• Googelt man „Karl Marx heute“ werden über 2 Millionen Treffer angeboten. Vorrangig und zuerst wird da Marx als „Krisentheoretiker“ gepriesen, obwohl er kapitalistische Krisen nur nebenbei, gewissermaßen in Nebensätzen erwähnt. Auch die Angst der Mächtigen vor dem Riesenwerk dieses Revolutionärs wirkt weiter und mündet in Verurteilungen wie diese: „Wenn je eine Theorie durch die Praxis widerlegt worden ist, dann diese. .... Hier haben die Ungeheuer Lenin, Stalin und Mao ihre geistigen Wurzeln. Wer den Marxismus für eine gute Idee hält, der (sic!) nur schlecht ausgeführt wurde, kennt seinen Marx nicht.“ (Alan Posener in der „Welt“, 09.03.08).
    Die Linken von Anarchos über Syndikalisten bis zu den Staatslinken in und um der Partei „Die Linke“ halten – nach meinem Eindruck – halb respektvoll, halb desinteressiert Abstand von Karl Marx und seinem Werk. Gerne streut mal ein Linker ein Marx-Zitat in seine Texte, vielleicht um seine Belesenheit unter Beweis zu stellen, aber noch lieber demonstriert man als Linker seine Eigenständigkeit, die scheinbar mit der gedanklichen Ferne zum Werk von Karl Marx wächst.
    Bleiben nur noch eine Handvoll „Gallier“ in einem winzigen „gallischen Dorf“, die sich darüber streiten, ob und wann Begriffe wie „Warenwert“ und „Tauschwert“ den gleichen Inhalt haben. Das Leben und die Probleme außerhalb ihres „gallischen Dorfes“ berührt ihr Streit nicht.
    Wer sich heute noch auf Karl Marx beruft, trägt die Beweislast, dass sein Werk nicht nur aktuell, sondern auch unverzichtbar für unsere Einsicht in die Bedingungen unserer Emanzipation ist. Diese Beweislast wiegt jedoch schwer, so schwer, dass sie nicht von einem Einzelnen zu schultern ist. Vielleicht ermutigen die folgenden Thesen zur Aktualität der Marxschen Theorie, den einen oder die andere, sich ebenfalls neu Gedanken zu machen. Dabei will ich Konfliktlinien nicht aussparen, die die Gedankenwelt von Marx von den Vorstellungen der heutigen Linken (soweit ich sie kenne) trennt.


    Karl Marx beginnt sein Hauptwerk, das dreibändige „Kapital“ mit der Analyse der Ware: „Auf den ersten Blick erscheint der bürgerliche Reichtum als eine ungeheure Warensammlung, die einzelne Ware als sein elementarisches Dasein.“ (Karl Marx, MEW 13, 15). Diese Analyse der Ware ergibt sich jedoch nur aus einem „ersten Blick“ auf den Kapitalismus. Ich denke, zentral und wesentlich für die Marxsche Kritik des Kapitalismus ist weniger die Kategorie „Ware“, als seine Analyse der menschlichen Arbeit und ihrer Bedingungen.
    Die Marxsche Analyse der menschlichen Arbeit ist deshalb mein roter Faden in der folgenden Darstellung.


    Inhalt:
    These 1: Arbeit ist die elementare menschliche Betätigung, die Mensch vom Tier trennt.
    These 2: Arbeit ist eine gemeinschaftliche Tätigkeit. Die Form der Arbeitskooperation bestimmt die Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Beides zusammen bestimmen das Zusammenleben der Menschen und damit ihre Gesellschaftsform.
    These 3: Klassengesellschaften sind eine entwickelte Form der Arbeitsteilung bzw. Arbeitskooperation.
    These 4: Die Klassengesellschaften unterscheiden sich je nach ihrer spezifischen Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
    These 5: Der Kapitalismus ist die bisher produktivste und rationellste Form der Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
    These 6: Die bestimmenden Klassen des Kapitalismus sind einerseits Kapitalisten und andererseits Lohnarbeiter.
    These 7: Die Kapitalisten waren nötig als Leiter der produktiven Arbeit. Sie machten sich längst selbst überflüssig.
    These 8: Die Lohnarbeiterklasse umfasst notwendig Hand- und Kopfarbeit.
    These 9: Die Lohnarbeiter sind als Individuen unwichtig und ohnmächtig. Individuelle Fähigkeiten zählen nicht. Unser Potential und unsere Fähigkeiten zeigen sich nur in der Kooperation.
    These 10: Für die Überwindung des Kapitalismus ist eine radikale Reduzierung der allgemeinen Arbeitszeit die Grundbedingung.
    These 11: Die Überwindung des Kapitalismus ermöglicht und erfordert die Beteiligung Aller an allen gesellschaftlichen Tätigkeiten und damit die Beseitigung jeder starren Arbeitsteilung.


    Text:
    These 1: Arbeit ist die elementare menschliche Betätigung, die Mensch vom Tier trennt.

    „Der Arbeitsprozess ist ... zunächst unabhängig von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form zu betrachten. Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. Er tritt dem Naturstoff selbst als eine Naturmacht gegenüber. Die seiner Leiblichkeit angehörigen Naturkräfte, Arme und Beine, Kopf und Hand, setzt er in Bewegung, um sich den Naturstoff in einer für sein eigenes Leben brauchbaren Form anzueignen. Indem er durch diese Bewegung auf die Natur außer ihm wirkt und sie verändert, verändert er zugleich seine eigene Natur.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 192.
    „Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtesten Baumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, dass er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war. Nicht dass er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muss.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 193.
    „Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche Leben zu vermitteln.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 57.
    „Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.
    „Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.


    Anmerkung 1) Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kommt gar nicht auf die Idee, dass „uns die Arbeit ausgehen“ könnte.
    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der bildet sich nicht ein, wir Menschen könnten uns „von der Arbeit emanzipieren“, so dass unsere Arbeitszeit Null Minuten am Tag erreicht.
    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kann auch nicht wie Fourier und seine Anhänger glauben, dass unsere Arbeit zum Spiel werden könne, so dass spaßige Arbeitszeit eventuell unseren ganzen Tag ausfüllt.
    Wer wie Marx davon ausgeht, dass der Arbeitsprozess Kopf- und Handarbeit notwendig vereint, teilt nie das allgemeine Vorurteil, dass die „Arbeiterklasse“ nur oder besonders aus sogenannten Handarbeitern bestehen könne.
    Hier sind schon auf den ersten Blick einige Konfliktlinien, die Marx von heutigen Linken trennen.

    These 2: Arbeit ist eine gemeinschaftliche Tätigkeit. Die Form der Arbeitskooperation bestimmt die Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Beides zusammen bestimmen das Zusammenleben der Menschen und damit ihre Gesellschaftsform.
    „Endlich, sobald die Menschen in irgendeiner Weise füreinander arbeiten, erhält ihre Arbeit auch eine gesellschaftliche Form.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 86.
    „In der Produktion wirken die Menschen nicht allein auf die Natur, sondern auch aufeinander. Sie produzieren nur, indem sie auf eine bestimmte Weise zusammenwirken und ihre Tätigkeiten gegeneinander tauschen. Um zu produzieren, treten sie in bestimmte Beziehungen und Verhältnisse zueinander, und nur innerhalb dieser gesellschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse findet ihre Einwirkung auf die Natur, findet die Produktion statt. Je nach dem Charakter der Produktionsmittel werden natürlich diese gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Produzenten zueinander treten, die Bedingungen, unter welchen sie ihre Tätigkeiten austauschen und an dem Gesamtakt der Produktion teilnehmen, verschieden sein.“ K. Marx, Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, 407f.


    These 3: Klassengesellschaften sind eine entwickelte Form der Arbeitsteilung bzw. Arbeitskooperation.
    „Braucht der Arbeiter alle seine Zeit, um die zur Erhaltung seiner selbst und seiner Rasse nötigen Lebensmittel zu produzieren, so bleibt ihm keine Zeit, um unentgeltlich für dritte Personen zu arbeiten. Ohne einen gewissen Produktivitätsgrad der Arbeit keine solche verfügbare Zeit für den Arbeiter, ohne solche überschüssige Zeit keine Mehrarbeit und daher keine Kapitalisten, aber auch keine Sklavenhalter, keine Feudalbarone, in einem Wort keine Großbesitzerklasse ...Nur sobald die Menschen sich aus ihren ersten Tierzuständen herausgearbeitet haben, ihre Arbeit selbst also schon in gewissem Grad vergesellschaftet ist, treten Verhältnisse ein, worin die Mehrarbeit des einen zur Existenzbedingung des andern wird. In den Kulturanfängen sind die erworbenen Produktivkräfte der Arbeit gering, aber so sind die Bedürfnisse, die sich mit und an den Mitteln ihrer Befriedigung entwickeln. Ferner ist in jenen Anfängen die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben, verschwindend klein gegen die Masse der unmittelbaren Produzenten. Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst diese Proportion absolut und relativ.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 534f.


    Anmerkung 3) Die wachsende Anzahl der Reichen und der wachsende Umfang ihrer Luxusbedürfnisse ist für Marx der Gradmesser für die Entwicklung der Menschheit: "Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben" (= Kapitalisten plus unproduktive Lohnarbeiter).

    These 4: Die Klassengesellschaften unterscheiden sich je nach ihrer spezifischen Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
    „Die spezifische ökonomische Form, in der unbezahlte Mehrarbeit aus dem unmittelbaren Produzenten ausgepumpt wird, bestimmt das Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnis, wie es unmittelbar aus der Produktion selbst hervorwächst und seinerseits bestimmend auf sie zurückwirkt. Hierauf aber gründet sich die ganze Gestaltung des ökonomischen, aus den Produktionsverhältnissen selbst hervorwachsenden Gemeinwesens und damit zugleich seine spezifische politische Gestalt. Es ist jedes Mal das unmittelbare Verhältnis der Eigentümer der Produktionsbedingungen zu den unmittelbaren Produzenten ein Verhältnis, dessen jedesmalige Form stets naturgemäß einer bestimmten Entwicklungsstufe der Art und Weise der Arbeit und daher ihrer gesellschaftlichen Produktivkraft entspricht, worin wir das innere Geheimnis, die verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion und daher auch der politischen Form des Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnisses, kurz, der jedesmaligen spezifischen Staatsform finden.
    Dies hindert nicht, dass dieselbe ökonomische Basis dieselbe den Hauptbedingungen nach durch zahllos verschiedene empirische Umstände, Naturbedingungen, Rassenverhältnisse, von außen wirkende geschichtliche Einflüsse usw., unendliche Variationen und Abstufungen in der Erscheinung zeigen kann, die nur durch Analyse dieser empirisch gegebenen Umstände zu begreifen sind. K. Marx, Kapital III, MEW 25, 799f.


    Anmerkung 4) Marx fordert also, die „verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion“ durch eine „Analyse der empirisch gegebenen Umstände zu begreifen.“ Diese Mühe machen sich heute die wenigsten Linken. Meist begnügen sie sich mit abstrakten Begriffen und deren „Ableitung“.

    These 5: Der Kapitalismus ist die bisher produktivste und rationellste Form der Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
    „Die wissenschaftliche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise beweist ..., dass sie eine Produktionsweise von besonderer Art, von spezifischer historischer Bestimmtheit ist;“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 885.
    Durch Anwendung arbeitssparender Technologie „wird in der Tat das Quantum zur Produktion eines gewissen Gegenstandes nötige Arbeit auf ein Minimum reduziert, aber nur, damit ein Maximum von Arbeit in dem Maximum solcher Gegenstände verwertet werde. Die erste Seite ist wichtig, weil das Kapital hier – ganz unabsichtlich – die menschliche Arbeit auf ein Minimum reduziert, die Kraftausgabe. Dies wird der emanzipierten Arbeit zugute kommen und ist die Bedingung ihrer Emanzipation.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 589.
    „Der Wert der Waren steht in umgekehrtem Verhältnis zur Produktivkraft der Arbeit. Ebenso, weil durch Warenwerte bestimmt, der Wert der Arbeitskraft. Dagegen steht der relative Mehrwert in direktem Verhältnis zur Produktivkraft der Arbeit. Er steigt mit steigender und fällt mit fallender Produktivkraft. ... Es ist daher der innere Trieb und die beständige Tendenz des Kapitals, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern, um die Ware und durch die Verbilligung der Ware den Arbeiter selbst zu verbilligen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 338.
    „So entscheidend es für die Erkenntnis des Werts überhaupt ist, ihn als bloße Gerinnung von Arbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Arbeit zu begreifen, so entscheidend ist es für die Erkenntnis des Mehrwerts, ihn als bloße Gerinnung von Mehrarbeitszeit, als bloß vergegenständlichte Mehrarbeit zu begreifen. Nur die Form, worin diese Mehrarbeit dem unmittelbaren Produzenten, dem Arbeiter, abgepresst wird, unterscheidet die ökonomischen Gesellschaftsformationen, z. B. die Gesellschaft der Sklaverei von der der Lohnarbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 231.
    „Diese zwiespältige Natur der in der Ware enthaltenen Arbeit ist zuerst von mir kritisch nachgewiesen worden. (...) dieser Punkt (ist) der Springpunkt (...), um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht ....“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 56.
    „Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals. Eben damit schafft es unbewusst die materiellen Bedingungen einer höheren Produktionsform.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 269.
    „Die Bourgeoisie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klassenherrschaft massenhaftere und kolossalere Produktionskräfte geschaffen als alle vergangenen Generationen zusammen. Unterjochung der Naturkräfte, Maschinerie, Anwendung der Chemie auf Industrie und Ackerbau, Dampfschifffahrt, Eisenbahnen, elektrische Telegrafen, Urbarmachung ganzer Weltteile, Schiffbarmachung der Flüsse, ganze aus dem Boden hervorgestampfte Bevölkerungen – welches frühere Jahrhundert ahnte, dass solche Produktionskräfte im Schoß der gesellschaftlichen Arbeit schlummerten.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 467.
    „Wir sahen ...: das Kapital – und der Kapitalist ist nur das personifizierte Kapital ... –, also das Kapital pumpt in dem ihm entsprechenden Produktionsprozess eine bestimmte Menge Mehrarbeit aus den unmittelbaren Produzenten oder Arbeitern heraus, Mehrarbeit, die jenes ohne Gegenwert erhält und die ihrem Wesen nach immer Zwangsarbeit bleibt, wie sehr sie auch als das Resultat freier vertraglicher Übereinkunft erscheinen mag. ... Es ist eine der zivilisatorischen Seiten des Kapitals, dass es diese Mehrarbeit in einer Weise und unter Bedingungen erzwingt, die der Entwicklung der Produktivkräfte, der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Schöpfung der Elemente für eine höhere Neubildung vorteilhafter sind als unter den früheren Formen der Sklaverei, Leibeigenschaft usw. Es führt so einerseits eine Stufe herbei, wo der Zwang und die Monopolisierung der gesellschaftlichen Entwicklung (einschließlich ihrer materiellen und intellektuellen Vorteile) durch einen Teil der Gesellschaft auf Kosten des anderen wegfällt; andererseits schafft sie die materiellen Mittel und den Keim zu Verhältnisses, die in einer höheren Form der Gesellschaft erlauben, diese Mehrarbeit zu verbinden mit einer größeren Beschränkung der materiellen Arbeit überhaupt gewidmeten Zeit.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 827.
    „Die große geschichtliche Seite des Kapitals ist diese Mehrarbeit, überflüssige Arbeit vom Standpunkt ... der bloßen Subsistenz aus, zu schaffen, und seine historische Bestimmung ist erfüllt, sobald einerseits die Bedürfnisse soweit entwickelt sind, dass die Mehrarbeit über das Notwendige hinaus selbst allgemeines Bedürfnis ist, aus den individuellen Bedürfnissen selbst hervorgeht, – andererseits die allgemeine Arbeitsamkeit durch die strenge Disziplin des Kapitals, wodurch die sich folgenden Geschlechter durchgegangen sind, entwickelt ist als allgemeine Besitz des neuen Geschlechts, – endlich durch die Entwicklung der Produktivkräfte der Arbeit, die das Kapital in seiner unbeschränkten Bereicherungssucht und den Bedingungen, worin es sie allein realisieren kann, beständig voranpeitscht, soweit gediehen ist, dass der Besitz und die Erhaltung des allgemeinen Reichtums einerseits nur eine geringere Arbeitszeit für die ganze Gesellschaft erfordert und die arbeitende Gesellschaft sich wissenschaftlich zu dem Prozess ihrer fortschreitenden Reproduktion, ihrer Reproduktion in stets größerer Fülle verhält.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 231.
    „Und hier liegt der entscheidende Punkt. Sobald die Produktionskraft der menschlichen Arbeit sich bis auf diesen Höhegrad entwickelt hat, verschwindet jeder Vorwand für den Bestand einer herrschenden Klasse. War doch der letzte Grund, womit der Klassenunterschied verteidigt wurde, stets: Es muss eine Klasse geben, die sich nicht mit der Produktion ihres täglichen Lebensunterhalts abzuplacken hat, damit sie Zeit behält, die geistige Arbeit der Gesellschaft zu besorgen. Diesem Gerede, das bisher seine große geschichtliche Berechtigung hatte, ist durch die industrielle Revolution der letzten hundert Jahre ein für allemal die Wurzel abgeschnitten.“ F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 220f.
    „Auf Schaffen frei verfügbarer Zeit beruht die ganze Entwicklung des Reichtums.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 301.
    „Erst die durch die große Industrie erreichte ungeheure Steigerung der Produktivkräfte erlaubt, die Arbeit auf alle Gesellschaftsmitglieder ohne Ausnahme zu verteilen und dadurch die Arbeitszeit eines jeden so zu beschränken, dass für alle hinreichend freie Zeit bleibt, um sich an den allgemeinen Angelegenheiten der Gesellschaft – theoretischen wie praktischen – zu beteiligen.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 169.


    Anmerkung 5) Die Mechanismen, mit der sich im Kapitalismus produktive Arbeit als Kombination von nützlicher und abstrakter Arbeit in Ware, Wert und Mehrwert umsetzt, sind vielleicht kompliziert, aber die kurzfristigen und langfristigen Resultate dieses Prozesses liegen vor aller Augen:
    Auf Seiten der Kapitalisten wird – neben der Entwicklung neuer Produkte - die Reduktion der nötigen Arbeitszeit pro Wareneinheit mit Extraprofit belohnt und die verschwenderische Verwendung von Arbeitszeit mit Abzug vom Profit bis hin zum Bankrott bestraft.
    Die dadurch wachsende Arbeitsproduktivität bringt wachsenden Luxus für die Kapitalisten und andererseits ein Anwachsen der Arbeitslosenzahlen wie der unproduktiven Arbeitsbevölkerung („Dienstleister“). Auf Seiten der aktiven Lohnarbeiter führt das einerseits zu Überarbeit aber auch zu realen Verbesserungen ihres Lebensstandards, auch wenn sie von dem „wachsenden Kuchen“ der Gebrauchswerte nur ihren bisherigen Prozentsatz abbekommen.
    Nach dem gängigen linken Vorurteil ist es das „Elend der Massen“, das eine Revolution herbeiführt. Ja, es gibt auch Massenelend im Kapitalismus, aber das unterscheidet den Kapitalismus nicht von früheren Gesellschaften. Was den Kapitalismus von früheren Gesellschaften unterscheidet ist der gewachsene Luxus der Reichen, der anzeigt, welche produktiven Potenzen in einer Gesellschaft verborgen sind und von einer kleinen Schicht monopolisiert werden. Diese produktiven Potenzen gilt es laut Marx dem Kommando von Allen zu unterwerfen, um sie in den Dienst Aller zu stellen.

    These 6: Die bestimmenden Klassen des Kapitalismus sind einerseits Kapitalisten und andererseits Lohnarbeiter.
    „Die aus dem Untergang der feudalen Gesellschaft hervorgegangene moderne bürgerliche Gesellschaft hat die Klassengegensätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klassen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Gestaltungen des Kampfes an die Stelle der alten gesetzt. –Unsere Epoche, die Epoche der Bourgeoisie zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Klassengegensätze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klasse: Bourgeoisie und Proletariat.“ K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 463.


    Anmerkung 6: Von diesen Marxschen Thesen hat sich die große Mehrzahl der Linken verabschiedet, während eine traditionelle Minderheit sich ohne Verstand noch daran klammert. Alle diese Linken haben weder verstanden, was die Kapitalistenklasse ist, noch was die Lohnarbeiterklasse („Proletariat“) ausmacht.

