Wer ist heute links?

  • Es gibt Linke, die sich in den Vordergrund drängen. Das ist vor allem eine „politische Linke“, die sich in Partei und Staat betätigt.

    Dann ist da noch eine „literarische Linke“, die den steinigen linken Meinungsmarkt beackert.

    Bei beiden finde ich eine verbreitete Blindheit gegenüber Brot- und Butterthemen.


    Außerhalb der literarischen und politischen Linken gibt es aber eine Vielzahl von Leuten und Initiativen, die sich mit existentiellen Fragen befassen, ohne als Linke ernst genommen zu werden:

    - die alle Hartz-Sanktionen bekämpfen;

    - die sich gegen Stromsperren durch die Stromanbieter wehren;

    - die für (bezahlbaren) Wohnraum kämpfen;

    - die für kostenlosen Nahverkehr eintreten;

    - die gegen Leiharbeit und gegen den Niedriglohnsektor vorgehen;

    - die sich um Versorgung von Armen kümmern, egal ob diese einen deutschen Pass haben oder nicht;

    - die Netzwerke aufbauen für (kostenlose) Nachbarschaftshilfe;

    - die sich gegen Verkehrswahnsinn und für Regionalisierung und Kommunalisierung der Lebensmittel- und Energieversorgung einsetzen;

    Das sind - ohne Garantie auf Vollständigkeit- die Leute, die mir Hoffnung machen.


    Wal Buchenberg

  • Die "musikalische Linke" gibt's auch noch. :P






    »Ich frag' mich was das für Reichtum ist, in dem man selbst auch nur eine Ware ist. [...] Sag', ist der Mehrwert, den wir hier produzieren, wirklich mehr wert als das, was wir dadurch verlieren?«


    [Vorträge] ★ BGEFinanzkapital

  • Wer oder was ist die revolutionäre Linke?

    Es sagen viele Linke, sie wollten den Kapitalismus beseitigen, und meinen mit "Kapitalismus" mal dieses und mal jenes. Sie meinen Großkonzerne oder Multis, Miethaie, Finanzhaie oder Banken – aber so gut wie nie meinen sie die Ausbeutung der Lohnarbeit. Wer nicht die Abschaffung der Lohnarbeit will, der reformiert den Kapitalismus, beseitigt aber nicht seinen Kern: die Ausbeutung fremder Arbeit. Diese Linke hält sich für revolutionär, ist es aber nicht.

    Was ist mit der reformistischen Linken? Die wollen Verzicht auf Kernkraft, Verzicht auf Kohle, Verzicht auf Glyphosat, Verzicht auf Plastik, Verzicht auf Diesel, Verzicht auf Flugreisen, Verzicht auf Massentierhaltung, Verzicht auf Globalisierung. Sie wollen statt dessen Rettung der Bienen, Schutz des Waldes und der Wiesenblumen, Grundeinkommen für alle, ökologische Landwirtschaft usw. usf. Diese reformistischen Linken wollen nicht den Kapitalismus beseitigen, sie rauben aber den Kapitalisten die Seele, d.h. ihren Profit und die Kontrolle der Produktionsmittel. Die reformistische Linke ist gegenwärtig der Maulwurf, der den Kapitalismus unterhöhlt.

    Die Ziele der revolutionären Linken zu Ende gedacht – landen wir im Nirgendwo.

    Die Ziele der reformistischen Linken zu Ende gedacht – landen wir bei der Selbstbestimmung der Gesellschaft über ihre eigenen produktiven Mittel.

    Diese Linke hält sich nicht für revolutionär, ist jedoch revolutionär ohne es zu wissen.

  • Dann geb ich mal meinen Einstand: bin der Neuling hier und werfe eine freundliches "Hallo Zusammen" in die Runde! Bin über den YT-Kanal von Wal Buchenberg hier gelandet und zur Zeit, also in meiner freien Zeit dabei, Marxens "Kapital" zu lesen und denke hier wertvolle Hilfe dabei zu bekommen. Ein großer Dank an dieser Stelle an Wal Buchenberg für seine Vorlesearbeit und - vorab - für seine Erklärungen/Texte hier im Forum. Bin selbst kein Akademiker und hier ist es möglich, eine Art Marxlesekreis zu simulieren.


    Jetzt zum Thema: teile die genannten Kritikpunkte an der Linken. Letzlich will sie immer nur den Kapitalismus reformieren und erschließt dadurch letztlich nur neue (ökologischere) Märkte. Sie bejaht dadurch die Lohnarbeit und was mir durch die begonnene Marxlektüre auffällt ist die Tatsache, dass sie Wirtschaft nicht außerhalb der Warenproduktion denken kann.


    Ich frage mich, ob die Bewegung der Gelbwesten, die inzwischen durchaus und bedauerlicherweise auf der Rechten steht nicht einfach eine verschenkte Chance ist. Hier hat sich das Prekariat spontan und entschlossen und zunächst ohne klare Ziele und Führung (!) versammelt und selbstbewusst gefordert. Die Forderungen waren angesichsts der katastrophalen sozialen Lage völlig berechtigt. Mir kam die Abgrenzung von Seiten der Linken zu schnel, zu reflexhaft und es zeigt, wie stark sich die Linke von einer Generalstreikfähigen Masse abgespaltet hat.

  • Ist Leben generell irrational?


    Hi,


    "Was ist mit der reformistischen Linken?

    Die wollen Verzicht auf Kernkraft, Verzicht auf Kohle, Verzicht auf ... Verzicht auf ... etc. ....

    Diese reformistischen Linken wollen nicht den Kapitalismus beseitigen, sie rauben aber den Kapitalisten die Seele ...

    Die reformistische Linke ist gegenwärtig der Maulwurf, der den Kapitalismus unterhöhlt."


