Nation und Nationalismus



  • Nationalismus betont die Gemeinsamkeit und Identität jenseits von Arm und Reich und jenseits der sozialen Klassen. „Nation“ ist eine erfundene, fiktive Gemeinschaft zwischen Leuten, die sich noch nie getroffen haben, die nie miteinander sprechen, aber angeblich „dazu gehören“.

    Ziel einer nationalen Gemeinschaft ist die Bündelung aller Kräfte für eine eigene, starke Staatsmacht, die in der Konkurrenz mit anderen Staaten sich durchsetzen kann.

    Der Nationalismus entwickelte sich im 19. Jahrhundert innerhalb von gerade mal 50 Staaten in der Welt. Nationalstaat war damals identisch mit Weltgeltung und mit kapitalistischer Überlegenheit über eine Masse von rückständigen, unfreien Völkern und Regionen. Die eigene Nation verkörperte den Übermensch, alle anderen waren zweitrangig oder gar Untermenschen.

    Die Identität der eigenen Nation definiert sich notwendig und immer über das Anderssein gegenüber den Fremden, den Barbaren, den Armen. „Jeder Nationalismus beginnt mit Volksmusik und endet mit Stacheldraht“ (Simon Winder). Kein Nationalist kommt ohne Feindbild aus. Ohne Krieg ist kaum ein Staat und kein Nationalismus entstanden.

    Der Nationalismus des 19. Jahrhunderts führte in die Schlachtfelder des Ersten und Zweiten Weltkrieges.


    Seit 1945 nahm der Nationalismus eine linke Wendung. Die unfreien Kolonialvölker übernahmen die Grundsätze des Nationalismus, um ihre staatliche Unabhängigkeit von den Kolonialherren zu erkämpfen. Der Nationalismus der „kleinen Nationen“ wurde schick, selbst dort, wo dahinter schon Hegemoniebestrebungen über die Nachbarstaaten sichtbar wurden. Nationalismus verband sich mit "Befreiung" und "Selbstbestimmung". Die Zahl der selbständigen Staaten hat sich nach 1945 dadurch mehr als verdoppelt. Der linke Nationalismus ist stolz auf die „Vereinten Nationen“, wo jeder Staat eine Stimme hat, auch wenn er nichts zu melden hat.

    Dieser linke Nationalismus gibt sich mit hohlen Phrasen zufrieden und einer papierenen Gleichberechtigung von schwachen und mächtigen Nationen, die ebenso fiktiv ist, wie die Identität zwischen Arm und Reich innerhalb jeder Nation.

    Es gibt auch fehlgeschlagene Versuche eines „fortschrittlichen“ Nationalismus: Der Panslawismus in Osteuropa, der Panarabismus in Nahost, die Negritude in Afrika. Auch die jüngsten Staatsbildungen von Al Kaida und des Islamischen Staates basierten auf einer fiktiven nationalistischen Gemeinschaft der sunnitischen Moslems.

    Die Europäische Union überwindet auch nur scheinbar den Nationalismus. Der Versuch ein „europäisches Wirgefühl“, also einen Europa-Nationalismus, zu schaffen, ist hochkant gescheitert. Die EU war ein illegitimes Kind des Kalten Krieges. Eingeklemmt zwischen die Supermächte USA und Sowjetunion suchten die europäischen Klein- und Mittelmächte eine kapitalistische Kopie der Sowjetunion zu schaffen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schaffte die EU zwar noch die „Osterweiterung“, aber damit waren die europäischen Gemeinsamkeiten aufgebraucht. Der Brexit und das Erstarken nationalistischer Bewegungen in ganz Europa beweisen, dass die Zeiten des „europäischen Zusammenwachsens“ vorbei sind.


    Eine zweite Triebfeder des heutigen Nationalismus ist das Auseinandertriften von Arm und Reich in Europa und Nordamerika. Die Reichen kennen die Quellen ihres Reichtums und denken international und global. Der Nationalismus der Armen ist ein halb hilfloser und halb trotziger Appell an ihre Oberschicht, sie nicht zu kurz kommen zu lassen. Das greift der heutige Nationalismus von AfD bis ÖVP auf. Dieser "populistische" Nationalismus möchte nicht, dass es den armen Landsleuten besser geht - etwa durch Erhöhung von Mindestlohn und Mindestrente - nein, der populistische Nationalismus zielt darauf ab, das Leben der Flüchtlinge und anderer Ausländer möglichst unerträglich zu machen. Diese Politik hilft nicht den "eigenen" Leuten, schadet aber den anderen. Die "eigenen" Leute sollen sich damit zufrieden geben, wenn es anderen noch schlechter geht als ihnen.


    Auf diesen Konkurrenten-Nationalismus passt die Parabel von Wowa:

    Wowa geht es schlecht, so bittet er Gott um Hilfe. Gott erbarmt sich seiner und sagt zu ihm: Ich gebe dir einen Wunsch frei! Wowa ist glücklich, aber bevor er seinen Wunsch aussprechen kann, sagt Gott zu ihm: Es gibt aber etwas, was du wissen musst. Was immer du dir wünschst, dein Nachbar bekommt davon die doppelte Menge! Oh, sagt Wowa, dann wünsche ich mir, dass du mir ein Auge wegnimmst!


    Wal Buchenberg, 26.12.2017

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