbst, zur Verfügung stellen und dafür einen Tribut in der Form von Zinsen verlangen.



    Das heißt für die Kapitalisten, dass sie sich einen Teil des Mehrwerts, vermittelt über die Staatsausgaben. von den Lohnarbeitern zurückholen und für die Lohnarbeiter, dass diese über die bei Gesundheit, Erziehung und anderen Sozialtransfers eingesparten Leistungen, die sie ja erst durch ihren Mehrwertbeitrag ermöglicht haben, noch einmal ausgebeutet werden.



    Letztendlich heißt es aber, dass wir es, wie es Wolfram an anderer Stelle ausführt, mit einem Feudalkapitalismus zu tun haben, bei dem die die herrschende Klasse ihr Geld zunehmend nicht mehr über den Einsatz von Kapital zu produktiven Zwecken sondern durch direkten Abzug an den Existenzmitteln (Lohn, Sozial- und andere öffentliche Ausgaben) vermehrt. Und davon sind die Lohnarbeiter in Griechenland im Augenblick besonders hart betroffen.



    Das ist die ganze simple Wahrheit des (europäischen) Staatsschuldengedöns, bei dem es auf Kosten der Lohnarbeiter darum geht, welche Staaten und Kapitalisten insbesondere, die Geldkapitalisten, am wenigsten geschoren aus diesem besonderen Konkurrenzkampf um die Verteilung des Geldes hervorgehen, um so in Zukunft das Sagen in Europa und auf der Welt zu haben. Und da liegt unser Teutschland ja ganz gut im Rennen.

  • Hallo Wal. Woher weiß man, dass "Die europäischen Staaten und alle Staaten der kapitalistischen Kernzone" dem Bankrott und dementsprechend auch das Ende des Sozialstaats nahe sind? Reicht da ein Blick auf Haushaltsdefizit und Staatsschulden wirklich aus, um das prognostizieren zu können?

    Hallo Alet,
    ich habe nicht behauptet, dass die Staaten der Kernzone dem "Bankrott nahe" sind. Ich bin der Meinung, dass sie dem Bankrott entgegen gehen. Einen genauen Zeithorizont kann wirklich niemand dafür angeben, weil es keine klare Messgröße für eine Insolvenz gibt.


    Auf Wikipedia heißt es: " Insolvenz (lateinischinsolventia‚ zu solvere ‚zahlen‘), bezeichnet die Situation eines Schuldners, seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gläubiger nicht erfüllen zu können. Die Insolvenz ist gekennzeichnet durch akute Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit (mangelnde Liquidität) oder Überschuldung."


    Der letzte Satz lässt drei unterschiedliche Möglichkeiten, um eine Insolvenz zu bestimmen. Letztlich entscheiden immer die Gläubiger darüber, wann eine Insolvenz eintritt. Auch ein Schuldner kann seine Insolvenz erklären.
    Wenn die griechische Regierung am kommenden Dienstag die fällige Überweisung von 1,7 Mrd Euro an den IWF nicht tätigt, tritt nach den Regeln des IWF eigentlich Insolvenz ein. Aber Gläubiger können immer noch Aufschub gewähren - wenn sie denn wollen. Jede Insolvenz ist mehr oder minder Verhandlungssache.


    Was die Schulden der kapitalistischen Kernstaaten angeht, so wachsen sie ständig. Sie haben - bezogen auf das BSP - schon ein Niveau erreicht, das die Schuldenhöhe der Weltwirtschaftskrise von 1929ff übertrifft. Gleichzeitig wachsen in allen Staaten aber die Ausgabenposten durch die chronische kapitalistische Überproduktionskrise, was wachsende Armut mit wachsenden Sozialkosten und wachsende Rüstungs- und Kriegskosten - einschließlich der Kosten für Flüchtlinge - nach sich zieht, aber auch wachsende Rentenzahlungen durch die zunehmende Alterung.



    Diesen zwangsläufig wachsenden Staatsausgaben stehen aber keine ebenso steigenden Einnahmequellen gegenüber, weil die Wirtschaftswachstumszahlen um 1 oder 2 Prozent stagnieren oder gar schrumpfen - anders als zwischen 1950 und 1985, als hohe Wirtschaftswachstumsraten auch zunehmende Einnahmen in die Staatshaushalte spülte und die Schuldenlast schrumpfen ließ.


