Betriebsverfassungsgesetz und Gewerkschaftsfragen

  • Ich möchte mal ein Thema zur Diskussion stellen. Vielleicht lässt sich darüber diskutieren. Es ist ein Text, den ich auf Facebook gepostet hatte.


    "Merkel muss weg? - könnte jeder Arbeiter unterschreiben. Aber die Liste wer alles weg kann und muss ist lang. Etwas das den Kapitalismus erst (über-) lebensfähig macht. Die (Nicht-) Austauschbarkeit der Eliten. Dazu gehört auch ein Herr Hoffmann. Keine Frage. Das Instrument Gewerkschaft richtet sich im Charakter gegen den Widerspruch von Kapital und Arbeit und darf daher als solches nicht infrage gestellt werden. Wie, mit welchen Mitteln innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften gekämpft wird, ist aber auch bestimmt von den Forderungen die wir stellen.

    Hier stellt sich Hoffmann ganz dem Verständnis der Gewerkschaftsbürokratie hinter die Große Koalition und damit hinter arbeitnehmerfeindlichen Maßnahmen, hinter einer repressiven Flüchtlingspolitik, hinter Sanktionen als Mittel Menschen in Billiglöhne zu zwingen und beführtwortet selbst noch nicht-existenzsichernde Löhne und spricht sich gegen eine Steigerung des Mindestlohns aus.


    Heute sprechen Gewerkschaftsfunktionäre die Sprache der Manager, die geerbte Traditionen aus der Weimarer Zeit weitertragen, unter dem Faschismus selbst zwar brutal unterdrückt wurden, doch die aufgebauten Widerstandsgruppen lediglich nutzten um auch nach dem Krieg eine aktive Rolle zu spielen - will sagen Karriere zu machen. Das hat ganz gut geklappt, auch wenn es manchmal schwierig war und ihnen der große Einfluss von Kommunisten zu schaffen machte, um die Kontrolle zu behalten, die sehr wohl verstanden hatten wer ihnen diesen Krieg beschert hatte.


    Aber sind diese Gewerkschaftsfunktionäre wirklich das Problem? Hier und da die Idee mithilfe der (herrschenden) Gewerkschaftspolitik "klassenkämpferische Gewerkschaften" zu schaffen - sehe ich kritisch. Die Idee gegen die Gewerkschaftsbürokratie zu kämpfen. In diesem gottverdammten Land reißen sich die Betriebsräte, Aktivisten und Gewerkschafter ihren Ar... auf für nichts und wieder nichts, weil die Entscheidungen vom grünen Licht in den Spitzen abhängig ist (mal abgesehen von der Abhängigkeit der Verwaltungsbezirke), die jegliche gewerkschaftsunabhängige Organisation zunichte macht, weil es völlig sinnlose Gesetze wie dem Beamtenstreikverbot erlaubt haben bis heute zu überleben oder Gesetze die den Widerstand gegen Streikbrecher ökonomisch und strafrechtlich sanktionieren, die Boykotte und Besetzungen verbieten, Tarifverträge den kampftaktischen Rahmen vorgeben (Reduzierung auf Lohnforderungen oder Friedenspflicht) usw.. Dazu kommt nicht zuletzt hinzu dass der Staat ebenso wie der Kapitalismus im Verlaufe der Zeit seine Anpassungsfähigkeit bestens unter Beweis gestellt hat und mit Begriffen herumexperimentiert hatte, um jegliche soziale Kämpfe mit dem Hinweis auf die Verhältnismäßigkeit von vornerrein unterbinden. Schließlich konnte man sich mit einer verfassungsrechtlichen Sicherheit auf ein Koalitionsrecht (Gründung von Gewerkschaften) mehr anfreunden, als einem Streikrecht, schließlich prägten Streiks den Alltag der Arbeiter in der Weimarer Republik und dem Kaiserreich. Daher denke ich, fangen wir an Forderungen zu stellen, die wirklich etwas bringen, Forderungen, die die Ausgangsbedingungen für Kämpfe um mehr und bezahlbaren Wohnraum, gegen rassistische Repressione und Arbeitshetze in den Betrieben, gegen Niedriglohn und Armutsrente, für ökologische und ökonomische Selbstbestimmung. Fordern wir auf den Straßen und in den Betrieben: Weg mit dem Betriebsverfassungsgesetz!"

  • Hallo Lukas,

    Solange Leute wie Friedrich Merz in den Startlöchern stehen, werde ich die Parole „Merkel muss weg!“ nicht unterschreiben. „Weg mit HartzIV“ finde ich viel wichtiger.

    Ansonsten hast du recht: Die Liste der Sachen, die weg müssen, damit wir alle ein zufriedenes und selbstbestimmtes Leben führen können, ist lang, sehr lang.


    Besonders gut an deiner Wunschliste finde ich, dass sie nicht auf die acht Stunden Lohnarbeit beschränkt ist: Bezahlbaren Wohnraum, Rassismus, Mindestrente, Ökologie und Selbstbestimmung.

    Ich hatte mal einen linken Weihnachtswunschzettel gemacht, der weit und einfach angelegt ist.



    Welche Probleme brennen den Leuten auf den Nägeln? Darum müssen wir uns kümmern. Was brennende Probleme angeht, sind jedoch viele Linke blind.

    An meiner Hitliste Kapitalismuskritik ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass das Thema „Kapitalismuskritik“ deutlich höhere Zugriffsraten hat, als das Thema „Lohnarbeitselend“.