    These 7: Die Kapitalisten waren nötig als Leiter der produktiven Arbeit. Sie machten sich längst selbst überflüssig.
    „Mit der Kooperation vieler Lohnarbeiter entwickelt sich das Kommando des Kapitals zum Erfordernis für die Ausführung des Arbeitsprozesses selbst, zu einer wirklichen Produktionsbedingung. Der Befehl des Kapitalisten auf dem Produktionsfeld wird jetzt so unentbehrlich wie der Befehl des Generals auf dem Schlachtfeld. ... Diese Funktion der Leitung, Überwachung und Vermittlung, wird zur Funktion des Kapitals, sobald die ihm untergeordnete Arbeit kooperativ wird.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 350.
    „Wie der Kapitalist zunächst entbunden wird von der Handarbeit, sobald sein Kapital jene Minimalgröße erreicht hat, womit die eigentlich kapitalistische Produktion erst beginnt, so tritt er jetzt die Funktion unmittelbarer und fortwährender Beaufsichtigung der einzelnen Arbeiter und Arbeitergruppen selbst wieder ab an eine besondere Sorte von Lohnarbeitern ... (Manager, ... Arbeitsaufseher ...). Die Arbeit der Oberaufsicht befestigt sich zu ihrer ausschließlichen Funktion.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 351.
    „Indem ... aber der bloße Manager, der das Kapital unter keinerlei Titel besitzt, weder leihweise noch sonst wie, alle realen Funktionen versieht, die dem fungierenden Kapitalisten als solchem zukommen, bleibt nur der Funktionär und verschwindet der Kapitalist als überflüssige Person aus dem Produktionsprozess.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 401.
    „Dass nicht die industriellen Kapitalisten, sondern die industriellen Manager ‚die Seele unseres Industriesystems‘ sind, hat schon Herr Ure bemerkt. ... Die kapitalistische Produktion selbst hat es dahin gebracht, dass die Arbeit der Oberleitung, ganz getrennt vom Kapitaleigentum, auf der Straße herumläuft. Es ist daher nutzlos geworden, dass diese Arbeit der Oberleitung vom Kapitalisten ausgeübt werde. Ein Musikdirektor braucht durchaus nicht Eigentümer der Instrumente des Orchesters zu sein, noch gehört es zu seiner Funktion als Dirigent, dass er irgendetwas mit dem ,Lohn‘ der übrigen Musikanten zu tun hat.
    Die Kooperativfabriken liefern den Beweis, dass der Kapitalist als Funktionär der Produktion ebenso überflüssig geworden ...Soweit die Arbeit des Kapitalisten ... sich nicht auf die Funktion beschränkt, fremde Arbeit auszubeuten; soweit sie also aus der Form der Arbeit als gesellschaftlicher hervorgeht, aus der Kombination und Kooperation vieler zu einem gemeinsamen Resultat, ist sie ganz ebenso unabhängig vom Kapital, wie diese Form selbst, sobald sie die kapitalistische Hülle gesprengt hat. ...
    Die Aktienunternehmen überhaupt ... haben die Tendenz, diese Verwaltungsarbeit als Funktion mehr und mehr zu trennen von dem Besitz des Kapitals, sei es eigenes oder geborgtes; ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 400ff.
    „Der Widerspruch zwischen der allgemeinen gesellschaftlichen Macht, zu der sich das Kapital gestaltet, und der Privatmacht der einzelnen Kapitalisten über diese gesellschaftlichen Produktionsbedingungen entwickelt sich immer schreiender und schließt die Auflösung dieses Verhältnisses ein, indem sie zugleich die Herausarbeitung der Produktionsbedingungen zu allgemeinen, gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktionsbedingungen einschließt.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 274.


    Anmerkung 7: Für die allermeisten Linken ist der Kapitalist einfach ein reicher Geldbesitzer, ein Geldsack. Das ist eine plumpe und unhistorische Sicht auf das Kapital. Für Marx spielt der industrielle Kapitalist die zentrale Rolle im Kapitalismus. Die meisten Linken meinen, die Geldhandels- und Warenhandelskapitalisten seien die entscheidenden Akteure.

    These 8): Die Lohnarbeiterklasse umfasst notwendig Hand- und Kopfarbeit.
    „Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.
    Arbeit ist ... produktive Verausgabung von menschlichem Hirn, Muskel, Nerv, Hand usw. ... K. Marx, Kapital I, MEW 23, 58.
    „Wie verschieden die nützlichen Arbeiten oder produktiven Tätigkeiten sein mögen, es ist eine physiologische Wahrheit, dass sie Funktionen des menschlichen Organismus sind und dass jede solche Funktion, welches immer ihr Inhalt und ihre Form, wesentlich Verausgabung von menschlichem Hirn, Nerv, Muskel, Sinnesorgan usw. ist. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 85.
    „Die Bourgeoisie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Tätigkeiten ihres Heiligenscheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juristen, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wissenschaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt. K. Marx, Kommunistisches Manifest, MEW 4, 465.
    „Steht es frei, ein Beispiel außerhalb der Sphäre der materiellen Produktion zu wählen, so ist ein Schulmeister produktiver Arbeiter, wenn er nicht nur Kinderköpfe bearbeitet, sondern sich selbst abarbeitet zur Bereicherung des Unternehmers. Dass letzterer sein Kapital in einer Lehrfabrik angelegt hat, statt in einer Wurstfabrik, ändert nichts an dem Verhältnis. K. Marx, Kapital I, MEW 23, 532.


    Anmerkung 8 Wer – anders als Marx – meint, die „Arbeiterklasse“ bestünde wesentlich aus den sogenannten Handarbeitern, der kommt notwendig zu dem Schluss, dass die Arbeiter zu dumm seien, um sich selbst zu befreien und deshalb eine Avantgarde, eine intelligente Führung, benötigten. Wohin das führt, haben viele Millionen Arbeiter am eigenen Leib erfahren müssen.


    These 9) Die Lohnarbeiter sind als Individuen unwichtig und ohnmächtig. Individuelle Fähigkeiten zählen nicht. Unser Potential und unsere Fähigkeiten zeigen sich nur in der Kooperation.
    In der industriellen Produktion ist „,fast jedes Produkt von Kunstfertigkeit und Geschicklichkeit ... das Resultat gemeinsamer und kombinierter Arbeit.‘ (Dies ist ein Resultat der kapitalistischen Produktion.) ‚So abhängig ist der Mensch vom Menschen und so sehr wächst diese Abhängigkeit, je mehr die Gesellschaft fortschreitet, dass kaum die Arbeit irgendeines einzelnen Individuums ... vom geringsten Wert ist, wenn sie nicht einen Teil der großen gesellschaftlichen Arbeit bildet.‘“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 307.
    „Wenn der Mensch von Natur gesellschaftlich ist, so entwickelt er seine wahre Natur erst in der Gesellschaft, und man muss die Macht seiner Natur nicht an der Macht des einzelnen Individuums, sondern an der Macht der Gesellschaft messen.“ K. Marx, Hl. Familie, MEW 2, 138.
    „Der letzte Punkt, worauf noch aufmerksam zu machen ist, in der Arbeit, wie sie dem Kapital gegenübersteht, ist der, dass sie ... nicht diese oder jene Arbeit, sondern Arbeit schlechthin, abstrakte Arbeit ist; absolut gleichgültig gegen ihre besondere Bestimmtheit, aber jeder Bestimmtheit fähig.Der besonderen Substanz, worin ein bestimmtes Kapital besteht, muss natürlich die Arbeit als besondere entsprechen; aber da das Kapital als solches gleichgültig ist gegen jede Besonderheit seiner Substanz, und sowohl als die Totalität derselben, wie als Abstraktion von allen ihren Besonderheiten ist, so (hat) die ihm gegenüberstehende Arbeit ... subjektiv dieselbe Totalität und Abstraktion an sich. In der zunftmäßigen, handwerksmäßigen Arbeit z.B., wo das Kapital .... noch nicht Kapital als solches ist, erscheint auch die Arbeit noch als versenkt in ihre besondere Bestimmtheit: nicht in der Totalität und Abstraktion, als die Arbeit, wie sie dem Kapital gegenübersteht;Das heißt, die Arbeit ist zwar in jedem einzelnen Fall eine bestimmte; aber das Kapital kann sich jeder bestimmten Arbeit gegenüberstellen; die Totalität aller Arbeiten steht dem Kapital der Möglichkeit nach gegenüber und es ist zufällig, welche ihm gerade gegenübersteht.
    Andererseits ist der Arbeiter selbst absolut gleichgültig gegen die Bestimmtheit seiner Arbeit; sie hat als solche nicht Interesse für ihn, sondern nur soweit sie überhaupt Arbeit und als solche Gebrauchswert für das Kapital ist. Träger der Lohnarbeit als solcher – d.h. der Arbeit als Gebrauchswert für das Kapital – zu sein, macht daher seinen ökonomischen Charakter aus; er ist Arbeiter im Gegensatz zum Kapitalisten.Dies ist nicht der Charakter der Handwerker, Zunftgenossen etc, deren ökonomischer Charakter gerade in der Bestimmtheit ihrer Arbeit und dem Verhältnis zu einem bestimmten Meister liegt etc.
    Dies ökonomische Verhältnis – der Charakter, den Kapitalist und Arbeiter als von einander abhängige Widerparte ihres Produktionsverhältnisses tragen – wird daher desto reiner und adäquater entwickelt, je mehr die Arbeit allen Kunstcharakter verliert; ihre besondere Fertigkeit immer mehr etwas Abstraktes, Gleichgültiges wird, und sie mehr und mehr rein abstrakte Tätigkeit, ... daher ... gleichgültige, gegen ihre besondere Form indifferente Tätigkeit wird." K. Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, S. 204.


    Anmerkung 9) Die meisten Linken bauen auf individuelle Fähigkeiten und nicht auf Kooperation und stellen dann schmerzlich fest, dass ihre individuellen Fähigkeiten und die ihrer Kontaktpersonen hinten und vorne nicht genügen, um ihre Pläne zu verwirklichen.
    Gewerkschaftsvertreter hegen und pflegen den individuellen Handwerksstolz der Facharbeiter. Laut Marx entstammt dieser Stolz vorindustrieller Zeit. Richtiges, zeitgemäßes "Arbeiterbewusstsein" ist das Jobdenken.

    These 10: Für die Überwindung des Kapitalismus ist die Reduzierung der allgemeinen Arbeitszeit auf das mögliche Minimum die Grundbedingung.
    „Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt ... nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht.Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion. Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.
    Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur am würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer in Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann.Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.
    „Intensität und Produktivkraft der Arbeit gegeben, ist der zur materiellen Produktion notwendige Teil des gesellschaftlichen Arbeitstags umso kürzer, der für freie, geistige und gesellschaftliche Betätigung der Individuen eroberte Zeitteil also umso größer, je gleichmäßiger die Arbeit unter alle werkfähigen Glieder der Gesellschaft verteilt ist, je weniger eine Gesellschaftsschicht die Naturnotwendigkeit der Arbeit von sich selbst ab- und einer anderen Schicht zuwälzen kann.Die absolute Grenze für die Verkürzung des Arbeitstags ist nach dieser Seite hin die Allgemeinheit der Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.
    „Wenn alle arbeiten müssen, der Gegensatz von Überarbeiteten und Müßiggängern wegfällt – und dies wäre jedenfalls die Konsequenz davon, dass das Kapital aufhörte zu existieren, ... – und außerdem die Entwicklung der Produktivkräfte, wie das Kapital sie hervorgebracht hat, in Betracht gezogen wird, so wird die Gesellschaft den nötigen Überfluss in 6 Stunden produzieren, mehr als jetzt in 12, und zugleich werden alle 6 Stunden ‚Freizeit‘, den wahren Reichtum haben; Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum Genuss, zur Muße, so dass sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III,, MEW 26.3, 252.
    „Einmal die Arbeit emanzipiert, so wird jeder Mensch ein Arbeiter, und produktive Arbeit hört auf, eine Klasseneigenschaft zu sein.“ K. Marx, Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, 342.
    „Die wirkliche Ökonomie – Ersparung – besteht in Ersparung von Arbeitszeit; ... diese Ersparung ist aber identisch mit Entwicklung der Produktivkraft. Also keineswegs Entsagen vom Genuss, sondern Entwickeln von ... Fähigkeiten zur Produktion und daher sowohl der Fähigkeiten, wie der Mittel des Genusses. Die Fähigkeit des Genusses ist Bedingung für die Entwicklung der Fähigkeit zur Produktion ... Die Ersparung von Arbeitszeit gleich Vermehren der freien Zeit, d. h. Zeit für die volle Entwicklung des Individuums ... Die freie Zeit – die sowohl Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeit ist – hat ihren Besitzer natürlich in ein anderes Subjekt verwandelt und als dies andere Subjekt tritt er dann auch in den unmittelbaren Produktionsprozess.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 599.
    „Die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsform erlaubt, den Arbeitstag auf die notwendige Arbeit zu beschränken. Jedoch würde die letztere, unter sonst gleich bleibenden Umständen, ihren Raum ausdehnen. Einerseits weil die Lebensbedingungen des Arbeiters reicher und seine Lebensansprüche größer wären. Andererseits würde ein Teil der jetzigen Mehrarbeit zur notwendigen Arbeit zählen, nämlich die zur Erzielung eines gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds nötige Arbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 552.
    „Es versteht sich von selbst, dass die Arbeitszeit selbst, dadurch, dass sie auf normales Maß beschränkt, ferner nicht mehr für einen anderen, sondern für mich selbst geschieht, zusammen mit der Aufhebung der sozialen Gegensätze zwischen Vorgesetzten und Untergebenen etc., als wirklich gesellschaftliche Arbeit, endlich als Basis der frei verfügbaren Zeit einen ganz anderen, freieren Charakter erhält, und dass die Arbeitszeit eines wirklichen Menschen, der zugleich Mensch mit verfügbarer Zeit ist, viel höhere Qualität besitzen muss als die des Arbeitstieres.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 253.
    Aber: „Die Arbeit kann nicht Spiel werden, wie der französische Sozialist Fourier will ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 599.
    „Der wirkliche Reichtum der Gesellschaft und die Möglichkeit beständiger Erweiterung ihres Reproduktionsprozesses hängt ... nicht ab von der Länge der Mehrarbeit, sondern von ihrer Produktivität und von den mehr oder minder reichhaltigen Produktionsbedingungen, worin sie sich vollzieht.Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion.Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.
    Mit seiner Entwicklung erweitert sich dies Reich der Naturnotwendigkeit, weil die Bedürfnisse sich erweitern; aber zugleich erweitern sich die Produktivkräfte, die diese befriedigen. Die Freiheit in diesem Gebiet kann nur darin bestehen, dass der vergesellschaftete Mensch, die assoziierten Produzenten, diesen ihren Stoffwechsel mit der Natur rationell regeln, unter ihre gemeinschaftliche Kontrolle bringen, statt von ihm als von einer blinden Macht beherrscht zu werden; ihn mit dem geringsten Kraftaufwand und unter den ihrer menschlichen Natur am würdigsten und adäquatesten Bedingungen vollziehen. Aber es bleibt dies immer in Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühen kann.Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.


    Anmerkung 10: Für Marx ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung (er erwog 50% kürzere Arbeitszeiten) die Grundbedingung und erste Voraussetzung unserer Emanzipation.
    Unsere Gewerkschaftslinken bringen es nur soweit, dass sie eine geringe Arbeitszeitverkürzung zur „Beseitigung der Arbeitslosigkeit“ (!) fordern.

    These 11: Die Überwindung des Kapitalismus ermöglicht und erfordert die Beteiligung Aller an allen gesellschaftlichen Tätigkeiten und damit die Beseitigung jeder starren Arbeitsteilung
    „Die Gesellschaft kann sich selbstredend nicht befreien, ohne dass jeder Einzelne befreit wird. Die alte Produktionsweise muss also von Grund aus umgewälzt werden, und namentlich muss die alte Teilung der Arbeit verschwinden.“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 273.
    „Die freie Arbeit entwickelt sich innerhalb der kapitalistischen Produktion als gesellschaftliche Arbeit. Dass sie Eigentümer der Produktionsbedingungen ist, heißt also, dass diese den vergesellschafteten Arbeitern gehören und diese als solche produzieren, ihre eigene Produktion ... sich als vergesellschaftete unterordnen.“ K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 514.
    „... Umso mehr stellt sich heraus, dass das Wachstum der Produktivkräfte nicht mehr gebannt sein kann an die Aneignung fremder Mehrarbeit, sondern die Arbeitermasse selbst ihre Mehrarbeit sich aneignen muss ...“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 596.
    „... Die ganze, aus lauter Arbeitern bestehende Gesellschaft wird Besitzerin des gesamten Produkts ihrer Arbeit, das sie teilweise zur Konsumtion unter ihre Mitglieder verteilt, teilweise zum Ersatz und zur Vermehrung ihrer Produktionsmittel verwendet und teilweise als Reservefonds der Produktion und Konsumtion aufspeichert.“ F. Engels, Wohnungsfrage, MEW 18, 222.
    „Der gemeinschaftliche Charakter der Produktion würde von vornherein das Produkt zu einem gemeinschaftlichen, allgemeinen machen. Der ursprünglich in der Produktion stattfindende Austausch ... von Tätigkeiten, die durch gemeinschaftliche Bedürfnisse bestimmt wären, durch gemeinschaftliche Zwecke – würde von vornherein die Teilnahme des Einzelnen an der gemeinschaftlichen Produktenwelt einschließen ... d. h. eine gemeinschaftliche Produktion, die Gemeinschaftlichkeit als Grundlage der Produktion, ist vorausgesetzt. Die Arbeit des Einzelnen ist von vornherein als gesellschaftliche Arbeit gesetzt.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 88f.
    „Gemeinschaftliche Produktion vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu anderer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum, hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeitersparnis ab. Ökonomie der Zeit, darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf.Ebenso muss die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie jeder Einzelne seine Zeit richtig einteilen muss, um sich Kenntnisse in angemessenen Proportionen zu erwerben oder um den verschiedenen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit, sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiedenen Zweige der Produktion, bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion. Es wird sogar in viel höherem Grade Gesetz.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 89.


    Das Ganze in drei Sätzen:
    Eine radikale Kürzung der allgemeinen Arbeitszeit (Marx dachte an 50%) ist Bedingung dafür, dass Alle Alles entscheiden und Alle bei Allem mittun können.
    Damit diese Verkürzung der Arbeitszeit nicht zu vergrößerter Armut führt, dafür schaffen erst die Kapitalisten durch ihre erzwungene Steigerung der Arbeitsproduktivität die Voraussetzungen.
    Das ist das emanzipatorische Konzept von Karl Marx.


    Schluss:
    „Wir haben ... gezeigt, dass die Aufhebung der Verselbständigung der Verhältnisse gegenüber den Individuen, der Unterwerfung der Individualität unter die Zufälligkeit, der Unterwerfung ihrer persönlichen Verhältnisse unter die allgemeinen Klassenverhältnisse etc. in letzter Instanz bedingt ist durch die Aufhebung der Teilung der Arbeit.
    Wir haben ebenfalls gezeigt, dass die Aufhebung der Teilung der Arbeit bedingt ist durch die Entwicklung des Verkehrs und der Produktivkräfte zu einer solchen Universalität, dass das Privateigentum und die Teilung der Arbeit für sie zu einer Fessel wird.
    Wir haben ferner gezeigt, dass das Privateigentum nur aufgehoben werden kann unter der Bedingung einer allseitigen Entwicklung der Individuen, weil eben der vorgefundene Verkehr und die vorgefundenen Produktivkräfte allseitig sind und nur von allseitig sich entwickelnden Individuen angeeignet, d. h. zur freien Betätigung ihres Lebens gemacht werden können.
    Wir haben gezeigt, dass die gegenwärtigen Individuen das Privateigentum aufheben müssen, weil die Produktivkräfte und die Verkehrsformen sich so weit entwickelt haben, dass sie unter der Herrschaft des Privateigentums zu Destruktivkräften geworden sind, und weil der Gegensatz der Klassen auf seine höchste Spitze getrieben ist.
    Schließlich haben wir gezeigt, dass die Aufhebung des Privateigentums und der Teilung der Arbeit selbst die Vereinigung der Individuen auf der durch die jetzigen Produktivkräfte und den Weltverkehr gegebenen Basis ist.
    Innerhalb der kommunistischen Gesellschaft, der einzigen, worin die selbständige und freie Entwicklung der Individuen keine Phrase ist, ist die Vereinigung der Individuen bedingt eben durch den Zusammenhang der Individuen, ein Zusammenhang, der teils in den ökonomischen Voraussetzungen besteht, teils in der notwendigen Solidarität der freien Entwicklung Aller, und endlich in der universellen Betätigungsweise der Individuen auf der Basis der vorhandenen Produktivkräfte.“ K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 424.



    (zusammengestellt und kommentiert von Wal Buchenberg, 02.02.2014)

  • Hallo Leute,
    mein Schnelldurchgang durch das Gesamtwerk von Karl Marx ist ein langer und etwas sperriger Text. Um den Einstieg in eine Diskussion zu erleichtern, habe ich meine persönlichen Anmerkungen noch einmal hier gesammelt:


    Marx-These 1: Arbeit ist die elementare menschliche Betätigung, die Mensch vom Tier trennt.
    Anmerkung w.b.: Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kommt gar nicht auf die Idee, dass „uns die Arbeit ausgehen“ könnte.
    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der bildet sich nicht ein, wir Menschen könnten uns „von der Arbeit emanzipieren“, so dass unsere Arbeitszeit Null Minuten am Tag erreicht.
    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kann auch nicht wie Fourier und seine Anhänger glauben, dass unsere Arbeit zum Spiel werden könne, so dass spaßige Arbeitszeit eventuell unseren ganzen Tag ausfüllt.
    Wer wie Marx davon ausgeht, dass der Arbeitsprozess Kopf- und Handarbeit notwendig vereint, teilt nie das allgemeine Vorurteil, dass die „Arbeiterklasse“ nur oder besonders aus sogenannten Handarbeitern bestehen könne.
    Hier sind schon auf den ersten Blick einige Konfliktlinien, die Marx von heutigen Linken trennen.


    Marx-These 2: Arbeit ist eine gemeinschaftliche Tätigkeit. Die Form der Arbeitskooperation bestimmt die Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Beides zusammen bestimmen das Zusammenleben der Menschen und damit ihre Gesellschaftsform.



    Marx-These 3: Klassengesellschaften sind eine entwickelte Form der Arbeitsteilung bzw. Arbeitskooperation.
    Anmerkung w.b.: Die wachsende Anzahl der Reichen und der wachsende Umfang ihrer Luxusbedürfnisse ist für Marx der Gradmesser für die Entwicklung der Menschheit: "Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben" (= Kapitalisten plus unproduktive Lohnarbeiter).

    Marx-These 4: Die Klassengesellschaften unterscheiden sich je nach ihrer spezifischen Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.

    Anmerkung w.b.: Marx fordert also, die „verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion“ durch eine „Analyse der empirisch gegebenen Umstände zu begreifen.“ Diese Mühe machen sich heute die wenigsten Linken. Meist begnügen sie sich mit abstrakten Begriffen und deren „Ableitung“.


