Nationalstaaten sind Gebilde, die durch Gewalt gebildet und geformt wurden - sowohl durch interne Gewalt in einem Bürgerkrieg als auch durch Krieg nach Außen. Traditionsgemäß lehnen viele Linke erfolgreiche Nationalstaaten wie die USA, Deutschland, China, Israel usw. ab und verehren "Verlierernationen" wie die Iren, Basken, Palästinenser, Tibeter, Indigene in Südamerika usw. Wieso eigentlich? Wollen denn Verlierernationen etwas anderes als die Siegernationen? Wollen Verlierernationen nicht auch einen "Platz an der Sonne" der staatlichen Gewaltapparate?
Bevor ich zu Spanien und Katalonien komme, schaue ich erst auf zwei "Siegernationen" - USA und Deutschland:
Amerikanische Staatsnation
Ihre Unabhängigkeit von Großbritannien erreichten die weißen und männlichen Amerikaner teils durch zivilen Ungehorsam (Steuerverweigerung, Handelsboykott) , teils durch einen bewaffneten Unabhängigkeitskrieg. Die Amerikaner schufen sich ihren eigenen Staat, aber eine gemeinsame "Nation" wurden sie durch die Ausrufung der Unabhängigkeit (4. Juli 1776) längst nicht.
Der Völkermord an den Indianern wurde nun erst in großem Stil organisiert. Die schwarzen Sklaven waren ebenso wenig Teil der amerikanischen Staatsnation wie die Frauen. Hinzu kam: Schon vor 1800 begannen Konflikte mit den Weißen in den Südstaaten, die die staatliche Autorität des Nordens in Frage stellten. Das Gewaltmonopol des US-Staates über das gesamte US-Territorium wurde erst durch den Sieg der entwickelteren kapitalistischen Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg über den agrarisch-feudalen rückständigen Süden (1861-65) sichergestellt.
Der amerikanische Nationalstaat war das Produkt einer gewaltsamen Eroberung - der Eroberung des rückständigen Westens wie des rückständigen Südens. Die besiegten Südstaatler akzeptierten diese gewaltsame Nationenbildung aber erst nach dem gemeinsamen Sieg der USA über Spanien (1898), der ihnen reiche, gemeinsame Beute bescherte: Kuba, Puerto Rico, Guam, später auch die Philippinen.
Deutsche Staatsnation
Dieselben Stationen sind auch bei der Bildung des deutschen Nationalstaates feststellbar: Zuerst eine erfolgreiche Unabhängigkeitsbewegung gegen die "französische Fremdherrschaft" unter Napoleon.
Nächste Station: ein blutiger innerdeutscher Krieg (1866) Nord (Preußen, Rheinlande etc.) gegen Süd (Bayern, Baden etc), bei dem der entwickeltere Norden gewann.
Die unterlegenen Süddeutschen akzeptierten die "Preußenherrschaft" jedoch erst nach dem gemeinsamen und erfolgreichen Krieg nach Außen, dem Sieg über Frankreich (1871) - die dritte Station der Nationenbildung.
In Deutschland wie in den USA siegte der industrialisierte Norden in einem blutigen Bürgerkrieg gegen den agrarischen Süden.
In Deutschland wie in den USA akzeptierte der unterlegene Süden die gewaltsame Nationenbildung erst, nachdem die vereinte Nation externe Kriege siegreich bestand und Beute für alle abfiel.
Spanische Staatsnation
In Spanien lief alles anders. Zwar war Spanien über Jahrunderte ein ähnlicher politischer Flickenteppich wie Deutschland im 19. Jahrhundert, zwar gab es auch jahrhundertelang Unabhängigkeitskriege gegen die Araber, die Franken und die Franzosen, aber die einzelnen spanischen Landschaften und Völkerschaften kämpften in diesen Kriegen häufiger gegeneinander als gemeinsam.
Jedem der spanischen Unabhängigkeitskriege folgte notwendig ein interner spanischer Krieg. In diesen internen Kriegen siegte jedoch nicht der entwickeltere, kapitalistische Norden (Baskenland und Katalonien), sondern der feudal-agrarisch geprägte Süden. Das hatte schlimme Folgen für den spanischen Nationalstolz.
In Deutschland und den USA wurden die innerstaatlichen Animositäten zwischen einzelnen Landschaften und Wirtschaftsregionen (Preußen und Bayern, Yankees und Südstaatler) durch einen erfolgreichen Krieg nach Außen beruhigt und befriedet.
In Spanien folgte der internen Demütigung von Nordspanien (Unterwerfung von Katalonien und Baskenland durch die Kastilier) noch die externe Demütigung Gesamt-Spaniens: Dem Sieg des feudalen Kastiliens über das entwickeltere Nordspanien folgte das "Desaster" Spaniens, die Niederlage im amerikanisch-spanischen Krieg und damit der Verlust des spanischen Weltreichs im Jahr 1898.
Solange das spanische Weltreich bestand, waren Katalanen und Basken treue Diener dieses Reichs. Sie waren seine tapfersten Krieger und mutigsten Seefahrer und hatten ihre materiellen Vorteile davon. Es schmerzte sie jedoch einem rückständigen und gedemütigten Staat dienen zu müssen. Katalanen und Basken entdeckten in Masse, dass sie eigentlich etwas Besseres sind und jedenfalls anders als die Spanier. Der katalonische wie der baskische Nationalismus lebt von der Verachtung Spaniens und der Spanier.
Basken wie Katalanen präsentieren sich gerne als weltoffen und interkulturell. Hinter diesem internationalistischem Emoji verbergen sie einen rassistischen Hass auf Spanier und auf alles Spanische.
(Der Text stammt mit wenigen Ergänzungen aus meinem Reisebericht von 2005)
Wal Buchenberg
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