    Die 15 Texte mit den höchsten Zugriffsraten im Forum Kapitalismuskritik erreichten durchschnittlich 12.500 Zugriffe. Die 15 Texte mit den höchsten Zugriffsraten im Forum „Lohnarbeitselend“ kommen nur auf durchschnittlich 7.300 Zugriffe, obwohl die Beiträge über Lohnarbeiterelend viel leichter zu lesen und zu verstehen sind als Texte, bei denen es um Kapitalismuskritik mit oder ohne Marx geht.

    Noch größer ist der Unterschied bei den ständigen (linken?) Lesern des Marx-Forums, die nicht über Google anhand von Sachthemen hier ins Forum kommen (das ist die große Mehrzahl der Leser), sondern die täglich oder alle zwei Tage gezielt im Forum lesen und das Marx-Forum als ständige Informations- oder Meinungsquelle nutzen: In den letzten beiden Tagen wurde die Hitliste Kapitalismuskritik 100 mal angeklickt. Die Hitliste Kritik der Lohnarbeit nur 39 mal.



    Es gibt eben etliche Linke, die den Kapitalismus kritisieren (wollen), aber das Elend der Lohnarbeit ganz oder teilweise ignorieren. Dazu gehören die Anhänger der „Wertkritik“, dazu gehören die Anhänger der „Marxistischen Gruppe/Gegenstandpunkt“ und dazu gehört auchWolfram Pfreundschuh. Und für die wenigsten Mitglieder der "Linkspartei" zählt Lohnarbeit zu den brennenden Problemen.


    Lohnarbeit ist die Mutter aller Probleme im Kapitalismus.

    Wer das Lohnarbeitselend ignoriert, der macht sich ein falsches Bild vom Kapitalismus.

  • Mir ist im Nachhinein aufgefallen zu erwähnen, das der Text eine Ergänzung zu dem Artikel war:

    https://www.neues-deutschland.…TnggaEdmK8mKAG9-6cxRDsOpE


    Im Nachhinein war mir auch nicht ganz wohl zumute mit der Einleitung, da eine Forderung nach der Ablösung einer Kanzlerin/ Kanzlers o. Staatsoberhaupt nur bedeutet dieses auszutauschen, quasi einen neuen Ausbeuter zu wählen. Wie du schon selbst sagst: "Solange (...) in den Startlöchern stehen"... . Dass HartzIV weg muss - keine Frage. Ich mein, Forderungen kann man viele stellen - aber wie setzen wir diese um? In Frankreich gibt es ein ähnliches Problem mit der Gelbwestenbewegung. Der Mangel an Bewusstsein, unabhängig von den Hintergründen hindert die Gelbwesten daran, dringende notwendige Schritte zu tun. Die wären z. B. Flugblattaktionen, die wären die Herstellung einer Verbindung zwischen den Schulen/ Universitäten und den Betrieben. Es gab Besetzungen von Kreisverkehren mit dem Hintergrund die Zufahrtswege zu den Industrievierteln zu versperren und so einen Ersatz für Streiks zu schaffen. Dass dies nicht lange gutgehen konnte zeigt wie schnell sie geräumt werden konnten. Also wenn HartzIV weg muss, eine völlig richtige Forderung, wie kann oder soll diese umgesetzt werden? Angenommen Schüler/ Studenten/ Demonstranten ziehen vor die Betriebe und machen Flyeraktionen. Es gibt die Idee schon. Mein Eindruck ist, es gibt sehr wenig, aber wenn dann positives Feedback. Vielfach ist die Resonanz aber sehr dürftig. Es ist nun auch nicht mehr so wie noch in den 70ern, wo man einfach mal in die Betriebe gehen konnte, um Betriebsgruppen aufzubauen (nicht zuletzt auch wegen der Zerstörung Basis der Aktivisten in den Betrieben, zum Vorteil des Ortsgruppenaufbaus). Facebook eignet sich für politische Arbeit, für konkrete Arbeit sehr wenig. Sei es wegen zunehmenden repressiven Logoalgorithmen, über Blockaden und Sperren, noch weil man außerhalb der eigenen Interessengruppe eine nennenswerte Anzahl ansprechen kann. Aber du hast Recht, die Zugriffe, wenn es um das Lohnarbeiterelend geht (über Facebook lässt sich das sehr schwer überprüfen) ist sehr niedrig im Verhältnis zu allgemeiner Kapitalismuskritik. Linke und Kommunisten leben in einer Blase. Intellektuelle identifizieren sich oft mit ihren eigenen Vorstellungen und erwarten dass ihr Gegenüber sich darin spiegelt. Veränderungen und Bewusstsein müssen reifen und wo ist dafür der bessere Ort, als in den Betrieben? Die Identifikation mit den sozialen Kämpfen geschieht mit "seiner" Arbeit und da die meisten Aktivisten Schüler/ Studenten/ Akademiker sind (zumindest in D - kann mich aber auch irren) reflektieren sie am Lohnarbeiterelend vorbei. Wer intellektuell ist, der will sein Wissen auch anwenden. Diskussionen und das Reflektieren über die theoretischen Vorraussetzungen sind auch ein Übel, das am Problem vorbeigeht, denn eine praktische Vorraussetzung in den Betrieben zu schaffen ist ungleich schwerer und erfordert große physische psychische Belastbarkeit, neben der Anwendung der revolutionären Theorie auf die Praxis.

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