    Wir können für keinen Staat einen Zeitpunkt für den Bankrott vorhersagen. Aber wir können sagen: Das staatliche Finanzsystem in der kapitalistischen Kernzone ist brüchig und nicht dauerhaft tragfähig und solvent.


    Ich habe von Anfang an dafür plädiert, dass eine Regierung sich dann für insolvent erklärt, wenn sie Einschnitte in das soziale Netz machen muss, um Geld freizumachen, das dann an reiche Staatsgläubiger überwiesen wird. In Griechenland ist dieser Fall längst eingetreten.


    Gruß Wal

  • Zum anstehenden Referendum schreibt heute die Tageszeitung "Avgi", Sprachrohr von Syriza:


    "Nein zu Erpressungen und Ultimaten, Nein dazu, dass die Gesellschaft in den Bankrott getrieben wird, Nein zu Rettungspaketen und Sparplänen. (…) Dies ist eine demokratische Wahl für Griechenland und Europa. Für die Souveränität, die Würde und den Wohlstand des Volkes. Für ein Griechenland, das ein Gleiches unter Gleichen ist in einem geeinten Europa."


    Was steht hier eigentlich zur Abstimmung? Kann irgendjemand über die "Souveränität, die Würde und den Wohlstand" von irgendjemand ein Wahlkreuz machen? Was bringt das? Das sind schöne Worte ohne tragfähigen Boden und ohne umsetzbare Maßnahmen. Das stellt keine wirkliche Entscheidung zur Abstimmung. Das ergibt allenfalls ein diffuses Stimmungsbarometer. Das ist kein "Akt der direkten Demokratie", sondern die Karikatur einer Volksabstimmung, die weder die griechische Regierung noch irgendeine EU-Institution zu irgendwas verpflichtet. Dieses Referendum ist allenfalls eine weitere Karte im Verhandlungspoker mit den EU-Behörden. Man könnte auch drastischer formulieren: Es ist Volksverarsche.


    Gruß Wal


    Siehe dazu: Alles außer Staatsbankrott ist asozial


    Nachtrag: Die Fragestellung des griechischen Referendums in der bei Twitter geleakten Fassung:



    "Soll dem Verhandlungsvorschlag zugestimmt werden, den die EU-Kommission, die EZB und der IWF in der Eurogruppe am 25. Juni 2015 übermittelt haben, und der aus zwei Teilen besteht, die den gemeinsamen Vorschlag der Institutionen darstellen.

    NEIN




    0

    Der erste Teil ist das Dokument über "Reformen für die Vervollständigung des aktuellen Hilfsprogramms und darüber hinaus".Der zweite Teil ist das Dokument über eine "vorläufige Analyse über die Schuldentragfähigkeit Griechenlands".

    JA




    0


  • Kann man die Politik der Troika auf ihre Böswilligkeit oder auf Geldgier zurückführen? Ist die Unterstützung dieser Politik durch die EU-Länder Machtausübung zum eigenen Vorteil oder kurz gefragt gibt es eine Alternative? In einem anderen Thread hast du (Wal) geschrieben:


    Quote

    Unter Linken wird diese Wirtschaftspolitik als "Neoliberalismus" bezeichnet. Und es wird so getan, als sei die neoliberale Politik, die natürlich auf Kosten der Lohnabhängigen geht, willkürlich, unnötig und als könnte "die Politik" leicht darauf verzichten. Das ist alles falsch.
    Die Politik des Neoliberalismus machen unsere Politiker nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen und schweren Herzens.

