Kapitalismus und Energie

  • Energieverbrauch für technisch unterstützte Arbeit ist ein zentraler Bestandteil des Kapitalismus. Der Energiehunger der kapitalistischen Technologie wird daher oft als Ansatzpunkt für eine „materielle“ Kapitalismuskritik genommen (Ende des Wachstums, Peak Oil, Endlichkeit der Ressourcen, Klimaerwärmung etc.)


    Seit 2010 stehen nicht mehr die USA, sondern China als Land an der Spitze des weltweiten Energieverbrauchs. Pro Kopf gerechnet ist der Energieumsatz in den USA deutlich am höchsten. Pro Kopf verbraucht ein US-Amerikaner zweimal soviel Energie wie ein Europäer und sechsmal so viel wie jeder Südamerikaner und jeder Asiate.
    Siehe die folgende Grafik:



    Erklärungen zur Grafik:
    Die Grafik ist spaltenweise von links nach rechts zu lesen.
    1) Die linke Spalte „Energieträger“:
    Enthalten sind die Naturstoffe, die als Energielieferant genutzt werden. Die Prozentzahlen geben an, welchen Anteil eine einzelner Energieträger an der gesamten Energiemenge des Jahres 2013 in den USA hatte. Die größten Primärenergieträger waren Öl mit 36%, Gas mit 27,5% und Kohle mit 18,5%. Atomenergie hat in den USA einen Energieanteil von 8,5%. „Alternative“ Energieträger spielen in den USA mit weniger als 10% eine geringe Rolle.
    Die Zahlen für Deutschland (2011) unterscheiden sich davon nur geringfügig: Kernenergie = 9%, erneuerbare Energien = 11%.
    (Achtung: Bei all diesen statistischen Angaben ist jedoch zu beachten, dass sie nur Energiemengen enthalten, die als Ware gegen Geld ver- und gekauft wurden. Selbstproduzierte Energiemengen, die nicht ins allgemeine Netz flossen, sondern selbst verbraucht wurden, werden statistisch nicht erfasst. Solche Energiemengen tauchen nur insoweit in der allgemeinen Statistik auf, als sie den nationalen statistischen Energieverbrauch senken.)

    2) Verwendungsart:
    Die schmale, zweite Spalte (Kästchen mit Prozentzahlen) gibt an, zu wie viel Prozent ein einzelner Energieträger in die Stromerzeugung floss und zu wie viel Prozent er direkt in den Endverbrauch floss.
    Geothermik, Wind, Wasser, Biomasse und Atom flossen zu 100% in die Stromerzeugung. Kohle wurde in den USA zu 90% und Gas zu 30% zur Stromerzeugung verwendet. Öl floss zu 100% zu den Endverbrauchern. Es wurde also kein Öl zur Stromerzeugung verbrannt.


    3) Verwendungszweck:
    Unter Verwendungszweck stehen die vier großen Verbrauchergruppen.
    Wenn man Handel (12%) und Industrie (34%) als eine Gruppe „Wirtschaft“ zusammenfasst, ist das mit 46% schon der größte Energieverbraucher. Zu diesen 46% wäre noch ein Großteil aus der Gruppe „Transport“ (38%) zu zählen.


    4. Nutzungsgrad:
    Die letzte Spalte weist aus, dass im Jahr 2013 von der gesamten eingesetzten Energie 40% wirklich für physikalische Arbeit genutzt worden ist. 60% waren Energieverlust durch Abwärme, mechanische Reibungsverluste etc.


    Einige weiterführende Links:
    Thomas Konicz: Ökologische Grenzen des Kapitals
    J. Riffkin: Dezentralisierung der Energieversorgung
    Ökosozialismus: Antikritik am Ökokapitalismus von E. Altvater
    GSP: Nationale Energiepolitik und Krieg


    Ein paar Anmerkungen von mir:
    Die „materielle“ Kapitalismuskritik geht von der stillschweigenden Voraussetzung aus, dass sich der Kapitalismus nur in eine Richtung entwickeln kann: „Höher, weiter, schneller“. Sobald dieses Wachstum stockt, sei es mit dem Kapitalismus zu Ende. Ich halte diese Annahme für falsch.
    Es gibt derzeit auf der Erde ganz viele verschiedene Entwicklungsstufen des Kapitalismus: Kapitalismus „in den Kinderschuhen“ – eine Warenproduktion mit wenig Technologie und viel Handarbeit – bis hin zum hochtechnisierten und hochautomatisieren Spätkapitalismus mit sehr viel Technologie und vergleichsweise wenig Einsatz von lebendiger Arbeitskraft.
    Der Haupttrend der Entwicklung verläuft vom Kinderschuh-Kapitalismus zum Spätkapitalismus Dieser Trend ist jedoch keineswegs geradlinig und störungsfrei. Einzelne Länder bleiben auf ihrer Entwicklungsstufe stecken, andere Länder fallen zurück.
    Wie einzelne kapitalistische Unternehmen expandieren und auch schrumpfen können, so können auch ganze Volkswirtschaften expandieren und schrumpfen.
    Einzelne südeuropäische Länder und auch Japan schrumpfen schon länger, ohne dass das den Kapitalismus dort irgendwie beendet. Kapital und Warenproduktion können in ganz vielen Umständen und Umgebungen überleben – mit viel Öl oder auch mit wenig Öl, mit viel Maschinerie oder auch mit wenig Maschinerie.
    Was heute in den Metropolen als „nahendes Ende des Kapitalismus“ gesehen wird, ist ein regionales Stocken und Stagnieren der Entwicklung der kapitalistischen Kernzone bei gleichzeitiger rascher Entwicklung der Peripherie. Im Weltmaßstab expandiert der Kapitalismus. Ja, das Stagnieren der kapitalistischen Kernzone ist ein Menetekel für den globalen Kapitalismus, aber eben noch längst nicht das Ende des globalen Kapitalismus.
    Wer wie wir Europäer der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur einen florierenden Kapitalismus erlebt hat, für den mag ein regional stagnierender oder gar schrumpfender Kapitalismus schon „das Ende“ bedeuten.
    Ich befürchte, das ist noch lange nicht das Ende. Ich befürchte, uns steht in Europa eine lange Periode der kapitalistischen "Rückwärtsentwicklung" und des Nullwachstums bevor.
    Gruß Wal

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