Ab wann die Profitrate zum Tragen kommt

  • Hallo.


    Folgende Frage ging mir heute durch den Kopf:


    Klar ist, dass die individuelle Profitrate die Geschicke eines Unternehmens leitet und ihr Handeln beeinflusst.
    Klar ist doch aber auch, dass ein kleines Friseurgeschäft aufgrund der geringen Kapitalisierung eine recht hohe Profitrate haben dürfte, wohingegen große Unternehmen mit entsprechend hohen Kapitaliserungsentwicklungen eine niedrigere Profitrate haben. Dadurch könnte man schlussfolgern, dass der Friseur (aufgrund der [auch: branchenfremden] Kapitalüberschüsse, die nach neuen Anlagen suchen) auf kurz oder lang so viel Kapital ansaugen würde, bis es den entsprechenden gesellschaftlichen Durchschnitt erzielen und entsprechend groß werden würde (vielleicht ist der Friseursalon ein schlechtes Beispiel, da es hier wohl kaum viele Möglichkeiten zur Kapitalisierung gibt).


    Der kleine Friseurbetrieb wird sich doch aber kaum anhand seiner Rendite orientieren als vielmehr darin, ob und wieviel Umsatz am Monatsende zur Verfügung steht; ob er seine Leute inkl. seiner weiteren Unkosten bezahlen und inwiefern er selbst davon leben kann.


    Ist in deren (also zwischen kleinem Friseurbetrieb und großem Unternehmen) Konkurrenz nicht die Höhe der Profitmasse ausschlaggebender als die Profitrate selbst, um die bestehenden Konkurrenzvorsprünge aufrecht zu erhalten und ausbauen zu können?

  • Hallo Konkordanz,
    vielleicht hast du dich etwas falsch ausgedrückt: Ein kleiner Dienstleister orientiert sich nicht "darin, ob und wieviel Umsatz am Monatsende zur Verfügung steht", wenn dieser Umsatz nicht reicht, damit nach Bezahlung aller Unkosten für ihn selbst nichts übrig bleibt. Korrekt müsste es heißen: Der Friseurbetrieb orientiert sich tatsächlich an der Mehrwertmasse.
    Über den Zusammenhang von Profitrate und Mehrwertmasse kannst hier bei Robert Schlosser nachlesen.


    Die andere Frage ist, ob ein Friseurladen ausreicht, um die Entwicklungstendenz des Kapitalismus nachzubilden und zu verstehen.
    Es gibt ja kaum "Friseurkonzerne". Daraus lässt sich schließen, dass in dieser Branche quasi eine "Akkumulationsbremse" eingebaut ist.
    Ich denke, als Akkumulutionsbremse wirkt vor allem die Kleinräumigkeit des Haarschneide-Marktes. Der Hauptkundenmarkt eines Friseurladens dürfte einen Umkreis von 2-3 km haben, damit man ihn zu Fuß erreichen kann.
    Eine andere Sache ist jedoch noch wichtiger.
    Im "Kapital" arbeitete Marx den Unterschied zwischen dem "selbstarbeitenden Meister" und einem Kapitalisten heraus. Der "selbstarbeitende Meister" ist nach dem Verständnis von Karl Marx gar kein Kapitalist. Sein ökonomisches Handeln ist nicht wie beim Kapitalisten auf Akkumulation gerichtet, sondern auf seine eigene Reproduktion.
    Deshalb ist ein Friseurladen kein Modell für den Kapitalismus.


    Gruß Wal

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