Konservatives "Sieger-Gen"

  • Trump in den USA und Johnson in Großbritannien wurden von linken Intellektuellen in Europa erst belächelt, dann verspottet und – sobald sie in Amt und Würden waren – gehasst.

    Gute Erklärungen für den Erfolg der beiden sind unter Linken Mangelware – es sei denn man schiebt den ständigen Erfolg der Reichen und Mächtigen der „Dummheit“ der arbeitenden Bevölkerung in die Schuhe.


    Der britische Economist hat bessere Erklärungen. Im Rückblick auf fast 200 Jahre Parteiengeschichte stellt er fest, dass in der kapitalistischen Kernzone (Westeuropa, USA und Japan) konservative Parteien länger an der Macht waren als alle anderen Parteien. Die konservative britische Zeitung führt dafür drei Gründe an:

    1. Konservative haben Hunger auf Macht;

    2. Konservative sind Nationalisten (in den verschiedenen Ausprägungen) und

    3. Konservative sind prinzipienlose Pragmatiker – wer immer und was immer den Weg zur Staatsmacht behindert, wird fallen gelassen.


    Passen diese drei Merkmale des Economist nicht eben so gut auf unsere Konservativen in Deutschland?


    Ich kann diese drei konservativen „Sieger-Gene“ noch durch drei linke „Loser-Gene“ ergänzen:

    1. Linke haben Lust auf Opposition und Protest;

    2. Linke sind „vaterlandslose Gesellen“;

    3. Linke pflegen eine mehr oder minder fest umrissene Ideologie.


    Wo immer sich eine Staatspartei und eine Weltanschauungspartei bei Wahlen gegenüberstehen, wird die Staatspartei in drei von vier Fällen gewinnen. Bei Wahlen wird nicht über Weltanschauungen entschieden, sondern über das Management des bürgerlichen Staates.

    Die konservative Staatspartei wird in der kapitalistischen Kernzone gewinnen, solange die wirtschaftlichen Verhältnisse hier der Masse der Lohnabhängigen eine weitgehend gesicherte Existenz mit vergleichsweise hohem Lebensstandard bieten.

    Der bürgerliche Staat sichert die Interessen des Kapitals – nicht nur durch Militär, Gerichte und Polizei, sondern auch dadurch, dass er die Versicherung der Lohnabhängigen gegen die Risiken der kapitalistischen Lohnarbeit verwaltet, als Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit und Arbeitsunfähigkeit im Alter.

    Nur diese Versicherungen machen die Lohnarbeiterexistenz einigermaßen erträglich. Solange Linke keine Alternative zur Lohnarbeit aufzeigen können, solange dürfen sie auch die Versicherungskassen für Kranke, Arbeitslose und Alte nicht in Frage stellen oder gar gefährden.


    Eine Weltanschauungspartei kann im Staatsapparat, der bürgerlichen "guten Stube", nur in Zeiten der sozialen und wirtschaftlichen Krise gewinnen. Und eine Weltanschauungspartei kann nur dann gewinnen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie den konservative Schutz der Sozialversicherungen besser verwirklicht als die Konservativen selbst. Diesen schmalen Grad zum Wahlerfolg fanden Hitlers Nationalsozialisten im Deutschen Reich 1933, und Willy Brandts Sozialdemokraten in der Bundesrepublik im Jahr 1969. Und auch an dem Weltanschauungsstaat DDR wird allein das als Erfolg gepriesen, was Lohnarbeit erträglich machen soll: sichere Arbeitsplätze für Männer und für Frauen, staatliche Krankenversorgung und Rente.


    Eine revolutionäre Strategie muss jenseits der Lohnarbeit und damit auch jenseits der staatlichen Daseinsvorsorge gesucht werden.


    Wal Buchenberg, Weihnachten 2019

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.