Balkanisierung Europas

  • Im Vorfeld der Abstimmung über den Brexit sprachich mich für eine Nichtbeteiligung aus, weil die Mitgliedschaft in der EU einProjekt der Kapitalisten und ihrer Regierungen ist. Unsere Interessen alsLohnabhängige sind nur sehr indirekt davon betroffen.


    Trotzdem bleibt die Entscheidung für oder gegen den Brexit nichtohne Folgen.
    Großbritannien ist als ehemalige Weltmacht einerder Großstaaten in der EU. Der Austritt Großbritanniens ist ein Schritt hin zurBalkanisierung Europas.
    Bedauern müssen wir das nicht.


    -Den Austritt aus der EU werden alle Briten, die den Verlust ihres Weltmachtstatus nicht verkraftet haben, sehrbald bedauern, weil sie am eigenen Leibe spüren werden, dass der unvermeidlicheNiedergang ihres Landes weder von der EU verursacht wurde, noch durch denEU-Austritt verhindert werden kann. Ganz im Gegenteil: Die proeuropäischenLandesteile werden rebellieren und damit den politischen und wirtschaftlichen Niedergang Großbritanniens nochbeschleunigen.
    -Den Austritt Großbritanniens aus der EU müssenalle Anhänger eines europäischen Reiches mit Weltmachtstatus in Paris, Rom undBerlin bedauern. Europa scheidet aus dem "Konzert der Großmächte" aus.
    -Den Austritt Großbritanniens aus der EU (ein Einzahler in die EU-Kassen) müssenalle europäischen Kleinstaaten bedauern, die am Subventionstropf der EU hängen,angefangen bei Griechenland über Portugal bis Polen oder Litauen.


    Wer irgendwie ein heimliches oder öffentlichesTechtelmechtel mit den Politikern einer dieser drei Gruppen hat, der wird denAustritt Großbritanniens ebenfalls bedauern. Ich gehöre nicht dazu.


    Gruß Wal Buchenberg

  • Wäre die Frage ob es so egal sein kann, wenn viele Lohnabhängige sich aufgrund der "Balkanisierung Europas" vermehrt zu einer nationalistischen Deutung der Politik hinwenden. Weitgehend hat ja die Ü60-Fraktion für einen Austritt gestimmt, die jüngeren Briten deutlich weniger. Auf der anderen Seite hast du den Separatismus bzw. Nationalismus der Katalanen und Basken kritisiert. Ich halte es jedenfalls für problematisch zu meinen, es kann den Lohnarbeitern am Arsch vorbeigehen.

  • Hallo Mario,
    ich glaube, da hast du was missverstanden. Ich habe mich dagegen ausgesprochen, sich für oder gegen den Brexit zu engagieren. Wer sich gegen den Brexit engagiert hat, hat sich für den politischen Status quo ausgesprochen. Dieser Status quo ist nicht verteidigungswert.
    Wer sich für den Brexit engagiert hat, hat sich für Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit ausgesprochen. Auch diese Alternative ist schlecht.
    Die Auswirkungen des Brexit sind mir keineswegs egal. Der Brexit beschleunigt sowohl den Niedergang von Großbritannien wie der EU. Das habe ich versucht, in diesem Statement zu erklären.


    Das ist halt das ständige Dilemma der Lohnarbeiter:
    Geht es unseren Ausbeutern gut, heißt das nicht notwendig, dass es uns ebenfalls gut geht. Das sieht man hier in Deutschland: Den (großen) Kapitalisten geht es im allgemeinen gut - vor allem durch Profite im Export und durch Ausbeutung von billiger Lohnarbeit in aller Welt. Gleichzeitig stagnieren hier die Löhne vor allem im unteren Segment, gleichzeitig nimmt hier die Armut und die Existenzunsicherheit zu.
    Geht es unseren Ausbeutern aber schlecht, dann geht es uns Lohnabhängigen ebenfalls schlecht. Das ist die leidvolle Erfahrung in jeder Wirtschaftskrise und die Erfahrung in Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien und auch der ländlichen Gebiete Großbritanniens.


