Finale Krise des Kapitalismus?

  • Die Daten der folgenden Grafik wurden über Jahre hinweg von Ökonomen der Bundesbank und in deutschen und US-amerikanischen Universitäten gesammelt. Dabei wurde die inflationsbereinigte Gewinnrate (blaue Linie) und die reale Wirtschaftswachstumsrate (rote Linie) aus 16 kapitalistischen Ländern gesammelt und zu einer kombinierten Entwicklungslinie so verschmolzen, dass Länder mit einer doppelt so großen Wirtschaft auch doppelt in diese Daten eingegangen sind (gewichteter Durchschnitt).





    1. Das erste, was mir an diesen Daten auffällt, ist die Krisenhaftigkeit sowohl der kombinierten Profitrate wie der gemeinsamen Wachstumsrate. Wo immer mehrere Volkswirtschaften in einen gemeinsamen Topf geworfen werden, sollte man erwarten, dass die Spitzenwerte nach oben und nach unten abgestumpft und „harmonisiert“ werden. Harmonisch sieht weder die eine, noch die andere Entwicklungslinie dieser Grafik aus.


    2. Die Daten geben dem französischen Ökonomen Piketty recht, der darauf hinwies, dass der Kapitalismus sich auf größere Ungleichheit hinentwickelt. Abzulesen ist das daran, dass die Profitrate auf alle Formen des Kapitaleigentums seit 1870 im Durchschnitt rund 6% im Jahr erreichte, während die durchschnittliche Wachstumsrate der Gesamtwirtschaft in diesem Zeitraum nur rund 3% betrug. Piketty brachte das auf die Formel r (Profit) > g (Wirtschaftswachstum).


    3. Grob vereinfacht zeigt die obere (blaue) Linie alle Einkommen der Kapitalistenklasse, die untere (rote) Linie alle Einkommen der nichtkapitalistischen Klassen (Staatsdiener, aktive Lohnarbeiter, nichtaktive Lohnabhängige, Kleinbürger). Je mehr beide Linien auseinanderklaffen, desto größer die Schere zwischen Arm und Reich. Nur während des "Goldenen Zeitalters" zwischen 1950 und 1975 hatte die soziale Ungleichheit abgenommen und sich der Lebensstandard der nichtkapitalistischen Klassen deutlich verbessert.

    Der Spitzenwert der roten Linie vor dem Zweiten Weltkrieg zeigt dagegen nur einen starken Anstieg des Staatsverbrauchs, vor allem durch Ausgaben für Rüstung.


    4. Auch wenn der Economist in seinem Kommentar zu diesen Daten behauptet: „Karl Marx once reasoned that as capitalists piled up wealth, their investments would suffer diminishing returns ... That seems not to be true.” (Economist, 2018.01.06, p 55). Die Kurve der Profitrate zeigt jedoch einen deutlich sinkenden Trend. Im Spitzenwert sinkt die Profitrate von 10% (1875) über 8,5% (1925) und 7,6% (1958) auf gut 7% in den 1990er und deutlich tiefer in den Jahren seit 2000.


    5. Die letzte kapitalistische Krise im Jahr 2008 brachte einen ähnlich tiefen Einbruch in die Gesamtwirtschaft wie die Krise von 1929. Es ist aber weit und breit keine kräftige Erholung zu sehen, wie sie 1935 einsetzte. Übrigens beweist der starke und gemeinsame Anstieg des Wirtschaftswachstums der 16 Kapital-Nationen ab 1935, dass den deutschen Nazis weder das Copyright noch die Meriten für diese wirtschaftliche Erholung gebührt.


    6. Die Gesamtentwicklung der kapitalistischen Kernzone gibt zur Zeit keinen Anlass für Optimismus. Die Vorstellung vieler Lohnabhängigen, dass die „guten Zeiten“ für uns als Lohnabhängige, aber auch für unsere natürliche Umwelt vorbei seien, und es nur noch schlimmer kommen könne, werden durch diese Daten unterstützt.

    Andererseits geben diese Daten auch keinen Anlass, von einer „finalen Krise“ des Kapitalismus zu phantasieren.


    W. Buchenberg, 9. Januar 2018

  • Als Punkt 3) oben ergänzt:

    3. Roughly simplified, the upper (blue) line shows all incomes of the capitalist class, the lower (red) line all incomes of the non-capitalist classes (civil servants, active and non-active wage laborers, petty bourgeoisie). The more the two lines diverge, the bigger the gap between rich and poor. Only during the "Golden Age" between 1950 and 1975 had social inequality diminished and the standard of living of the non-capitalist classes improved markedly.

    The peak of the red line before the Second World War, on the other hand, shows only a sharp increase in government consumption, mainly due to spending on armaments.


    3. Grob vereinfacht zeigt die obere (blaue) Linie alle Einkommen der Kapitalistenklasse, die untere (rote) Linie alle Einkommen der nichtkapitalistischen Klassen (Staatsdiener, aktive Lohnarbeiter, nichtaktive Lohnabhängige, Kleinbürger). Je mehr beide Linien auseinanderklaffen, desto größer die Schere zwischen Arm und Reich. Nur während des "Goldenen Zeitalters" zwischen 1950 und 1975 hatte die soziale Ungleichheit abgenommen und sich der Lebensstandard der nichtkapitalistischen Klassen deutlich verbessert.

    Der Spitzenwert der roten Linie vor dem Zweiten Weltkrieg zeigt dagegen nur einen starken Anstieg des Staatsverbrauchs, vor allem durch Ausgaben für Rüstung.



    Michael Roberts hat auf facebook diese Daten (und meine Grafik) kritisch kommentiert:

    https://www.facebook.com/Micha…2m4hR41xeJYyexTGc&fref=nf

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