Tausch gleicher Werte oder zu Produktionspreisen

  • Die kapitalistische Warenproduktion hat eine lange Vorgeschichte. Die Ware-Geld-Beziehung wird nur dort verstanden, soweit sie auf den Austausch von Waren zurückgeführt werden kann. Und der heutige Austausch kapitalistischer Waren wird nur soweit verstanden, soweit man den Austausch gleicher Werte theoretisch und historisch voraussetzt.

    „Die Bestimmung aller Waren als Preise – als gemessener Tauschwert – ist ein Prozess, der nur allmählich vor sich geht, häufigen Austausch voraussetzt und darum häufiges Vergleichen der Waren als Tauschwerte;“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 118.

    1) Der Warentausch entstand zunächst an den Grenzen der Gemeinschaften (Familie, Sippe) als zufälliger Tausch einzelner Produkte. Jede Gemeinschaft gab her, was sie im Überfluss hatte.

    „...Wie ich früher bemerkt, entspringt der Produktenaustausch an den Punkten, wo verschiedene Familien, Stämme, Gemeinwesen in Kontakt kommen, denn nicht Privatpersonen, sondern Familien, Stämme usw. treten sich in den Anfängen der Kultur selbständig gegenüber.

    Verschiedene Gemeinwesen finden verschiedene Produktionsmittel und verschiedene Lebensmittel in ihrer Naturumgebung vor. Ihre Produktionsweise, Lebensweise und Produkte sind daher verschieden. Es ist diese naturwüchsige Verschiedenheit, die bei dem Kontakt der Gemeinwesen den Austausch der wechselseitigen Produkte und daher die allmähliche Verwandlung dieser Produkte in Waren hervorruft.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 118.

    Die Wertbestimmung kann bei diesem externen Warentausch zunächst nicht die Hauptrolle spielen, weil die für die jeweiligen Tauschpartner die in den fremden Produkten steckende Arbeitszeit schwer zu durchschauen ist.


    2) Anderseits entwickelt sich innerhalb der Gemeinschaften eine Arbeitsteilung, zunächst und vor allem zwischen der bäuerlich-ländlichen Arbeit und der handwerklich-städtischen. Der altgriechische Schmied kannte die Arbeitszeit, die in den Lebensmitteln steckte, die er während seiner Arbeit für den Bauern verzehrte, während der Bauer hören konnte, wie viel Tage der Schmied an seinem Helm arbeitete.


    Diese Arbeitsteilung konnte sich nur dort entwickeln, wo ein Äquivalententausch, ein Austausch gleicher Arbeitszeiten, stattfand. Ein Bauer wird sich nur dort als Schuster oder Schmied spezialisieren, wo er einigermaßen sicher sein kann, dass seine Arbeitszeit nicht schlechter vergütet wird als vorher, als er noch Landmann war. Ähnliches gilt für den Bauern. Wo sich dauerhaft ein ungleicher Tausch zwischen Bauern und Handwerkern etablieren würde, käme es erst zur Landflucht und dann zu einer Hungersnot.

    Handwerker konsumieren jeden Tag vor, während und nach ihrer Tätigkeit Lebensmittel, die sie nicht selbst produzieren. Selbstständiges Handwerk konnte bei den frühen Griechen nur dort und nur so weit entstehen, als die bäuerlichen Produzenten in der Lage und willens waren, ihre Überschussproduktion an Lebensmitteln mit diesen nichtbäuerlichen Produzenten zu teilen. Die ersten Handwerker mussten den damaligen Bauern nützlich und dienlich sein, sonst fanden sie nicht Beschäftigung und Brot.

    „Jeder Warenbesitzer will seine Ware nur veräußern gegen andere Ware, deren Gebrauchswert sein Bedürfnis befriedigt. Sofern ist der Austausch für ihn nur in­dividueller Prozess. Andererseits will er seine Ware als Wert realisieren, also in jeder ihm beliebigen anderen Ware von demselben Wert, ob seine eigene Ware nun für den Besitzer der anderen Ware Gebrauchswert habe oder nicht. Sofern ist der Austausch für ihn allgemein gesellschaftlicher Prozess.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 101.

    „Soweit der Austauschprozess Waren aus der Hand, worin sie Nicht-Gebrauchs­werte sind, in die Hand überträgt, worin sie Gebrauchswerte sind, ist er gesell­schaftli­cher Stoffwechsel. Das Produkt einer nützlichen Arbeitsweise ersetzt das der anderen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 119.


