Die Alpen sprechen zu uns ...

  • Skifahrerinnen und Skifahrer haben zwei Feinde: Die Klimaerwärmung und den steigenden Kapitaleinsatz, den ihr Sport erfordert.

    Zwar präsentieren sich SkifahrerInnen gerne als Freunde der Bergwelt, von Sonne, frischer Luft und Bewegung in der Natur - das traf auf diesen Sport nur im Beginn zu, als man noch mühsam für eine halbe Stunde oder länger einen verschneiten Berghang hochsteigen musste, um dann wenige Minuten die Abfahrt genießen zu können. Damals war Skifahren noch ein naturnaher Sport, der nicht viel mehr benötigte als die Winterausrüstung und eine Unterkunft mit Verpflegung in den Bergen. Den Bergbauern in den Alpen versüßten die Wintersportler ihren Abschied von der mühseligen Alpenwirtschaft.

    Ein Business für Kapitalisten wurde der Wintersport durch die Mechanisierung. Schienenverkehr brachte immer mehr Wintersportler in die Berge, so dass große Hotelanlagen ausgebucht waren. Lifte und Seilbahnen transportierten die Skifahren in immer größere Höhen und auf immer weitere Flächen. Wintersport wurde zur Freizeitindustrie, mit der Kapitalgesellschaften Milliarden verdienen.


    Es gibt immer noch die Anwohner, die mit der Vermietung von ein paar Ferienwohnungen oder einer Gastwirtschaft ihren Lebensunterhalt verdienen. Das große Geld verdienen andere. Genauer gesagt: Das große Geld verdienten andere, denn es geht mit dem Wintersport bergab.


    In der Saison 2008/09 betrugen die Personen-Skitage (SkifahrerInnen mal genutzte Skitage) rund 350 Millionen. In der Saison 2015/2016 war diese Zahl um 30 Millionen gefallen. Man kann pro Person und Skitag vorsichtig geschätzt mit mindestens 200 Euro Ausgaben rechnen. Der Umsatz der Ski-Industrie wäre also in dieser Zeit von 70 Milliarden Euro auf 64 Milliarden Euro gefallen.

    Viele kapitalistische Liftunternehmer in den Alpen arbeiten schon seit Jahren mit Verlust und können nur noch mit staatlichen und lokalen Subventionen überleben. Schließen irgendwo die Lifte, dann gehen in den nächstgelegenen Dörfern die Lichter aus.

    So ist die Lage in knapp drei Viertel der 300 Skiresorts in den Alpen, denn zunehmend bleibt der Schnee, die natürliche und bisher kostenlose natürliche Grundlage des Wintersports aus.





    Die Klimaerwärmung verändert unsere natürlichen Bedingungen in aller Welt, in der Bergwelt jedoch besonders stark und tiefgreifend. In den letzten hundertfünfzig Jahren ist die globale Durchschnittstemperatur um rund ein Grad angestiegen. In der Bergwelt der Alpen stieg in der gleichen Zeit die Durchschnittstemperatur um das Doppelte, nämlich um zwei Grad. Die Bergwelt ist jedoch besonders empfindlich und besonders anfällig für die Klimaerwärmung.

    Das Beste, was die Alpenbewohner und wir alle in dieser Situation tun könnten, wäre die Alpenwelt komplett zum Naturschutzgebiet zu erklären, und nur noch eine schonende Bewirtschaftung zuzulassen – einschließlich eines Verbots des Wintersports mit mechanischen Hilfsmitteln.

    Wie reagieren jedoch die Kapitaleigentümer? Sie verteidigen ihre Profitquelle Wintersport, indem sie technisch aufrüsten und überall dort, wo der Naturschnee nicht ausreicht, die Pisten mit Kunstschnee bestäuben. Auch die Winterolympiade im südkoreanischen Pyeongchang ist komplett auf Kunstschnee angewiesen. Die Winter bei Pyeongchang sind zwar kalt, aber furztrocken.

    Kunstschnee beschleunigt dreifach die ökologische Katastrophe in den Alpen: Kunstschnee benötigt viel Wasser, viel Energie und Kunstschnee wird teilweise mit Bakterienproteinen und anderen chemischen Stoffen versetzt, um den Gefrierungsprozess zu beschleunigen. Kunstschnee ist härter und dichter als Naturschnee und beschädigt die darunter liegende Pflanzendecke stärker als Naturschnee.

    200 der 300 Skiorte in den Alpen können auf Dauer nur mit Kunstschnee überleben (siehe die gelben Punkte in der Grafik). Also investieren Wintersportkapitalisten heftig in Wasserreservoire, Schneekanonen und Stromleitungen. Der Kapitaleinsatz für Wintersport wächst, und damit wachsen auch die Kosten. Der Economist (2018.01.27, p. 52) rechnet damit, dass die Kapitalkosten durch Kunstschnee um 13% steigen.

    Diese Kosten werden freilich an die Skifahrer weitergegeben. Schon in den letzten Jahren stiegen die Kosten für den Skibetrieb deutlich schneller als die Inflationsraten. Die Kunstschneeproduktion sorgt für einen weiteren Kostenschub. Skifahren wird zu einem teuren Vergnügen. Selbst in Österreich und der Schweiz, den beiden „Skinationen“ können es sich Schüler und Schulen immer seltener leisten, Schulausflüge im Winter zu finanzieren.

    Auch in den USA wird Skifahren zunehmend zum Luxus der älteren, weißen Gutverdienern. Immer mehr junge Menschen waren noch nie auf Skiern gestanden und werden das Skifahren nie lernen. Ein wirklicher Verlust ist das nicht.

    Das Zeitalter des Skis geht dem unvermeidlichen Ende zu. Bleibt uns die Frage, ob wir dieses Ende beschleunigen oder mit wachsenden Kosten noch hinauszögern wollen.

    In Abwandlung eines Wortes des Dichters Victor Hugo: „Die Natur spricht zu uns Menschen, aber Kapitalisten können nicht hören.“


    Wal Buchenberg, 1. Februar 2018


    Siehe auch:

    Zerstörung der traditionellen Alpenwirtschaft


    Natur in Deutschland


    Wer sorgt sich um die Umwelt?

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