• Die Ware

    Reichtum wird heute meist in Geld gemessen. Gleichzeitig wissen alle, dass wir Geld nicht essen können, dass Geld kein Bedürfnis befriedigt. Der wirkliche Reichtum liegt jenseits des Geldes. Wirklicher Reichtum ist die Befriedigung unserer Bedürfnisse, der einfachen Bedürfnisse wie Essen, Wohnen, Kleiden, wie der höheren Bedürfnisse in Form von Kenntnissen, Kommunikation, Genuss etc. Noch mehr:
    „wahrer Reichtum ... ist Zeit, die nicht durch unmittelbar produktive Arbeit absorbiert wird, sondern zum Genuss, zur Muße, so dass sie zur freien Tätigkeit und Entwicklung Raum gibt." K. Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 252.
    „Aber freie Zeit, verfügbare Zeit, ist der Reichtum selbst - teils zum Genuss der Produkte, teils zur freien Tätigkeit, die nicht wie die Arbeit durch den Zwang eines äußeren Zwecks bestimmt ist, der erfüllt werden muss, dessen Erfüllung Naturnotwendigkeit oder soziale Pflicht ist, wie man will." K.Marx, Theorien über den Mehrwert III, MEW 26.3, 253.


    Für einen Robinson auf der einsamen Insel hing seine freie Zeit und sein Zugriff auf Gebrauchswerte davon ab, was er in seinem Schiffswrack gefunden hatte, und was er damit selbst für sich erarbeitete. In der modernen Gesellschaft produzieren die Einzelnen nicht mehr den gesamten Umkreis ihrer Gebrauchswerte. Die gesellschaftliche Arbeitsteilung ist so gestaltet, dass fast alle Gebrauchswerte, die wir konsumieren, uns zunächst als kaufbare Dinge oder als kaufbare Dienstleistungen gegenüberstehen.
    „In den belebtesten Straßen Londons drängt sich Kaufhaus an Kaufhaus, hinter deren hohlen Glasaugen alle Reichtümer der Welt prangen, indische Schals, amerikanische Revolver, chinesisches Porzellan, Pariser Korsetts, russische Pelzwaren und tropische Gewürze, aber alle diese weltlustigen Dinge tragen an der Stirne fatale weißliche Papiermarken, worin arabische Ziffern mit den lakonischen Zeichen £, sh., d. eingegraben sind.“ (Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 69)
    Zwischen uns und der Befriedigung unserer Bedürfnisse steht das Geld. Die Dinge und Dienstleistungen, deren wir bedürfen, stehen uns als Waren gegenüber. Weil sie Waren sind, müssen sie gekauft werden.
    Der Kaufakt ist jedoch ein eigentümlicher Vorgang.


    Es treffen sich ein Verkäufer A und ein Käufer B. Der Verkäufer A bietet ein Ding oder eine Dienstleistung X, die er nicht braucht. Der Käufer B möchte dieses Ding oder die Dienstleistung X. Für den Käufer B ist X ein (künftiger) Gebrauchswert. Für den Verkäufer A ist X ein überflüssiger Nichtgebrauchswert. Für den Verkäufer hat die Ware X keinen Konsumwert. Für ihn hat die Ware einen Veräußerungswert, einen Tauschwert.
    Damit der Kaufakt zustande kommt, muss auch der Käufer B für die Ware X eine Ware Y geben, die Gebrauchswert für A hat. Dieser gegenseitige Austausch von X und Y funktioniert nur, wenn beide Waren, die die Hände wechseln, sowohl Gebrauchswert wie Tauschwert haben.
    Die Gebrauchswerte der getauschten Waren sind notwendig verschieden. Ihre Tauschwerte sind im Idealfall gleich. Im Idealfall wechseln gleiche Werte (= Äquivalente) die Hände. Im „gerechten“ Kaufakt, gibt jeder der Akteure so viel Wert, wie er vom anderen bekommt.