    Derzeit wird oft eine Analogie mit Deutschland nach dem 2. Weltkrieg gezogen, (nicht) zuletzt durch Piketty:


    "ZEIT: Und jetzt wollen Sie uns erklären, dass unser Wirtschaftswunder auf Schuldenschnitten beruhte, die wir heute den Griechen verweigern?
    Piketty: Genau. Der deutsche Staat war nach Ende des Krieges 1945 mit über 200 Prozent seines Sozialproduktes verschuldet. Zehn Jahre später war davon wenig übrig, die Staatsverschuldung lag unter 20 Prozent des Sozialprodukts. Frankreich gelang in dieser Zeit ein ähnliches Kunststück. Diese ungeheuer schnelle Schuldenreduzierung aber hätten wir nie mit den haushaltspolitischen Mitteln erreicht, die wir heute Griechenland empfehlen. Stattdessen wandten unsere beiden Länder die zweite Methode an, mit den drei erwähnten Komponenten, inklusive Schuldenschnitt. Denken Sie an die Londoner Schuldenkonferenz von 1953, auf der 60 Prozent der deutschen Auslandsschulden annulliert und zudem die Inlandsschulden der jungen Bundesrepublik restrukturiert wurden."
    http://www.zeit.de/2015/26/tho…lden-griechenland/seite-2


    Inwiefern hinkt hier der Vergleich?

  • Hallo Alet,


    einen Schuldenschnitt macht für gewöhnlich nicht der Gläubiger, der 'glaubt' bis zuletzt - er kriegt sein Geld.


    So auch hier.


    Um einen solchen Schnitt zu bitten/betteln, welchen Sinn soll das machen?


    Der Gläubiger oder Gläubige'vertreter' hat doch nicht wirklich die Option zu sagen: "Och, is' schon ok, ich will das Geld nicht mehr von Dir" - er muß tatsächlich (jedenfalls aus meiner Sicht) bis zum 'Ende' darum kämpfen.
    Wenn, dann macht das Griechenland selbst - oder der Gläubiger gibt 'kleiner' bei, um überhaupt was zu bekommen oder sich die Option zu erhalten, wenigstens noch in Zukunft was bekommen zu können.


    Abgesehen davon hatte nach WKII die Wirtschaft auch eine etwas andere Ausgangslage insofern, als da auch sicher investiert werden mußte, es stand ja kein Stein mehr auf dem anderen...


    So mein Zwischenruf, Deine Frage ging ja an Wal.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Deine Frage ging ja an Wal.

    Aber nicht explizit ;)
    Dass GläubigerInnen in der Regel um ihr Geld kämpfen, ist verständlich. Erstmal geht es darum, ob überhaupt eine andere Möglichkeit besteht oder Schuldenschnitte + Investitionen signifikante, riskante wirtschaftliche Folgen mit sich tragen würden. Derzeit wird in den Medien die Forderungen der linken Parteien als "Ideologie" (ich schlussfolgere daraus, dass sie realitätsfern seien) abgestempelt.

  • Was mir bei der Durchforsterei der Kommentarspalten in den Onlineartikeln zahlreicher Zeitungen über die Griechenlandkrise auffällt, ist das Ärgernis über die Intransparenz und das Hick-Hack der Tsipras-Regierung. Selbst bei den Befürwortern der Syriza/Anel-Regierung.


    Wie Wal schon sagte, scheinen Varoufakis und Tsipras hier - im Sinne ihrer spieltheoretischen Überlegungen - die EU-Bürokraten und Gläubiger irgendwie ausspielen zu wollen. Nach dem Motto des tit for tat, wer mehr Druck machen kann.


    Ich befürchte nur, damit pokern sie ein wenig zu hoch bzw. haben gar keine Exit-Strategie anzubieten, die darauf hinauslaufen könnte auch ohne EU-Diktat die Lebensverhältnisse der Griechinnen und Griechen zu verbessern. Andernfalls hätte man Vorkehrungen getroffen (Wal hat hier einige Punkte wie umfassendere Sozialisierungen und den Ausbau von Selbstversorgung und -verwaltung genannt).


    Inzwischen meint Tsipras, der den Griechen empfiehlt das Referendum mehrheitlich mit Nein zu beantworten, dass er im Falle einer Zustimmung der Eurogruppen-"Reformen" "nicht auf alle Ewigkeit Ministerpräsident sei" (Quelle Tagesschau) und die Regierung wohl zurücktreten werde.


    Wenigstens hätte man so das Gesicht gewahrt und eine linke Alternative in Europa nicht völlig den Wind aus den Segeln genommen. Fraglich ist nur welche Schlüsse Podemos in Spanien oder andere linke Bewegungen und Organisationen in Europa daraus ziehen. Und die Eurokraten und Großkapitalisten werden ebenfalls ihre Lehren aus den bisherigen Abläufen des Griechenlandfalls ziehen und dennoch gestärkt hervorgehen.


