Hallo,
welche Rolle Genossenschaften bei unserer Emanzipation von Lohnarbeit und Kapital spielen können, ist unter Linken seltsamerweise umstritten. Ich halte Genossenschaften für ein wichtiges Experimentierfeld, wo grundlegende Erfahrungen für eine nachkapitalistische Gesellschaft gesammelt werden können.
Marx und Engels sahen alle Genossenschaften, von den Frühsozialisten bis in ihre Zeit durchaus positiv.
Im von Marx verfassten Programm der Ersten Internationalen Arbeiterassoziation heißt es:
"Wir anerkennen die Kooperativbewegung als eine der Triebkräfte zur Umwandlung der gegenwärtigen Gesellschaft, die auf Klassengegensätzen beruht. Ihr großes Verdienst besteht darin, praktisch zu zeigen, dass das bestehende despotische und Armut hervorbringende System der Unterjochung der Arbeit unter das Kapital verdrängt werden kann durch das republikanische und segensreiche System der Assoziation von freien und gleichen Produzenten.“"
Andreas Exner hat nun eine linke Kritik der spanisch-baskische Genossenschaften in Mondragon ausgearbeitet, die zu dem Schluss kommt, dass die Mondragon-Genossenschaften nicht seinem Ideal einer nachkapitalistischen Wirtschaftsweise entsprechen.
Ich finde, das ist eine kleinliche Kritik. Es ist eine Kritik, die nur Schwarz oder Weiß zulässt ohne Zwischentöne. Marx sah sogar in Aktiengesellschaften, die häufig bei Linken als die Verkörperung des "bösen" Kapitals gelten, eine nützliche Übergangsform zwischen Kapitalismus und Kommunismus.
Die Kritik von Andreas Exner ist trotzdem sehr interessant und lesenswert, weil sie detailreich und genau beobachtet ist. Man erfährt viel über Mondragon, und das ist gut. Je mehr wir über Genossenschaften wissen, desto besser.
Gruß Wal