    Was die Tauschwerte gleich macht, darauf geben die klassischen Ökonomen die Antwort: Tauschwerte sind gleich, wenn in ihnen die gleiche Menge Arbeit steckt. Gegenüber seinen Vorläufern Smith und Ricardo hatte Marx diese einfache Aussage näher erläutert und bestimmt.
    Wie wir in der Ware die beiden Seiten Gebrauchswert und Tauschwert unterscheiden können, so unterscheidet Marx in der menschlichen Arbeit konkret nützliche Arbeit, die Gebrauchswerte schafft, auf der einen Seite, und „abstrakt allgemeine Arbeit“, in der individuelle Besonderheiten ausgelöscht sind, und die damit Tauschwert schafft, auf der anderen Seite.
    „Als Tauschwerte von verschiedener Größe stellen sie (die Waren, w.b.) ein Mehr oder Minder, größere oder kleinere Mengen jener einfachen, gleichförmigen, abstrakt allgemeinen Arbeit dar, die die Substanz des Tauschwertes bildet.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW13, 17)


    Zu dieser „abstrakten“, tauschwertbildenden Arbeit gilt es noch ein paar nähere Bestimmung zu machen.
    Die Warenproduzenten, die sich im Austausch gegenübertreten, sind unterschiedlich geschickt, unterschiedlich fleißig und nutzen unterschiedliche Naturbedingungen ihrer Umgebung. All das macht ihre Arbeitsergebnisse ungleich und verungleicht ihre Tauschwerte. Im gerechten Tausch werden diese Unterschiede durch einen entsprechend höheren oder niedrigeren Tauschwert ausgeglichen, indem die geschicktere Arbeit als Vielfaches von einfacher Arbeit gesetzt ist.
    „Um die Tauschwerte der Waren an der in ihnen enthaltenen Arbeitszeit zu messen, müssen die verschiedenen Arbeiten selbst reduziert sein auf unterschiedslose, gleichförmige, einfache Arbeit, kurz auf Arbeit, die qualitativ dieselbe ist und sich daher nur quantitativ unterscheidet.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 18.)


    Andererseits: „Die Bestimmung des Tauschwerts durch die Arbeitszeit unterstellt ferner, dass in einer bestimmten Ware, einer Tonne Eisen z.B. gleich viel Arbeit vergegenständlicht ist, gleichgültig, ob sie Arbeit von A oder B ... In anderen Worten, es ist unterstellt, dass die in einer Ware enthaltene Arbeitszeit die zu ihrer Produktion NOTWENDIGE Arbeitszeit ist, das heißt, die Arbeitszeit benötigt, um unter gegebenen allgemeinen Produktionsbedingungen ein neues Exemplar derselben Ware zu produzieren.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 19).


    Die Erklärung, was eine Ware ist, enthält also drei Voraussetzungen:
    Sie enthält 1) den „Unterschied zwischen der Arbeit, sofern sie in Gebrauchswerten, und der Arbeit, sofern sie in Tauschwerten resultiert“ ...
    Sie enthält 2) „die Reduktion der Arbeit auf einfache, sozusagen qualitätslose Arbeit“ ...
    Und sie enthält 3) die Bestimmung, worin „warenproduzierende Arbeit GESELLSCHAFTLICHE Arbeit ist“. (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 18.)
    „Die im Tauschwert dargestellte Arbeitszeit ist Arbeitszeit des einzelnen, aber des einzelnen ohne Unterschied von ... allen anderen einzelnen, sofern sie gleiche Arbeit vollbringen. ... Als allgemeine Arbeitszeit stellt sie sich dar in einem allgemeinen Produkt, einem ALLGEMEINEN ÄQUIVALENT, einer bestimmten Menge vergegenständlichter Arbeitszeit ...“ (K. Marx,Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 20).
    „Es charakterisiert endlich die tauschwertsetzende Arbeit, dass die gesellschaftliche Beziehung der Personen sich gleichsam verkehrt darstellt, nämlich als gesellschaftliches Verhältnis der Sachen. Nur insofern der eine Gebrauchswert sich (im Kauf w.b.) auf den anderen als Tauschwert bezieht, ist die Arbeit der verschiedenen Personen aufeinander als gleiche und allgemeine bezogen.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 22).
    „Nur durch diese allseitige Entäußerung der Waren wird die in ihnen enthaltene Arbeit nützliche Arbeit.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 29).
    Durch die Warenproduktion und den allgemeinen Austausch der Waren nimmt „ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis die Form eines Gegenstandes an ..., so dass das Verhältnis der Personen in ihrer Arbeit sich vielmehr als ein Verhältnis darstellt, worin Dinge sich zu einander und zu den Personen verhalten.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 22).