    Marx-These 5: Der Kapitalismus ist die bisher produktivste und rationellste Form der Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.
    Anmerkung w.b.: Die Mechanismen, mit der sich im Kapitalismus produktive Arbeit als Kombination von nützlicher und abstrakter Arbeit in Ware, Wert und Mehrwert umsetzt, sind vielleicht kompliziert, aber die kurzfristigen und langfristigen Resultate dieses Prozesses liegen vor aller Augen:
    Auf Seiten der Kapitalisten wird – neben der Entwicklung neuer Produkte - die Reduktion der nötigen Arbeitszeit pro Wareneinheit mit Extraprofit belohnt und die verschwenderische Verwendung von Arbeitszeit mit Abzug vom Profit bis hin zum Bankrott bestraft.
    Die dadurch wachsende Arbeitsproduktivität bringt wachsenden Luxus für die Kapitalisten und andererseits ein Anwachsen der Arbeitslosenzahlen wie der unproduktiven Arbeitsbevölkerung („Dienstleister“). Auf Seiten der aktiven Lohnarbeiter führt das einerseits zu Überarbeit aber auch zu realen Verbesserungen ihres Lebensstandards, auch wenn sie von dem „wachsenden Kuchen“ der Gebrauchswerte nur ihren bisherigen Prozentsatz abbekommen.
    Nach dem gängigen linken Vorurteil ist es das „Elend der Massen“, das eine Revolution herbeiführt. Ja, es gibt auch Massenelend im Kapitalismus, aber das unterscheidet den Kapitalismus nicht von früheren Gesellschaften. Was den Kapitalismus von früheren Gesellschaften unterscheidet ist der gewachsene Luxus der Reichen, der anzeigt, welche produktiven Potenzen in einer Gesellschaft verborgen sind und von einer kleinen Schicht monopolisiert werden. Diese produktiven Potenzen gilt es laut Marx dem Kommando von Allen zu unterwerfen, um sie in den Dienst Aller zu stellen.

    Marx-These 6: Die bestimmenden Klassen des Kapitalismus sind einerseits Kapitalisten und andererseits (produktive) Lohnarbeiter.
    Anmerkung w.b.: Von diesen Marxschen Thesen hat sich die große Mehrzahl der Linken verabschiedet, während eine traditionelle Minderheit sich ohne Verstand noch daran klammert. Alle diese Linken haben weder verstanden, was die Kapitalistenklasse ist, noch was die Lohnarbeiterklasse („Proletariat“) ausmacht.


    Marx-These 7: Die Kapitalisten waren nötig als Leiter der produktiven Arbeit. Sie machten sich längst selbst überflüssig.
    Anmerkung w.b.: Für die allermeisten Linken ist der Kapitalist einfach ein reicher Geldbesitzer, ein Geldsack. Das ist eine plumpe und unhistorische Sicht auf das Kapital. Für Marx spielt der industrielle Kapitalist die zentrale Rolle im Kapitalismus. Die meisten Linken meinen, die Geldhandels- und Warenhandelskapitalisten seien die entscheidenden Akteure.

    Marx-These 8: Die (produktive) Lohnarbeiterklasse umfasst notwendig Hand- und Kopfarbeit.
    Anmerkung w.b.: Wer – anders als Marx – meint, die „Arbeiterklasse“ bestünde wesentlich aus den sogenannten Handarbeitern, der kommt notwendig zu dem Schluss, dass die Arbeiter zu dumm seien, um sich selbst zu befreien und deshalb eine Avantgarde, eine intelligente Führung, benötigten. Wohin das führt, haben viele Millionen Arbeiter am eigenen Leib erfahren müssen.


    Marx-These 9: Die Lohnarbeiter sind als Individuen unwichtig und ohnmächtig. Individuelle Fähigkeiten zählen nicht. Unser Potential und unsere Fähigkeiten zeigen sich nur in der Kooperation.
    Anmerkung w.b.: Die meisten Linken bauen auf individuelle Fähigkeiten und nicht auf Kooperation und stellen dann schmerzlich fest, dass ihre individuellen Fähigkeiten und die ihrer Kontaktpersonen hinten und vorne nicht genügen, um ihre Pläne zu verwirklichen.
    Gewerkschaftsvertreter hegen und pflegen den individuellen Handwerksstolz der Facharbeiter. Laut Marx entstammt dieser Stolz vorindustrieller Zeit. Richtiges, zeitgemäßes "Arbeiterbewusstsein" ist das Jobdenken.


    Marx-These 10: Für die Überwindung des Kapitalismus ist eine radikale Reduzierung der allgemeinen Arbeitszeit die Grundbedingung.
    Anmerkung w.b.: Für Marx ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung (er erwog 50% kürzere Arbeitszeiten) die Grundbedingung und erste Voraussetzung unserer Emanzipation. Unsere Gewerkschaftslinken bringen es nur soweit, dass sie eine geringe Arbeitszeitverkürzung zur „Beseitigung der Arbeitslosigkeit“ (!) fordern.


    MarxThese 11: Die Überwindung des Kapitalismus ermöglicht und erfordert die Beteiligung Aller an allen gesellschaftlichen Tätigkeiten und damit die Beseitigung jeder starren Arbeitsteilung.
    w.b.: Nochmals in drei Sätzen:
    Eine radikale Kürzung der allgemeinen Arbeitszeit (Marx dachte an 50%) ist Bedingung dafür, dass Alle Alles entscheiden und Alle bei Allem mittun können.
    Damit diese Verkürzung der Arbeitszeit nicht zu vergrößerter Armut führt, dafür schaffen erst die Kapitalisten durch ihre erzwungene Steigerung der Arbeitsproduktivität die Voraussetzungen.
    Das ist das emanzipatorische Konzept von Karl Marx.


    Gruß Wal Buchenberg


    Siehe auch: Wie sah Marx seine Rolle in der Arbeiterbewegung?

  • Hallo Wal


    Hallo Leute,
    mein Schnelldurchgang durch das Gesamtwerk von Karl Marx ist ein langer und etwas sperriger Text. Um den Einstieg in eine Diskussion zu erleichtern, habe ich meine persönlichen Anmerkungen noch einmal hier gesammelt:


    Marx-These 1: Arbeit ist die elementare menschliche Betätigung, die Mensch vom Tier trennt.


    Das ist eine gewagte These, denn Bienen oder Ameisen arbeiten schließlich auch.


    Anmerkung w.b.: Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kommt gar nicht auf die Idee, dass „uns die Arbeit ausgehen“ könnte.


    Wenn "Arbeit eine ewige Naturnotwendigkeit ist, kann damit nur die Erringung des Lebensunterhaltes gemeint sein. Das unterscheidet den Menschen aber weder vom Tier noch von den Pflanzen. Es fragt sich doch sehr, ob man den Menschen vom Tierreich trennen kann, denn er ist nur ein höher entwickeltes Tier.



    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der bildet sich nicht ein, wir Menschen könnten uns „von der Arbeit emanzipieren“, so dass unsere Arbeitszeit Null Minuten am Tag erreicht.
    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kann auch nicht wie Fourier und seine Anhänger glauben, dass unsere Arbeit zum Spiel werden könne, so dass spaßige Arbeitszeit eventuell unseren ganzen Tag ausfüllt.


    Das ist sowohl technisch als auch gesellschaftlich Unsinn, da es sehr wohl geht. Ob es sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Überhaupt lässt diese Ausführung vermuten, dass der Unterschied von fremdbestimmter Arbeit (auch im Kollektiv!) und selbstbestimmter Tätigkeit nicht gesehen oder nicht akzeptiert wird, was dann automatisch Fragen nach dem Zwangscharakter der angestrebten Gesellschaft aufwirft.



    Wer wie Marx davon ausgeht, dass der Arbeitsprozess Kopf- und Handarbeit notwendig vereint, teilt nie das allgemeine Vorurteil, dass die „Arbeiterklasse“ nur oder besonders aus sogenannten Handarbeitern bestehen könne.
    Hier sind schon auf den ersten Blick einige Konfliktlinien, die Marx von heutigen Linken trennen.


    Der Zusammenhang von Hand- und Kopfarbeit ist aber erstmal nur bei den Handwerkern gegeben, die selbstständig Problemlösungen finden müssen. Bei Fabrikarbeitern herrscht eine Hierarchie, der Vorarbeiter, Schichtführer oder Meister bestimmt, was wie gemacht wird.



    Marx-These 2: Arbeit ist eine gemeinschaftliche Tätigkeit. Die Form der Arbeitskooperation bestimmt die Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Beides zusammen bestimmen das Zusammenleben der Menschen und damit ihre Gesellschaftsform.


    Also hat der subsistenzwirtschaftende Bauer nicht gearbeitet? Oder der selbst arbeitende Landpächter in England, den Adam Smith betrachtet?


    Marx-These 3: Klassengesellschaften sind eine entwickelte Form der Arbeitsteilung bzw. Arbeitskooperation.
    Anmerkung w.b.: Die wachsende Anzahl der Reichen und der wachsende Umfang ihrer Luxusbedürfnisse ist für Marx der Gradmesser für die Entwicklung der Menschheit: "Mit dem Fortschritt der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wächst die Proportion der Gesellschaftsteile, die von fremder Arbeit leben" (= Kapitalisten plus unproduktive Lohnarbeiter).

    Marx-These 4: Die Klassengesellschaften unterscheiden sich je nach ihrer spezifischen Arbeitsteilung und Arbeitskooperation.

    Anmerkung w.b.: Marx fordert also, die „verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion“ durch eine „Analyse der empirisch gegebenen Umstände zu begreifen.“ Diese Mühe machen sich heute die wenigsten Linken. Meist begnügen sie sich mit abstrakten Begriffen und deren „Ableitung“.


    Aha, und das Wiederkäuen der Marx'schen Ergüsse gilt also als "Analyse der empirisch gegebenen Umstände"?



    Also gehören sogenannte "unproduktive" Lohnarbeiter, die nach Marx angeblich keinen Mehrwert produzieren, sondern nur von der Arbeit anderer leben, nicht zur Arbeiterklasse? Wenn das so wäre (und es ist Unsinn, weil jede Art Lohnarbeit Mehrwert schafft!), würde Deiner Meinung nach die Arbeiterklasse gegenüber den unproduktiven Teilen der Bevölkerung schrumpfen (siehe die Anmerkung zu These 3). Wer soll dann die Revolution machen und mit welchem Ziel?



    Marx-These 7: Die Kapitalisten waren nötig als Leiter der produktiven Arbeit. Sie machten sich längst selbst überflüssig.
    [b]
    Anmerkung w.b.:[/b] Für die allermeisten Linken ist der Kapitalist einfach ein reicher Geldbesitzer, ein Geldsack. Das ist eine plumpe und unhistorische Sicht auf das Kapital. Für Marx spielt der industrielle Kapitalist die zentrale Rolle im Kapitalismus. Die meisten Linken meinen, die Geldhandels- und Warenhandelskapitalisten seien die entscheidenden Akteure.


    Deren Profite sind auch höher als die des industriellen Ausbeuters und deshalb hat das Bankkapital heutzutage die Führung innerhalb der Ausbeuterklasse! Das Marx dabei von seinen Zeitumständen ausging, kommt Dir anscheinend nicht in den Sinn (vergleiche die Anmerkung zu These 4).


    Marx-These 8: Die (produktive) Lohnarbeiterklasse umfasst notwendig Hand- und Kopfarbeit.
    Anmerkung w.b.:
    Wer – anders als Marx – meint, die „Arbeiterklasse“ bestünde wesentlich aus den sogenannten Handarbeitern, der kommt notwendig zu dem Schluss, dass die Arbeiter zu dumm seien, um sich selbst zu befreien und deshalb eine Avantgarde, eine intelligente Führung, benötigten. Wohin das führt, haben viele Millionen Arbeiter am eigenen Leib erfahren müssen.


    Auch das ist eine idealistische Sicht. Die sogenannten Kopfarbeiter sind keineswegs klüger als die Arbeiter, sie gehören aber, zumindest soweit sie Studienberufen angehören, dem Kleinbürgertum an, also der Schicht, die auch in den Bolschewiki die Führung hatte (mit bekanntem Ergebnis!). Sie stehen auf einer höheren Ebene als die Arbeiter, denn sie sind das (wenn auch bezahlte) Führungspersonal der Ausbeuter. Wir wollen auch nicht vergessen, dass sich die Maulhelden in den Parlamenten aus dieser Schicht rekrutieren. Mit der Arbeiterklasse haben sie nur dadurch was zu tun, dass sie auch "abhängig Beschäftigte" sind. Das sind die Top-Manager aber auch. Gehören die deshalb zur Arbeiterklasse? Ich finde es schon höchst verdächtig, dass hier offensichtlich einerseits versucht wird, die Arbeiterklasse selbst in produktive und unproduktive Arbeiter zu spalten (die Unsinnigkeit dieser Unterscheidung war schon einmal Thema) und andererseits die Arbeiterklasse wieder unter die Führung der werktätigen Intelligenz zu bringen.



    Marx-These 9: Die Lohnarbeiter sind als Individuen unwichtig und ohnmächtig. Individuelle Fähigkeiten zählen nicht. Unser Potential und unsere Fähigkeiten zeigen sich nur in der Kooperation.
    Anmerkung w.b.:
    Die meisten Linken bauen auf individuelle Fähigkeiten und nicht auf Kooperation und stellen dann schmerzlich fest, dass ihre individuellen Fähigkeiten und die ihrer Kontaktpersonen hinten und vorne nicht genügen, um ihre Pläne zu verwirklichen.
    Gewerkschaftsvertreter hegen und pflegen den individuellen Handwerksstolz der Facharbeiter. Laut Marx entstammt dieser Stolz vorindustrieller Zeit. Richtiges, zeitgemäßes "Arbeiterbewusstsein" ist das Jobdenken.


    Das passt genau zu dem Punkt vorher: Einerseits verbales Zugestehen der Wichtigkeit von Kooperation, andererseits aber der Versuch, die Leute zu vereinzeln ("Jobdenken"), was die Arbeiterklasse entwaffnet.



    Marx-These 10: Für die Überwindung des Kapitalismus ist eine radikale Reduzierung der allgemeinen Arbeitszeit die Grundbedingung.
    Anmerkung w.b.: Für Marx ist eine radikale Arbeitszeitverkürzung (er erwog 50% kürzere Arbeitszeiten) die Grundbedingung und erste Voraussetzung unserer Emanzipation. Unsere Gewerkschaftslinken bringen es nur soweit, dass sie eine geringe Arbeitszeitverkürzung zur „Beseitigung der Arbeitslosigkeit“ (!) fordern.


    Das ist kaum anzunehmen oder andersrum: wenn das die Voraussetzung der Emanzipation der Arbeiterklasse ist, wird sie sich wohl nicht emanzipieren. Andererseits hat aber die stattgefundene Arbeitszeitverkürzung keine Hinweise auf wachsende Emanzipationsbereitschaft gebracht.



    Marx-These 11: Die Überwindung des Kapitalismus ermöglicht und erfordert die Beteiligung Aller an allen gesellschaftlichen Tätigkeiten und damit die Beseitigung jeder starren Arbeitsteilung.
    w.b.:
    Nochmals in drei Sätzen:
    Eine radikale Kürzung der allgemeinen Arbeitszeit (Marx dachte an 50%) ist Bedingung dafür, dass Alle Alles entscheiden und Alle bei Allem mittun können.


    Das ist richtig, aber es ist nicht die Bedingung für den Sturz der Ausbeuter.



    Damit diese Verkürzung der Arbeitszeit nicht zu vergrößerter Armut führt, dafür schaffen erst die Kapitalisten durch ihre erzwungene Steigerung der Arbeitsproduktivität die Voraussetzungen.
    Das ist das emanzipatorische Konzept von Karl Marx.


    Nur sind die ökonomischen Folgen dieses Konzeptes überhaupt nicht beleuchtet worden. Die Verteuerung der Warenprodukte würde zum Unterliegen in der internationalen Konkurrenz und zur Schließung der Betriebe führen, was freilich die Arbeitszeit noch weiter Verkürzen würde, nur mit der unangenehmen Nebenwirkung, dass die Arbeiter ihren Lebensunterhalt verlieren würden. Wenn sowas gesellschaftlich geschieht, ist die logische Folge davon, dass ausländisches Kapital die Herrschaft im Land übernimmt. Man muss sich schon fragen, in wessen Interesse so eine Forderung ist.


    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Hallo Peter,
    dass du behauptest, dass Bienen und Ameisen arbeiten, beweist, dass du die Texte von Karl Marx, die ich meinem Eingangsposting ausgewählt und kommentiert habe, nicht gelesen hast. Marx bestimmte Arbeit ausdrücklich anders als du.
    Außerdem spottet deine Verhackmethode, die Satz für Satz herausgreift und ohne eigenes Argument durch bloßen Widerspruch „widerlegt“, jeder verständigen Diskussion.
    Was du hier abziehst, ist eine billige Anklage- oder Kampfschrift, kein Gesprächsangebot.


    Ich nehme zur Kenntnis, dass du in den wichtigen Fragen, die hier angesprochen sind, anderer Ansicht bist als ich, aber ich sehe unter diesen Umständen keine Voraussetzungen für eine sinnvolle Diskussion.


    Falls du doch an einer sachlichen Diskussion interessiert bist, schlage ich vor, dass du zunächst die Texte liest, die ich von Marx ausgewählt und kommentiert habe, und dass wir dann die vorliegenden Thesen einzeln und beginnend mit der These 1) behandeln. Die Thesen bauen aufeinander auf.

    Gruß Wal

  • Hallo Wal,
    Du verwechselst das Lesen von Texten mit der kritiklosen Übernahme des Inhaltes. Zu der von Dir vertretenen (IMHO lächerlichen) Kritik an meiner Art der Erwiderung hatte ich schon Franziska geantwortet. Im übrigen ist es offensichtlich Dein Problem, dass Du mich nicht widerlegen kannst, denn Dein Wiederkäuen der Marx'schen Ergüsse kann man schwerlich als solches werten, zum,al Du ja offensichtlich nicht mal begreifst, dass sich seitdem ökonomisch einiges geändert hat.
    Im übrigen hast Du Deine Behauptungen (Thesen) ja extra nochmal separat zum Besten gegeben. Angesichts dessen sich darüber aufzuregen, dass ich mich damit einzeln auseinandersetze, ist einfach nur lächerlich. Was willst Du denn? Dass ich Dir kritiklos zustimme?
    Ich verstehe natürlich, dass Du als Vertreter der kleinbürgerlichen Intelligenz andere Klasseninteressen vertrittst als ich, aber Du kannst nicht gut von mir erwarten, dass ich mir Deinen Klassenstandpunkt zu eigen mache, denn er widerspricht dem meinen als Arbeiter. Ich kann jedenfalls nur hoffen, dass sich die Arbeiter nicht nochmal von kleinbürgerlichen Intellektuellen, die sich selbst "Arbeiterklasse" nennen, vor ihren Karren spannen lassen, denn das wird mit Sicherheit wieder im Fiasko enden, das zeigen Deine Thesen (und Dein Umgang mit meiner sachlichen Kritik) deutlich.
    Peter

    "So Ihr aber begehrt, ein wahrer Mann der Wissenschaft zu werden und nicht nur ein schäbiger Handlanger und Experimentator, so beherzigt meinen Rat und beschäftigt Euch mit sämtlichen Zweigen der Naturwissenschaft, einschließlich jenes der Mathematik" (Mary W. Shelly: Frankenstein)

  • Hallo Peter


    was machste jetzt mit mir, ich bin Lohnarbeiter... nicht mal in der Nähe eines Kleinbürgertums oder Bühne.


    Ich möchte nämlich auch, daß wenn Du auf die Thesen reagierst, Du bitte auf sie (argumentativ) eingehst.


    Im übrigen stimme ich diesen zu - nicht weil sie Wal aufgeschrieben hat, nicht einmal weil sie sich auf Marx beziehen - weil sie dem entsprechen, was ich denke, meine und nach meinem Erkenntnisstand für so etwas wie Richtig halte.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Hallo Peter,
    Dein Statement ist kein Diskussionsangebot. Es ist eine Bitte um Rauswurf.

    Du bist hier der Einzige, der meint, es gehe im Marx-Forum ums „Widerlegen falscher Ansichten“. Das ist ein destruktives Ziel und destruktiv trittst du hier auf.
    Alle anderen Teilnehmer diskutieren „für bessere Einsicht in die Bedingungen unserer Emanzipation“. Das setzt vor das "Widerlegen" erst mal das Kennenlernen der anderen Ansichten und schließt den Respekt vor dem Anderen ein.
    Diesen Respekt lässt dein letztes Statement völlig vermissen.
    Du bezeichnest eine textgestützte Befassung mit der Marxschen Theorie als „Wiederkäuen der Marxschen Ergüsse“.
    Du urteilst abfällig und abwertend über andere Menschen indem du sie als „Vertreter der kleinbürgerlichen Intelligenz, der andere Klasseninteressen vertritt..." und der „die Arbeiter ... vor seinen Karren spannen“ will, diffamierst.

    Du wirst deshalb vom Moderatorenteam verwarnt.
    Damit du dir in Ruhe überlegen kannst, ob du dich künftig an die Nettikette des Forums halten willst, wirst du eine Woche gesperrt.

    Moderatoren

    Als Moderatorinnen verlangen wir Sachlichkeit und Respekt vor den Menschen. Das schließt auch Respekt vor denen ein, deren Ansichten wir kritisieren.

  • zu These 1:


    Der Mensch lebt, also ist er tätig. Oder, in der Ausdrucksweise eines
    allzu bekannten Philosophen: Er "betätigt sein Leben". Das ist etwas,
    was er mit Hund und Katze gemeinsam hat.


    Die menschliche Lebenstätigkeit unterscheidet sich aber von der des
    Tieres
    a) dadurch, dass
    und
    b) in dem Maße, wie
    der Mensch in der Lage ist, seine Lebensbedingungen selbst
    herzustellen, "sein Leben selbst zu produzieren".
    Ein Tier geht ein, wenn es seine Lebensbedingungen (eine bestimmte
    Wärme, Feuchtigkeit, Nahrung) nicht mehr in der Natur vorfindet, der
    Mensch kann Feuer machen, Nahrungsmittel konservieren usw.
    Das ist der "Stoffwechsel mit der Natur", und als solcher nicht abzuschaffen.
    Das ist aber nicht unbedingt Arbeit.


    Arbeit ist die Sorte Tätigkeit, die der Arbeitslose los ist.
    Der Mensch ist nur aufgrund der oben genannten Besonderheit seiner
    Lebenstätigkeit in der Lage zu arbeiten. Anderereits ist er
    auch tätig ohne zu arbeiten.


    Ich vergleiche mal Nicht-Arbeit und Arbeit:
    a) Ich putze meine Wohnung, damit sie sauber ist. (Nicht-Arbeit)
    b) Ich putze als Reinigungskraft (450 Euro) bei einer Zeitarbeitsfirma
    einen Supermarkt. (Arbeit)
    Das Putzen ist in beiden Fällen dasselbe.