    Eine antikapitalistische Alternative sollte gegenüber der Bevölkerung und den Medien m.M.n. deutlich planvoller, transparenter und unmissverständlicher kommunizieren. Außerdem gilt es ein "Hinterland" (alternative Selbstversorgung) aufzubauen um auf das Schlimmste gefasst zu sein. Sonst braucht man nicht so tun als hätte man die dicken Geschütze im Keller. Der bisherige Kurs ist hier einfach zu reformistisch und illusionär.


    Vermutlich würde ein weniger illusionär-reformistisches Bild der Lage und ein radikalerer Plan B (z.B. "Grexit", Außenhandelsorientierung an Russland, China, Lateinamerika etc. & Kommunalisierung und Demokratisierung der Grundversorgung usw.) ersteinmal auf Verblüffung stoßen, aber im Endeffekt die Glaubwürdigkeit erhöhen und Tsipras, Varoufakis und Co. nicht als pokernde Dilletanten dastehen lassen. Denn bisher sehen das einige so, weil weiterhin davon ausgegangen wird, es geht letztlich doch um eine Einigung mit der Eurogruppe.


    So jedenfalls meine Meinung.

  • Derzeit wird oft eine Analogie mit Deutschland nach dem 2. Weltkrieg gezogen, (nicht) zuletzt durch Piketty:
    "ZEIT: Und jetzt wollen Sie uns erklären, dass unser Wirtschaftswunder auf Schuldenschnitten beruhte, die wir heute den Griechen verweigern?
    Piketty: Genau. Der deutsche Staat war nach Ende des Krieges 1945 mit über 200 Prozent seines Sozialproduktes verschuldet. Zehn Jahre später war davon wenig übrig, die Staatsverschuldung lag unter 20 Prozent des Sozialprodukts. Frankreich gelang in dieser Zeit ein ähnliches Kunststück. Diese ungeheuer schnelle Schuldenreduzierung aber hätten wir nie mit den haushaltspolitischen Mitteln erreicht, die wir heute Griechenland empfehlen. Stattdessen wandten unsere beiden Länder die zweite Methode an, mit den drei erwähnten Komponenten, inklusive Schuldenschnitt. Denken Sie an die Londoner Schuldenkonferenz von 1953, auf der 60 Prozent der deutschen Auslandsschulden annulliert und zudem die Inlandsschulden der jungen Bundesrepublik restrukturiert wurden."
    http://www.zeit.de/2015/26/tho…lden-griechenland/seite-2


    Inwiefern hinkt hier der Vergleich?

    Hallo Alet,
    alle heutigen linken und sozialdemokratischen Konzepte berufen sich auf die Zeit zwischen 1950 und 1980. Das war die "Goldene Zeit des Kapitalismus": hohe Wachstumsraten, was einerseits hohe Profite für die Kapitalisten und andererseits Reallohnsteigerungen für die Lohnarbeiter brachte. Aus dieser Zeit stammen alle Illusionen über Sozialverträglichkeit, über Sozialstaat, über Klassenharmonie, aller Glaube an ewiges Wachstum und ewig sprudelnde Geldquellen. Aus dieser Zeit stammen auch alle wirtschaftlichen Theorien, die an der Uni über Kapitalismus gelehrt werden - auch von solchen Leuten wie Varoufakis.
    Das historische Material, das Piketty durcharbeitete, zeigt jedoch, dass diese 30 Jahre nicht der Normalfall im Kapitalismus war, sondern eine Ausnahmezeit. Er zieht allerdings zweifelhafte politische Konsequenzen aus seiner Analyse, die auf ein "trotz alledem" hinauslaufen. Die goldenen Jahre des (traditionellen) Kapitalismus sind vorüber.
    Nicht nur Linke und Sozialdemokraten wünschen sich diese Zeit zurück, auch alle anderen Politiker und selbst die Kapitalisten.