    „Indem der Tauschwert der Waren in der Tat nichts ist als Beziehung der Arbeiten der einzelnen aufeinander als gleiche und allgemeine, nichts als gegenständlicher Ausdruck einer spezifisch gesellschaftlichen Form der Arbeit, ist es Tautologie zu sagen, dass die Arbeit EINZIGE Quelle des Tauschwerts und daher des Reichtums (ist), soweit er aus Tauschwerten besteht.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13,23)
    Aber:
    „Von der Arbeit, soweit sie Gebrauchswerte hervorbringt, ist es falsch zu sagen, dass sie EINZIGE Quelle des von ihr hervorgebrachten, nämlich des stofflichen Reichtums sei. Da sie die Tätigkeit ist, das Stoffliche für diesen oder jenen Zweck anzueignen, bedarf sie des Stoffes als Voraussetzung. In verschiedenen Gebrauchswerten ist die Proportion zwischen Arbeit und Naturstoff sehr verschieden, aber stets enthält der Gebrauchswert ein natürliches Substrat. Als zweckmäßige Tätigkeit zur Aneignung des Natürlichen in einer oder der anderen Form ist die Arbeit Naturbedingung der menschlichen Existenz, eine von allen sozialen Formen unabhängige Bedingungen des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur. Tauschwert setzende Arbeit ist dagegen eine spezifisch gesellschaftliche Form der Arbeit.“ (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 1323f.)


    Das Geld

    Waren als Doppelding von Tauschwert und Gebrauchswert können sich in beliebigen anderen Waren tauschen. Durch immer wieder vollzogenen Tausch haben sich entweder besonders häufige oder besonders nachgefragte Waren als besondere Tauschwaren herausgebildet. Diese besondere Tauschware wird zum Geld und dieses Geld wird zum Maß der Werte.
    Wenn sich beliebige Waren zum Beispiel in Gold messen, so tun sie das „im Verhältnis der in beiden Waren enthaltenen Arbeitszeit, dass also das wirkliche Maß zwischen Ware und Gold die Arbeit selbst ist“, die in ihnen steckt. (K. Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 51)
    Der Preis einer Ware ist der Geldname ihres Tauschwertes:
    So viel Ware X = so viel Gold.
    Der Preis einer Ware ist nicht der reale, sondern nur der nominelle, erhoffte Tauschwert der Ware. Erst im wirklichen Verkauf und durch den Verkauf bestätigt sich dieses Produkt individueller Arbeit als allgemein gesellschaftliche Arbeit. „Es verhindert dies natürlich nicht, dass der Marktpreis der Waren über oder unter ihrem Wert stehen kann.“ (Karl Marx,Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 73).


    Das Gold als Geldware bekam als Münze eine nationale Kleidung. Das „Geld als Münze (erhält) lokalen und politischen Charakter, spricht verschiedene Landessprachen und trägt verschiedene Nationaluniform. Die Sphäre, worin das Geld als Münze umläuft, scheidet sich daher als INNERE, durch die Grenzen eines Gemeinwesens umschriebene Warenzirkulation von der ALLGEMEINEN Zirkulation der Warenwelt ab.“ (Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13,87)
    Gold oder Silber werden als Geldware nach Gewicht bewertet. Münzen tragen einen Wertnamen. Dadurch kann sich Gewicht und Wertnamen trennen. Allein durch den Gebrauch verlieren Münzen an Gewicht. Es braucht also keine staatlichen Fälscher, um das Metallgewicht von dem Wertnamen der Münze zu scheiden. „Je länger die Münze umläuft ... oder je lebhafter ihre Zirkulation ... wird, um so mehr löst sich ihr Dasein als Münze von ihrem goldenen oder silbernen Dasein ab. ... Der Leib der Münze ist nur noch ein Schatten.“ (Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 89).
    Diese Trennung von Metallgehalt und Nominalwert wurde von Beginn des Mittelalters bis ins 18. Jahrhundert von privaten und staatlichen Fälschern, von Kippern und Wippern zu Lasten der Geldbesitzer ausgenutzt.
    „In allen Ländern entwickelter Zirkulation zwingt daher die Notwendigkeit des Geldumlaufs selbst“, Münzen von ihrem Metallgehalt unabhängig zu machen. „Relativ wertlose Dinge, wie Papier, können also als Symbole des Goldgeldes funktionieren.“(Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 93).