    Ja das ungebremste, irrationale Wachstum der menschlichen Kulturen, wie allen Lebens überhaupt *, ist ein viel größeres Problem für die Spezies nach der Zernutzung ihres Mesokosmos als eine 'gerechtere' Gesellschaftsformation.


    * im Tier/Pflanzenreich ist das nicht anders, nur beschränken sich dort die Arten gegenseitig (Biotop)

    , d.h. Fressen und Gefressen werden ist das notwendige Korrektiv zu ihrem '3D-Behaviour' (Opportunismus -> Wachstum gegen unendlich)

    -> in den menschlichen Kulturen ist es der Zyklus Krieg-Frieden-Krieg


    Dies wird m.E.n. auch den weiteren Gang der Geschichte bestimmen.


    Ich hab das mal in ein Modell gesteckt:


    N.d.N.


    mvg Philzer

  • Immer, wenn ich was von „reformistischer Linke“ höre, gucke ich ins kapitalistische linke Berlin und amüsiere mich, wie leicht es zu sein scheint, dieser „reformistischen Linken“ ihre Seele zu nehmen.

  • @Carl

    Wenn hier von radikalen oder reformistischen "Linken" die Rede ist, sind soziale Bewegungen und Basisorganisationen gemeint, nicht die Staatspartei, die sich "Die Linke" nennt.

  • Ich nenne alle linken Organisationen und Strömungen "radikal", die sich ausdrücklich für Beseitigung des Kapitalismus aussprechen.

    Ich nenne alle linken Organisationen und Strömungen "reformistisch", die sich nicht ausdrücklich für Beseitigung des Kapitalismus aussprechen, aber tiefgreifende Änderungen herbeiführen wollen.

    Fast alle Umwelt- und Klimabewegungen fallen z.B. in diese Kategorie.

  • Die Frage ist falsch gestellt.

    Die Frage muss lauten wer oder was sind politische Linke - in einem imperialistischen Staat wie der BRD ?

    Für mich gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Linke und Kommunisten.

    Linke sind für mich mehrheitlich Bourgeoisie. Auf ihrer politischen Tagesordnung steht nicht an erster Stelle die Arbeitswelt sondern Themen wie Antikapitalismus, Umweltschutz, Tierschutz, Anti AKW, Friedensbewegung, gesellschaftliche Armut, Banken- und Geldsystem und sehr viel Theorie etc. - was an sich nicht unehrenhaft ist.

    Bei den Kommunisten - wenn sie denn welche sind - steht die Arbeitswelt an erster Stelle auf ihrer politischen Tagesordnung d.h. das Fundament der Mehrwert Schaffung, des Reichtums und dessen Verteilung. Das ist der große Unterschied.

    Ein bürgerlicher Linker bezieht sein Wissen aus politischen Theorien und Diskussionen ohne praktischen Bezug zur Arbeitswelt und ist deshalb nicht in der Lage richtige politische Entscheidungen zu treffen. Ein Kommunist (wenn er einer ist) verbindet sein politisches Studium immer mit seiner Praxis in der Arbeitswelt und ist deshalb in der Lage, richtige politische Entscheidungen zu treffen.

  • Hallo migg,

    mit deiner Erklärung hebe ich gleich mehrere Probleme.

    Sinnvollerweise unterscheidet man politische Strömungen einerseits nach ihren Zielen, andererseits nach ihren Methoden.

    1) Einige aktuelle Ziele der Linken gibst du ganz richtig an. Aber du siehst nur die Unterschiede zu den Kommunisten, nicht ihre Gemeinsamkeiten mit den Kommunisten.

    Die Ziele der Kommunisten kennst du nur ganz verschwommen: „Arbeitswelt an erster Stelle“. Nach dieser Erklärung wären alle aktiven Gewerkschafter auch Kommunisten. Das kann es ja nicht treffen.

    Ich sehe die Ziele von Kommunisten in erster Linie in der Abschaffung der Lohnarbeit als nächsten Schritt zur Abschaffung aller Klassen.

    Mit dieser Zielbestimmung sehe ich keinen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Linken und Kommunisten. Die Ziele der Kommunisten gehen nur viel weiter als die Ziele der Linken. Aber alle Ziele der Linken, die du genannt hast, stehen nicht im Widerspruch mit den Zielen der Kommunisten.


    2) Du behauptest, nur ein Kommunist könne „richtige politische Entscheidungen treffen“. Das ist eine gewagte Behauptung, die ich nicht nachvollziehen kann. Ich kenne viele falsche politische Entscheidungen von Kommunisten – mich inbegriffen.

    Und ich kenne auch viele richtige politische Entscheidungen von Nichtkommunisten – z.B. Ablehnung von Großprojekten, Ablehnung der Atomenergie, Natur- und Klimaschutz usw.

    Die wenigsten Menschen treffen politische Entscheidung aufgrund einer „wissenschaftlichen Analyse“ – auch die Kommunisten nicht. Die meisten Entscheidungen, die wir treffen, kommen „aus dem Bauch heraus“ – aus Empörung, aus Frust, aus Gerechtigkeitssinn, aus Hunger usw. Friedrich Engels sagt dazu: „... Ehe die Menschen argumentierten, handelten sie.“ F. Engels, Entwicklung des Sozialismus, MEW 19, 296.

    Ob die Entscheidungen der Menschen richtig oder falsch sind, sehen wir oft erst hinterher. Auch Kommunisten können nicht in die Zukunft schauen. Trotzdem behaupten Kommunistischen Parteien oft, sie hätten einen direkten, "wissenschaftlichen" Zugang zur Wahrheit. Das ist Dogmatismus, der die Partei-Anhänger zu blindem Gehorsam verführen soll.

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