    Nichts davon macht Spaß. Notwendig ist beides:
    Ich "muss" ebenso meine Wohnung putzen wie ich arbeiten "muss".
    Es sind dies aber zwei verschiedene Notwendigkeiten:


    Die Notwendigkeit des privaten Hausputzes ergibt sich aus der Sache
    selbst: Die Bude ist dreckig.
    Putzen ist weder meine Arbeit noch mein Hobby; es mag aber so lästig
    sein wie es will --- Ziel und Resultat meiner Bemühungen ist eben die
    saubere Wohnung und nichts anderes.


    Die Notwendigkeit der Arbeit des Putzens dagegen ergibt sich nicht
    aus der Sache selbst, sondern aus einer bestimmten sozialen Lage. Ziel
    des Putzens ist auch nicht das saubere Objekt, sondern der
    Lebensunterhalt des Arbeitenden. Das Putzen ist nur das Mittel dazu.


    Arbeit ist nicht Tätigkeit, sondern Entfremdung und Veräußerung der
    Tätigkeit, nicht Äußerung, sondern Veräußerung ("alienatio") des
    Lebens. Tätigkeit ist konkret, Arbeit abstrakt.
    (Ich verwende die Begriffe Entfremdung und abstrakte Arbeit anders
    als üblich, nämlich richtig.)


    Der Fall b) ist das, was die kommunistische Revolution zu beseitigen hat
    (MEW Bd. 3, Deutsche Ideologie, S. 70).


    Die Marxisten setzen die Entfremdung und Veräußerung der Tätigkeit mit der
    Tätigkeit gleich. Daher "Naturnotwendigkeit". Das verbindet sie noch mit
    den reaktionärsten Verteidigern des Kapitalismus und ebenso mit jener
    modischen "Arbeitskritik", welche die Negation der Arbeit für Nichtstun,
    Faulenzen oder (was dasselbe ist) zweckfreies und sinnloses Tun ("Muße"
    oder "Müßiggang") hält, und bis in alle Ewigkeit über "Arbeit und Freizeit"
    oder "Faulheit und Fleiß" fantasiert. (Marxistische Kritik/ KRISIS)


    Ob sich die Marxisten dabei zu Recht oder zu Unrecht auf Karl Marx berufen,
    ist mehr von philologischem Interesse. Zugunsten von Karl Marx muss man aber
    sagen, dass er nicht wissen konnte, was nachfolgende Generationen alles aus
    seinem Werk ableiten würden.


    Der Marxismus von Lenin bis Wal Buchenberg ist keine Theorie der
    Befreiung der Arbeiterklasse, sondern eine Theorie ihrer Ausbeutung
    im Namen der "Gesellschaft", und die Gesellschaft ist in jeder
    Klassengesellschaft: der Staat.


    Der Fleiß der andern. Zur Definition von Arbeit und Produktivität.

  • (Ich verwende die Begriffe Entfremdung und abstrakte Arbeit anders
    als üblich, nämlich richtig.)


    1. Ja etwas ungewöhnlich mag deine Wort<->Begriff - Zuordnung ja sein. Aber "richtig" bzw. "falsch" ?
    Vielleicht könnten wir uns auf zweckmäßig bzw. unzweckmäßig für die Klärung/das Verständnis eines Sachverhaltes einigen. (Mit meiner Verwendung von "Eigentum" und "Besitz" hatte ich mit Peter ja auch unter

    Gut, fangen wir mit einer Einigung auf Begriffe an.
    Besitz:
    In Besitz sind alle Sachen, über die man die tatsächliche Herrschaft hat. ...


    ein vergleichbares Problem. )


    2. Du bist nicht ganz konsequent dabei, und so macht das mich etwas unsicher, was du nun genau meinst:

    Quote

    Arbeit ist die Sorte Tätigkeit, ...


    Quote

    Arbeit ist nicht Tätigkeit, ...


    Was denn nun, Tätigkeit oder nicht?
    Ich habe dich einmal so verstanden:
    a)
    Du unterscheidest nicht zwischen "abstrakter Arbeit" und "konkreter Arbeit" sondern zwischen "Arbeit und "Tätigkeit".
    Die Arbeit ist immer abstrakt und Tätigkeit immer konkret.
    Heißt das nun: bei Verwedung von "Arbeit" wird immer von der entsprechenden Tätigkeit abstrahiert. Ja?
    Dann wäre der Witz einfach:
    So wie ich sonst der Arbeitswertlehre entgegenhalte, dass es diese Abstraktion von der "konkreten Arbeit" nicht gibt, so gibt es eben keinen Inhalt von deinem Begriff "Arbeit".


    b)
    Ist es aber eher dem folgend:

    Arbeit ist die Sorte Tätigkeit, die der Arbeitslose los ist.

    ,dann heißt das schlicht, dein Begriff von "Arbeit" ist im Kapitalismus identisch mit "Lohnarbeit".
    Lohn bekommt der Arbeiter aber für Konkretes, genau wie er ihn wieder für Konkretes ausgibt.
    Das vorläufige Interesse an der Lohnarbeit mag bei den Arbeitern eben der Lohn sein, aber die Lohnarbeit ist aus deren Sicht nichts anderes, als die Produktion ihrer Konsummittel unter den jeweils herrschenden äußerlichen Bedingungen. Wenn die Arbeiter eben in die Marktwirtschaft gezwungen sind,
    ist der Markt selbst (inklusive Arbeitsmarkt) für den Arbeiter Produktionsmittel. Er macht seine Tätigkeit "Putzen" um u.a. Hunger zu stillen, wie der Jäger einst dem Wild deshalb hinterher lief.


    a) oder b)? egal was, ich glaube einige wesentliche deiner Äußerungen - einschließlich der Ausführungen auf die dein Link verweist - wie die Arbeitswertlehre (die nicht mehr die einizge objektive Wehrtlehre ist ;) ) sind unter dem anderen Threat ja bereits kritisiert - empfehlen möchte ich meine Alternative Werterklärung ab

    Vorab zum besseren Verständnis eine Analogie:


    Ein Ding liegt auf der Waage und ist irgendwie schwer. ... .


    .

  • zu Wals These 1: "Arbeit ist die elementare menschliche Betätigung, die Mensch vom Tier trennt."


    Quote

    „... Die Arbeit ist zunächst ein Prozess zwischen Mensch und Natur, ein Prozess, worin der Mensch seinen Stoffwechsel mit der Natur durch seine eigene Tat vermittelt, regelt und kontrolliert. ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 192.

    Marx ordnet dem Wort Arbeit ein Begriff zu. Das kann man so machen, und wer sich mit Marx ausseinandersetzt, muss auch seine Begriffe nehmen.
    Marx schreibt hier, was notwendige Bedingung für Arbeit sein soll.
    Das Kauen der Speise gehört demnach auch dazu.


    Quote

    „Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. ... “ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 193.

    OK! - Tiere schließt Marx aus, wenn er von Arbeit redet. ( Dazu schließt er auch Tiere von dem Begriff Wille und Zweck aus. Ob das so ist? Wer weiß - ist hier aber nicht wichtig)
    Das bewusste Kauen der Speise durch den Menschen gehört demnach abwer noch dazu.

    Quote

    „Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit ... ewige Naturnotwendigkeit, um... das menschliche Leben zu vermitteln.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 57.

    Jetzt verlässt Marx die reine Begriffsfestlöegung und zieht bereits (Fehl?-)Schlüsse: "Ewig"? Mit Prognosen ist es so eine Sache, vor allem wenn sie eben die Zukunft betreffen ;) Ich kenne keinen Beweis oder gar nur ernst zu nehmenden Beleg, dass es "ewig" so sein muss.

    Quote

    „Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.

    Auch das Denken sei also Arbeit. Die einzige Änderung, die Denken aber in der Natur bewirkt, ist die Veränderung der Natur direkt im Kopf des Menschen. Ob Marx das einst schon so meinte, oder hier den seinen Begriff von Arbeit erweiterte?

    Quote

    „Wie der Wilde mit der Natur ringen muss, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, um sein Leben zu erhalten und zu reproduzieren, so muss es der Zivilisierte, und er muss es in allen Gesellschaftsformen und unter allen möglichen Produktionsweisen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 828.

    Meint "ringen" hier zwingend Mühsal, Übel und Ungemach? Oder meint es einfach, dasss die Natur bezwungen werden muss? Die Natur zu bändigen, kann aber schon auch mal Spass machen, so dass auch schon die Belohnung der Arbeit immanent sein kann - also bereits unabhängig vom durch die Arbeit erzeugten Gebrauchswert.
    Viele Arbeiter berichten, dass ihnen die Arbeit (auch) Spass macht, selbst wenn der Gebrauchswert einer ist, der nicht direkt den eigenen Bedürfnissen dient (dienen soll). Beim Ehrenamt wird dies sehr deutlich.

    Wal wrote:

    Anmerkung 1) Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kommt gar nicht auf die Idee, dass „uns die Arbeit ausgehen“ könnte.


    Ja, wo sollte sie auch hingehen? Kauen, Schlucken, Atmen! - Aber auch selbst diese zugegebener maßen primitiven aber dem Menschen unmittelbarsten "Arbeiten" ließen sich ja durchaus von Automaten übernehmen und alle aneren "echten" Arbeiten doch um so eher. Und wenn dann die Automaten sich selbst kontrollieren, ... Es hängt also schon eher von den Bedürfnissen des Menschen ab, ob er immer weiter Arbeit hat.
    Auch die Prognose ist also zumindest in der Form etwas gewagt.

    Quote

    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der bildet sich nicht ein, wir Menschen könnten uns „von der Arbeit emanzipieren“, so dass unsere Arbeitszeit Null Minuten am Tag erreicht.

    Menschen könnten das vielleicht schon, nur zu welchem Preis. Man kann sich auch das Essen abgewöhnen , und .... stirbt. Man kann sich auch der letzten Freude am Tun entziehen - aber wozu?

    Quote

    Wer wie Marx Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“ sieht, der kann auch nicht wie Fourier und seine Anhänger glauben, dass unsere Arbeit zum Spiel werden könne, so dass spaßige Arbeitszeit eventuell unseren ganzen Tag ausfüllt.

    ?( Die Tatsache der "Naturnotwendigkeit" sagt doch nichts über die Emotion bei der Arbeit und das "ewig" ja wohl auch nicht.

    Quote

    Wer wie Marx davon ausgeht, dass der Arbeitsprozess Kopf- und Handarbeit notwendig vereint, teilt nie das allgemeine Vorurteil, dass die „Arbeiterklasse“ nur oder besonders aus sogenannten Handarbeitern bestehen könne.


    Na ja, die "Kopfarbeit" ist an sich schon ein recht unsinniger Begriff. Es muss ja schon irgendwieraus aus dem Kopf herauskommen, um erkennbarfer Gebrauchswert zu werden. Und das wird ja nicht zuletzt oft mir Händen vermittelt. Wo aber soll der Unterschied sein, ob einer ein Gedicht als Gebrauchswert macht, oder eine Spieluhr? - solange es eben Gebrauchswerte sind.
    Was aber die "Arbeiterklasse" betrifft, ist die Sache allein mit dem Satz nicht klar, was Marx dazu zählte bzw. heute dazu zählen würde

    Quote

    Hier sind schon auf den ersten Blick einige Konfliktlinien, die Marx von heutigen Linken trennen.

    Marx trennt aber eben auch schon ein wenig die Zeit von heutigen Linken, und die Entwicklung der Produktivkräfte und - in gewissen Schranken - die Anpassung der Produktionsverhältnisse daran, und allerhand neue Erkenntnisse, ...
    Dass heißt nicht, dass Marx deswegen überall weiter von der Wahrheit weg sein müsste, als die heutigen Linken, aber es erklärt eben auch durchaus die Ursache der Trennung.


    Soweit zu These 1)

  • Hallo Agnes,
    nun zu meiner versprochenen Antwort.

    1) Zum Arbeitsbegriff
    Zunächst fällt auf, dass du wie andere postmarxistischen Linken die Nähe/Identität der Menschen zum Tier betonst, während Marx gerade die Unterschiede zwischen Mensch und Tier betont.
    Aus diesem unterschiedlichen Ausgangspunkt erwachsen auch verschiedene Folgerungen. Für postmoderne Linke ist Arbeit nicht viel mehr als Muskeltätigkeit, die – wie Kauen und Atmen – von einfachen Hirnregionen gesteuert wird, die wir mit allen Säugetieren gemeinsam haben.
    Für Marx wird Arbeit von der Komplexität des Hirns gesteuert, die wir in dieser vollen Ausbildung bei keinem Tier finden.
    Nun steht bei Marx aber die Arbeit und die Arbeitsverhältnisse im Zentrum seines emanzipatorischen Konzepts. Marx will die Arbeit und die Arbeitsverhältnisse von allen knechtischen Aspekten emanzipieren. Das heißt die Arbeitsverhältnisse der Menschen sollen unter ihre eigene Kontrolle gestellt werden. Das bedingt, dass nicht nur ein einzelner Arbeitsprozess unter der Kontrolle eines oder mehrerer menschlichen Gehirne steht – das ist im Kapitalismus durchaus der Fall, sondern dass alle Arbeiten und ihr Zusammenhang unter die Kontrolle aller Menschen gebracht werden.

    Marx will also ganz allgemein gesagt, die menschliche Arbeit „vernünftig“ machen in dem Sinn, dass sie unsere gemeinsame Arbeit auch unter unsere gemeinsame Verstandeskontrolle gebracht wird.
    Sofern wir unter Arbeit aber bloße Muskeltätigkeit verstehen, fehlt diese emanzipatorische Option: Weder macht es Sinn, Atmen und Kauen unter die Kontrolle der gesellschaftlichen Vernunft zu stellen, noch wäre das überhaupt möglich.
    Ich frage mich daher: Wo ist das emanzipatorische Ziel derjenigen, für die Arbeit nur Muskeltätigkeit ist?

    2. Arbeit als „ewige Naturnotwendigkeit“
    Du reibst dich an dem lyrischen Beiwort „ewig“. Es ist ein beliebtes Vorurteil, dass Marx ein „Prophet“, und ein schlechter dazu, gewesen sei. Marx war jedoch nicht nur ein großer Wissenschaftler, sondern auch ein großer Agitator und Stilist.
    Ich formuliere die Aussage von Marx mal in moderne „coole“ Wissenschaftssprache um. Vielleicht kannst du dann damit mehr anfangen.
    Meines Erachtens heißt „Arbeit als ewige Naturnotwendigkeit“ nichts anderes als: Seit einer halben Million Jahren bestimmten Arbeit und die Arbeitsverhältnisse Leben und Entwicklung der Menschen. Es sind keine Anzeichen erkennbar, dass das in den nächsten 500.0000 Jahren anders werden sollte. Das ist die Aussage von Marx, und diese Aussage hat meine volle Unterstützung.

    3. Denken ist keine Arbeit
    „Wie im Natursystem Kopf und Hand zusammengehören, vereint der Arbeitsprozess Kopfarbeit und Handarbeit.“ Du verstehst das so: „Auch das Denken sei Arbeit.“ Das ist nicht die Meinung von Marx.
    Arbeit ist nur das, wo Kopf und Hand zweck- und zielorientiert zusammenfinden und vereint werden. Reines Denken, das nicht praktisch wird, ist keine Arbeit. Ebenso ist bloße Muskeltätigkeit, wo sie nicht zweck- und zielorientiert eingesetzt wird, keine Arbeit. Wer in der Muckibude Geräte bewegt, der arbeitet nicht.

    Dieser zweckbestimmte Zusammenhang von Kopf und Hand in der Arbeit ist von großer Wichtigkeit, wenn es um die Emanzipation von Unterdrückung und Fremdbestimmung geht. Alle Klassengesellschaften sind strukturell so organisiert, dass die herrschenden Klassen kommandieren, und die unterdrückten und ausgebeuteten Klassen ihrem Kommando unterworfen sind.
    Nur der jüdische Gott war reiner Kopfarbeiter, der keine Hände benötigte: „Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Alle anderen menschlichen Stellvertreter Gottes benötigen Hände, die ihre Befehle ausführen. Die bauten dann Pyramiden, chinesische Mauern oder Mondraketen.
    Dieses System von Befehl (Kopf) und Gehorsam (Hände) bestimmt unser Arbeitsleben im Kapitalismus. Die Macht der Kapitalistenklasse entstammt nicht ihrem Geldbesitz, sondern ihrer Kommandogewalt über die (Lohn)Arbeit.
    Emanzipation wird hier erreicht, wenn die „Hände“ – die ehemaligen Lohnarbeiter – nach ihrem eigenen Kopf arbeiten, und nicht mehr nach dem Kopf und Kommando der Kapitalisten. Damit ist der Widerspruch zwischen Kopfarbeit und Handarbeit im Prinzip beseitigt und tendenziell aufgehoben.

    Und wer nach Marx zur „Arbeiterklasse“ zu rechnen wäre, das lässt sich vielleicht später noch einmal separat darstellen und diskutieren.

    Soweit erst mal und Gruß
    Wal

  • Hallo Wal, bitte entschuldige, dass ich mich erst jetzt deiner Zusammenfassung zentraler Gedaken von Marx zuwende. Sie hat es verdient, dass man sich SEHR ausführlich, sowohl im Detail, als auch mit den Resultaten beschäftigt. Das kann aber - wie bei andern Übersichts-Texten hier (von der Art, wie ich sie von andern erbeten und selber verfasst habe), nur allmählich stattfinden. Neben dem "Abarbeiten" deines Textes gibt es da noch eine andre Option, nämlich quasi das Auf- und Absteigen in der von dir selbst, durch Hervorhebungen, angelegten Hierarchie zusammengefasst/erstrangig-wichtiger vs. ausgeführt/genauer-begründender Passagen.
    Ich will also keineswegs den Begründungszusammenhang ausblenden, wenn ich mich im ersten Zugriff auf die "Pointen" konzentriere.
    ((Ein Nebenthema, das ich grad WIRKLICH ausblende, ist, in welchem Zusammenhang ("transitorisch" war bei dir zu lesen) diese fundamentalen Gedanken über "Arbeit" zur ArbeitsWERTtheorie stehen, die an anderer Stelle so verbissen diskutiert wurde...))


    Also "pointiert". (Jeder dieser Punkte bräuchte zur weiteren Entfaltung eigentlich einen eigenen thread.)


    1. Der Kapitalismus, so sagst du (mit Marx), schafft die produktiven Voraussetzungen, um durch Einbeziehung ALLER in den Arbeitsprozess die Mitwirkung ALLER an der Planung dieses Prozesses zu ermöglichen.
    (Anm. Ich würde sagen, die Anstrengung der Leute in einer kulturell-hegemonial-modern verfassten Gesellschaft schafft das...)
    Wenn aber viel freie Zeit erforderlich ist, um überhaupt einmal sich zu dem gesamten Gesellschaftszusammenhang, in dem man lebt, zu stellen, ihn zu begreifen, und sich zu überlegen, was man überhaupt will - dann ist die Realisierung der kapitalistisch geschaffenen Möglichkeit einer Halbierung der Arbeitszeit (und der Schaffung von Freiräumen zum Nachdenken und Positions-Finden) bereits Voraussetzung dafür, dass diese Chance bewusst gewollt und ergriffen wird: Die Leute müssten Zeit haben, um darüber nachzudenken, ob sie soviel Zeit zum Nachdenken und Regulieren ihrer Produktion überhaupt wollen sollen. Und, wie sie diese Produktion dann gestalten wollen. Ob so ganz anders als es jetzt der Fall ist usw.
    Denn:


    2. Nicht der +/- sichtbare Reichtum der Kapitalisten allein wird als das Mass für Reichtum*) genommen (dein und Marx' Vorschlag, speziell DARAUF zu achten, wird ja durchaus befolgt!), sondern auch die "sichtbare" Beschleunigung des Fortschritts in ihm. Dass Leute, die durch "unternehmerische Entscheidungen" zu diesem Fortschritt scheinbar besonders effiziente Beiträge liefern, durch "Profite" "belohnt" werden (die meist weniger in "Luxus" als vielmehr in "noch mehr Verantwortung" (ihre Ausdrucksweise), nämlich Verfügung (und Entscheidungsbefugnis) über NOCH mehr Anteile des gesellschaftlichen Reichtums übersetzt werden), ist dabei eher nachrangig - das vorrangig Legitimatorische daran ist: Dass Kapitalismus als "System" mit seinem "Unternehmertum" als "Leistungselite" und "dem Markt" als Anreiz und Korrektiv diese Beschleunigung forciert, lenkt, optimiert, und überhaupt sinnvoll gestaltet (im Gegensatz zur staatlichen, speziell staatssozialistischen Planwirtschaft und ihrer übermässigen, träge-lernunwilligen, feudal- und klerikal-artigen "Bürokratie"). Und darin nun mal unübertroffen und unverzichtbar ist.
    *) Dass da wirklich verfügbare und frei-zumachende Überschüsse sind, wird von Befürwortern des Kapitalismus natürlich energisch bestritten, stattdessen sagen sie: dieser ganze Überschuss-Reichtum ("Mehrwert") ist in Wahrheit notwendig und wird, so oder so, für notwendige Nebenkosten gleich welcher Produktion (nicht nur spezifisch der kapitalistischen) draufgehen, nämlich Planung, Steuerung, Innovation usw,. (Andererseits wird auch inner-kapitalistisch zu grosser privater Reichtum, zu einseitige Reichtumsverteilung als obszön empfunden, auch da ergeben sich (von den ganz strengen Markt-Fans freilich wiederum "sozialistisch" genannte) Umverteilungs-, Besteuerungs- und Kosten-Erstattungs-Konzepte...)