    „Die ursprünglich unscheinbare Differenz zwischen dem Nominalgehalt und dem Metallgehalt der Metallmünze kann also bis zur absoluten Scheidung fortgehen.“(Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 93).
    „Staatspapiergeld mit Zwangskurs ist die vollendete Form des Wertzeichens, und die einzige Form des Papiergelds, die unmittelbar aus der metallischen Zirkulation ... selbst herauswächst. ... Symbolisches Papiergeld ist in der Tat durchaus nicht verschieden von der ... Metallmünze, nur in weiterer Zirkulationssphäre wirkend.(Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW13, 95)
    „Während die Goldmünze augenscheinlich nur den Wert der Waren repräsentiert, soweit dieser selbst in Gold geschätzt ... ist, scheint das Wertzeichen den Wert der Ware unmittelbar zu repräsentieren.“ (Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 100f)


    „Unsere Darstellung hat gezeigt, dass das Münzdasein des Goldes als von der Goldsubstanz selbst losgelöstes Wertzeichen aus dem Zirkulationsprozess selbst entspringt, nicht aus Übereinkunft oder Staatseinmischen.“(Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 95).
    „Die wertlosen Marken sind Wertzeichen, nur soweit sie das Gold innerhalb des Zirkulationsprozesses vertreten, und sie vertreten es nur, soweit es selbst als Münze in den Zirkulationsprozess eingehen würde, eine Quantität, bestimmt durch seinen eigenen Wert, wenn die Tauschwerte der Waren und die Geschwindigkeit ihrer Tausch- bzw. Kaufakte gegeben sind. “ (Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 97)
    „Die Quantität der Papierzettel ist also bestimmt durch die Quantität des Goldgeldes, das sie in der Zirkulation vertreten...“(Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 98).


    „Die Einmischung des Staats, der das Papiergeld mit Zwangskurs ausgibt, ... scheint das ökonomische Gesetz aufzuheben. Der Staat ... scheint jetzt durch die Magie seines Stempels Papier in Gold zu verwandeln. Da die Papierzettel Zwangskurs haben, kann niemand ihn hindern, beliebig große Anzahl derselben in Zirkulation zu zwängen... Indes ist diese Macht des Staates bloßer Schein. Er mag beliebige Quantität Papierzettel mit beliebigen Münznamen in die Zirkulation hinein schleudern, aber mit diesem mechanischen Akt hört seine Kontrolle auf. Von der Zirkulation ergriffen, fällt das Wertzeichen oder Papiergeld ihren immanenten Gesetzen anheim. Wären 14 Millionen Pfund Sterling die Summe des zur Warenzirkulation nötigen Geldes und würfe der Staat 210 Millionen Zettel, jeden mit dem Namen 1 Pfund Sterling in Zirkulation, so würden diese 210 Millionen in Repräsentanten von Gold im Wert von 14 Millionen Pfund Sterling umgewandelt. ... Nichts wäre geändert als die Namengebung des Maßstabs der Preise ... Da der Name Pfund Sterling jetzt ein 15mal kleineres Goldquantum anzeigte, würden alle Warenpreise um das 15fache steigen und nun wären in der Tat 210 Millionen Pfund Sterling ganz ebenso notwendig, wie vorher 14 Millionen. (Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13,98f)
    „Das Steigen und Fallen der Warenpreise mit dem Steigen oder Fallen der Papierzettelmasse... ist also nur durch den Zirkulationsprozess gewaltsam bewirkte Geltendmachung des von außen mechanisch verletzten Gesetzes, dass die Quantität der zirkulierenden Wertzeichen durch die Quantität der Goldmünze bestimmt ist, die sie in der Zirkulation vertreten.“(Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13,100)


    Dieser Text ist eine Kurzfassung von Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, MEW 13, 3-160.


    Wal Buchenberg, 09. Dezember 2016


    P.S. auch ein Geburtstagsgeschenk für A. ;)

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