Der Judenhass wuchs und entwickelte sich aus dem Konflikt zwischen Schuldner und Gläubiger. Reiche Juden waren Geldverleiher in allen christlichen Gesellschaften, in denen Geldhandel untersagt war. Die christlichen (häufig aristokratischen) Schuldner machten Stimmung gegen „hartherzige“ jüdische Gläubiger und hofften, durch die Hetze gegen jüdische Geldverleiher mit den jüdischen Mitbürgern auch die eigenen Schulden loszuwerden.
Dieser Konflikt zwischen Schuldner und Gläubiger wiederholt sich nun in der Euro-Zone der EU. Die deutsche Regierung (im Bunde mit dem IWF) stellt die Schecks für die Krisenstaaten aus, und schreibt ihnen die Kreditbedingungen vor.
Die Schuldnerstaaten erwarten jedoch, dass ihnen weitere Milliarden Euro ohne Bedingungen geliehen werden. So meinte der zyprische Außenminister Kasoulidis in einem FAZ-Interview, dass Deutschland das „Geld, mit dem in Schwierigkeiten geratenen Staaten der EU geholfen werden, nicht nur verzinst zurückerhielte, sondern dass die in den Süden transferierten Milliarden auch dem Erhalt der Absatzmärkte in der EU diene.“
Was er nicht sagt, aber meint: "Das reiche Deutschland soll für unsere Krise zahlen!" Das gleicht wie ein Ei dem anderen der Krisenlosung der deutschen Linken: "Die Reichen sollen für die Krise zahlen!"
Ich habe aber noch keinen Reichen erlebt, der sein Geld freiwillig hergibt - es sei denn, er kann vom Geben seines Geldes erwarten, dass mehr Geld an ihn zurückfließt.
Hier steckt aber der Pferdefuß der Eurokrise.
Werden geliehene Milliarden kapitalistisch angewandt, dann werden sie produktiv angewandt: Es werden sachliche und personelle Produktionskapazitäten angeschafft, mit denen Waren oder Dienstleistungen produziert werden, die Mehrwert enthalten und deshalb mit Profit verkauft werden können.
Bei produktiv angelegten Kapital ist es normal und selbstverständlich, dass das geliehene Geld als Ausgangskapital vermehrt um den Zins an den Gläubiger zurückfließt. Bei Krediten an Staaten und Regierungen ist das anders.
Dieses Geld wird nicht produktiv angelegt, sondern konsumtiv verausgabt. Dieses Kapital vermehrt sich nicht, sondern verschwindet. Der Staatsgläubiger erhält zwar einen Zins, aber dieser Gewinn steht auf tönernen Füßen, denn er wird nicht aus der Ausbeutung von Lohnarbeitern, sondern nur aus dem Steuersäckel bezahlt. Gehen die Steuereinnahmen zurück oder übersteigt die Verschuldung die Belastungsgrenze, dann geraten auch die Zinszahlungen des Schuldnerstaates in Gefahr.
Karl Marx wies auf Folgendes hin (Geldsummen wurden in Euro umgerechnet, w.b.):
„Der Staat hat seinen Gläubigern jährlich ein gewisses Quantum Zins für das geborgte Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann hier nicht seinem Schuldner aufkündigen, sondern nur die Forderung, seinen Besitztitel darüber, verkaufen. Das Kapital selbst ist aufgegessen, verausgabt vom Staat. Es existiert nicht mehr.
Was der Staatsgläubiger besitzt, ist
1. ein Schuldschein auf den Staat, sage von 100000 Euro;
2. gibt dieser Schuldschein ihm den Anspruch auf die jährlichen Staatseinnahmen ... für einen gewissen Betrag, sage 5000 Euro oder 5 %;
3. kann er diesen Schuldschein von 100000 Euro beliebig an andere Personen verkaufen. (...)
Aber in allen diesen Fällen bleibt das Kapital, als dessen Abkömmling (Zins) die Staatszahlung betrachtet wird, illusorisch, fiktives Kapital.
Nicht nur, dass die Summe, die dem Staat geliehen wurde, überhaupt nicht mehr existiert. Sie war überhaupt nie bestimmt, als Kapital verausgabt, angelegt zu werden, und nur durch ihre Anlage als Kapital hätte sie in einen sich erhaltenden Wert verwandelt werden können. ...
... das Kapital der Staatsschuld bleibt ein rein fiktives, und von dem Moment an, wo die Schuldscheine unverkaufbar würden, fiele der Schein dieses Kapitals weg.“ MEW 25, 482f.
Die Schuldnerstaaten in der Euro-Zone haben völlig Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass der Euro bisher einseitig das deutsche Geldkapital als Gläubiger und das deutsche Industriekapital als Exporteure begünstigt hat. Die Schuldnerstaaten in der Euro-Zone verlangen in der jetzigen Krisenlage nichts anderes, als dass das fröhliche Schuldenmachen so weiter gehen soll.
Die deutsche Regierung und die deutschen Geldkapitalisten haben jedoch darin Recht, wenn sie darauf hinweisen, dass neue und immer mehr Schulden notwendig zu einem Punkt führen, wo das gesamte staatliche Schuldensystem in der EU unbezahlbar wird, und die verliehenen Milliarden dann komplett verloren sind.
Die Polemik gegen die deutsche Regierung, dass Merkel der neue Hitler sei und ein Viertes Reich als Finanzhegemonie über Europa anstrebe, ist so wahr wie die Verschwörungstheorie vom „Weltjudentum“, das die Weltherrschaft anstrebe. Wahr ist, dass Merkel als Vertreterin des deutschen Geldkapitals dieses Kapital profitabel angelegt wissen will. Wahr ist auch, dass die Schuldenstaaten der Euro-Zone längst keine sichere Kapitalanlage mehr sind.
Die Emanzipationsbewegungen und die Radikale Linke tun gut daran, wenn sie sich von diesem unappetitlichen Staatenstreit fern halten. Wir haben keinen Grund, in dem innereuropäischen Konflikt von Gläubiger- und Schuldnerstaaten Partei zu ergreifen. Die Hetze gegen Merkel und die deutsche Regierung mündet schon in eine Hetze gegen alle Deutschen. So entsteht ein neuer Rassismus in Europa und solche rassistische Hetze führt notwendig zu rassistischen Morden und rassistischem Totschlag. Den verfolgten Juden der Vergangenheit half es nichts, wenn sie arm waren und nie Geld verliehen hatten. Den verfolgten Deutschen der Zukunft wird es nichts helfen, dass auch sie arm sind und keine Staatspapiere besitzen.
Die Regierungen und Staaten, die hoch verschuldet sind, sind keine besseren Bündnispartner für die Emanzipationsbewegungen als die Regierungen und Staaten, die mit ihrem Kapital haushalten. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Regierungen der Schuldnerstaaten sind nicht weniger reaktionär als die Regierungen der Gläubigerstaaten.
Es ist für die sozialen Bewegungen hier wie dort günstiger, wenn diese Staaten bankrott gehen, als wenn sie immer wieder neu mit Krediten versorgt werden, - was dazu führt, dass diese Staaten alle sozialen Ausgaben kürzen und nur noch der nackte staatliche Gewaltapparat übrig bleibt und durchgefüttert wird.
Schließlich: Wer meint, DIE GRIECHEN oder DIE ZYPRER hätten linke Solidarität verdient, der verfängt sich ebenso im rassistisch-nationalistischen Dorngestrüpp wie einer, der glaubt, er müsse "DIE DEUTSCHEN" auf die Anklagebank setzen,
meint Wal Buchenberg