    Das jetzige Jammern über fehlende Investitionsanreize des Staates ist großer Blödsinn. Alle Regierungen in den kapitalistischen Kernzonen, von Japan angefangen über die USA bis nach Europa haben nach 2008 mit "Qantitative Easing" alle Fluttore für billiges Geld geöffnet. Es gibt Kapital im Überfluss. Es gab noch nie eine so lange Zeit mit so niedrigen Zinssätzen. Trotzdem liegen die Wachstumsraten nur wenig über Null.
    Der Kapitalismus der Kernzone ist in der (Überproduktions-)Krise. Die Krise kommt daher, weil es zu viel Kapital gibt, das Anlage sucht und es gibt zu wenig profitable Anlagemöglichkeit. Nach Weltkrieg II war es umgekehrt: zu wenig Kapital und für viele Anlagemöglichkeiten. Schuldenschnitt und billige Kredite setzten damals ungeheure Wachstumsimpulse frei. Heute fließt (fast) alles zusätzliche Geld in Aktien und Spekulationspapiere oder in die kapitalistische Peripherie. Geld schafft keine Anlagemöglichkeiten.


    Die folgende Grafik zeigt zweierlei: Erstens nach der Krise von 2008 war plötzlich viel zusätzliches Kapital da. Zweitens zeigt die Grafik, wohin dieses zusätzliche Kapital floss.
    Gruß Wal


  • Ich befürchte nur, damit pokern sie ein wenig zu hoch bzw. haben gar keine Exit-Strategie anzubieten.

    Jau, ich denke, das ist ein wichtiger Punkt. Mit aller Macht und Wucht spielt die griechische Regierung die Eurokarte und will "unbedingt" im Euro bleiben. Mag sein, dass man damit spielen und die Karten ausreizen kann, es führt aber auf der anderen Seite dazu, dass keinerlei Exitmöglichkeiten in die Debatte in Griechenland oder anderswo kommen; im Gegenteil, ein Exit ist quasi ein Denkverbot. Der Euro ist ein Pfund für die griechische Regierung, aber zugleich auch ihre entscheidende Schwäche.


    Das ist so, als würden die Lokführer sagen, wir streiken jetzt ein halbes Jahr für unsere Forderungen. Das würde nicht gehen.


    Und das dürfte auch der Pferdefuß sein für eine europaweite Solidaritätsbewegung. Den Euro haben zu wollen, ohne die Spielregeln zu akzeptieren, untergräbt letztlich die Solidarität, oder stellt sie auf luftige Beine.

  • Hi,


    Hallo Alet,
    ich habe nicht behauptet, dass die Staaten der Kernzone dem "Bankrott nahe" sind. Ich bin der Meinung, dass sie dem Bankrott entgegen gehen. Einen genauen Zeithorizont kann wirklich niemand dafür angeben, weil es keine klare Messgröße für eine Insolvenz gibt.


    Warum gibt es keine 'klare Messgröße' für Insolvenz?


    Ich bin jetzt über die Geschichte des Geldes nicht sehr gut informiert, wäre also für weitere Hinweise dankbar, gehe aber bspw. davon aus, das Geld in früheren Formen (zumeist) einen intrinsischen Wert hatte. (der Edelmetallanteil präsentierte ein Äquivalent an menschlicher Arbeitskraft)


    Dann fand in der Geschichte der Klassengesellschaft ein allmählicher Übergang zu einem Geld statt, welches nur noch auf Vertrauen basierte.
    Dieser Schritt wurde vermutlich vollständig vollzogen mit der Änderung des Produktionskreislaufs von Ware-Geld-Ware (vorkapitalistische Formationen) zu Geld-Ware-Geld.
    Auch im Kapitalismus gab dann noch viele einzelne Schritte in welchen der intrinsische Wert des Geldes weiter gesenkt wurde. ( Aufgeben der Golddeckung; immer mehr Freiheiten für die Banken und ihre 'Finanzprodukte') ( Literaturempfehlung: 'Bye, bye USA - Aufstieg und Fall von Finanzkapital und Militärmacht' - dort sind viele Einzelheiten aufgeführt)


    Was also ist das für ein Vertrauen?


    Es ist vermutlich nur noch das Vertrauen in die Macht. Während also ursprünglich Geld einmal 'eingefrorene' Arbeit darstellte, ist es heute nur noch, und in immer mehr steigendem Maße - nämlich so wie Arbeit an Wert verliert, die reine Willkür der Macht.