    Solange die Lohnarbeiter ihr Schicksal aber vom Schicksal "ihres" Landes abhängig machen, wird sich an dieser Abhängigkeit von der Ausbeuterklasse auch nichts ändern. Leider gibt es dagegen keine leichte und schnelle Abhilfe.
    Das ist mir klar, und ich tue, was ich kann, dass es auch anderen klar wird.


    Gruß Wal

  • Wäre die Frage ob es so egal sein kann, wenn viele Lohnabhängige sich aufgrund der "Balkanisierung Europas" vermehrt zu einer nationalistischen Deutung der Politik hinwenden.

    Jede Kritik falscher Gedanken muss mit der Kritik der Verhältnisse beginnen.
    Damit sieht es schlecht aus.


    Das Neue an der jetzigen Situation ist allerdings, dass in der anhaltenden Wirtschaftskrise durch soziale Netzwerke und durch neue rechte wie linke Parteien Auffassungen ans Licht kommen, die bisher ganz elitär und akademisch ignoriert worden sind. Bisher haben unsere Machteliten wie unsere Linken nur untereinander "mit den eigenen Leuten" kommuniziert. Das war ziemlich bequem, aber das geht nicht mehr. Die Bandbreite der geäußerten und sichtbaren politischen Auffassungen ist breiter geworden. Was auf den ersten Blick wie ein Rechtsruck aussieht, ist eine sichtbare Polarisierung der politischen Meinungen.
    Die Anforderungen an politische Kommunikation und Klärung sind dadurch deutlich gestiegen.


    Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua kommentierte den Brexit:
    “Income gap has further widened in Western countries. Wage stagnation and job losses have long worried the working class. Most of them have blamed the hardships on immigrants ...” auf Deutsch:
    “Die Einkommensungleichheit hat im Westen zugenommen. Stagnierende Löhne und der Verlust von Arbeitsplätzen beunruhigen seit langem die Arbeiterklasse. Die meisten von ihnen geben der Immigration Schuld an ihrem Elend ...“
    Wo sind denn die Linken, die überzeugendere Antworten geben?


    Bisher zeigen sich die Linken in Europa den gestiegenen Anforderung keineswegs gewachsen.


    Ich denke, eine Linke, die von einem "sozialen und demokratischen Neustart der EU" schwärmt, hat von den Verhältnissen, in denen wir leben, eben so wenig verstanden wie die Briten, die für den Brexit gestimmt haben.


    Auch die Unsitte der radikalen Linken, Menschen abzuurteilen und zu diffamieren (Mob, Nazi, Rassist, Chauvinist etc.), die falsche/andere Auffassungen haben, trägt nicht zur Klärung der Verhältnisse bei. So wird nicht die Krankheit, sondern der Patient bekämpft.


    Dann gibt es die (traditionelle) Linke mit den Heilpraktikerrezepten. "Die Kapitalisten sollen für die Krise zahlen!" ist ein Heilpraktikerrezept und auch "Arbeiterkontrolle" ist so ein Heilpraktikerrezept.


    Dann gibt es da noch die akademische Linke. Die spricht nur zu sich selbst, denn alle anderen sind nicht gebildet genug, um zu verstehen, was die akademische Linke sagt.


    Gruß Wal


    Die demokratische Krise


    Rechtsruck? Welcher Rechtsruck?

  • Die trotzige Antwort der europäischen Machtelite auf die Spaltung und Schwächung der EU liegt vor und heißt:


    Wenn ihr uns nicht lieben wollt, so sollt ihr uns fürchten lernen!


    Die angestrebte Militarisierung der EU kann auch noch als soziale Maßnahme verkauft werden: Schließlich schafft eine stärkere europäische Rüstungsindustrie ja zusätzliche Arbeitsplätze. Der Arbeitsplatzdemagoge Sigmar Gabriel spricht von einer "Wachstumsoffensive". X/


    Der Lack an der EU blättert und sichtbar wird kaschierte Hässlichkeit.


    Gruß Wal

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.