    Die altgriechischen Handwerker waren in der Regel zunächst Bauern und ihr Handwerk erwuchs aus der Landwirtschaft und ihren Bedürfnissen. Der Schmied arbeitete für den Bauern, wenn er eisernes Gerät schuf, und er arbeitete für die Gemeinschaft, wenn er Waffen und Rüstungen zum Schutz der Gemeinschaft oder für einen gemeinsamen Beutezug schmiedete. Gleichzeitig hatten die Bauern für den Schmied gearbeitet, wenn sie den Handwerker mit Lebensmitteln entlohnten. Alle Menschen arbeiteten für bekannte Menschen und vorhersehbare Zwecke, nicht für einen Markt mit anonymen Abnehmern. Von den Bauern wie von den Handwerkern wurden nur Gebrauchswerte hergestellt, keine Waren. Und trotzdem war die Bestimmung der Arbeitszeit schon entscheidend, die in einzelne Produkte floss.

    „Der springende Punkt wird ... heraustreten, wenn wir die Sache so fassen: Unterstelle, die Arbeiter (= Produzenten) seien im Besitz ihrer jeweiligen Produktionsmittel und tauschten ihre Waren miteinander aus. ...

    Je nach der technischen Natur ihrer Arbeiten wäre der Wert der in den verschiedenen Arbeitszweigen angewandten Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe verschieden; ebenso wäre, abgesehen von dem ungleichen Wert der angewandten Produktionsmittel, verschiedene Masse derselben nötig für die gegebene Arbeitsmasse, je nachdem eine bestimmte Ware in einer Stunde fertig gemacht werden kann, eine andere erst in einem Tag etc.

    Unterstelle ferner, dass diese Arbeiter im Durchschnitt gleich viel Zeit arbeiten, die Ausgleichungen eingerechnet, die aus verschiedener Intensität etc. der Arbeit hervorgehen.

    Zwei Arbeiter hätten dann beide in den Waren, die das Produkt ihrer Tagesarbeit bilden, erstens ersetzt ihre Auslagen, die Kostpreise der verbrauchten Produktionsmittel. Diese wären verschieden je nach der technischen Natur ihrer Arbeitszweige.

    Beide hätten zweitens gleich viel Neuwert geschaffen, nämlich den den Produktionsmitteln zugesetzten Arbeitstag. Es schlösse dies ein ihren Arbeitslohn plus dem Mehrwert, der Mehrarbeit über ihre notwendigen Bedürfnisse hinaus, deren Resultat aber ihnen selbst gehörte. ...

    Aber erstens wären die Werte ihrer Waren verschieden.

    In der Ware I (z. B. ein Messer) z. B. wäre mehr Wertteil für die aufgewandten Produktionsmittel (= Eisen) erhalten als in der Ware II (z. B. ein Paar Sandalen aus Leder). ... Der Wert dieser Waren I und II ist also sehr verschieden. ...

    Die Profitraten wären auch sehr verschieden für I und II, wenn wir hier das Verhältnis des Mehrwerts zum Gesamtwert der ausgelegten Produktionsmittel die Profitrate nennen. (Der Schmied braucht eine Esse, Amboss etc. Der Schuster hat solche Kosten fast nicht.)

    Die Lebensmittel, die I (Schmied) und II (Schuster) während der Produktion täglich verzehren und die den Arbeitslohn vertreten, werden hier den Teil der vorgeschossenen Produktionsmittel bilden, den wir sonst variables Kapital nennen.

    Aber die Mehrwerte wären für gleiche Arbeitszeit dieselben für I und II, oder noch genauer, da I (Schmied) und II (Schuster) jeder den Wert des Produkts eines Arbeitstags erhalten, erhalten sie, nach Abzug des Werts der vorgeschossenen ‚konstanten‘ Elemente, gleiche Werte, wovon ein Teil als Ersatz der in der Produktion verzehrten Lebensmittel, der andere als darüber hinaus überschüssiger Mehrwert betrachtet werden kann.

