Die Weltwirtschaft 2014

  • Beim ersten Hingucken sagt man sich: Das sieht der Besitzsverteilung innerhalb der kapitalistischen Ökonomie verdammt ähnlich. Erinnerungen an Theorien werden wach, die besagen, dass der Imperialismus die Dritte Welt ausbeutet


    Beim zweiten Hingucken erkennt man : Im Gegensatz zu o.g. Besitzverteilung, bei der sich das Gefälle zunehmend verschärft, ist bei diese Verteilung zu erwarten, dass das Gefälle wahrscheinlich abnehmen wird. Heisst: Bei China, Indien, oder Brasilien könnte man noch ein Wachstum erwarten, wohingegen es bei Deutschland und den USA, etc. noch die Frage, ob die Krise nicht zu einem Fall, oder zumindest zu einer Stagnation des BSPs pro Kopf führen wird. Fragt sich, ob mit einer solchen Angleichung auch die Situation der Lohnarbeiterklasse weltweit aneinander angleicht.


    Soweit keine sehr tiefschürfende Analyse, aber vielleich ein Anfang.


    Gruss,
    Antonio

  • Hallo Antonio,
    ja, das ist von dir gut gesehen. Wir dürfen uns von der äußerlichen Ähnlichkeit der Verteilung von Arm und Reich auf dem Weltmarkt und innerhalb einer kapitalistischen Nation nicht verführen lassen.


    Die Verhältnisse der Weltwirtschaft haben zwar große Ähnlichkeit mit der Verteilung des Reichtums in Deutschland oder einem anderen kapitalistischen Land. Diese Ähnlichkeit verführt dazu, die wirtschaftlichen Verhältnisse im Weltmaßstab gleichzusetzen mit den Klassenverhältnissen in einem Land. Diese Gleichsetzung ist ziemlich verkehrt und führt zu ganz falschen Schlüssen. Ein Fehlschluss ist es, wenn man die reichen Staaten mit „dem Weltkapital“ gleichsetzt und die armen Staaten mit „dem Weltproletariat“. Auf dem Weltmarkt stehen sich keine Klassen gegenüber, sondern Staaten, die mehr oder minder gut organisierten Kapitalgruppen entsprechen. Am nächsten kommen wir der globalen Wirklichkeit, wenn wir die Staaten der Welt mit kapitalistischen Unternehmen vergleichen. Um der Sache noch näher zu kommen: Staaten sind wie Mafia-Unternehmen mit eigenem Tötungspersonal.


    Die armen Staaten der Welt entsprechen kleinen, rückständigen Unternehmen auf dem nationalen Markt. Die reichen Staaten der Welt sind wie Großunternehmen auf dem nationalen Markt.
    Die Romantik, die manche Linken mit den armen Ländern in der Dritten Welt verbinden, ist ziemlich verfehlt. Diese Staaten und Regierungen behandeln ihre Untertanen deutlich schlechter als die reichen Staaten und Regierungen die dortigen Untertanen. In der Regel werden auch Lohnarbeiter in Kleinbetrieben schlechter bezahlt und schlechter behandelt als Lohnarbeiter in Großbetrieben.


    Ein zweiter Fehlschluss ist es, wenn Rückständigkeit und Unterentwicklung zum unausweichlichen Schicksal der armen Länder erklärt wird. Auf dem nationalen Markt ist es ganz häufig, dass erfolgreiche Großunternehmen in der Konkurrenz zurückfallen und von Aufsteigern überholt und übertroffen werden. Man denke an amerikanischen Unternehmen von Rockefeller und Ford oder an die deutschen Unternehmen Krupp, IG Farben, oder AEG, die alle längst nicht mehr in der ersten Reihe kapitalistischer Unternehmen stehen.
    Beherrschten früher große Kapitalisten die Kernbereiche der deutschen Wirtschaft: Kohle, Stahl, Rüstung, Chemie und Elektro, so findet man die Reichen und Mächtigen des heutigen Deutschland als Herrscher von Ladenketten, Baumärkten und Arzneimitteln.
    In den früheren Kernbereichen der deutschen Industrie befinden sich nur 18 % der heutigen Milliardäre: In der Rüstung 5 % (Diehl, Röchling, Siemens), im Investitionsgüterbereich 13 % (Freudenberg, Haniel, Knauf, Merckle, Röchling, Siemens, Werhahn, Würth), im Energiebereich 2 % (Werhahn).
    Auch in der Forbes-Liste der 100 oder 1000 größten Unternehmen der Welt ist ablesbar, wie vielfältig und durchschlagend die Veränderungen sind, wie oft neue Unternehmen an die Spitze stoßen und etablierte Großunternehmen zurückdrängen.
    Nicht viel anders ist es mit der Wirtschaftsmacht von Staaten auf dem Weltmarkt. Alle Staaten, die heute Spitzenplätze in der Weltwirtschaft einnehmen, sind von einer hinteren Position auf einen der vorderen Plätze aufgestiegen: Die USA, Deutschland, Japan, gewissermaßen auch Russland.
    Auch im „Mittelfeld“ gab es erhebliche Verschiebungen. Den historischen Trend des globalen Kapitalismus zeigt die folgende Grafik:



    1) Die Wirtschaftsleistung eines Landes ist das Produkt aus der Arbeitsproduktivität mal (arbeitender) Kopfzahl. In vorkapitalistischer Zeit waren die Unterschiede in der Arbeitsproduktivität gering. In dieser Zeit lässt sich die Arbeitsproduktivität gleich = 1 setzen. Die Größe einer Volkswirtschaft hing weitgehend von der Zahl der Bevölkerung ab.


