Ein Altsozialdemokrat sucht Rat bei Marx

  • Joachim Jahnke ist ein unermüdlicher Aufklärer, der immer noch vom sozialdemokratischen goldenen Zeitalter der 60er und 70er Jahre träumt. Nun scheint er die Hoffnung allmählich zu begraben:


    http://www.jjahnke.net/rundbr102.html#3025


    Gruß Wal

    Ich schaue mit Optimismus in die Zukunft, auch wenn sie ohne mich stattfindet.

Kommentare 7

  • Hallo Herr Jahnke,
    Eine wichtige Unterscheidung, die jeder treffen kann, der schon einmal bestohlen worden ist, ist Eigentum und Besitz.
    Eigentum macht nicht satt. Besitz möglicherweise.
    Wo hat gemeinschaftlicher Besitz funktioniert?
    Gemeinschaftlicher Besitz funktioniert in jeder Partnerschaft. Gemeinschaftlicher Besitz funktioniert in (fast) jeder Wohneigentümergemeinschaft.
    Gemeinschaftlicher Besitz funktioniert in Genossenschaften.
    Gemeinschaftlicher Besitz funktioniert in jedem kapitalistischen Betrieb - nämlich immer dann, wenn Chefe in Urlaub ist.
    Sogar Staats- und Parteibesitz hat im Osten und im Westen stückweise hier und da funktioniert.

    Können wir nun die Liste aufmachen, wo individuelles Eigentum und individueller Besitz an Produktionsmitteln NICHT funktioniert?

    Gruß und gute Wünsche für die Feiertage
    Wal Buchenberg
  • Gab es das schon mal irgendwo, dass das Proletariat unvermittelt und vollumfänglich Eigentümer sämtlicher Produktionsmittel gewesen ist?

    cu
    renée
  • "Tja, Privateigentum an Produktionsmitteln gab es in der DDR wohl nicht, aber wessen Eigentum war es dann? Eigentum "des Proletariats" aber wohl auch nicht, denn die Arbeiter hatten keine Verfügungsgewalt darüber"

    Nun ist der Kommunismus ja oft genug versucht worden. Aber wo hat das Eigentum des Proletariats denn jemals funktioniert? Von der Utopie kann ja niemand leben.
  • Tja, Privateigentum an Produktionsmitteln gab es in der DDR wohl nicht, aber wessen Eigentum war es dann? Eigentum "des Proletariats" aber wohl auch nicht, denn die Arbeiter hatten keine Verfügungsgewalt darüber. Es stellt sich halt die Frage, inwieweit die DDR etwas mit dem selbst proklamierten "Sozialismus" zu tun hatte. Leider wird diese ja ( gern gemeinsam mit der UdSSR oder China, Kuba etc.) als Beispiel für die "Unmöglichkeit" einer "kommunistischen Utopie" herangezogen.

    cu
    renée
  • Hallo Herr Buchenberg,

    Illusionen auf ein Ende des Kapitalismus habe ich nie gehabt, zumal was danach kommt, noch schlimmer sein könnte. Was das Ende des Privateigentums an Produktionsmitteln bedeutet, ist uns ja gerade in der DDR vorgeführt worden.

    Aber den Raubtierkapitalismus können wir vielleicht doch wieder loswerden. Jedenfalls sollte das unser politisches Ziel sein, ob man von Marx kommt oder nicht. Mein Buch führt gerade vor, wieviel wir am Sozialen der Marktwirtschaft verloren habe und wie man es durchaus mindestens in großen Teilen zurückholen könnte.

    Die Chinesen sind weit davon entfernt, die Erfüllung ihrer Wünsche zu erleben, anders als in den ersten Jahren nach Mao mit der Überwindung der Hungersnöte mit hunderten an Millionen Opfern. Die chinesische Gesellschaft ist jetzt eher noch ungleicher geworden als die der USA und Ausbeutung ist überall, eine funktionierende Sozialversicherung nirgendwo. Menschen vergleichen sich nun mal - unmittelbar nach Notzeiten noch mit diesen, dann aber mit ihren Zeitgenossen - und sind in besonders ungleichen Gesellschaften nicht besonders glücklich. Außerdem ist China immer korrupter geworden. Das Regime braucht jetzt offensichtlich schon die äußereb Spannungen über ein paar Inselchen, die bisher Japan kontrolliert hat, um von den inneren Spannungen abzulenken.

    Bei Afrika wäre ich schon gar nicht optimistisch, zumal es einigen Ländern zu Kollonialzeiten eher besser ergangen ist (z.B. Simbabwe). Da braucht man sich nur die immensen Geburtenraten anzusehen und an die Folgen zu denken in einer Welt, wo sich gerade in Afrika Dank global warming die Trockenheit noch ausbreiten wird. Schauen Sie sich doch mal das an: jjahnke.net/index_files/18192.gif und jjahnke.net/index_files/18122.gif. Das Ende unserer Welt ist dagegen noch nicht "nahe". Und halbwegs realistische Hoffnungen begrabe ich noch längst nicht.

    In diesem Sinne auch von mir nochmals beste Grüße
    Joachim Jahnke
  • Hallo Herr Jahnke,
    Ich bin froh, dass Sie den Respekt erkennen, der in meiner Charakterisierung Ihrer Arbeit steckt.
    Aber ich glaube nicht, dass der Kapitalismus bald am Ende ist, er verlagert nur seine Schwerpunkte.
    Der globale Kapitalismus existiert seit 150 Jahren mit Reichtum und Elend regional verteilt. Diese regionale Verteilung ändert sich derzeitig. Für uns in Europa fühlt sich das an wie das "Ende der Welt". Für die Chinesen - und vielleicht auch bald die Afrikaner - beginnt in dieser Zeit die Erfüllung ihrer Wünsche.
    Wir werden sehen!
    Mit besten Grüßen zum Jahreswechsel!
    Wal Buchenberg
  • Schön, daß Sie mich wahrnehmen. Allerdings träume ich nicht und schon gar nicht brauche ich Rat von Marx. Auch bin ich voller Hoffnung, die ich immer wieder auf meiner Webseite und besonders in meinem letzten Buch "Vom Untergang der Sozialen Marktwirtschaft" ausspreche. Dieses System wird die Akkumulationskrise, die man auch ohne Marx erkennen kann, nicht lösen können. Wenn die Krise anhält, werden die Menschen mehrheitlich nach Systemveränderungen suchen.

    Die einzige realistische, die ich erkennen kann, ist das, was wir unter "Sozialer Marktwirtschaft" sehr erfolgreich und von der ganzen Welt beneidet über fast 30 Jahre gehabt haben. Das paßt auch heute noch, wenn man gleichzeitig die Globalisierung einem notwendigen Management unterwirft.

    Wenn beispielsweise in 5 Jahren immer noch fast 60 % der Spanier bis 25 Jahre arbeitslos sein werden, ist dieses System dort an der Wand. Die Soziale Marktwirtschaft ist übrigens auch untergegangen bzw. hat sich ihr Untergang erheblich beschleunigt, weil der Marxismus in Osteuropa sich selbst erledigt hat und damit die Systemkonkurrenz entfallen ist (natürlich werden Sie jetzt sagen, das sei in Osteuropa gar kein Marxismus gewesen).

    Beste Gruesse
    Joachim Jahnke