    (Als Beispiel sei genannt das die DDR pro Kopf wesentlich geringer verschuldet war als die BRD, die reale Verschuldung der UdSSR wäre interessant - ich denke das die psychologische Ausweglosigkeit, in welche sich die Einparteiendiktatur 'paranoisiert' hatte war viel entscheidender ....)



    mvg Philzer

  • Was hätte ein Grexit denn für Folgen für Griechenland und Europa? Bisher wird das ja immer schwarz angemalt und "befürchtet", dass Griechenland seine neue Währung abwerten müsste.

  • Hi,


    Wal Buchenberg schrieb:
    Alet schrieb:
    Hallo Wal. Woher weiß man, dass "Die europäischen Staaten und alle Staaten der kapitalistischen Kernzone" dem Bankrott und dementsprechend auch das Ende des Sozialstaats nahe sind? Reicht da ein Blick auf Haushaltsdefizit und Staatsschulden wirklich aus, um das prognostizieren zu können?
    Hallo Alet,
    ich habe nicht behauptet, dass die Staaten der Kernzone dem "Bankrott nahe" sind. Ich bin der Meinung, dass sie dem Bankrott entgegen gehen. Einen genauen Zeithorizont kann wirklich niemand dafür angeben, weil es keine klare Messgröße für eine Insolvenz gibt.




    Warum gibt es keine 'klare Messgröße' für Insolvenz?


    Ich bin jetzt über die Geschichte des Geldes nicht sehr gut informiert, wäre also für weitere Hinweise dankbar, gehe aber bspw. davon aus, das Geld in früheren Formen (zumeist) einen intrinsischen Wert hatte. (der Edelmetallanteil präsentierte ein Äquivalent an menschlicher Arbeitskraft)


    Dann fand in der Geschichte der Klassengesellschaft ein allmählicher Übergang zu einem Geld statt, welches nur noch auf Vertrauen basierte.
    Dieser Schritt wurde vermutlich vollständig vollzogen mit der Änderung des Produktionskreislaufs von Ware-Geld-Ware (vorkapitalistische Formationen) zu Geld-Ware-Geld.
    Auch im Kapitalismus gab dann noch viele einzelne Schritte in welchen der intrinsische Wert des Geldes weiter gesenkt wurde. ( Aufgeben der Golddeckung; immer mehr Freiheiten für die Banken und ihre 'Finanzprodukte') ( Literaturempfehlung: 'Bye, bye USA - Aufstieg und Fall von Finanzkapital und Militärmacht')


    Was also ist das für ein Vertrauen?


    Es ist vermutlich nur noch das Vertrauen in die Macht. Während also ursprünglich Geld einmal 'eingefrorene Arbeit' darstellte, ist es heute nur noch, und in immer mehr steigendem Maße - nämlich so wie Arbeit an Wert verliert, die reine Präsentation der Macht.


    (Als Beispiel sei genannt das die DDR pro Kopf wesentlich geringer verschuldet war als die BRD, die reale Verschuldung der UdSSR wäre interessant)



    mvg Philzer


    Sorry, irgendwie Doppelpost

  • Hi,


    Ich finde es lustig das niemand überhaupt einmal auf die Idee kommt zu fragen was denn Demokratie sei, und zwar in materialistischer Realität und nicht als esoterischer Mythos des Pantheismus (Kapitalismus) oder irgendeiner sonstigen 'Begriffsschwuchtelei'.


    Meine Definition:


    Demokratie ist die Fähigkeit das im freien Spiel der Kräfte notwendig auftretende Elend aus der eigenen Mitte heraus, auf andere schwächere Ethnien oder Kulturen, abzuwälzen. - Philzer


    Und wenn ein Land, wie eben heute bspw. Griechenland, diese Fähigkeit - welche aus ökonomischer Stärke und daraus resultierender/ eingesetzter Macht entspringt - nicht hat, dann kann es schlicht keine 'echte' Demokratie sein. So einfach ist das.


    ( obwohl weder Engels noch Marx erkannte was das Lebenselixier von Demokratie ist, also die realisierte Form des divide et impera in der im ökonomischen Prozess beherrschten Masse, so wies Marx ja wohl schon darauf hin das der englische Arbeiter von der Ausbeutung der Kolonien profitierte, das daraus ein globales Herrschaftssystem werden konnte, hat er noch nicht sehen können, da damals die materielle Korruption bei den fortgeschrittensten Völkern des Westens eben noch nicht voll wirksam ganz unten angekommen war ....)


