Paul kommentierte:
QuoteDisplay MoreMarx verneint einen Zusammenhang von Geldmenge und Preisentwicklung. "Die Illusion, dass die Warenpreise durch die Masse der Zirkulationsmittel ...etc Marx 3. Bd Ware und Geld). Ich denke, er hat aber auch nicht kommen sehen, dass eine EZB die Geldmenge um das zehnfache erhöht. Marx ist aufgrund seiner Zeit noch stark im Zusammenhang von Geld gleich Gold verankert.
Sie selbst haben geschrieben:
"Preissteigerungen wird es dort geben, wo überschüssiges, exzessives Geld hinfließt und zusätzliche, exzessive Nachfrage schafft. Das wird nicht der durchschnittliche Konsumgütermarkt sein, mit dem die normale Inflationsrate gemessen wird."
Wann gibt es Ihrer Meinung nach ein Inflation? Ich habe immer noch eine Briefmarke mit dem Aufdruck: 500 Millionen Reichsmark.
Den Blog gibt es ja nicht mehr, aber vielleicht mögen Sie sich gelegentlich über die Inflation bzw. der Frage, was mit der riesigen Geldmenge geschieht, äussern. Ich schau dann wieder einmal rein.
Paul
Hallo Paul,
eine wissenschaftliche Herangehensweise beginnt mit Formalien. Das verstümmelte Marx-Zitat, das du anführst, findet sich nicht im 3. Band des Kapitals, sondern in Band 1, Seite 137f, also ganz zu Beginn der Marxschen Analyse der kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten.
Marx bezieht sich hier positiv auf das klassische "Gesetz, dass die Qantität der Zirkulationsmittel bestimmt ist durch die Preissumme der zirkulierenden Waren und die Durchschnittsgeschwindigkeit des Geldumlaufs...." Kapital I, S. 136. Hier stimmt Marx mit den Klassikern Smith, Ricardo etc. überein. "Quantität der Zirkulationsmittel" bezieht sich auf die tatsächliche Menge des Geldes, die in dem tatsächlichen Warenumlauf als Zirkulationsmittel fungiert. Das ist keine Sollgröße, sondern eine Istgröße.
Im Folgenden geht Marx auch auf die (unsinnige) Umkehrung dieses Gesetzes ein: "Die Illusion, dass umgekehrt die Warenpreise durch die Masse der Zirkulationsmittel .... bestimmt werden, wurzelt bei ihren ursprünglichen Vertretern in der abgeschmackten Hypothese...." usw. (Kapital 1, S. 137.
Heißt: Die Warenpreise (und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes) bestimmen die für die Zirkulation nötige Geldmenge, - aber nicht umgekehrt. Die (irgendwo vorhandene) Geldmenge bestimmt nicht die Warenpreise.
Um sich das klarzumachen gibt es das einleuchtende Bild: Warenkäufer = Pferde, Geld = Wasser. Man kann den Pferden noch so viel Wasser in den Trog gießen, wenn sie nicht saufen, kommt das Wasser nicht in "Zirkulation". Das (potentielle) Geld wird nicht zum Zirkulationsmittel (umlaufendes Geld). Geld, das jemand auf dem Konto oder in der Hosentasche hat, wirkt nirgendwo preissteigernd auf irgendeinen Warenpreis.
Gleiches gilt für die Geldmenge, die von den Notenbanken "kreiert" werden. Dieses potentielle Geld kommt tatsächlich nicht in den Warenumlauf, sondern bleibt bei Banken und Finanzinstituten "hängen", die es vergeblich den Kapitalisten und allen anderen als Kredit anbieten und schließlich damit in Wertpapieren spekulieren. Das Notenbank-Geld, das nicht als Kredit eingesetzt wird, kommt nicht in die Warenzirkulation und hat deshalb keinen Einfluss auf die Warenpreise.
Du fragst auch:
QuoteWann gibt es Ihrer Meinung nach eine Inflation?
Auch dahinter steckt eine Missinterpretation der Marxschen Theorie. Marx analysierte den Kapitalismus nicht mit dem Ziel, sich mit den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus geschickter umzugehen. Es ist bekannt, dass Marx bei Aktiengeschäften Geld verloren hat. Er konnte also selbst nicht mit dem Kapitalismus "geschickt umgehen".
Es gibt aber Marxisten, die aus der Marxschen Theorie ein Handwerkszeug ableiten wollen, um den Kapitalismus zu überlisten oder mindestens um Wirtschaftskrisen zu vermeiden. Das ist eine Verballhornung von Marx.
Marx analysierte den Kapitalismus mit dem Ziel, zu erklären, warum der Kapitalismus für Mensch und Natur schädlich ist und um zu zeigen, dass die Lohnabhängigen den Kapitalismus loswerden müssen und loswerden können.
In dieser Kapitalismuskritik kommt das Auf und Ab von Aktienkursen, von Inflation und Deflation, von Aufschwung und Krise nicht vor. Das sind Nebenfragen, die von Marx allenfalls in Nebensätzen behandelt werden.
Wer die Kapitalismuskritik von Marx darnach beurteilt, welche Hilfen sie ihm für Geldgeschäfte gibt, der muss enttäuscht werden.
Es ist auch ein dummes Vorurteil, wenn du behauptest:
QuoteMarx ist aufgrund seiner Zeit noch stark im Zusammenhang von Geld gleich Gold verankert.
Marx hat nicht aus Grundsatz mit Gold als Geld gerechnet, und noch weniger, weil er in der Gleichung Geld=Gold "verankert" gewesen wäre.
Er schreibt zu Beginn des "Kapital":
„Ich setze überall in dieser Schrift (dem ,Kapital‘, w.b.), der Vereinfachung halber, Gold als die Geldware voraus.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 109.
Es ist keineswegs so, dass Marx Gold als Geldware benötigt, um seine Werttheorie zu entwickeln und die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus zu analysieren.
Marx ist es in seinen Beispielrechnungen von Warenpreisen weder auf absolute Größen noch auf eine bestimmte Währung angekommen.
So konnte er schreiben: "Die Zahlen mögen Millionen Mark, Franken oder Pfund Sterling bedeuten." Kapital II, 396.
Außerdem hat Marx die - fast notwendige - Entwicklung von Goldwährung zur Papierwährung erschöpfend dargestellt:
Siehe dazu im Karl-Marx-LexikonGold- und Papierwährung.
Gruß Wal Buchenberg
Siehe auch:
The most elegant explanation of the lack of inflation