Kann das Marxsche "Kapital" um eine "Wertform" bereichert werden?

  • Heinrich Harbach hat in einer großspurigen Buchanpreisung getitelt: Die Wertform: Das Fundament der kapitalistischen Produktionsweise. Wieder einmal haben Leute versprochen, das „unvollendete Kapital“ von Marx zu vollenden. Was sie anbieten, ist ein „5. Buch des Kapital“ mit dem Titel: „Die Wertform“. Sie behaupten, sie hätten damit das „Kapital“ von Marx „um einen wesentlichen, ja grundlegenden Aspekt mit genauer wissenschaftlicher Analyse bereichert".


    Ich habe dazu auf Telepolis folgenden Kommentar geschrieben:

    Wer will, kann auch mit verständlicheren Worten ausdrücken, was es mit der „Wertform“ auf sich hat.

    Karl Marx unterschied bei der Entstehung des Geldes aus dem Warenverkehr vier Entwicklungsstufen:


    Stufe I: Einfacher (zufälliger) Warentausch:

    Eine einzelne Ware wird zufällig mit einer anderen Ware getauscht.

    Das kam historisch bei isolierten Gemeinschaften vor, die nur für ihren Eigenbedarf produzierten und zufällig aufeinander trafen und dann einen einmaligen Tauschhandel vereinbarten. Davon berichtet u. a. der griechische Historiker Herodot (Buch IV, 152). Die Völkerkunde kennt davon auch Beispiele.

    Schon auf dieser Stufe des Warentausches zeigt sich in und mit der Ware eine Wertform: „Die einfache Wertform einer Ware ist enthalten in ihrem Wertverhältnis zu einer verschiedenartigen Ware oder im Austauschverhältnis mit derselben.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 74.


    Stufe II: Entfalteter (entwickelter) Warentausch

    Eine einzelne Ware wird mit vielen verschiedenen Waren getauscht.

    Das kam bei Produzenten vor, die ein einzelnes Hauptprodukt für den Austausch produzierten (z. B. Olivenöl oder Wein) und für dieses einzelne Produkt viele verschiedene Waren eintauschten. Auch dafür gibt es historische Beispiele und Beispiele aus der Völkerkunde.


    Stufe III: Allgemeine Wertform

    Auf dieser Entwicklungsstufe hat sich schon eine bestimmte Ware als Geldware abgesondert (z. B. Vieh oder Eisen).

    Jeder Tauschende beschafft sich erst für sein eigenes Überschussprodukt diese Geldware. Mit dieser tauscht er dann alle Waren ein, die er benötigt. Das ist die Entwicklungsstufe, wie sie uns in früher griechischer Zeit begegnet.


    Stufe IV: Geldform

    Die Geldform ist die Endstufe der Wertform.

    Eine Geldware (Edelmetall) scheidet aus dem normalen Gebrauch aus und fungiert hauptsächlich als allgemeines Tauschmittel und allgemeiner Wertausdruck für alle Waren. Diese Entwicklungsstufe wurde in klassischer griechischer Zeit erreicht.

    Jede Ware kann prinzipiell zur Geldware werden und als Geld fungieren. Historisch entwickelte sich dazu Edelmetall (Gold). Das moderne Papiergeld ist eine noch relative junge Entwicklung, die aber Marx schon entwickelt und analysiert hatte.


    Eine „Wertform“ gibt es also in allen Gesellschaften, die Warenaustausch betreiben.

    Wer feststellt, dass „die Wertform das Fundament der kapitalistischen Produktionsweise“ ist, der sagt nicht mehr, als dass der Kapitalismus auf dem Austausch von Waren basiert. Das ist keine große Entdeckung und diese Entdeckung reicht keineswegs aus, den Kapitalismus zu verstehen, weil sich der Warenaustausch schon lange vor dem Kapitalismus entwickelt hatte.


    Gruß Wal Buchenberg

  • Der Autor oder seine Hilfskraft haben auf meine Kritik geantwortet:


    „Was zum Kuckuck mag Marx geritten haben, 4 Bände zum "Kapital" zu schreiben, wenn doch alles auf einen Bierdeckel paßt. Er hätte mehr Zeit gehabt Kinder zu machen, Geld anzulegen, Zigarren zu rauchen, sich dem geliebten Rotwein zu widmen, die Socken zu wechseln oder sich die Nüsse zu kraulen. Das wäre ein Leben gewesen, aber so! Und dabei war seine Arbeit völlig überflüssig.

    Man braucht nur das Niveau der ersten 3 Kapitel von Band 1 auf das Niveau einer historischen Klitterung eindampfen. Allerdings kann man dann nicht z.B. die Formen des Finanz- und Spekulation im Altertum, und schon gar nicht ihren konsistenten Zusammenhang zur Wertform, erklären, sowie anderes mehr. Aber wozu auch, ist ja schon so lange her, wen interessiert's. Ja doch, die Phase der vorkapitalistischen Warenproduktionsweise war viel länger als die kapitalistische, aber wir leben heute, da interessiert das nicht.

