"Neuer" Krefelder Appell?

  • Dieser „neue“ Aufruf hat einen großen Namen gestohlen, um sich wichtig zu tun und um respektabel zu erscheinen. Der „Krefelder Appell“ von 1980 war von mehr als 4 Millionen Menschen unterzeichnet worden, um die „Nato-Nachrüstung“, das heißt die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in der Bundesrepublik, zu verhindern.
    Der jetzige "neue" Aufruf ist primitive Verschwörungstheorie, die dem „US-Machtkomplex“ die ganze Verantwortung und alle Schuld für alle möglichen Probleme dieser Welt in die Schuhe schiebt. Da wird Umweltzerstörung, Kriegsgefahr, Corona-Pandemie und Überwachungsstaat in eine einzige Erzählung mit einer allmächtigen personellen Ursache verspinnt - ohne allerdings das soziale Elend im Kapitalismus, Abhängigkeit und Armut, Hunger, Obdachlosigkeit und Perspektivlosigkeit mit nur einem Wort zu erwähnen. In dieser "neuen Krefelder" Erzählung ist nicht der globale Kapitalismus, sondern sind allein die US-Machthaber das Problem.
    Mit dieser Erzählung biedern sich Rechte und Rechtsextreme bei der Friedensbewegung an und wollen die Friedensbewegung für reaktionäre Ziele nutzbar machen.


    Im Übrigen:

    In den Medien herrscht großes Wehklagen über die verbreitete Unvernunft im Land. Bisher bezog sich die Überheblichkeit der „Wissenden“ pauschal auf die „dumme Masse“. Das habe ich noch nie akzeptiert und noch nie geteilt. Inzwischen lokalisiert sich jedoch die Immunität gegen Vernunftgründe immer konkreter auf die Schicht, die Karl Marx „Kleinbürgertum“ nannte. Das sind Leute, die ihren Lebensunterhalt auf selbständige Arbeit gründen oder gründen möchten. Das schafft Bedingungen, durch die sich diese Leute anderen überlegen fühlen: Sie arbeiten selbständig für ihren Lebensunterhalt, sie entscheiden selbständig in ihrem Arbeitsumfeld, und sie meinen daher, dass sie ganz automatisch selbständig denken könnten. Sie fühlen sich als „Individuen“, sehen sich außerhalb oder gar oberhalb der Gesellschaft und ihrer Klassenkonflikte. Ihr „selbständiges“ (alternatives?) Denken machte diese Leute früher für viele Internet-Linke zu scheinbar natürlichen Verbündeten. In der jetzigen Pandemiekrise, die eine politische Krise ist, stellt sich heraus, dass das Kleinbürgertum – wie in jeder politischen Krise – sich mehrheitlich nach Rechts orientiert.

    In dieser Krise stellte sich also heraus, dass die „dumme Masse“ gar nicht so dumm ist, die scheinbar unabhängigen „Selbstdenker“ jedoch borniert und anfällig für rechtes Gedankengut sind. Diese Erkenntnis ist eine schwere Enttäuschung für viele Linken.

    Es ist keine neue Erkenntnis für mich.



    Siehe statt dessen:

    Antimonopolismus und Verschwörungstheorie - wo Links und Rechts sich treffen


    Corona-Pandemie und Solo-Selbständigkeit


    Nach/Mit Corona wird vieles anders


    BlackRock - Kapitalismus im 21. Jahrhundert

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