Schlacht um Idlib

  • Die letzte Schlacht um Idlib hat begonnen. Im Süden der von islamischen Rebellen gehaltenen Provinz sind Milizen aufmarschiert, die für das Assad-Regime kämpfen. Russische Bomber fliegen gegen Idlib schon Einsätze von dem nahgelegenen Luftwaffenstützpunkt der russischen Armee. Vor der syrischen Küste wurden die russischen Flottenverbände verstärkt.




    In der Region Idlib leben derzeit rund 3 Millionen Menschen, vielleicht 2 Millionen waren aus anderen Kriegszonen Syriens dorthin geflüchtet. Kontrolliert wird Idlib von der Hayat Tahrir al-Sham (HTS) (Komitee zur Befreiung der Levante). Die HTS sind ein Zusammenschluss mehrerer islamischer Milizen, deren geschätzte 40.000 Kämpfer mehrheitlich zur al-Nusra-Front, einem Ableger von Al-Kaida gehören. Sie werden von Saudi-Arabien und von Katar unterstützt und es soll unter ihnen auch einige tausend ausländische Söldner aus Europa geben.

    In der iranischen Hauptstadt war vor wenigen Tagen ein Gipfeltreffen zwischen Erdogan, Putin und Rohani gescheitert. Der türkische Präsident konnte Putin und Rohani, die beide das Assad-Regime unterstützen, nicht davon abbringen, Idlib militärisch zu erobern.


    Vorher schon waren Verhandlungen darüber gescheitert, ob die türkische Regierung für die Bewohner von Idlib einen Fluchtkorridor frei macht. Ende August erst hatte Erdogan die Kämpfer von HTS offiziell zur „terroristischen Vereinigung“ erklärt. Auch vom Assad-Regime haben die Rebellen nichts Gutes zu erwarten. Wo sich früher syrische Rebellen ergeben hatten, sind ihre Führer trotz zugesagter Amnestie in den Folterkellern Assads verschwunden.


    Der Syrienkrieg kennt viele Verlierer und wenige Gewinner.

    Die schlimmsten Verheerungen hat der Krieg am Land selber und an seiner Bevölkerung angerichtet. Von offizieller Seite wird geschätzt, dass seit Ausbruch des Konflikts rund eine halbe Million Menschen ihr Leben verloren haben, 5,4 Millionen Syrier haben das Land verlassen. Das Land ist über weite Strecken nur noch ein Trümmerfeld.

    Assad wird den Bürgerkrieg zwar gewinnen, aber um einen unmenschlichen Preis. Er hat sein eigenes Land in Schutt und Asche gelegt, um an seinen Ämtern und der seiner Klientel festzuhalten. Er hatte zu Beginn des Konflikts, als er seine Armee gegen waffenlose Demonstranten einsetzte, behauptet, er kämpfe gegen „Terroristen“. Mit seinem terroristischen Vorgehen gegen seine Gegner tat er alles, um diese Anfangslüge zur Wahrheit werden zu lassen. Heute stehen ihm in Idlib tatsächlich nur noch bewaffnete Terroristen gegenüber. Das Regierungsamt Assads ist ohne Wert und ohne Macht. Er bleibt auf Jahre hinaus finanziell, militärisch und politisch von ausländischen Mächten abhängig.


    Zu den Verlierern des Syrienkrieges gehören auch die USA, Frankreich und Großbritannien. Sie unterstützten von Beginn an „gemäßigte“ Milizen, die gegen Assad kämpften, hatten aber nur bei den kurdischen Milizen (YPG) einigen Erfolg damit. Der Machtzuwachs der kurdischen Milizen im Nordosten Syriens wird jedoch nach dem Fall von Idlib noch einmal auf die Probe gestellt. Ihre Positionen in der Region Afrin mussten die kurdischen Milizen rasch räumen, sobald dort türkische Truppen einmarschiert waren. Es soll auch nicht vergessen werden, dass das britische Parlament erstmals in seiner Geschichte einem Kriegseinsatz seiner Regierung die Zustimmung verweigert hatte.

    Das ist einer der wenigen historischen Glanzpunkte in dem blutigen syrischen Trauerspiel.


    Wie der Syrienkonflikt für die Türkei und für Erdogan ausgehen wird, ist noch nicht entschieden. Die Türkei beherbergt jetzt schon 3,5 Millionen syrische Flüchtlinge. Falls ein weiterer Zustrom aus Idlib einsetzt, benötigt das krisengeplagte Land wohl finanzielle Unterstützung aus Europa. Auch wenn sich mehrere tausend Jihadisten in die Türkei absetzen, macht das die Lage für die Türkei und für Erdogan nicht einfacher. Erdogan hat zwar als Faustpfand noch eigene Truppen auf syrischem Boden in der Region Afrin stehen, aber mit dem Machtzuwachs und der faktischen Autonomie der syrischen Kurden im Nordosten Syriens hat Erdogan sich noch nicht abgefunden.


    Ein Gewinner des Syrienkrieges ist der Iran, der zuvor schon seinen Einfluss im Irak ausgedehnt hatte. In Syrien kämpfen seit Jahren iranische Milizen auf Seiten des Assad-Regimes. Der Iran hat sich als regionale Macht im Nahen Osten etabliert, auch wenn er damit Konflikte mit Saudi-Arabien und Israel verstärkte. Der Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran ist wohl ebenfalls eine Reaktion auf die gestärkte Position des Iran.

    Alle Regierungen im Nahen Osten richten sich auf eine Zeit ohne amerikanische Vorherrschaft ein.


    Der eigentliche Gewinner des Syrienkrieges ist Russland. Nach dem Zerbrechen der Sowjetunion und dem folgenden wirtschaftlichen Niedergang war Russland von der Bühne der Großmächte verschwunden. Unter Putins Führung gelang es, trotz weiter bestehenden wirtschaftlichen Schwächen, Russland wieder zu einer militärischen Großmacht zu machen. Putin schaffte es auch, die letzten Grenzstreitigkeiten mit China zu beseitigen. Auch die ersten gemeinsamen Manöver von russischen mit chinesischen Truppen in Sibirien zeigen, dass Putin aus der Schwäche der USA und der zunehmenden Regionalisierung der Welt politisches Kapital schlagen kann.


    Wal Buchenberg, 9.9.2018

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