    3. Dieser legitimierenden Argumentation scheinen Marx und du ein Stück weit zu folgen: Die Eigentümer der Produktionsmittel hatten wirklich einmal eine wichtige Rolle in der Produktion (die andern sagen: haben sie noch immer), die sie aber an bezahlte Angestellte (also Lohnarbeiter?) abgegeben haben. Nun sind also DIE es, die den Fortschritt organisieren. Wer oder was hat denn nun aber DADURCH seine Berechtigung verloren? Das "System" der "Spielregeln", nach denen Marktwirtschaft funktioniert? An dieser Stelle taucht die von mir öfter aufgeworfene Frage auf, wo denn nun eigentlich die Produktivkraft-Schranke ist, über die dieses System, und das immer dramatischer, nicht hinauskommt - inwiefern gilt denn gerade für den Übergang vom Kapitalismus weg das Marxsche "Übergangsmuster": Das System hat sich gerade durch seine erfolgreiche Umsetzung überflüssig (bzw. zum Hemmschuh für den durch es ermöglichten Fortschritt) gemacht?
    Anm. Ich habe bereits früher vorgeschlagen, die Marxschen Überlegungen zum allgemeinen historischen Muster von Übergängen genauer zu fassen. Der Fortschritt der Produktivkraftentwicklung, so scheint mir, wird in solchen Übergängen NEU DEFINIERT - die Aufgabenstellung erweist sich als eine andre, und scheint, in den Augen hinreichend vieler Leute, eine neue Produktions-Organisation zu erfordern. Die neue Aufgaben-Definition (Marx selbst spricht von den "Aufgaben", die sich die Menschheit nur stellt, wenn sie sie lösen kann) hat ihren Ausgangspunkt an entwicklungsfähigen Vorbildern, die sich "im Schoss der alten Gesellschaft" entwickelt haben. Das Hindernis, an das diese alte Gesellschaft und ihre Produktionsweise stösst, bestünde demnach darin, sich der (spätestens ab diesem Zeitpunkt) Präzisierung der Produktionsaufgaben, die an diesen Beispielen sichtbar wird, zu verweigern - oder sie garnicht erst wahrzunehmen.


    4. Die Antwort - aus der Marxschen Arbeitstheorie heraus entwickelt - , die du, Wal, mit Marx (dem der Grundrisse) zusammen gibst, ist: Das alte System hat den Jobber hervorgebracht (der an beliebigen Stellen der Produktion einsetzbar ist), es hat Kopf- und Handarbeit zusammengebracht, es hat die Bestreitung des Lebensunterhalts so produktiv gemacht, dass alle, WENN denn alle arbeiten, geschätzt nur noch halb soviel wie derzeit arbeiten müssten, wo sie den Reichtum (seht auf den Luxus der Kapitalisten und "unproduktiven" Arbeiter) anderer Leute vermehren, die dabei eben NICHT arbeiten müssen. - Aber: Dass die Jobber jobben können, verdankt sich einer Mechanisierung, die jedenfalls von IHNEN (als Jobbern) allein nicht hervorgebracht oder weiterentwicckelt, vielleicht nicht einmal ohne weiteres so reproduziert werden könnte; die Anforderungen sind in physischer wie psychischer Hinsicht umfassend (und in DIESER Hinsicht auch "allseitig"), nur leider gehen sie einher mit einer Spezialisierung, die die Ausübenden jeder Spezialtätigkeit und/oder wechselnder "unqualifizierter" Anlernjobs in gleicher Weise vom GESELLSCHAFTLICHEN Wissen und Können ausschliesst (es ist irgendjemandes, aber nicht ihres - wie sollen sie es beurteilen?); der Fortschritts- oder Akkumulationsprozess mag auf einem hohen Stand einzufrieren und weiteres Wachstum zu stoppen sein - aber nicht nur hat der kapitalistisch-industrielle Komplex eine Lawine an unerledigten Folgelasten angehäuft, die abzubauen womöglich sogar SEINE (solche Lasten freilich ständig weiter produzierende) "Produktivität" überfordert (Produktivität, die ja nur darum so erscheint, weil unendlich viele Kosten externalisiert und in die Rechnung nicht aufgenommen sind) - sondern, wie nun eigentlich WEITER zu gehen wäre, was man eigentlich anders haben will, ist völlig offen: es gibt keinerlei Produktions-Programm, das auf gesellschaftlichem Konsens beruht und einzig durch die gewaltsam aufrechterhaltenen, veralteten Eigentumsverhältnisse an seiner Realisierung gehindert würde.
    Anm. Die angeblich "unproduktive" Arbeit der Dienstleister erledigt eine Menge von dem, was im so überhaus hochproduktiven "eigentlichen" Sektor sonst liegenbleibt - die Betrachtungsweise macht eine spezielle der vielen (kosten-externalisierenden) Milchmädchenrechnungen mit, in denen sich die angeblich so produktive Industrie ihre Effizienz schönrechnet. Bis hin zur Frage, ob diese Produktivität auf lange Sicht auf ein Beinah-Nullsummen-Spiel hinausgelaufen sein könnte - Technik muss soviel reparieren und kompensieren,weil zu ihrer Ermöglichung soviel zerstört bzw auf soviel verzichtet werden musste...


    5. Ich bin nicht der Meinung von Marx und dir, Wal, dass im Kapitalismus die Quelle all dieser zweifelhaften Errungenschaften zu suchen oder zu finden ist.
    Ich glaube, dass was immer hier an (kulturellem, materiellen) Fortschritt thematisiert wird, sich erst einmal der MODERNE als dem kulturell geltenden Verhältnis zu Welt, Wissen, Produktion verdankt; und dass Kapitalismus (ebenso und erst recht die "Modernisierungsdiktaturen" und Anciens Regimes jedweder Couleur, die ihm vorausgingen) VON ANFANG AN diesem Weltverhältnis NICHT ANGEMESSEN war und es nur auf eine unsagbar verrückte, irrationale Weise umsetzt. Das der Moderne, der mit ihr einhergehenden ständig sich erweiternden Masse von Wissen, Techniken, Produktionsoptionen und Fortschrittsentwürfen einzig angemessene Verhältnis wäre gesellschaftweite libertäre Eigentumsfreiheit und kollektive Planung. Die würde sich binnen kürzester Zeit mit den unsäglichen PROBLEMEN konfrontiert sehen, nein: hätte sich längst konfrontiert gesehen, die die Moderne den in ihr Lebenden aufbürdet; dass Moderne überhaupt "so weit" hat kommen können (und ich sehe ihre Fortgeschrittenheit als vielleicht unvermeidliches, zugleich aber mörderisches Verhängnis und historisches Desaster!), ist einzig ihrer "Verarbeitung" in viel primitiveren historisch eigentlich durch Modernität erledigten kognitiven und Vergesellschaftungsformen geschuldet - Modernität ist den Angehörigen kulturell modernisierter Geselslchaften nie als Inhalt vermittelt worden. Niemand weiss auch, bis heute, wie solche Gefälle, solche "Ungleichzeitigkeiten" abgearbeitet werden könnten. (Ähnliche gab es bereits in religiösen Gesellschaften - die religiösen "Virtuosen", die die Inhalte dafür entwickelten, haben es nie und zu keinem Zeitpunkt geschafft, ihren Standpunkt mehr als winzigen Minderheiten der jeweiligen Gesellschaften zu vermitteln).


    Anm. 1: Die Moderne hat keinen Begriff von dem, was Natur ist, angefangen bei unserer eigenen; aus dem Grund ist Modernität auch nicht auf "naturgemässe" Weise (ja, was wäre das auch? niemand weiss es zu sagen) VERMITTELBAR.
    Anm. 2: Befürwortung von Eigentumsfreiheit und Verständigungsorientiertheit der gesamten Vergesellschaftung sind selbstverständliche Folge der Einnahme einer genuin modernen (an den Wertesystemen (in Wissenschaft, Technologie, Produktion, Fortschrittsentwurf) der Moderne orientierten) Stellung zur Welt. Vergesellschaftung auf der Grundlage von Modernität KANN garnicht anders als eigentumsfrei organisiert sein. Wäre Modernität allgemein eingetreten (was unmöglich ist, da sie sich, wie alle Weltverhältnisse zuvor, auf ihren Grundlagen nicht zuverlässig vermitteln lässt). würden die Probleme mit ihr unmittelbar erfahrbar - nämlich als Sinnlosigkeit moderner Lebensentwürfe.


    6. Kapitalismus und bürgerlicher Staat sind nicht objektiv historisch von selbst entstandene Strukturen, die sich dann auch noch die zu ihnen passenden Überzeugungen schaffen. Vielmehr sind es Praktiken, die von hinreichend vielen Leuten für so vernünftig gehalten werden, dass sie sie mit grossem Aufwand und Opfern einführen, fördern, aufrechterhalten, gestalten, fortentwickeln usw - mit der Wirkung, dass wiederum andre, die sich dazu und den so gestalteten Verhältnissen passiver stellen (aber es ihrerseits sich erklären und es überzeugt tun, was sie tun), ihnen in hinreichender Zahl folgen. Und solange die linksradikale Analyse (die Befürwortung gesellschaftsweiter Eigentumsfreiheit dürfte ja wohl das sein, was bei allem wechselseitigen Abscheu und Ärger uns "Linksradikale" verbindet) dieses Element der (falsch begründeten, fehlerhaften) Überzeugtheit und Art der massenhaften Fehlbeurteilung gesellschaftlicher Verhältnisse, SOWEIT DIE BEURTEILER SIE SELBER MACHEN UND MACHEN ZU KÖNNEN GLAUBEN*), nicht eingehender untersucht als bisher, wird auch das zugehörige politische Projekt in der unproduktiven Position des unvermittelten (moralischen oder autoritären) Forderns steckenbleiben.
    *) diese Ausdrucksweise, wie der ganze Absatz, will eine Alternative andeuten zu einer sehr berühmten Formulierung: "In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen." Über diesen Satz, vor allem, was die "Willens"-Unabhängigkeit der Verhältnisse angeht, könnte man einen eigenen thread eröffnen. (Ebenso über die Sätze, die dort noch folgen, speziell die über "Ideologien".)


    Nachbemerkung: Beim Bearbeiten kommt mir mein Text (speziell natürlich die Punkte 5 und 6) im Grund unlesbar vor. Dass ich an sovielen Stellen widersprechen muss, wirft beinah schon die Frage auf, ob ich dann nicht lieber das Antworten sein lassen soll. Im Zweifel sollte man meinen Text nicht als Gegen-Argumentation lesen, sondern eher als eine Gegen-Meinungsäusserung, zu deren Begründung ich VIEL weiter ausholen müsste. Aber wenn die Erklär-Strecken so lang werden... muss man sich anfangen zu fragen, wer sie noch abgehen will und kann... Also wieder die Frage, ob man solche Differenzen nicht einfach auf sich beruhen lassen sollte, und (was mich betrifft) besser nichts mehr sagen.

  • Jetzt schreibe ich doch was @franziska...


    Am Anfang steht die Halbierung der Arbeitszeit, danach(!), was mit dieser disponable Time angefangen wird. Die Voraussetzung für die freie Zeit schaffen Menschen selber innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise durch die verglichen riesige Arbeitsproduktivität.
    Sie müssen nicht erst überlegen, ob sie diese Produktivität wollen, um dann zu schauen, wie sie damit umgehen - das "damit Umgehen" wäre schon Teil ihrer Emanipation. Die Produktivität ist durch sie 'einfach' da.


    Und die wird immer mehr von den Lohnabhängigen 'alleine' geschaffen, denn Kapitalisten sind zumeist nicht mehr vor Ort (zu sehen) im Arbeitsprozeß - damit ist ein "klügerer Kopf" als den, den die Lohnabhängigen selber haben, nicht mehr nötig, um die Arbeitsabläufe, ja den gesamten Re-/Produktionsprozeß zu meistern.


    Die von Dir s.g. Moderne IST der Kapitalismus. Sie ist von und mit und durch ihn entstanden!


    Die Moderne kann keinen Begriff von irgendwas haben, so wenig wie der Kapitalismus - es sind Systeme und in denen leben Menschen - wenn einer einen Begriff hat bzw. kriegt, dann sie.

    Anm1. (mal an Dich @franziska angelehnt). Du/ ich/ wir brauchen einen Begriff von etwas und so viel ist klar, Deine sind andere als meine in machen 'Fällen' und in allen, was Kapitalismus ist, was ihn ausmacht, was eine Produktionsweise ist, wie sich Menschen und warum dort verhalten - warum sie es in verschiedenen anders tun - warum es bisher überhaupt verschiedene gab.


    ... daraus resultiert dann womöglich, daß ich Menschen 'von alleine' mehr zu traue als sie sich derzeit womöglich selbst.


    Anm2. Widerspruch ist gern gesehen, allemal besser als mit einer Meinung hinterm Berg zu halten - aber mE wäre es besser, wenn Du direkt(er) auf die Ausgangsthesen eingingest - denn ich für meinen Teil finde - da stehen schon die Begründungen, warum ich das, was Du jetzt geschrieben hast als etwas verstehe, das den Ausgangstext (sorry) nicht gelesen bzw. sich tatsächlich damit auseinander gesetzt hast.


    Anm3. Du emanzipierst Dich vom Kapitalismus, ach nee, wohl doch eher von Deinem Begriff der Moderne, ohne (mit Verlaub) einen Begriff von Emanzipation zu haben - warum sollten das andere nicht auch können, erst recht, wenn sie einen hätten ;-)


    Btw. Wer Polemik findet, kann sie behalten - ich wußte mich hier nicht anders auszudrücken.
    Danke.

  • Stimmt natürlich, Moderne hat keinen Kopf und somit auch keine Begriffe, soll(te) heissen: die moderne Mentalität, und das ist eigentlich ein Kunstwort von mir, um was zu beschreiben, das mir wichtig zu sein scheint - ich sag ja, ich müsste eigentlich weiter ausholen.
    Auch stimmt: Die (bestimmte Art von Produktivität) ist nun mal DA - es geht ja auch eher drum, ob man sie in der Form weghaben wollen sollen soll.
    Wem gehts drum? Mir gehts drum. Aber ich bin halt nicht allein.
    Und so ists mit dem Kapitalismus auch. DAFÜR scheint sehr viel zu sprechen - warum soll man Gutes, bei dem man nicht GENAU weiss, wie gut es ist, ob es nur gut ist (es hat auch ungute Seiten, aber andres erst recht), kaputtmachen, zumindest massiv stören, BLOSS um drüber nachzudenken, ob es tatsächlich so gut ist, dass man es nicht stören, ja nicht mal anders machen soll? Aber irgendsowas scheint Wal in seinen Gedanken im Anschluss an Marx zu unterstellen: Die Praxis bietet den Leuten grundsätzlich die Möglichkeit, über sie nachzudenken. Aber... bietet sie ihnen auch gleich noch das MOTIV, das zu tun? Da müssten sie schon sehr weitreichende Eingriffe in die Praxis vornehmen, um auch nur von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.


    Ähnliches gilt ja auch schon fürs "Emanzipieren". Wofür soll das denn gut sein? Warum soll ich zu allem ausdrücklich meine Zustimmung geben, wenn ich es im grossen ganzen garnicht anders machen würde/könnte als die derzeitigen Entscheider (soviel Sachzwänge!). Und wenn doch - lieber Gott, wie soll ICH das denn entscheiden? Da muss man doch Fachmensch sein... Sollen DIE sich doch einigen...)


    So. Das sind doch mal ganz einfache Überlegungen, warum Leute glauben, dass SOGAR WENN da draussen einiges schiefläuft, der Vorschlag mit der "Emanzipation" und dem alles selber die Hand nehmen, jedenfalls auf den ersten und zweiten Blick, ziemlich absurd klingt.
    Und wenn ihnen, auf den dritten Blick, dann noch eine Stellungnahme zum Kapitalismus abzuringen ist, und/oder sie sich für dich extra mal eine ausdenken, dann läuft sie fast immer auf irgendwas von der Art hinaus wie das, was ich im Arbeitswert-Thread in diesem Beitrag aufgeschrieben hab (5 Punkte). Tja. Wie gehts von da aus weiter?
    Als würde das mit der Emanzipation so naheliegen...


    (Dass die Produktivität, die DA ist, womöglich einige RIESEN-Haken hat, ist damit noch garnicht angesprochen...)


  • Ich will die Produktivität nicht weg haben, auf gar keinen Fall, die 'darf' sogar noch größer werden. Ich will die Produktionsweise weg haben. Die Verhältnisse unter denen hier (re-)produziert werden, lassen mich nicht leben...
    Ich will die Ausbeutung aus der Produktion haben, selbst bestimmen können, was produziert wird, wie produziert wird. Wenn ich das mal kann, kann ich mir auch zielorientierte Gedanken um die ökologischen Konsequenzen machen - vorher macht das für mich keinen Sinn - hab da eh nichts zu entscheiden.


    (Motiv fürs Drüber Nachdenken? Bei Dir womöglich die Ökologie, bei mir die Rumkommandiertwerderei, beim nächsten vielleicht Wünsche, die nicht umsetzbar sind - Motive also jede Menge in ihrer ganzen Vielfalt)

  • Du liest ja auch im Marxforum, renee, bei dir KANN von daher kaum noch was schiefgehen. ^^
    Wir reden hier aber von den andern. Und, sagen wir mal, von einer Schlussweise, die da in etwa lautet: Wenn ICH draufkomme, meinen Alltag umstürzen zu wollen, um mal die Grundlagen zu überprüfen (ist es denn überhaupt so bei euch, oder so gewesen?), DANN ja wohl auch jeder andre. Zur Erinnerung: Wir sprechen über einen, wenn nicht DEN zentralen Gedanken von Wal: Kapitalismus schafft eine Möglichkeit; meine Frage ist: Was fehlt, damit sie Wirklichkeit wird?

  • Geduld ;-)


    Ja, und die 'Einsicht' (unsererseits), daß diese Möglichkeit dann genutzt bzw. angegangen wird, wenn jemand die (subjektive) Notwendigkeit dazu verspürt. Nicht vorher und eben auch nur dann.

  • Genau hier, Wat, liegt das Problem. Wir Linksradikale (schon vor, erst recht seit Marx) reden ja über ein Projekt, das die gesamte derzeitige (womöglich Welt-)Gesellschaft einbeziehen soll.
    Offenbar rechnen wir uns da Chancen aus, dass seis mit, seis ohne unser Zutun, die Andern (in ihrer übergrossen Mehrheit) sich in Richtung dieses Projekts, also dieselbe Richtung wie wir, bewegen werden.
    Das ist dann schon eine gewisse Prognose hinsichtlich deren Handlungsweise.
    Und da ist die Frage, ob die Motive so ganz und gar in den Tiefen der Subjektivität vergraben sind, dass man garkeine Aussagen darüber machen kann, und alle Versuche dazu als nutzlose Spekulation oder "Kopf(rein)guckerei" abtun muss.
    Wenn es so wäre, würde das die hoffnungsfrohe Entdeckung von Marx erheblich relativieren, wonach mit der, naja, der derzeit vorhandenen (aber daran will ich jetzt nicht auch noch rummäkeln) Produktivität Emanzipation MÖGLICH wäre.
    Angesichts der Herausarbeitung des Kerns von Marx' Beitrag für die Lohnabhängigen-Emanzipation, die Wal hier gegeben hat, möchte ich darum meinerseits eine Anmerkung darüber machen, was da vielleicht noch fehlt (ohne dass damit Marx' Leistung geschmälert würde, warum auch soll einer aus dem Stand heraus ALLES zustandebringen).
    Ich habe schon öfter in meinen Beiträgen hier auf eine seltsame Lücke in der Marx'schen Geschichtstheorie aufmerksam gemacht: Der historischen Epochen-Gliederung auf seiten der "Produktions-Verhältnisse" korrespondiert keine vergleichbare auf seiten der "Produktivkräfte". Aber damit entfällt der Ansatz, um die eigentliche Pointe dieser Theorie zu formulieren, das Wechselverhältnis von Förderung und Hemmung, das zwischen diesen beiden Entwicklungsdimensionen behauptet wird. Welche Produktivkraft-Entwicklung wird jeweils befördert oder behindert, wenn da ein antikes Grossreich, eine regionale Feudal-Hierarchie, eine "bürgerliche Gesellschaft" sie organisieren oder sich auf dem je gegebnen Stand dieser Entwicklung reproduzieren? Es klingt so akademisch, die Frage für längst vergangene Epochen aufzuwerfen, aber diese Erklärweise ist das Fundament für die Marxsche Prognose (soweit Marx eine solche stellt), dass derselbe Vorgang sich auch an der bürgerlichen Gesellschaft wiederholen muss - wenn es denn (entscheidende Zusatzaussage) einen historischen Fortschritt geben soll.
    Tatsächlich hat Wal in seinem Text oben an Marx eine solche Aussage herauspräpariert, wie man sie im Rahmen des ("historisch-materialistischen") Fundamentalkonzepts erwarten würde - etwas von der Art: Der Kapitalismus hat die Produktivkräfte so weit entwickelt, dass.... Planung der Produktion durch die gesamte Masse der Produzenten MÖGLICH wird. Interessanterweise steht im Logo unseres Forums ein Marxzitat, das die Ergänzung zu diesem Satz liefert: Das wird aber auch angesichts der Fortschritte des Kapitalismus dringend NÖTIG - die Produzenten MÜSSEN sich die Produktions aneignen, sonst... ist geradezu ihre Existenz bedroht.
    Mir war ja bereits früher aufgefallen, dass DIESE düstere Prophezeiung, die drohend ständig über unserem Forum aufgehängt schwebt, bislang nirgendwo so recht begründet wird.
    Wal, soweit ich das recht verstehe, versucht seit längerem mithilfe empirischer Belege den Nachweis zu führen, dass die bisherige kapitalistische Kernzone, EU und USA (was ist mit Japan?), in der Weltmarkt-Konkurrenz ins Hintertreffen gerät und ganz andere Akteure ihr den Rang ablaufen. Für mich ist dabei schwer zu unterscheiden, ob das, was Wal als Beleg anführt, dabei als SYMPTOM oder als URSACHE gelten soll.
    Einmal angenommen, es ergäben sich dramatische Zuspitzungen (solche wie, sagen wir, in Griechenland, wo derzeit zwar viele Existenzen, aber nicht unbedingt der Staat oder das System auf dem Spiel stehen) aus IRGENDEINEM Verlauf in diesen Kernzonen - welche Erklärung gäbe es denn dafür? Die, dass dies NOTWENDIGE Folge des Kapitalismus war? Oder ist das wiederum eine dieser akademischen Fragen, die (dann) praktisch absolut keinen Unterscheid mehr machen?
    Ich habe versucht, die Wichtigkeit dieses Punkts bereits im Arbeitswert-Thread darzulegen: Legitimation wie Delegitimation des Kapitalismus hängt von Behauptungen (bzw deren Glaubwürdigkeit) ab darüber, wie Kapitalismus funktioniert: dass er notwendig oder sehr wahrscheinlich für die grösste Zahl der Leute den unter gegebnen Umständen grösstmöglichen Nutzen stiftet, oder ihn verfehlt und sogar noch schadet.
    Dabei können die Analysen sowohl dauerhaft gleichbleibende ZUSTÄNDE für eine notwendige oder doch sehr wahrscheinliche Folge des Kapitalismus erklären, oder aber eine dauerhafte und auf Dauer in eine bestimmte Richtung gehende Verlaufs-TENDENZ (die entsprechend, als gut oder schlecht, zu bewerten sein soll). Welche Form die Theorie aber auch annimmt: Man kann Kapitalismus nur dann rechtfertigen oder angreifen, wenn sich dies auf einem solchen aus ihm notwendig oder sehr wahrscheinlich folgenden Dauerzustand oder Fakten-Verlauf ableiten lässt. Genau genommen heisst das, dass auch PROGNOSEN (hinichtlich sicherer oder sehr wahrscheinlicher Verläufe, Änderungen zum Guten oder Schlechten, oder unabänderlich schlimme Zustände) möglich sein sollten; denn eigentlich ist nur dann die Behauptung der Notwendigkeit oder eben hohen Wahrscheinlichkeit der Verlaufsform berechtigt.