    Marx hat die kapitalistische Produktionsweise als Totalität in ihren komplexen Zusammenhängen als Kreisläufe des Kapitals dargestellt und der Anfang dieses in sich konsistenten logischen Zusammenhangs, sein Fundament, ist die Wertform, und die ist nicht als historischer Mischmasch zu vermanschen. Wer das nicht versteht, kann auch das "Kapital" nicht verstehen. Daß die Wertform schon vor der kapitalistischen Produktionsweise existierte, weiss jedes Schulkind, aber in welcher Form sie im Kapital dargestellt ist, wissen die Buchenbergs bis heute nicht, das Unverständnis für den Artikel zeigt dies deutlich.“


    Meine Antwort lautet:


    Hallo Oberst Meyer,

    da du den Artikel so vehement verteidigst, nehme ich an, bist sein Autor.

    Daß die Wertform schon vor der kapitalistischen Produktionsweise existierte, weiss jedes Schulkind, aber in welcher Form sie im Kapital dargestellt ist, wissen die Buchenbergs bis heute nicht, das Unverständnis für den Artikel zeigt dies deutlich.

    Mag sein, dass "die Buchenbergs" deinen Artikel nicht verstanden haben. Aber wie du an vielen Kommentaren hier sehen kannst, sind diese Nichtversteher-Buchenbergs ein ganz gemischtes und buntes Häuflein von Marxisten bis Antimarxisten. Nur deren Schuld?

    Ich kann auch nicht ausschließen, dass ich den Marx hie und da nicht verstanden habe. Ich weiß aber erstens, dass ich mich durch jede Marx-Lektüre (ich habe ihn oft und immer wieder gelesen) bereichert gefühlt habe und ich bin niemals wie du und deine Autoren auf die Idee gekommen, Marx "bereichern" zu wollen.

    Und ich weiß zweitens, dass Marx sich die "verdammte" Mühe (seine Worte), das Funktionieren des Kapitalismus zu analysieren, sich nur zu dem einzigen Zweck gemacht hat, um dabei zu helfen, die Ausgebeuteten und Unterdrückten dieses Systems von dieser schweren Last zu befreien. Marx' Mitstreiter Engels nannte das "Kapital": "Es ist die politische Ökonomie der arbeitenden Klasse..." F. Engels, ‚Karl Marx’, 1869. MEW 16, 365.

    Bei dir dagegen taucht das Wort "Lohnarbeit" oder "Lohnarbeiter" nicht einmal auf. Und du willst den Kapitalismus verstanden haben? Ich habe da meine Zweifel.

    Gruß Wal


    Seine Antwort darauf:


    Wenn ich der Autor wäre, würde ich es sagen, weil ich nicht wüßte, warum ich das verheimlichen sollte.

    Mich stört auch nicht, daß viele der Foristen den Artikel nicht verstehen oder können. Das wäre auch unredlich, das zu fordern, mache ich auch nicht. Aber die Art und Weise, wie einige ihre Unkenntnis als Maß von Klugheit dreist in die Welt krähen, verdient schon einen Dämpfer. Mit "Beiträgen", die nur auf Krawall gebürstet und, nicht nur hier zum Thema, nicht zu übersehen sind, mit ad-hoc-Urteilen wie "Schrott", "sollte man nicht lesen", "Shit" "Scholastik", hat man keinerlei Anspruch auf zivilisierten Umgang, Respekt oder Ernsthaftigkeit. Keiner der so ausgerichteten Disputanten hat auch nur im Ansatz irgendetwas inhaltlich zu den Thesen des Artikels von sich gegeben. Das ist ziemlich niedriges Niveau, und das sollte auch benannt werden.

    Gegen Beiträge, die auch fragend zur Thematik kommen, habe ich auch gar nichts. Solche, wie Ihrer sind jedoch Mangelware.

    "Lohnarbeit" oder "Lohnarbeiter"

    sind nicht Kriterium für's Marxverständnis allein, haben aber auch in den Zusammenhängen, die der Artikel darstellt, keinen logischen Platz, weshalb sie da nicht auftauchen können.


    Mein Schlusswort dazu:

    "Lohnarbeit" oder "Lohnarbeiter"

    sind nicht Kriterium für's Marxverständnis allein, haben aber auch in den Zusammenhängen, die der Artikel darstellt, keinen logischen Platz, weshalb sie da nicht auftauchen können.


    Das lasse ich mal unkommentiert so stehen.


    Gruß Wal Buchenberg

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