    Hat I (der Schmied) mehr Auslagen, so sind diese ersetzt durch den größeren Wertteil seiner Ware, der diesen ‚konstanten‘ Teil ersetzt, und er hat daher auch wieder einen größeren Teil des Gesamtwerts seines Produkts rückzuverwandeln in die stofflichen Elemente dieses konstanten Teils (Esse, Amboss etc), während II (der Schuster), wenn er weniger dafür einkassiert, dafür auch umso weniger rückzuverwandeln hat.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 185f.

    (Erläuterungen in Klammer von w.b.)

     

    Der Austausch (möglichst) gleicher Werte, das heißt von Produkten, in denen gleich viel Arbeitszeit steckt, ist die notwendige Basis für ein friedliches Miteinander in der Warengesellschaft. Wenn kein Produzent eine Ahnung hat, wie viel Arbeitszeit in den einzutauschenden Produkten steckt, und jeder Produzent fürchten muss, von allen anderen Marktteilnehmern übervorteilt zu werden, dort bildet sich keine Arbeitsteilung, dort entsteht kein gesellschaftlicher Austausch.

    Andererseits zeigte die Erfahrung, dass durch die Spezialisierung und durch den Austausch die Arbeitsproduktivität der ganzen Gesellschaft stieg. Der Reichtum wuchs.


    3) Dass mit dem wachsenden Reichtum dann auch Probleme erwuchsen, die die gewachsenen Gemeinschaften zerstörten, steht auf einem anderen Blatt.

    „Die Teilung der Arbeit verwandelt das Arbeitsprodukt in Ware und macht dadurch seine Verwandlung in Geld notwendig.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 122.

    „Der Austauschprozess produziert eine Verdopplung der Ware in Ware und Geld, einen äußeren Gegensatz, worin sie ihren immanenten Gegensatz von Ge­brauchswert und Wert darstellen. In diesem Gegensatz treten die Waren als Ge­brauchswerte dem Geld als Tauschwert gegenüber. Andererseits sind beide Seiten des Gegensatzes Waren, also Einheiten von Gebrauchswert und Wert.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 119.

     

    „Begleiten wir nun irgendeinen Warenbesitzer ... zur Szene des Austauschprozesses, dem Warenmarkt. ... Der Austauschprozess der Ware vollzieht sich ... in zwei entgegengesetzten und einander ergänzenden Verwandlungen – Verwandlung der Ware in Geld und ihre Rückverwandlung aus Geld in Ware. Die Entwicklungsstadien der Warenverwandlung sind zugleich Tätigkeiten des Warenbesitzers – Verkauf, Austausch der Ware mit Geld; Kauf, Austausch des Geldes mit Ware, und Einheit beider Akte: verkaufen, um zu kaufen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 119f.

    „Der Austauschprozess der Ware vollzieht sich also in folgendem Formwechsel:

    Ware – Geld – Ware.

    W – G – W.

    Nach ihrem stofflichen Inhalt ist die Bewegung W – W, Austausch von Ware ge­gen Ware, Stoffwechsel der gesellschaftlichen Arbeit, ...“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 120.

     

    „Die Trennung des Tauschs in Kauf und Verkauf macht es möglich, dass ich bloß kaufe ohne zu verkaufen (Hortung von Waren), oder bloß verkaufe ohne zu kaufen (Akkumulation von Geld). Sie macht die Spekulation möglich. Sie macht das Austauschen zu einem besonderen Geschäft; d. h. sie begründet den Kaufmannsstand.

    Diese Trennung hat eine Masse Transaktionen möglich gemacht zwischen dem endgültigen Austausch der Waren, und sie befähigt eine Masse Personen, diese Scheidung auszubeuten.

    Sie hat eine Masse Scheintransaktionen möglich gemacht.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 114.

     

    „In seiner reinen Form ... bedingt der Zirkulationsprozess der Waren Austausch von Äquivalenten (gleichen Werten). Jedoch gehen die Dinge in der Wirklichkeit nicht rein zu. Unterstellen wir daher Austausch von Nicht-Äquivalenten.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 174.

    „A verkauft Wein zum Wert von 4.000 Euro an B und erwirbt im Austausch Getreide zum Wert von 5.000 Euro. A hat seine 4.000 Euro in 5.000 Euro verwandelt, mehr Geld aus weniger Geld gemacht und seine Ware in Kapital verwandelt.

    Sehen wir näher zu. Vor dem Austausch hatten wir für 4.000 Euro Wein in der Hand von A und für 5.000 Euro Getreide in der Hand von B, Gesamtwert von 9.000 Euro.