    Wenn wir über Marx'sche Theorie sprechen, ist dies eine der wichtigsten Fragen, die an sie zu stellen sind: Welche notwendigen (bei Marx natürlich negativen) Folgen schreibt sie der spezifisch kapitalistisch vergesellschafteten Nutzung moderner Produktivkräfte zu? (Allein dasjenige, DEM hier etwas zugeschrieben werden soll, zu bestimmen erfordert eine eigene theoretische Anstrengungen: Was IST Kapitalismus - was sagt Marx, und was sagen Kapitalismus-Befürworter? Reden Kritiker und Befürworter überhaupt vom selben? Und... kann man den Beitrag, den jeweils die "Produktivkräfte" leisten (solche moderner Art: "Industrie", was gehört dazu: Wissenschaft, Forschung, Entwicklung, Umgang mit Rohstoffen, vormodernen Produktionsweisen und Bevölkerungen, die sie praktizieren; ist DAS jetzt Produktionsverhältnis oder Produktivkraft-Entwicklung?)), und den des zugehörigen "Produktionsverhältnisses" trennen? Was am derzeitigen "Kapitalismus" wäre als seine nützliche Seite beizubehalten (oben: die "Produktivität"), was als Quelle notwendiger oder sehr wahrscheinlicher Schäden zu beseitigen und aufzugeben (mit welchen Nebenfolgen, die bei der "Abschaffung" zu berücksichtigen wären)?


    Meinen Fragen liegt allerdings eine Sichtweise der "Produktivkräfte" zugrunde, die von der Marxschen abweicht, er scheint zu behaupten, dass das Wachstum der Produktivkräfte ein gradweises, letztlich "quantitatives" ist: Die Gesellschaften seit Beginn der Geschichte können demnach immer mehr und mehr, verglichen mit dem, was sie vorher konnten. Eine QUALITATIVE Gliederung ist dabei nicht zu erkennen - wozu auch.
    Die Frage oben nach einer solchen "qualitativen" Gliederung der Produktivkraft-Entwicklung erübrigt sich dann natürlich... es kann dann eben nur die Rede sein von bestimmten GRADEN der Entwicklung, die entsprechende Fortschritte möglich aber auch nötig machen, damit die Entwicklung nicht STAGNIERT.
    Speziell für das "Produktionsverhältnis" Kapitalismus könnte die Theorie also lauten: Es hat eine durch das vorhergehende (feudale) Produktionsverhältnis drohende Stagnation abgewendet, und seit seinem Eintreten die Produktivkräfte in einem MASS entwickelt, dass... die von Wal (mit Marx) entdeckte MÖGLICHKEIT der Ersparung von grob 50% der bisher notwendigen Arbeitszeit (für ALLE dann Arbeitenden, nämlich Arbeitsfähigen) sich eröffnet hat. Und die Notwendigkeit... besteht einfach erstmal darin, diese Möglichkeit auch zu ergreifen. Ergreift man sie hingegen nicht... droht das, was im Kopf des Marxforums steht - die Menschen müssen zunehmend um ihre Existenz bangen. Also nicht einmal mehr bloss Stagnation, sondern schlimmeres. Ist das richtig so?


    Die Frage ist dann aber (und eine kleine Ouvertüre dazu gab es oben ja schon). ... selbst wenn hier eine Möglichkeit besteht... oder gar eine Existenzbedrohung - werden "die Menschen" darauf so reagieren, wie Marx das erwartet? Ist es sicher oder sehr wahrscheinlich? Müssen sie dafür etwas vom Kapitalismus verstanden haben (dasselbe, was die marxistischen und/oder bürgerlichen Ökonomen vom Kapitalismus verstanden haben?)? Und wenn das alles nicht - was hindert sie? (Das wäre erneut die Frage nach dem Motiv, auf eine "objektive Lage" zu reagieren, sie in bestimmter Weise aufzufassen usw)


    An dieser Stelle fällt mir etwas ganz zentrales in der Marxschen Argumentation (oder deren Wiedergabe in Referaten) auf: Wenn vom Kapitalismus die Rede ist, dann kommen Begriffe wie "notwendig", "ermöglicht", "ist tatsächlich soundso" vor. Da wird nicht von den Motiven der Leute gesperochen. Eigentlich wird von denen GARNICHT gesprochen. Oder immer erst, wenn sie eben anfangen, "ihre Geschichte zu machen". Machen sie vorher nicht? Haben sie keine Motive, für Kapitalismus zu sein, möglicherweise fehlerhafte, aber eben doch Motive (oder Gründe)? Und... ist denn der Kapitalismus nicht ebenso ihrer aller (und sei es auf massenhaften, und massenhaft verschiedenen Fehleinschätzungen beruhende) kollektive Praxis, und gemeinsam gemacht und zustandegebracht, wie hernach die Alternative zu ihm? Wenn es nämlich anders wäre... wie soll denn diese Alternative zustandekommen? Als ob die Menschen aus einem Dornröschenschlaf der Bewusstlosigkeit über ihre Verhältnisse wie durch einen Zauberspruch erlöst (wer soll ihn sprechen?) erwachen und ENDLICH... was auch immer tun.
    Sie machen keine Fehler? Sie machen nicht ungutes, für sich selbst und andre - sie MACHEN es? "Sie wissen nicht, was sie tun, aber sie tun es?" Was doch heisst, dass sie ihr Tun und die fehlerhaften Gründe dafür durchschauen könnten (was bringt sie dazu?). Und es vor- wie nachher IHR TUN ist.


    Ich sage: Da konvergiert theoretisch sogar etwas. Denn in den groben Stufen, die das FEHLERMACHEN durchläuft, wird man den Kern der qualitativ unterschiedlichen Stufen finden, auf denen sich die "Produktivkräfte", - erst gefördert durch ihnen angemessene Vergesellschaftung (Produktionsverhältnisse), später gehemmt durch deren spürbares Unangemessenwerden - entfalten. Dieser Kern besteht in den Verhältnissen zu dem in der jeweiligen Gesellschaft verfügbaren Wissen, dem Begriff davon, ob, wie, wie weit und in welcher Reihenfolge (der Wichtigkeit) es erweitert werden müsste, und mit welchen Risiken Nichtwissen verbunden ist. Ich behaupte: Diese LERNREGEL der Leute zu gleich welcher Zeit bestimmt wesentlich die Art ihrer Produktivkraft - und im Verbund damit die ihrer Vergesellschaftung. Und dabei ist etwas gerade unter Produktivkraft-Entwicklungs-Aspekten extrem Wichtiges zu berücksichtigen: Wie gut es Gesellschaften in Vergangenheit und Gegenwart gelingt, für wie nötig sie es halten, und wieviel Aufwand sie treiben, das in ihnen verfügbare Wissen, vor allem aber die grundlegenden mehr oder weniger fortgeschrittenen STANDPUNKTE, die man zu ihm einnehmen sollte, ihren Mitgliedern zu vermitteln. - Wie kommt der Baumeister zu seiner Konstruktionsidee? Was weiss er über Materialien, wie kommt er zu seinen Bauaufgaben, die er lösen will? Sind es nur rein quantitative Unterschiede (des Wissensstands) die die verschiedenen Produzenten zu verschiedenen Zeiten unterscheiden? Ich glaube nicht. Da ist eine gravierende Lücke in der Marxschen Theorie. Sowohl was die Erklärung der Vergangenheit angeht... als auch die Gegenwart (in der die unerledigte Vergangenheit womöglich unheimlich fortbesteht...)


    Aber es taucht auch ein Problem auf: Je weniger Kapitalismus (oder dann eben auch seine Abschaffung) "systematisch" Wirkungen entfaltet - darum, weil er eine PRAXIS von Leuten ist (spätestens im Ergebnis, als Zusammenwirken unendlich vieler Leute mit viel unterschiedlichen Meinungen, auch unterschiedlich gut begründeten) - wie soll man dann von ihm etwas Berechenbares, Gutes oder Schlechtes, ihn Legitimierendes oder Kritisierendes, erwarten? Je mehr er das aber tut - desto dringlicher wird die Frage: Wie denn je Leute sich aus diesem System durch eigenes Tun sollen befreien können - wann, wie und warum ihr EIGENES Tun beginnt - und... warum es sich dann gegen den Kapitalismus (warum?) richten soll....


    Also wer ist schuld am Kapitalismus - er selbst? Oder die Leute? Und wer soll ihn abschaffen? Er sich selbst? Oder die Leute? Und... wer soll danach eigentumsfrei planen...? (Klar: die Leute. Aber warum tun sie das nicht schon längst? WAS HÄLT SIE AB?)

  • Hallo franziska,


    Wie hättest Du Dir denn die Epochengliederung nach den Produktivkräften vorgestellt, wenn Dir die Epochengliederung nach Produktionsverhältnissen nicht reicht?
    Produktivkräfte sind die Menschen im jeweils historischen Stand ihrer Entwicklung, geäußert in den Produktionsverhältnissen.


    Was fehlt da also und warum?


    Da fehlt mE nur dann etwas, wenn sich aus dem Stand der Produktivkräfte eben nicht die Produktionsverhältnisse entsprechend entwickeln. Und das haben sie bisher mE immer 'gemacht'.
    Die Art und Weise, wie die Menschen zur jeweiligen Zeit in der Lage sind, die Mittel zu ihrer Reproduktion herzustellen, ist die Produktionsweise resp. das jweilige Produktionsverhältnis.


    Entscheidend dabei ist auch nicht, daß es die unterschiedlichsten nebenher gibt/gab, sondern welche die bestimmenden sind bzw. die große Mehrheit abbilden. Denn über deren Art zu (re-)produzieren bildet sich der dazu passenden Überbau.


    Im wesentlichen bleiben im Kapitalismus zwei große Klassen 'übrig': Kapitalisten und Lohnarbeiter. Da gibts trotzdem noch (freie) Bauern, Handwerker, Ärzte, RÄ usw., die vorkapitalistischer Produktionsweise zu zu ordnen wären. Nichtsdestotrotz gibts sie aber noch (wenn Du ehrlich bist, siehst Du aber, daß das eher weniger werden) und vor allen Dingen könnte keine heutige Gesellschaft mit deren Art sich zu reproduzieren überleben, sprich die Menschen in ihr sich dauerhaft und bei bester Gesundheit ernähren.


    Keine Gesellschaft hat je die Produktivkräfte organisiert, der Staatssozialismus hat das einzig mal versucht und ist dabei klaglos gescheitert. Die Produktivkräfte in ihm haben dabei am wenigsten darüber geklagt, sie wollte ihn hingegen los werden.


    Die Produktivkräfte organisieren die Gesellschaft, so herum wird ein Schuh draus.


    Und wenn die Produktivkräfte Ihr Zusammenwirken nur über Geld, Tausch, Waren, Wert hinkriegen, verlangt das (nein, verlangen die Produktivkräfte) irgendwann nach einer Bürgerlichen Gesellschaft. Mit einer Sklavenhaltergesellschaft mit vielen Unfreien, die selbst Eigentum sind, wird das genauso wenig etwas, wie in einer Feudalgesellschaft, in der ich mir mein Eigentum erst erbitten und nicht unbedingt erhalten muß, um damit auf einen Markt zu treten.


    Die technologische Entwicklung durch(!) die Menschen, also die eigentlichen Produktivkräfte, tut dabei ihr übriges. So lange Du nur Ware gegen Geld tauscht und mit diesem Geld nur wieder Waren, kannste das gut im Feudalismus noch aushalten, nicht aber, wenn Du Deine Waren entweder nicht mehr abgesetzt kriegst, weils längst was besseres gibt u/o auch, wenn da ein anderer ist, der für seine Waren viel mehr bekommt, weil er sie in kürzerer Zeit zb. herstellen kann oder andere 'Zutaten' dafür hat.
    Dann läßt bzw. mußt Du Dir was einfallen lassen, weiter verkaufen zu können. Also brauchst Du mindestens die gleichen oder bessere 'Hilfsmittel', das auch hinzukriegen...


    Das ganze Streben der Menschen ging mE immer ums materielle - sich die Arbeit zu erleichtern, die Reproduktion abzusichern.
    Arbeitsteilung war der Ausgangspunkt, das am besten hinzukriegen.
    Solange noch alle (wirklich alle Arbeitsfähigen) gebraucht wurden, konnte keiner herrschende Klasse werden, die entstand erst, als erste Überschüsse erwirtschaftet werden konnten. Da erst setzte ein, daß die Arbeitsteilung einige 'freistellen' konnte, daß einige von der Arbeit anderer überleben konnten.
    Die Arbeitsteilung selbst war die Voraussetzung für die Entstehung von Klassen.
    Eine herrschende und unterdrückte Klassen. Letztere waren alle Unterdrückte, die irgendwann aufbegehrten, nicht weil ihnen die da oben mal eben nicht mehr gefielen, weil sie so nicht mehr leben konnten, nicht nur nicht wollten - und - vor allem, weil ihre Art zu reproduzieren nicht mehr zu dem Überbau paßte, sie behinderte.
    Eine dieser Klassen hatte bis dahin längst die ökonomisch entscheidende Kraft, sich auch die politische zu holen und kriegte dabei auch die Unterstützung der anderen. Du kennst den Satz von den Fesseln der Produktivkräfte...


    Schnipp----------sonst wird'snoch länger----------Schnipp


    Der Kapitalismus bzw. die kapitalistische Produktionsweise hat ungeheure Produktivkräfte freigesetzt, wenn wir den Zahlen glauben schenken, könnte sich die vorhandene Weltbevölkerung fast zweimal ernähren, dazu bräuchten wir, wenn ich wieder gucke, wieviel hier in der materiellen Produktion tätig sind, ein Zehntel oder Fünfzehntel der Weltbevölkerung.
    Das ist vom Grund aus die Möglichkeit, die wir hätten anders zu leben - aber eben nicht mit der kap. Produktionsweise, wo die Ergebnisse der Arbeit nur einigen wenigen gehören.
    ... und was Dich besonders zu stören scheint, die vielen anderen auch keinen Einfluß darauf haben, was und wie und ob produziert wird.


    Entscheidend ist nun aber nicht, die Maschine kaputt zu machen, die all den Überfluß, der gar nicht 'gebraucht' wird, herstellt und den ganzen Dreck in die Luft pulvert, sondern überhaupt in die Lage versetzt zu sein, die Maschine zu haben - dann ist die Möglichkeit gegeben zu gucken, braucht es die, braucht es sie nicht, was soll die als unser Hilfsmittel machen.


    Wir könnten eigentlich alles ganz anders machen, ohne Hunger, ohne den Raubbau.
    Wir Lohnabhängigen haben das Wissen um die Produktion, um die Umwelt, die Schäden, ja, wir - gemeinsam.
    und wir hätten durch die riesige Produktivität auch die Zeit, uns um all das zu 'kümmern.


    Diese Möglichkeit hätten wir - ob wir sie nutzen - liegt an uns.
    ... wie wir unser (gemeinsames) Leben anders organisieren auch.
    Wenn wir meinten, wir müßten das (noch?) nicht, warum sollten wir es dann tun - warum überhaupt versuchen.


    Wenn wir nun aber wissen, daß die Industrie, die Maschinerie, die wir ja selber entwickelt haben als Produktivkräfte, die Umweltverschmutzung auslöst, den Raubbau usw., macht es aus meiner Sicht keinen Sinn die Industrie zu verteufeln, die Maschine zu stürmen - die Technik ist Hilfsmittel der Menschen, die macht von allein nix. Sie 'hört' auf das Kommando von Menschen, wird von ihnen an- und abgeschaltet.
    Entscheidend ist also, wer sagen darf, daß sie angeschaltet und abgeschaltet wird.
    Das ist für gewöhnlich der Eigentümer.


    PS - mir persönlich gefällt auch die Formulierung "eigentumsfrei" nicht besonders - das projiziert mir zu sehr, daß keiner mehr seine eigene Zahnbürste hat - den Begriff kann 'man' verwenden, wenn man bei der Definition von Eigentum ganz bei Marx ist und es dann nur "Frei von Produktionsmitteln" meint - nicht aber, wenn es verwendet wird in seinem heutigen 'sprachlichen' Gebrauch, der keinen Unterschied zwischen privatem und persönlichen Eigentum kennt...


    PSS - ich bin lange noch nicht auf alles eingegangen - vielleicht reden wir ja weiter oder es reagiert noch wer anders - mir war erstmal besonders wichtig, daß die Produktivkräfte die Produktionsverhältnisse bestimmen und das die Produktivität uns die Möglichkeit und die Zeit gäbe selbst zu bestimmen.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Hallo Franziska, hallo Wat.
    Den Text von Franziska hatte ich “geliked”, weil ich Franziskas Fragestellungen und Zweifel für klug und für berechtigt halte.
    Was Wat. dazu als Antwort geschrieben hat, finde ich (im Sinne von Marx) ganz korrekt und richtig. Die Ausführungen von Wat. kann ich Satz für Satz unterschreiben, aber dennoch sind damit die Fragen und Zweifel von Franziska nicht ausgeräumt und nicht beseitigt.
    Wat. begründet (wie Marx) seine Prognosen für Gegenwart und Zukunft aus dem Blick in die Vergangenheit. Daran ist wissenschaftlich nichts auszusetzen. Allerdings ist im Kapitalismus und mit dem Kapitalismus viel historisches Wissen verloren gegangen. Damit verblassen auch alle Rückblicke in die Geschichte. Sie verlieren an Überzeugungskraft.
    Am Ende ihrer Ausführungen kommt Wat. auch nur bis zur Möglichkeit der Emanzipation:
    “Wir könnten eigentlich alles ganz anders machen, ohne Hunger, ohne den Raubbau.
    Wir Lohnabhängigen haben das Wissen um die Produktion, um die Umwelt, die Schäden, ja, wir – gemeinsam.
    Und wir hätten durch die riesige Produktivität auch die Zeit, uns um all das zu kümmern.“

    Der Gedankengang von Wat. endet also da, wo die Gedankenkette von Franziska beginnt.
    Franziska gesteht (wenigstens als Hypothese) zu, dass „der Kapitalismus die Produktivkräfte so weit entwickelt hat, dass Planung der Produktion durch die Masse der Produzenten möglich wird.“
    Das ist genau das, was Wat. gesagt und gemeint hat.
    Eine der Fragen, mit denen sich Franziska herumschlägt, ist aber: Wie und warum wird aus der Möglichkeit eine Wirklichkeit?
    Oder pessimistisch gedacht (und Franziska ist eine begnadete Pessimistin :thumbsup: : Selbst wenn bisher die Menschheitsgeschichte so verlaufen ist, wie Marx sie beschrieben hat, - wer oder was garantiert uns, dass die Geschichte jetzt und in Zukunft einen positiven Verlauf nimmt??


    Nein, wir haben keine Garantien. Tatsächlich kommen wir mit der Marxschen Geschichtstheorie keinen Millimeter weiter als bis zu der Feststellung:
    Die Menschen heute haben die Möglichkeit der Emanzipation.
    Und: Es wirkt ein äußerer Druck. Es gibt ein wachsendes objektives/äußeres „Müssen“ zur Emanzipation (Zerstörung der Natur, Überarbeit der Einen und Unterbeschäftigung der Anderen, zunehmende Überforderung der Machteliten, deren Spielräume (Profitrate!) enger werden, und entweder zur Rettung ihrer Profitinteressen wachsende Schäden an Mensch und Natur anrichten oder eben auf Maximalprofite verzichten müssen.)

    Das ist so gut wie alles, was sich im Sinne von Marx über unsere Gegenwart sagen lässt. Ich denke, das ist nicht wenig, aber es ist bei weitem nicht genug, um massenhaft Zustimmung zu finden. Die Verhältnisse haben sich nicht so weit schon entwickelt und geklärt, dass diese Theorie die Massen ergreift – bzw. die Massen nach dieser Theorie greifen wollen.


    Ich denke, auf die berechtigten Fragen und Zweifel von Franziska an den Thesen von Marx, die ja sehr verbreitet sind, kann man nur mit der chinesischen Weisheit antworten: „Es ist noch zu früh, um darüber abschließend zu urteilen!“.

    Ja, die Steigerung der Arbeitsproduktivität ist die erste und äußere Voraussetzung, dass alle weniger Zeit für ihre materielle Existenz aufwenden müssen, und damit gleichzeitig Zeit finden, um sich um die drängenden Gemeinschaftsprobleme zu kümmern. Ja, die Möglichkeit schafft noch keine Wirklichkeit.


    Aber – nun kommt mein Aber - ich sehe – abgesehen von der Arbeitsproduktivität – noch etliche Daten und Fakten, die mich optimistisch stimmen, und die für mich Hinweise und Belege bilden, dass sich die Möglichkeit tatsächlich der Wirklichkeit annähert.