    Nicht die Demokratie hat Athen zugrundegerichtet, wie die europäischen, fürstenschweifwedelnden Schulmeister behaupten, sondern die Sklaverei, die die Arbeit des freien Bürgers ächtete.


    Das die Sklaverei aber erst die Demokratie ermöglichte ist übersehen worden.
    Mit Ausnahme dieses Schlussatzes ist alles richtig, und auf die Globalisierung umgelegt exakt heute so wiederzufinden, natürlich mit um Einiges gesteigerter Komplexität.



    mvg Philzer

  • Hallo,
    ich hatte viele Programmpunkte von Syriza unterstützt. Wäre ich Grieche gewesen, hätte ich auch Syriza gewählt.


    Sobald die Tsipras-Regierung im Februar alle Schulden ihrer Vorgängerregierungen akzeptiert und deren Rückzahlung zugesichert hatte, war der finanzielle Boden für das Programm von Syriza zerstört, und damit war meine "Solidarität" mit dieser Regierung beendet. (Ich frage mich: können/dürfen wir überhaupt mit Regierungen solidarisch sein? Ich fürchte: Von jeder Regierung, mit der wir uns solidarisieren, werden wir ihre Untertanen.)


    Seit Februar taumeln Tsipras und Varoufakis wie Kafka-Figuren durch die Bürofluchten der EU-Bürokratie.
    Das Referendum ist auch nur ein Ausdruck der Rat- und Hilflosigkeit dieser Regierung.


    Das Referendum stellt die Griechen vor die Wahl: Entweder wirst du von rat- und hilflosen Phantasten regiert oder von gnadenlosen EU-Bürokraten. Diese Wahl enthält kein Besser oder Schlechter.
    Als Grieche würde ich dennoch mit "OXI - Nein!" stimmen.


    Da ich für die Emanzipation aller Ausgebeuteten und Unterdrückten eintrete, stimme ich im Zweifelsfall für die SCHWÄCHERE Regierung.
    Eine schwächere Regierung macht das Leben von uns Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht einfacher, schafft aber vielleicht die Voraussetzungen für einen kürzeren Auswege aus der Misere.


    Ich bin in Urlaub. Aber das wollte ich doch noch vermelden.


    Gruß Wal

  • Na dann einen schönen und erholsamen Urlaub. :)


    Mittlerweile tickern die ersten Abstimmungstendenzen ein. Es scheint ein leichtes Übergewicht bei Nein zu geben gegenüber den Ja-Abstimmern. Wie immer das auch ausgeht, eine schwierige Situation in Griechenland. Das Land ist in 2 Teile gespalten. Auf so einer Grundlage täte eine Gewerkschaft einen Kampf wohl schwerlich beginnen und austragen wollen.

  • Das LowerClass Magazin publiziert ein Interviewmit einem Vertreter von Antarsya, den linken und EU-kritischen Flügel von Syriza, zu dem griechischen Desaster.


    Ich kommentierte das Interview Freitag, 14:02:


    "Viele Worte und keinerlei Selbstkritik, dass die griechische Linke sich einbildete, sie könne das griechische Staatsruder herumwerfen. Sie fühlten sich als „Staatslenker“ und merkten nicht, wie sie ihre Seele damit verkauften.
    Schade, so wird das nichts!
    Gruß von Wal Buchenberg"



    Siehe zu den linken Perspektiven in Griechenland auch: Die EU- und die Anti-EU-Linken. (Artikel von Alban Werner)


    Merke: Der kapitalistische Staat geht pleite und kaputt und die Linke in Europa rätselt, ob sie die Staatsmacht mit EU oder ohne EU retten soll. Das ist ein Trauerspiel!,
    meint Wal

  • Antarsya, den linken und EU-kritischen Flügel von Syriza

    Sorry, da muss ich dich korrigieren: Antarsya ist kein Flügel von Syriza, sondern ein selbstständiges Bündnis von trotzkistischen Gruppierungen, was unabhängig von Syriza bei Wahlen antritt.

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