Die Mechanisierung der Kopfarbeit

  • Die Industrialisierung des 19. Jahrhunderts brachte eine doppelte Mechanisierung: Zunächst die Mechanisierung der Muskelkraft durch Dampfkraft (später durch Elektrizität) und gleichzeitig die Mechanisierung der menschlichen Hände durch mechanisierte Werkzeuge und Werkzeugmaschinen. Das Ergebnis war eine Mechanisierung und Automatisierung der lohnabhängigen Handarbeit.

    Die Mechanisierung der Handarbeit führte zur weltweiten Vorherrschaft des europäisch-amerikanischen Kapitalismus – samt globaler Kriege und weltweiter ökonomischer Krisen und ökologischer Katastrophen.


    Während die Mechanisierung der Handarbeit sich seit einigen Jahrzehnten auch in der kapitalistischen Peripherie durchsetzt, beginnt in den Kernzonen des Kapitalismus die Digitalisierung der Lohnarbeit. Digitalisierung schafft die Mechanisierung und Automatisierung der lohnabhängigen Kopfarbeit.


    Wie die Mechanisierung der Handlohnarbeit steigert auch die Mechanisierung der Kopflohnarbeit die Arbeitsproduktivität, steigert den Profit und setzt gleichzeitig Lohnarbeiter außer Arbeit. In den 20 Boomjahren der BRD nach 1949 wurde die arbeitssparende Wirkung steigender Produktivität durch Expansion der Produktion kompensiert. Seit 1975 mündete die gesteigerte Arbeitsproduktivität in Massenarbeitslosigkeit.


    Zwei Wissenschaftler der Oxford-Universität haben errechnet, dass durch die jetzige und künftige Digitalisierung der Kopfarbeit „auf mittlere Sicht fast die Hälfte aller Arbeitsplätze wegfallen“ könnte.


    Steigerung der Arbeitsproduktivität bringt im Kapitalismus für die Lohnabhängen ein Wachstum von Armut und Elend - wenn auch nicht für alle Schichten gleichermaßen. Für die Kapitaleigner bringt steigende Arbeitsproduktivität Wachstum ihres Profits.


    Für die Gesellschaft als Ganzes reduziert steigende Arbeitsproduktivität allerdings auch die Last der Arbeit. Wenn der Kapitalismus 50 Prozent der Lohnarbeiter überflüssig macht, bedeutet das auch, dass die nachkapitalistische Gesellschaft bei gleichbleibendem Output die allgemeine Arbeitszeit um 50 Prozent vermindern kann.


    http://www.oxfordmartin.ox.ac.…_Future_of_Employment.pdf


    Gruß Wal Buchenberg

  • Hallo,
    ich habe mir deinen Bericht sorgfältig durchgelesen und bin auf die Frage gekommen, ob durch die fortschreitende Mechanisierung die Dringlichkeit an handwerklichen Ausbildungen und an handwerklichen Arbeitern enorm, wenn nicht sogar komplett , sinkt?

  • Hallo,
    ich habe mir deinen Bericht sorgfältig durchgelesen und bin auf die Frage gekommen, ob durch die fortschreitende Mechanisierung die Dringlichkeit an handwerklichen Ausbildungen und an handwerklichen Arbeitern enorm, wenn nicht sogar komplett , sinkt?

    Hallo Jola,
    ja, die Nachfrage nach handwerklich gut ausgebildeten Arbeitskräften ist in Deutschland und in anderen Ländern der kapitalistischen Kernzone zurückgegangen. Siehe den roten Balken ("mittlere Qualifikation"), der nach links ins Minus weist:



    In Deutschland hat die Nachfrage nach Lohnarbeit mittlerer Qualifikation im Zeitraum 1993-2006 um minus 9 Prozent abgenommen. (gemessen in Arbeitszeit). Allerdings stellen die handwerklich ausgebildeten Lohnarbeiter (=mittlere Qualifikation) weiterhin in Deutschland einen großen Teil der Lohnarbeiter. Das zeigt die nächste Grafik:



    Ein Teil der qualifizierten Arbeitsplätze ist nicht aus der Produktion verschwunden, sondern wurde in Ausland, in die kapitalistische Peripherie verlagert:
    In der kapitalistischen Kernzone hat zwischen 1980 und 2010 die Anzahl der Lohnarbeiter um 207 Millionen zugenommen. Im gleichen Zeitraum haben die Lohnarbeiter der Peripherie um 1.025 Millionen zugenommen. (Siehe kleine gelbe Grafik rechts oben).
    Die roten Kreise zeigen die Größe des Proletariats im jeweiligen Land. Die linke Skala zeigt die durchschnittliche Ausbildungsdauer aller Lohnarbeiter. Die Skala unten zeigt das Durchschnittsalter im Jahr 2010.
    China hat in der Welt das größte Proletariat. China ist die globale Fabrik. Die durchschnittliche Ausbildungsdauer der Lohnarbeit in China sind 11 Jahre. Das durchschnittliche Alter war 2010 34 Jahre.
    Deutschland und Japan haben die bestausgebildeten Lohnarbeiter, aber auch die ältesten. Die durchschnittliche Ausbildungszeit für deutsche Lohnarbeit beträgt 13,5 Jahre. Das Durchschnittsalter in Deutschland war 2010 44,2 Jahre.




    Die handwerkliche Arbeit verschwindet aber nicht einfach, sie verändert sich.
    Einerseits nähert sich die handwerkliche Arbeit der geistigen Arbeit. Bevor ein computergesteuerter Automat einen Arbeitsgang erledigt, muss der Arbeiter an der Maschine erst rechnen und dann den Automaten mit den passenden Daten füttern.


    Andererseits vereinfacht sich die handwerkliche Arbeit durch Automatisierung und vereinheitlicht sich: Ein Kranführer benutzt ebenso einen Joystick wie ein Chirurg oder ein Flugkapitän.


    Gruß Wal


    Siehe auch:
    Wo sind die Industriearbeitsplätze hin?

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