    Vielleicht können wir darüber weiter diskutieren.
    Ich denke, die Möglichkeit nähert sich der Wirklichkeit der Abschaffung der privilegierten Arbeitsteilung in gesellschaftliche Klassen – eine Arbeitsteilung, wo die einen fast alle Vorteile für sich monopolisieren und den anderen fast alle Mühen aufladen.
    Diese Arbeitsteilung wird zunehmend anachronistisch durch Trends, die sowohl die herrschenden Klassen wie die beherrschten Klassen betreffen.


    Diese Trends sind:
    1) Als unmittelbare Folge der wachsenden Produktivität wird die existenzielle Not der Menschen insgesamt geringer.
    2) Die Privilegien der Männer und die Unterschiede zwischen Frauen und Männern schwinden.
    3) Die Erwachsenen gehen umsichtiger und vorsichtiger mit Kindern um.
    4) Die Menschen behandeln - soweit sie die Möglichkeit dazu haben - Pflanzen, Tieren und natürliche Umwelt vorsichtiger und umsichtiger.
    5) Der Bildungsabstand zwischen Herrschenden und Beherrschten schwindet.
    6) Die Informationsvorsprung der Herrschenden schwindet.
    7) Der Vorsprung an Produktionskenntnissen der Herrschenden schwindet.
    8.) Die Informationstechnologie macht Stellvertretung und Repräsentation überflüssig.
    9) Der allgegenwärtige Überwachung mittels Informationstechnologie bedroht weniger die „kleinen Leute“, als vielmehr die Mächtigen und macht sie angreifbar.
    10) Der Zusammenhalt (Cliquen- und Vetternwirtschaft) innerhalb der Herrschenden schwindet.
    11) Das gegenseitige Vertrauen der Menschen untereinander in den entwickelten Gesellschaften nimmt zu.


    Um diesen Text nicht noch länger zu machen, spare ich mir hier Belege und Argumente für meine elf Schlussthesen. Ich kann/werde Belege bei Bedarf nachliefern.


    Auf einem Weg von Null (Möglichkeit) bis Hundert (Wirklichkeit), haben diese Trends vielleicht 15 bis 20 erreicht.


    Gruß Wal

  • Hallo Wat und Wal,
    ich will versuchen, meinen eignen Gedankengang von oben fortzusetzen und zugleich meine VORLÄUFIGE Antworten an euch (auch ihr habt ja versucht, euch vorläufig kurz zu fassen!) in ihn einzuarbeiten.


    Ich finde Wats Redeweise gut: Die Menschen sind selbst die Produktivkräfte - hingegen ihr Wissen, ihre Arbeitsmittel, die Produktionschancen, die sie in ihrer Umgebung vorfinden, ohne sie gemacht zu haben: das sind alles nur Dimensionen ihres Handlungsspielraums. Dieser ihr Spielraum (ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten*), ihre (Produktiv-)"Kraft") ist aber nur die eine Seite der Praxis, die sich damit entfaltet. Die andre ist die der Pläne und Zwecke, die sie sich setzen angesichts dessen, was sie jeweils wissen oder nicht wissen.
    *) Wal hat oben von solch einer Möglichkeit gesprochen....


    (Genauer müsste man sagen: Sie setzen sich VERSUCHS-Zwecke, entwerfen Pläne, die sie VERSUCHEN umzusetzen. Oder man könnte sagen: sie bestimmen, angesichts ihres (Noch)Nichwissens, in welcher Form sie das Experiment ihrer Reproduktion machen wollen, oder welches der möglichen Reproduktions-Experimente sie machen wollen).


    An vielen Stellen schliessen diese Pläne einander aus - man kann nicht alles zugleich machen bei gegebnem Handlungsspielraum. In den "Produktions-Verhältnissen" der Leute ist routinemässig geregelt, welche ihrer einander widersprechenden kollektiven (Versuchs)Planentwürfe umgesetzt werden - das heisst meist: WESSEN Entwürfe umgesetzt werden und gelten.
    (Dabei können zwar die Gründe, warum diese Entwürfe und keine andern umgesetzt werden, von allen Betroffenen geteilt werden. Das ist aber nicht der Normalfall; meist hat jeder Mitwirkende seine ganz "eigenen" (oft berechnenden) Gründe, warum er sich an der Ausführung beteiligt - und meist sind das ganz andere als die der Entwerfer.)


    Bei Marx' Beschreibung dieser beiden sehr grundlegenden historischen Entwicklungsdimensionen (Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse) ist nun etwas aus meiner Sicht sehr Ungutes passiert:
    Marx fand eine beeindruckend ausgearbeitete RELIGIÖSE ("idealistische") Theorie der Geschichte vor (die von Hegel), die in und hinter der Geschichte, ja überhaupt in und hinter allem und jedem: der Natur, dem Leben und Denken der Einzelindividuen, eine bewusstseinsartige MACHT am Werk sah. Eine Macht, die sich DURCH alle stattfindenden Geschehnisse, auch deren Entwicklung hindurch immer nur "selbst" verwirklichte, und die alles gestaltete, bestimmte, antrieb: Hegel nannte das den GEIST, eigentlich war aber Gott gemeint. Marx widersprach dem. Aber dabei verwarf er von Hegels Kategorien teils zuviele, die durchaus in einer nichtreligiösen Theorie ihren Platz gehabt hätten (die "Bewusstseins"-Stufen). Teils nahm er seinerseits über-individuelle, "gesellschaftliche" Quasi-Subjekte an - das System, die Systemlogik, den Systemzweck - die sich durch den Willen der Einzelindividuen ("unabhängig von ihrem Willen") hindurch durchsetzen und "von selbst" verwirklichen. Das erinnert durchaus an den Hegelschen Geist. Wobei aber Marx weder zu seiner Zeit noch heute der einzige "materialistische" Gesellschafts-Theoretiker war bzw ist, der zu solchen Über-Kategorien neigt - allein die ökonomische Theorie ist ja voll davon - : das Kapital, der Markt, das Geld, die Wirtschaft, die Produktion, die Kultur, die Gesellschaft, die Geschichte, der Fortschritt, die Wissenschaft, die Öffentlichkeit, das Recht, der Staat - es wimmelt im neuzeitlichen und modernen Denken nur so von solchen Geschichts-Mächten und überindividuell, nämlich "gesellschaftlich" sich durch sich selbst geltend machenden Praxis-Gestaltungen.


    Was nur Ausdruck dessen ist, dass die betreffenden Theoretiker (Marx steht da keineswegs allein) einfach keinerlei Ansatz wissen, um die Phänomene auf Ebene der "Gesellschaft" zu übersetzen und aufzulösen in die zahllosen "Interaktionen" einzelner Leute und deren individuelle Handlungsantriebe.


    ((Anm. Es gibt dasselbe Problem in der umgekehrten Richtung - Analysen "gesellschaftlicher" Interaktionen von Einzelindividuen lassen sich nicht bis auf die "gesamtgesellschaftkliche" Ebene verlängern. Die Frage ist immer: Wie kann etwas aus Einzelköpfen und Einzelbegegnungen in die vielen Einzelköpfe all der andern gelangen - wie wird es gefiltert, wie kondensiert, derart dass sich die ungeheure Vielfalt der Einzelereignisse reduzieren und auf einen Nenner bringen lässt? (Einer dieser Nenner ist das Geld; es gibt andere "Medien", "Normen", "Institutionen" in der Soziologie, die das angeblich leisten - bloss sind das schon wieder von Anfang an ÜBER-individuelle Gebilde ("dieselben für alle"), die zwischen Individuen, ohne von ihnen gestaltet zu werden, vermitteln sollen...))


    Die starke "moderne" Ungleichverteilung und "Formalisierung" von Kompetenzen, sei es des Entscheidens (Herrschaft), sei es des Könnens (Arbeitsteilung, Spezialisten/Experten), erzwingt zugleich und ermöglicht die Ausbildung solcher Redeformen, in denen sich "Gesellschaftliches" als von Einzelpersonen abgelöst, allenfalls von ihnen "umgesetzt" darstellt - und sich insofern wie eine Quasi-Person ("die Gesellschaft") mit eigenen Zwecken, Willen, Wissen, Fähigkeiten, mit einer ganz eigenen Biographie (der "Geschichte") zu entwickeln scheint. (Das ist zwar so nie wörtlich und ernstgemeint; WIE es aber gemeint sein soll, ist eine bis heute von Menschen (nicht nur linken, sondern auch "bürgerlichen"), die sich über "Gesellschaftliches" Gedanken machen, nur unzulänglich gelöste Aufgabe.)


    Ich habe oben eine der wichtigsten historischen Entwicklungsdimensionen benannt, die auf diese eigenartige Weise zwischen Gesellschaft und Einzelnen schweben: Nämlich das je irgendwo in einer Gesellschaft verfügbare Wissen.
    Dies Wissen "schwebt" darüberhinaus auch noch zwischen den Polen eines zweiten Widerspruchspaares:
    - Es ist einerseits etwas unzweifelhaft an "Bewusstseinsvorgänge" von Einzelpersonen (als "Subjektives" an "Subjekte") Geknüpftes (die aber sich vermehren und vermindern können - durch die Zeit hindurch können ganz verschiedene und ganz unterschiedlich viele Leute dasselbe wissen).
    - Andererseits ist Wissen (als technisches "Wissen-wie" (know-how), aber auch als prognostisches "Wissen-dass") ein unentbehrlicher OBJEKTIVER Produktionsfaktor - und zwar einer, der sich (hier mehr in der ersten Form: Wissen-wie) auf Fähigkeiten, als auch auf die Setzung von (Versuchs)Zwecken (hier mehr in der Form des Wissens-dass) beziehen lässt. Und... es gibt ganz klar "materielle" Seiten an und in der
    - Wissens-Ermittlung (Experimente sind riskant, kosten...),
    - Wissens-Speicherung (aufwendig),
    - Wissens-Vermittlung und individuellen Wissens-Erarbeitung (als Bildung und Ausbildung),
    für die Arbeitskräfte und Ressourcen eigens bereitgestellt werden müssen, die anderswo fehlen: Diesen Faktor zu REPRODUZIEREN und zu PRODUZIEREN kostet ganz handfest Ressourcen. Zugleich ist seine "Produktion" weniger als andre in seinen Resultaten planbar (man weiss nicht, was bei einem Versuch/Experiment herauskommt, oder was man bei einer Erkundung finden wird); dennoch geht er in beinah alle andern "planbaren" denkbaren Produktionen und (Versuchs)Zwecksetzungen als entscheidende Voraussetzung mit ein.


    Das in materieller Hinsicht Wichtigste und Nächstliegende daran aber ist (wie so oft) das zugleich am wenigsten beachtete und bedachte: Dass nämlich vorhandenes Wissen auch die wichtigste Grundlage seiner eigenen ERWEITERUNG ist - auch in dem Sinn, dass es sie behindert. Genauer sieht das so aus:


    Das Wissen für sich genommen (oder, in Wats Formulierung oben, das Handeln, in dem es sich als "Erfahrung" ergab) "sagt" uns in den seltensten Fällen, auf welche Weise wir Schlüsse daraus ziehen und daran anknüpfen sollen, durch Tun und Unterlassen. Selbst, ob etwas überhaupt Beachtung finden soll oder unwichtig ist, indifferent, keinen Unterschied (für unsere Praxis) machend, FOLGT nicht einfach aus dem Sachverhalt selbst. Wir haben immer eine REGEL, wie wir beurteilen und schlussfolgern - eine Regel, die im Kern darauf hinausläuft, aus dem uns verfügbaren Gesamtwissen (bis hinauf zum neuesten, zuletzt-hinzugekommenen) zu erschliessen, was wir nun tun wollen, und wie weiter verfahren - ob (und was) wir weiter suchen, untersuchen, probieren, versuchen. Dabei werden wir - geplant oder ungeplant - weiteres Wissen erwerben - wir werden LERNEN - und die Regel könnte somit bezeichnet werden als eine LERNREGEL.


    Unsre Lernregel, so behaupte ich, ist die höchste Regel, die wir überhaupt in unserer Praxis befolgen.
    Sie ist die Regel, die unsere gesamte Praxis BESTIMMT.
    Sie ist die aktuelle Konkretisierung (beim gegebnen Wissensstand) dessen, was wir unter Rationalität*) verstehen -
    *) oder auch: Zurechnungsfähigkeit, Besonnenheit, (Erwachsenen)Vernunft, letztlich: Personalität schlechthin


    (Man könnte sagen: Sie stellt den von Wat behaupteten Zusammenhang zwischen (bisherigem) Handeln bzw den dabei gemachten Erfahrungen, und unserm Denken und weiterem Handlungsentwerfen allererst her - sie ist es, durch die unser Handeln (im genannten Sinn) sinnvoll unser Denken formt.)


    Viele "aufgeklärte" Geschichtstheoretiker ohne ein religiöses Geschichtsverständnis glauben, dass es hier eine geschichtsübergreifend durchgängig einheitliche "vernünftige" oder "rationale" "Erkenntnis"- und Erfahrungsverarbeitungs-Regel, gibt - das einzig veränderliche darin wäre demnach bloss die langsam historisch anwachsende Erfahrung.
    (Diese Erfahrung wird unendlich vielfältig umgesetzt, verwertet, verarbeitet in Gestalt von Kompetenzen, (Versuchs)Zwecken, Begriffssystemen, Übersichtsdarstellungen, Ausbildungsprogrammen, individuellen Wissensständen, die hinter gesellschaftlichen zurückbleiben, dazu aufschliessen, sie (individuell) überholen).


    Wenn es stimmt, dass die Lernregel der Kern der Wissensverarbeitung, deren Stand aber der Kern des je erreichten "Stands der Produktivkräfte" ist, und dass es nur eine, eben die "vernünftige" Lernregel gibt - dann ergäbe sich genau die Behauptung, die Wat aufgestellt hat: Die durch die immer gleiche menschliche Vernunft (Intelligenz usw) verarbeitete Erfahrung wächst einfach an. Es gibt keine Stufen darin, höchstens eben ein je erreichtes MASS oder Grad, letztlich eben eine MENGE an Wissensinhalten.


    Aber dem ist nicht so, wie sich bei näherer Betrachtung zeigt.


    Vielmehr gibt es, so glaube ich, auch in der Wissensverarbeitung Reifungsstufen (also so, wie Hegel es behauptet hatte) - allerdings sind sie selber nochmal vom anwachsenden Wissen abhängig, und ändern sich in langen Fristen aufgrund von Wissenszuwächsen.
    (Das hatte Hegel ignoriert: Bei ihm hat "der Begriff" oder die Regel es hauptsächlich mit sich selbst zu tun, ihren "inneren Widersprüchen", und ist dafür nicht auf äussere Anstösse angewiesen, produziert vielmehr die gesamte Entwicklungsdynamik aus sich selbst heraus; das ist das Unmaterialistische an Hegel. Womit er bzw. sein Denken bloss ein unterscheidendes Etikett erhält, aber über richtig und falsch noch nicht entschieden ist.)


    Die langfristige Abhängigkeit des Inhalts der Lern-Regel vom Wissen begründet, warum diese Regel über extrem lange Dauern (und viele Generationen weg) extrem stabil bleiben kann, selbst wenn sie unvollkommen (und an sich "reifungsbedürftig") ist: Sie limitiert oder verlangsamt den Wissenserwerb - sie verhindert womöglich über lange Zeit den Erwerb gerade DES Wissens, das sie ändern ("reifen" lassen) würde. Diese OBJEKTIVE Selbst-Limitierung des Wissenserwerbs ist durch keinen guten SUBJEKTIVEN Willen abkürzbar oder überwindbar. Sie ist der harte, letzte Grund für die Zähigkeit und Lngwierigkeit der Geschichte - verstanden als Lern- und Reifungsprozess.


    ((Anm.1: Es gibt aber, später, auch das Umgekehrte: Wenn Träger von Lernregeln auf (in ihrer Gesellschaft kulturell verfügbare) Erfahrung stossen, das sie auf ihren Grundlagen garnicht gesucht oder erzeugt hätten, kann es sein, dass sie beschleunigt zu solch einer Reifung gelangen: Diese Reifung ist durch die in ihrer Umgebung vorfindlichen fortgeschrittenen (ua. Bildungs- und Ausbildungs-)Inhalte GEBAHNT und erleichtert.))
    ((Anm.2: Die Eigenarten des Wissens erklären die eingangs genannten Schwierigkeiten nicht nur der Gesellschaftstheoretiker, sondern mehr noch die Probleme verschiedener Gesellschaften/Produktionsverhältnisse zu verschiedenen Zeiten, mit dieser Kern-Dimension der Produktivkraft-Entwicklung fertigzuwerden: Wissen "schwebt" zwischen den Subjekten und der gesamten "Objektivität", weil es die wichtigste, und DIE ARBEIT/PRODUKTION VORBEREITENDE Verbindung zwischen beidem ist; und: Subjektiv entsteht es, subjektiv wird es erarbeitet, ausgebreitet, übernommen - aber im Mass, wie es wächst - wie kann der Bestand ein gemeinsamer bleiben? Wie sollen Entscheidungen Wissender von Unwissenden mitgetragen werden können, die die Gründe und Entscheidungsgrundlagen nicht beurteilen können? Wie soll der Zusammenhang zwischen Wissen und ihrer ALLER (Versuchs)Handeln (bzw den Entscheidungen, die es festlegen) sein, wenn grosse Teile der Betroffenen und Mitwirkenden garnicht über den Zugang zur wichtigsten Ressource vernünftiger Entsscheidungsprozesse verfügen? Wie kann ihr Verhältnis zum "gesellschaftlich" gültig Entschiedenen dann bestenfalls aussehen? Wie und als was können "Gesellschaftstheorien" dies (Produktions)Verhältnis dann bestenfalls beschreiben, wie kann dies Produktionsverhältnis sich dann bestenfalls gestalten? Vom Wissen hängt ab, was (in der gesellschaftlich(-arbeitsteilig)en) Produktion und Ko-Operation) geschieht...))


    Ich hatte oben schon behauptet, und wiederhole es hiermit: Diese Reifungsstufen sind sehr eng verbunden mit den von mir bei Marx vermissten Stufen (und eben nicht nur Graden) der Produktivkraft-Entwicklung.


    Hierzu muss ich aber gleich ein paar Anmerkungen machen:


    1. Das historisch immerfort weiter wachsende Wissen zu kontrollieren fällt im Verlauf der Geschichte immer schwerer, es wird immer aufwendiger, vor allem den Nachwachsenden den Anschluss an das vorhandene Wissen zu vermitteln. Was immer sich an Errungenschaften an irgendwo gesellschaftlich verfügbar gemachtes, entdecktes Wissen (oder Wissensverarbeitungsregeln, als Konsequenz aus Wissen) anschliesst, ist erst einmal nur wenigen Einzelindividuen zugänglich. Das gilt speziell für die wissens-abhängigen "Reifungsstufen" des Lernens selber.


    2. Die Reifung hat die Form NICHT des Übergangs zu etwas gänzlich Neuem und Anderen. sondern einer Präzisierung der vorausgehenden bzw. Anfangs-Lernregel. Das begründet einen extrem häufigen, ja fast normalen Vorgang:
    Inhalte (verarbeitete Erfahrung), die durch eine fortgeschrittene Lernregel zustandekamen (mit ihr aus Erfahrung abgeleitet oder ermittelt wurden), können "zurückfallen" und Inhalte für eine Wissensverarbeitung werden, die auf einem primitiveren, gegenüber dem fortgeschrittenen "entdifferenzierten" Niveau liegen. Und das kann selbst dann der Fall sein, wenn die "fortgeschrittene" Weise des Lernens einer Gesellschaft "kulturell" die massgeblichen Wissensinhalte für ihre Praxis (Reproduktion, Fortschritt, Wissenserwerb usw) vorgibt: Der Anteil der Angehörigen dieser Gesellschaft, die WIRKLICH ständig Wissen (auf Basis des schon vorhandenen) weiter auf dem fortgeschrittenen Niveau verarbeiten, kann sehr gering sein. Man kann dann sagen: Diese Gesellschaft steht KULTURELL auf dem fortgeschrittenen Niveau - aber eben nicht ihre Mitglieder; bzw. die meisten dieser Mitglieder verarbeiten bekannte und neue Inhalte in unreiferen Formen (mit einer unreiferen Lernregel) als der kultur-bildenden.
    Anm. Da hat man ein Beispiel für die oben schon angesprochene Ungleichheit der Begründungen: Die meisten Mitmachenden und Ausführenden haben "eigene" Gründe, warum sie von Andern Entwickeltes vielleicht gutfinden und gutheissen - ganz andere Gründe als die Entwickler selbst. ((Ich halte dieses AUTORITÄRE Vertrauen, sowohl der Autoritäts-Gläubigen, als auch der Autoritäten, für eine Katastrophe.))Anm.Ende


    3. Gesellschaften sind also nichts weniger als homogen in ihren Weltverhältnissen, vielmehr kommen extrem unterschiedliche Entwicklungsstadien (spätestens in der eben beschriebenen Form des "Zurückgefallenseins") gleichzeitig und nebeneinander vor. Je fortgeschrittener "die Gesellschaft", desto weiter zieht sich das Spektrum der (historisch, kulturell) eigentlich überholten Lernregeln (Weltverhältnisse, Mentalitäten), mit denen mehr oder weniger grosse Teile der Angehörigen einer Gesellschaft die in dieser Gesellschaft KULTURELL HEGEMONIALEN Inhalte verarbeiten, auseinander. Und es gilt: Je primitiver die Verarbeitungsform, desto häufiger ist sie vertreten. Das ist keine Verunglimpfung der "Zurückgebliebenen", sondern die bittere "materialistische" Einsicht, dass Lernen, Vermitteln, Erfahrungen machen können eine fundamentale Produktionsaufgabe darstellt, die sich nicht einfach nebenbei und von selbst erledigen lässt:
    Um jemand in seinem individuellen Bildungsprozess auf ein fortgeschritteneres Lernregel-Niveau gelangen zu lassen und ihn somit zum gesellschaftlich erreichten Wissensverarbeitungsniveau aufschliessen zu lassen, müssen Ressourcen aufgewandt werden; ob das geschieht, hängt ab vom Reichtum der Gesellschaft, seiner Verteilung, und dem MOTIV, das in ihr besteht, solch eine Anschluss-Arbeit überhaupt zu leisten. (Auch das hängt von der Vorbildung des Fortbildungs-Willigen ab...)
    Anm. Nicht zu vergessen: Man muss wissen, wie das fortgeschrittene Niveau eigentlich zu vermitteln wäre. Von keinem der aus meiner Sicht bislang erreichten Fortschrittsniveaus der Wissensverarbeitung und obersten Lernregel lässt sich das derzeit sagen. Noch eine Katastrophe! Anm.Ende


    Also: Je fortgeschrittener eine Gesellschaft ist, desto mehr "unreife" und historisch-kulturell bereits überwundene Verarbeitungsniveaus kommen an und in ihren Angehörigen vor: Die Vielfalt der Formen der Begriffs- und Meinungsbildung wächst, die Zahl der möglichen (unterschiedliche Fortschrittsniveaus verkörpernden) "UNGLEICHZEITIGEN" Mentalitäten und historischen "Zurückgebliebenheiten" gegenüber dem kulturell bereits erreichten Niveau nimmt zu. Und das fällt bloss darum nicht auf, weil eben das Zurückgebliebene nie ausdrücklich auftritt als "zurückgebliebene Lernregel", sondern als unergründlich "subjektive" Quelle von speziellen Schlussfolgerungen und Interpretationen jenes allen Zeitgenossen überhaupt zugänglichen Erfahrungsmaterials, auf das (als das gesellschaftlich, "kulturell" massgebliche) sich zwar alle gemeinsam, bloss eben auf mehr oder weniger iihmeigentlich nicht angemessene Weise, beziehen. Keine Gesellschaft hat es bisher geschafft, ihre Angehörigen sämtlich auf den kulturell in ihr etablierten Stand des Lernens und Wissenserwerbs zu heben: Katastrophe! (sie wussten und wissen nichtmal, wie sie es tun könnten, vgl. die Anm eben).