    2) Das änderte sich mit Einsetzen des Kapitalismus in Nordeuropa. Mit der Industrialisierung wurde die Arbeitsproduktivität um ein Vielfaches gesteigert. Relativ gering bevölkerte Staaten (England) erhielten eine Wirtschaftskraft, die allen anderen Staaten weit überlegen war. Um 1914 gab es eine Handvoll kapitalistischer Staaten mit einem großen wirtschaftlichen Vorsprung vor allen anderen. Damals erwirtschafteten sechs Industriestaaten rund 90 Prozent der damaligen Weltwirtschaft.


    3) Durch Verbreitung moderner Produktionstechnik und durch ökonomische Erlahmung der entwickelten Staaten und durch die Weltkriege reduzierte sich der Vorsprung der entwickelten Staaten. Ihr Kreis wurde größer – die OECD hat heute 34 Mitglieder. Gleichzeitig verringerte sich der wirtschaftliche Abstand zu anderen Staaten. Das ist der Stand der Weltwirtschaft im Jahr 2014.


    4) Da dieser Entwicklungstrend ungebrochen ist, tendiert die Weltwirtschaft auf einen Zustand zu, den die unterste Grafik zeigt: Die Arbeitsproduktivität hat sich dann weltweit wieder ausgeglichen. Die wirtschaftliche Stärke eines Landes hängt wieder weitgehend von der aktiven Bevölkerungszahl ab – wie in vorkapitalistischer Zeit. Das wird die Rückkehr der asiatischen Vorherrschaft.


    Gruß Wal Buchenberg

  • Ich will nicht widersprechen, ausser in zwei Hinsichten:
    Wenn und soweit sich Arbeitsproduktivität ausgleicht, enden die Gefälle, die eine "Vorherrschaft" und den Drang, sie herauszufordern (und sich an die Stelle zu setzen) begründen. Staaten, die als Mafia-Unternehmen auftreten, sind vormodern. Sie verschwinden, auf die ein oder andere Weise. Staaten, die "Kapitalgruppen" repräsentieren, sind unentwickelt, und unter Druck, von innen wie aussen, sich zu ändern. (Sind die USA, die Bundesrepublik so?)
    Das alles verschwindet eher.
    Kapitalismus hingegen bleibt.


    ((Was begründet eigentlich die Konzentration auf "Grossunternehmen" oder gar "Grossunternehmer"? Dass man sie kennt und an ihrem Schicksal eher Anteil nimmt? Die Unternehmensgrösse ebenso wie der Geschäftsinhalt ist vor allem eine Frage der betriebswirtschaftlichen Rationalität - "Konzerne" können "schlank" oder "komplett umgebuat" werden, auch die Rechtsform wechseln. Staaten sind da nicht so flexibel. Dafür verfügen sie über andre Mittel, um ihre Konkurrenz auszutragen...))

  • 1) Ich hatte hier darauf hingewiesen, dass der Kapitalismus in seiner Frühphase bis 1914 weltweit zu großen Unterschieden in der Arbeitsproduktivität pro Kopf oder pro Arbeitsstunde geführt hat. Mittels ihres großen Vorsprungs in der Arbeitsproduktivität konnten relativ kleine, bevölkerungsarme Länder (England, Deutschland, Japan) Wirtschaftsleistungen erbringen, die bevölkerungsreiche Länder weit übertrafen.
    In der zweiten Phase des globalen Kapitalismus, in der wir uns noch befinden, gleichen sich diese Unterschiede der Arbeitsproduktivität durch Export von Kapital und von Know-how (und auch durch Know-how-Klau) zunehmend aus.
    In Bezug auf Know-how (und Arbeitsproduktivität ist vorzüglich eine Frage der angewandten Technologie) ist der Spätkommende immer im Vorteil gegenüber dem Frühentwickler, weil der Spätkommer teure Zwischenschritte überspringen kann - so wie das Handy in der kapitalistischen Peripherie die Investitionen in Festnetze und Kabel übersprungen hat und unnötig macht.


    Einen konkreten Beweis, dass die Arbeitsproduktivität in der kapitalistischen Peripherie derzeit schneller wächst als in den kapitalistischen Kernzonen, geben folgende Daten:



    2) In ihrem Blog hatte Franziska als neues Thema die Berechnung der (konsumierbaren) Jahreswirtschaftsleistung (BIP bzw. v + m)
    aufgemacht, und darauf hingewiesen, dass in diese Berechnungen nicht nur "Neues, Zusätzliches“ (Neu- und Zusatzproduktion), sondern auch ein „Schneller = Mehr vom Alten" (gesteigerte Arbeitsproduktivität) eingeht. Das zeigen auch diese Daten.


    Gruß Wal Buchenberg

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