Als Gruppenkampfspiel erinnert Fußball an Krieg.
Wenn „Nationalmannschaften“ gegeneinander antreten, wird Fußball zum Spielfeld
von Nationalismus. Wo „Fußball-Stars“ gefeiert werden, verbreiten sie den
kapitalistischen Traum vom Straßenkind zum Millionär. Fußball ist ein
Mega-Geschäft, und die größten Summen streichen nicht die „Stars“ ein, sondern
Strippenzieher hinter den Mannschaftskabinen.
Damit ist alles Negative zum Fußball gesagt.
Kommen wir nun zum interessanteren Part.
Arbeitsteilung und Kooperation auf dem Fußballfeld sind der klassischen Fabrik entnommen. Fußball entstand gleichzeitig mit und aus der industriellen Revolution. Die Einzelkämpfer der Leichtathletik entstammen ausnahmslos aus aristokratischen, vorindustriellen Epochen. Fußballer gleichen modernen Lohnarbeitern. Gut organisierte Zusammenarbeit und Kooperation sind den „Einzelkämpfern“ fast überall überlegen. Ein Ronaldo macht aus dem portugiesischen Team noch keine Siegermannschaft.
Geistloser Drill und Doping, die in der Leichtathletik Siege bringen, garantieren im Fußball keinen Erfolg.
Fußball wird zwar durch das große Kapital gefördert und bezahlt, aber während des Spiels gelten die Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus wenig. Im Kapitalismus gewinnen die Unternehmen, die mehr und bessere Technologie einsetzen können als ihre Konkurrenten. Der Kapitalismus lebt und entwickelt sich durch Ungleichheiten in der Konkurrenz und führt notwendig zu ungleichen Startbedingungen.
Im Fußball beschränkt sich der Technologieeinsatz auf das Schuhwerk und den Ball. Alle Teams starten mehr oder minder unter gleichen Bedingungen. Die Teams kämpfen nicht mittels Technologie gegeneinander, sondern mit ihren selbst entwickelten menschlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Kapitalistisch gesprochen konkurriert im Fußball nur das „Humankapital“.
Dadurch erfüllt der Fußball den Traum von sozialdemokratischer Chancengleichheit und Gerechtigkeit. Das macht die Faszination des Fußballs aus.
Die Regeln des Fußballs sind so einfach, dass (fast) alle mitreden können. Im Grunde genommen könnte man auf Schiedsrichter verzichten und nach dem Videobeweis die Zuschauer entscheiden lassen.
Da alle Teams unter äußerlich gleichen Bedingungen antreten, haben im Fußball auch Teams aus armen und rückständigen Ländern gute Chancen. Das macht Fußball sympathisch.
Nur neun der 32 WM-Teilnehmer kommen aus reichen kapitalistischen Staaten: Australien, Japan, Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Schweden und die Schweiz. Von diesen neun Teams aus reichen Ländern zählen nur zwei zum engeren Favoritenkreis: Frankreich und Deutschland.
Diese beiden Teams aus Frankreich und Deutschland besitzen nicht durch höheren Einsatz von Sachkapital gute Gewinnchancen, sondern weil ihre Gesellschaften so weltoffen und kosmopolitisch sind, dass sie die besten Spieler ins Team wählen, nicht Spieler, die nach Hautfarbe, Herkunft oder Religion „ihr Land am besten repräsentieren“.
Fußball hält den Traum von einer Welt am Leben, in der alle gleichberechtigt sind.
Wal Buchenberg, 10. Juni 2018
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