    4. Genau daran scheitert dann aber derzeit der Vorschlag an diese gegenüber den Inhalten, mit denen sie umgehen sollen, zurückgebliebenen "Produktivkräfte", sich in eine von ihnen allen durch gemeinsame Einsicht getragene kollektive Produktions- und Wissensverarbeitungs-Organisation einzubringen. Denn den primitiven Weltverhältnissen korrespondieren je ensprechende Vorstellungen von vernünftiger Vergesellschafung - bei verschiedenen WELTVERHÄLTNISSEN sind sie entsprechend verschieden; und werden in ASYMMETRISCHER Weise gegeneinander geltend gemacht. (Hier ist die Erklärung zu suchen und zu finden, warum die einen "links" und dies in dieser oder jener Weise sind, reformistisch, staatssozialistisch, anarchistisch, konsens- oder (räte)demokratisch-kommunistisch, komunalistisch usw - oder auch, warum es Faschisten, Libertäre, Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, und ausserdem noch jede Menge un- und vorpolitischer Menschen gibt.
    Zwei (nicht weiter begründete) Thesen dazu:
    a) Niemand kann in seinem Vergesellschaftungskonzept weiter sein als es seinem Weltverhältnis entspricht.
    b) Auch Inhalte aus fortgeschrittenen Vergesellschaftungskonzepten können in primitivere Formen zurückfallen - entsprechend den zugehörigen Weltverhältnissen.
    c) Bei gleichem Weltverhältnis können die dazu passenden Vergesellschaftungskonzepte unreifere und reifere Formen annehmen - sie bilden (im Rahmen des zugrundeliegenden Weltverhältnisses) eigene Entwicklungsreihen*).
    *) die unten für das Weltverhältnis "OPP" angegebene Reihe der Stufen der dazu passenden Vergesellschaftungs-Konzepte lautet zB: Gewalt - Vertrag - (Klassen)Staat - Gerechtigkeit.


    5. Ein Weltverhältnis (eine oberste Lernregel) muss etwas sehr, sehr fundamentales sein:
    Es hat eine kognitive Seite - eine Seite des Organisierens von Erfahrung und Wissen.
    Es hat aber auch eine praktische Seite - was zu tun ist, wie man sich zum Unbekannten stellt - zB auch zu den damit verbundenen RISIKEN.
    Damit kommt sogar eine AFFEKTIVE Seite hinein*).
    *) Spezielle Affekte beim Umgang mit dem eigenen (Un)Wissen und Ungewissheit sind die sog. Erwartungsaffekte wie:
    Hoffnung/Depression; Angst; Ungeduld/Ärger/Aggression; auch Sucht (im Sinne einer "Zwischenbelohnung", wenn etwas länger dauert als erwartet) würde ich dazu zählen.


    Und... es hat eine begriffliche, ja überhaupt praxis-konstitutive Seite: es konkretisiert, was man sich unter "sinnvollem Leben, Arbeiten, Handeln überhaupt" vorzustellen hat - etwas wie die Definition von "Sinn(voll vs. sinnlos)". Schliesslich definiert diese Regel (mit der bei egal welchem Wissensstand abzuleiten ist, was als sinnvolles zu (versuchen zu) tun bleibt), was wir an Handeln bei uns wie andern verstehen - weil es vernünftig ist - und "so, wie wir es an Stelle des andern getan hätten". Sie definiert also, was wir akzeptabel, so erwartbar (als Verhalten auf den
    Erfahrungs-Grundlagen des jeweils andern), legitim, verständlich, normal, vernünftig, richtig, spätestens unter den Verhältnissen des andern finden - und was unverständlich, verrückt, unnormal, krank, "nicht mehr nachvollziehbar" finden. (Man sieht, wie wichtig es für eine differenzierte Vergesellschaftung wäre, die Zurückgebliebenheit der Weltverhältnisse anderer, wenn es denn sowas gibt, zu berücksichtigen.)


    Es scheint nicht verwunderlich, dass ich auf diesem Hintergrund RELIGIÖSES DENKEN (oder "das REligiöse Weltverhältnis, von mir abgekürzt REL) als eine der Durchgangs- und Reifungsstufen der "obersten Lernregel" begreife. Marx schlägt dieses Weltverhältnis ohne weiteres dem "Überbau" zu, sieht nichts Materielles und zur Produktion Gehörendes darin.
    Ich würde gerne meine bisher sehr allgemein gehaltnen Thesen zur Wissensverarbeitung als dem Kern der historischen Stufen der "Produktivkraft"-Entwicklung anhand dieser "Stufe" in einem weiteren Beitrag näher erläutern
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    ((Um eine vage Andeutung zu geben, was ich ausserdem noch für Stufen dieser Art sehe, behaupte ich hier nur noch soviel - aber nur, um die Art, wie mit diesen Kategorien operiert wird, einmal grob zu illustrieren
    Es gibt nur folgende Reifungsstufen der obersten Lernregel:
    A. vermeintlich erfahrungsgestützter Umgang mit Erfahrung, in Wirklichkeit prinzipienloser ("OPPortunistischer").
    Wie sich zeigen lässt, mündet diese Wissenserwerbsform in etwas, das kulturell vor langer Zeit massgeblich war und die Form MAGISCH-ABERGLÄUBISCHEN DENKENS annahm. Tatsächlich ist ohne weitere Korrekturen diese Lernregel die erste und einzige, mit der Leute arbeiten, wenn nicht ihnen aktiv angebotene und vermittelte (oder, schwerer, passiv selbst gemachte) Bildungserfahrungen (im Vollzug historischer Reifungsschritte) sie den historisch-kulturell bereits absolvierten Weg persönlich nachvollziehen lassen.
    Diese Lernregel ist in früher historischer Zeit bereits kulturell in eine andere übergegangen (die Weise des Übergehens durch Erfahrung mit dem Erfahrungserwerb, den die jeweilige Lernregel nahelegt, nenne ich ihr Scheitern):
    B. RELigion. Religiöses Denken wird als kognitive Form extrem unterschätzt. Für genuin religiös (auch metaphysisch) Denkende ist diese Form aber unhintergehbar, der Mangel daran ist für sie undurchschaubar (leider auch für so gut wie alle derzeitigen Atheisten oder besser, Areligiösen: Der Fehler der Religion scheint für sie festzustehen, aber nicht greifbar zu sein). Die von Trägern eines genuinen REL Weltverhältnisses entwickelten Inhalte fallen, wenn keine besonderen Anstrengungen zu ihrer Vermittling unternommen werden, bei andern in einen OPP Rahmen zurück; ich nenne diese in Aberglauben OPP zurückgefallene Form von REL: Gläubigkeit. (Der Unterschied ist: Wo man in REL eine Hypothese hat, hat man in OPP eine "aufgrund von Erfahrung berechtigte Erwartung".)
    C. MODernes Denken: fällt erst recht in REL und damit als Rahmen in Gläubigkeit zurück, und kommt bei so gut wie allen Leuten heutzutage garnicht anders vor als nur in dieser Form. Linksradikale unterscheiden sich dadurch von ihrer Umgebung, dass sie MODernität in einem genuinen RELigiösen Rahmen denken. (Das wäre genauer zu zeigen.)
    Es lässt sich, wie ich glaube, weiter zeigen:


    Den OPP Weltverhältnissen, auch gläubigen (solchen mit REL-) oder RELigiös-degereniert-MODernen (gläubig-MODernen) Inhalten sind Gewalt, Vertrag, (Klassen)Staat und Gerechtigkeitsdenken angemessen.


    Das dem genuinen RELVerhältnis angemessene Vergesellschaftungskonzept ist das einer GELDFREIEN Tauschwirtschaft (denkt an die Tauschkreise und Geldkritik der Esoteriker...).
    Wenn (das zugehörige REL-Weltverhältnis in OPP, und mit ihm..) sie in eine Vertrags-Konzeption zurückfällt (in der sie sich nie etwickelt hätte), kommt die Geld-Vorstellung hinzu. Wenn diese (von Leuten, die dahin gelangt sind, vernünftig gefundene) Vergesellschaftungsform auf Basis eines ihr zugrundeliegenden MOD-gläubigen OPP-Weltverhältnisses tatsächlich umgesetzt wird, kommt ein bürgerlicher Staat und entwickelte kapitalistische Klassengesellschaft heraus.usw.
    Das dem MOD Weltverhältnis einzig angemessene Produktionsverhältnis WÄRE libertäre gesellschaftsweite Eigentumsfreiheit.
    D. Ich glaube, dass sich derzeit in fortgeschrittenen (kapitalistischen) Industrieländern sehr diskret Anzeichen für ein NACHMODernes Weltverhältnis ergeben...))


    Alle Weltverhältnisse weisen zusätzlich je zu ihnen gehörende (leider scheiternde) Formen des Versuchs auf, Andersdenkenden ihr Weltverhältnis und die auf ihrer Grundlage je legitim und vernünftig erscheinenden Vergesellschaftungskonzepte zu VERMITTELN (sofern sie nicht, moralisch oder autoritär, einfach Anerkennung dafür fordern):
    Empathische Einfühlung (OPP),
    Kritik (REL),
    selektiv-begriffsbildungs-stimulierende Erfahrungsvermittlung (MOD).


  • Hallo @franziska,


    sorry, aber ich bin hier raus.


    Dein Text sollte mich ja sicherlich auch inhaltlich erreichen, ist ihm nicht gelungen.
    Nicht so, wie Du es aufgeschrieben hast, bis zum Inhalt dringe ich da nicht mal richtig vor.


    Falls das irgendwer lesen kann, ich werde ihn sicherlich nicht daran hindern. Mir gelingt es nicht bei so vielen Einschüben, Ergänzungen etc. pp.
    Von Deiner Satzlänge insgesamt will ich nicht erst reden.


    Wie gesagt, ich schließe keinesfalls aus, daß in Deinem Text ausgesprochen kluge Gedanken zusammen gefaßt sind - für mich waren sie nicht bestimmt, dafür ist die Sprache nicht 'meine'.


    Nichts für ungut.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Tja. Das wundert mich nicht. ((Auch wenn ich mich (so wie sonst) weiter bemühe, nach dem ersten vergrübelten Abfassen meinen Text zu glätten und dämlich ausgedrückte Stellen zu verbessern.))
    Auch du, Wat, hast ja in deiner "Theorie"-Darstellung "Schnipp" machen müssen. Auch Wal konnte nur noch versprechen, Belege usw nachzureichen.
    Wie sollte es auch anders sein in einem thread, der tendenziell das Gesamtwerk von Marx auf den Begriff bringen und es zugleich auf den Prüfstand heben will.
    Auch ich habe nur etwas sehr Komprimiertes und extrem Erläuterungsbedürftiges schreiben können.


    Ich kann aber auch direkt an deinen Text anknüpfen.
    Warum begründet ein bestimmter Stand der Produktivkräfte den Wechsel des Produktionsverhältnisses?
    Muss ich diesen Stand dann nicht BENENNEN können? Muss man das nicht begründen durch die ART der jeweils ausgebildeten Produktivkräfte? Es kann doch nicht IRGENDEIN Stand sein, oder? Wird nicht sonst der Satz über den Zusammenhang zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen völlig nichtssagend und nicht mehr nachvollziehbar?
    Weil ich diesen Eindruck habe, darum hab ich nach den Stufen in der Produktivkraft-Entwicklung gefragt, und die genaue Angabe der den jeweiligen Übergang "erzwingenden/ermöglichenden" Produktivkraft-Stände bei Marx vermisst.


    (Ausserdem hab ich einen eigenen Vorschlag gebracht, wie man diese Stufen vielleicht definieren könnte. Nämlich als unreifere bzw. reifere Formen des Umgangs mit verfügbarem Erfahrungswissen. Und ich hab behauptet: Die Leute, die jeweils so ein Verhältnis zu Welt und Wissen (selbst ausgebildet oder nachvollzogen) haben - die haben AUTOMATISCH auch bestimmte Vorstellungen, wie und warum ihnen bestimmte Formen der Vergesellschaftung vernünftig erscheinen. Die können garnicht anders als es sich so denken. Sonst müssten sie ihr "Weltverhältnis" ändern. Das wäre aber auszuführen.)

  • 11) Das gegenseitige Vertrauen der Menschen untereinander in den entwickelten Gesellschaften nimmt zu.


    Öhm, wie bitte? Widerspricht das nicht der Vereinzelung, daß der Zaun um den Garten und das Haus immer höher werden könnte, wenn Gesetze nicht eine gewisse Höhe vorschrieben, daß in den häuslichen Bereich zurück gezogen wird, daß nach Feierabend der Kollege nen 'unbekannter' ist?

  • Hallo Wat.,
    eigentlich hatte ich gehofft, dass alle meine elf Schlussthesen angezweifelt werden und ich so Gelegenheit bekomme, meine Argumente und Belege dazu vorzubringen. :thumbup:


    Ich hatte ja behauptet:
    1) Als unmittelbare Folge der wachsenden Produktivität wird die existenzielle Not der Menschen insgesamt geringer.
    2) Die Privilegien der Männer und die Unterschiede zwischen Frauen und Männern schwinden.
    3) Die Erwachsenen gehen umsichtiger und vorsichtiger mit Kindern um.
    4) Die Menschen behandeln - soweit sie die Möglichkeit dazu haben - Pflanzen, Tieren und natürliche Umwelt vorsichtiger und umsichtiger.
    5) Der Bildungsabstand zwischen Herrschenden und Beherrschten schwindet.
    6) Die Informationsvorsprung der Herrschenden schwindet.
    7) Der Vorsprung an Produktionskenntnissen der Herrschenden schwindet.
    8.) Die Informationstechnologie macht Stellvertretung und Repräsentation überflüssig.
    9) Der allgegenwärtige Überwachung mittels Informationstechnologie bedroht weniger die „kleinen Leute“, als vielmehr die Mächtigen und macht sie angreifbar.
    10) Der Zusammenhalt (Cliquen- und Vetternwirtschaft) innerhalb der Herrschenden schwindet.
    11) Das gegenseitige Vertrauen der Menschen untereinander in den entwickelten Gesellschaften nimmt zu.


    Zu meiner 11. These:
    Diese Behauptung entstammt teils meiner Erfahrung aus 10 Jahren im (sozialistischen) Ausland, teils auch meiner Beobachtung der Unterschiede von meiner Generation zur Generation meiner Eltern.
    Da gibt es einen deutlichen Unterschied im Vertrauen. Nehmen wir dafür als Beispiel: Ein naher Angehöriger muss dringend zur Notaufnahme ins Krankenhaus.
    Hier in Deutschland ruft man den Notruf und wartet, bis die Ambulanz kommt. Die nehmen den Patienten mit und gut ist. Niemand von uns kennt die Sanitäter, niemand kennt die behandelnden Ärzte, in der Großstadt kennt man vielleicht nicht einmal das Krankenhaus, in das der Patient gebracht wird.
    In China gibt man einen Patienten nicht blind in fremde Hände. Und umgekehrt: Kein chinesisches Krankenhaus nimmt einen fremden Patienten auf, ohne dass zuerst die Bezahlung geklärt ist. Wer einen Unfallverletzten von der Straße aufsammelt und ins Krankenhaus bringt, muss für dessen Behandlung bezahlen.


    Anderes Beispiel: In Deutschland und den USA wird viel online im Internet verkauft und gekauft.
    In China ganz wenig. In China macht man eigentlich nur Geschäfte mit Bekannten und Freunden. Umgekehrt: Wenn man ein Geschäft mit einem Fremden anbahnt, muss man den erst persönlich kennenlernen. Man lädt ihn zum Essen ein etc.pp.


    Kurz: Im entwickelten Kapitalismus sind alle Leute durch so viele Rechtsgeschäfte durchgegangen, dass sie ganz selbstverständlich annehmen, dass (fast) jeder sich an Verträge hält und dass (fast) jeder seinen Job ordentlich erledigt.
    Man macht Geschäfte online mit Fremden, man lässt Handwerker in die Wohnung, man vertraut seine Angehörigen Fremden an. Das macht das Leben leichter und einfacher. All das fehlt in den kapitalistischen Entwicklungsländern.
    Das meinte ich mit meiner 11. These.


    Gruß Wal

  • Hallo. Ich bin neu hier im Forum. Mich interessiert das Thema 'Kapitalismuskritik' sehr. Ich finde Kapitalismuskritik auch notwendig und aktuell angesichts zunehmender ökologischer und sozialer Probleme. Vor Allem interessiert mich die Frage, ob dem Kapitalismus die Tendenz zum finalen Zusammenbruch innewohnt, wie sie Robert Kurz einmal beschrieben hat. Marx hebt sich dabei für mich vor Allem durch seine akribische Begriffsanalyse von den heutigen Wirtschaftswissenschaften, die es nicht so genau mit den Begriffe nehmen, ab.


    Zum Text: Ich finde, man muss, wenn man über ein Thema und historische Personen, die sich dazu äußerten, sprechen will, immer überlegen, ob man über das Thema oder über das, was die entsprechende Person darüber sagte, reden will. Also machen wir eine historische 'Kapital'-Exegese oder reden wir über heutige, aktuelle Kapitalismuskritik, in der auch das 'Kapital' geprüft werden soll, was davon noch aktuell ist oder nicht?


    Z.B. die These, dass Arbeit eine ewige Naturnotwendigkeit und unabhängig von der Gesellschaft zu betrachten ist, stammt von Marx (Kapital-Exegese). Allerdings würde ich dieser These widersprechen (aktuelle Kapitalismus-Kritik): denn "Arbeit" als Begriff ist selbst immer wieder in der Geschichte einem gesellschaftlichen Wandel unterworfen gewesen. Allein schon die Definition von Arbeit als "Naturnotwendigkeit" ist eher modernen Ursprungs, und diese Definition findet sich nicht nur bei Marx, sondern bei vielen seiner Zeitgenossen und Vorgängern.


    Und dieser gesellschaftliche Charakter der "Arbeit" ist es, der uns auch von den Tieren unterscheidet. Bei Menschen gibt es im Unterschied zu den Tieren eben keine Gene, die ihn nötigen, einfach drauflos zu produzieren (Nahrung, Behausung etc.). Das Überleben eines Menschen findet immer in der Gesellschaft und von der Gesellschaft abhängig statt, so auch sein Handeln und Produzieren. Und so ist das Tätig-Sein des Menschen auch immer wieder einem Wandel unterworfen, weil auch die Gesellschaft sich historisch wandelt. Die Art und Weise, wie der Einzelne heute überlebt, ist eine Andere, wie der Mensch in der Antike oder dem Mittelalter überlebte. Allein schon das Wort "Arbeit" war nur zu bestimmten Zeiten existent und hatte auch unterschiedliche Bedeutungen. Daher kann man nur auf einer ganz rudimentären und biologischen Ebene von Tätigkeit oder Tätig-Sein sprechen, wenn man die praktische Notwendigkeit des im Allgemeinen hervorheben will, um zu überleben.
    Von daher würde ich heute noch weiter gehen als Marx und den Begriff "Arbeit" nicht mehr selbstverständlich als "gesellschaftliche Notwendigkeit" definieren.

  • Hallo Palmax,
    willkommen im Marx-Forum!
    Du wirst ja bemerkt haben, dass wir hier zwei Diskussionsthemen haben.
    Das Hauptgebiet unserer Diskussion ist die Kritik des heutigen Kapitalismus und die Wege, die uns aus dem Kapitalismus herausführen.
    Das Nebengebiet ist die Kritik der Werkzeuge der Kapitalismus-Kritik (Marx oder Linke).
    In dem Thread "Warum Marx" hatte ich versucht, meine eigenen Instrumente der Kapitalkritik darzulegen und zu erklären.


    Letztlich kommt es aber weniger darauf an, wo unser Denken seinen Ausgangspunkt nimmt. Letztlich kommt es darauf an, wie weit unser Denken reicht, wie weit wir den heutigen Kapitalismus erklären und kritisieren können, und ob wir uns auf Wege einigen können,die uns aus dem Kapitalismus herausführen können.
    Es führen viele Wege nach Rom. Aber irgend ein Weg nach Rom sollte für jeden offen und erreichbar sein.


    Gruß Wal

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