Rechte und Linke

  • "In einer Zeit, in der Nationalismus und Sozialismus ... die ideologische Wasserscheide zwischen Rechts und Links hergaben und daher für schlechthin unvereinbar gehalten wurden, warf die 'National-Sozialistische Deutsche Arbeiterpartei' eine Synthese auf den Wortmarkt, die nationale Einheit versprach. Schon mit ihrem Namen, der sich mit der Addierung des Nationalen und Sozialistischen nicht begnügte, sondern ihm zur Sicherung noch die (rechte) Handelsmarke 'deutsch' und die (linke) 'Arbeiter' anheftete, stahl die Bewegung allen anderen Parteien ihre politischen Gehalte und gab vor, sie alle in sich zu verkörpern." Hannah Arendt, Totale Herrschaft, 754f.


    "Querfront" ist geistiger Diebstahl, Querfront ist Marken- und Handelsbetrug.

    Merke: Die Rechten für sich sind keine Gefahr. Eine Gefahr werden sie, wenn sie behaupten gar nicht Rechts zu sein, sondern "Unten".

    Diese Behauptung fällt den Rechten um so leichter, je mehr die Linken den Kontakt zu "denen da unten" verlieren.


    Siehe auch:

    Abstiegsangst in Deutschland


    Wal Buchenberg

  • Zu dem Thema finde ich folgende Studie über "Werte und Konfliktlinien in der deutschen Wählerschaft im Jahr 2017" interessant:


    Dabei wird er Unterschied in den Lebenswelten der Milieus ersichtlich. Während die "Kritische Bildungselite" (staatspolitisch unkritischer, wenn dann nur wenn es um Bürgerrechte geht) und das "Engagierte Bürgertum" (ebenfalls staatspolitisch unkritischer Natur) kulturpolitisch eher links und kosmopolitisch eingestellt ist (während letzteres Milieu sozialpolitischen Themen wenig Aufmerksamkeit schenkt), sind die" Desillusionierte Arbeiternehmermitte", die "Missachteten Leistungsträger" sowie das "Abgehängte Prekariat" deutlich ambivalenter oder nehmen klar nationale Bezugspunkte ein, während sie sich eine sozialere Politik wünschen und von zunehmender Migration wenig halten (gute Übersicht auf Seite 19).


    Die politische Linke muss sich was einfallen lassen, damit die AfD, sollte sie sich ein sozialeres wirtschaftspolitisches Profil geben, nicht noch mehr Kapital daraus schlagen kann. Die sich als abgehängt fühlenden Milieus scheinen viele Themen als abgehoben zu empfinden und dabei zwischen dem Wunsch nach mehr direkter politischer Partizipation und einer autoritäreren Führung zu schwanken.


    Am Wenigsten offen für links-emanzipatorische Politik scheinen die "Zufriedene Generation Soziale Marktwirtschaft", die "Konservativen Besitzstandswahrer" und die "Gesellschaftsfernen Einzelkämpfer".


    PS: Vielleicht ist das Thema passender in "Abstiegsangst in Deutschland", musst du wissen, Wal.

  • Die sich als abgehängt fühlenden Milieus scheinen viele Themen als abgehoben zu empfinden und dabei zwischen dem Wunsch nach mehr direkter politischer Partizipation und einer autoritäreren Führung zu schwanken.

    Herrschaftssprachlich fühlt sich der Abgehängte zunächst einmal nur so - über seine tatsächliche Stellung in der Gesellschaft sagt dieses rein subjektive Empfinden rein gar nichts aus. Gerade nur ein Gefühl wird hier postuliert, das sowohl falsch oder auch wahr sein kann. Und so schwimmt es auf der Oberfläche des seichten Gewässers außerakademisch bürgerlicher Gesellschaftsbetrachtung umher.


    Bestimmt wird hier nichts, alles in Unkonkretem belassen. Ebenso wie der Arme lediglich von Armut bedroht ist, erlebt der Distanzierte gerade nur ein Gefühl der Distanziertheit. Und selbst Betroffene rebellieren nicht etwa gegen die verschleiernde Grammatik tatsächlicher sozialer Verhältnisse, weil es einerseits überaus erfolgreich gelang, Armut mit dem Malus des eigenen Versagens zu versehen - anderseits Die Linke wahlweise der benachteiligten Klasse als staatstragende Partei oder mit paternalistischem Habitus in gewohnt autoritärer Manier gegenübertritt. Die von Bourdieu beschriebene Hybris der Mittelkasse gegenüber dem Prekariat zeigt sich eben nicht nur in offener Verachtung, sondern auch in einer kognitiven Infantilisierung jener.

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