    Nach dem Austausch haben wir denselben Gesamtwert von 9.000 Euro. Der zirkulierende Wert hat sich um kein Atom vergrößert, seine Verteilung zwischen A und B hat sich verändert. Auf der einen Seite erscheint als Mehrwert, was auf der anderen Seite Minderwert ist, auf der einen Seite als Plus, was auf der anderen als Minus. Derselbe Wechsel hätte sich ereignet, wenn A, ohne die verhüllende Form des Austausches, dem B 1.000 Euro direkt gestohlen hätte.

    Die Summe der zirkulierenden Werte kann offenbar durch keinen Wechsel in ihrer Verteilung vermehrt werden.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 177.

    (Europreise von w.b.)

    Die kapitalistische Warenproduktion hat aber vor allem die Bereicherung zum Zweck. Allerdings unterscheidet sich die kapitalistische Warenproduktion auch wesentlich von der vorkapitalistischen, „einfachen“ Warenproduktion. Im Kapitalismus stehen sich keine Warenproduzenten gegenüber. Die Masse der Marktteilnehmer sind Lohnarbeiter, keine Warenproduzenten. Als Lohnarbeiter besitzen wir keine Produktionsmittel, mit denen wir Ware produzieren könnten, um damit unseren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir Lohnarbeiter müssen unsere Arbeitskraft verkaufen, eben weil wir keine fertigen Waren auf den Markt bringen können. Für uns Lohnarbeiter ist nicht mehr entscheidend, wie viel eigene Arbeitszeit wir für fremde Arbeitszeit tauschen. Als Lohnarbeiter haben wir keine Ahnung, wie viel Arbeitszeit in den Produkten steckt, die wir kaufen. Für uns Lohnarbeiter ist allein entscheidend, wie viel Lohn wir täglich, wöchentlich und monatlich erhalten. Das bestimmt dann die Menge der Waren und Existenzmittel, die wir kaufen können. Eine „Marktmacht“ haben wir Lohnarbeiter nicht. Wir Lohnarbeiter kaufen, um zu leben. Wir haben nicht wirklich die Option, auf unsere Einkäufe zu verzichten, auch wenn Inflation herrscht und die Preise ins Unermessliche steigen. Unser Geld ist notwendiges Mittel zur Konsumtion, kein Mittel der Bereicherung.


    4) Ganz anders die Kapitalisten. Auch für die Kapitalisten steht der Äquivalentausch nicht mehr im Vordergrund. Für die Kapitalisten steht im Vordergrund, um wie viel sie sich bereichern können. Für sie steht im Vordergrund, welchen individuellen Anteil am gesellschaftlichen Mehrwert sie ergattern können.

    Um die Mehrwertverteilung zu regeln, tauschen Kapitalisten nicht zu wirklichen Werten, sondern zu Produktionspreisen.

    „Der Austausch von Waren zu ihren Werten oder annähernd zu ihren Werten erfordert ... eine viel niedrigere Stufe als der Austausch zu Produktionspreisen, wozu ein bestimmte Höhe kapitalistischer Entwicklung nötig ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 186.

    Es ist „also durchaus sachgemäß, die Werte der Waren nicht nur theoretisch, sondern historisch als das Frühere der Produktionspreise zu betrachten.

    Es gilt dies für Zustände, wo dem Arbeiter die Produktionsmittel gehören, und dieser Zustand findet sich, in der alten wie in der modernen Welt, beim selbstarbeitenden grundbesitzenden Bauer und beim Handwerker.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 186f.


    5) Wäre noch zu klären, was ein kapitalistischer Produktionspreis ist.

    Die Kapitalisten berechnen ihre Preise nach Kostpreisen. Im Kostpreis berechnen die Kapitalisten, was sie individuell für die Produktion einer Ware vorgeschossen haben. Der Kostpreis des Kapitalisten besteht daher aus der Summe von c + v. Der Kostpreis einer Ware ist also kleiner als ihr Wert:

    „Der Kostpreis einer Ware bezieht sich nur auf die Menge der in ihr enthaltenen bezahlten Arbeit, der Wert auf die Gesamtmenge der in ihr enthaltenen bezahlten und unbezahlten Arbeit;“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 175.

    Der Mehrwert entstammt der in der Ware steckenden unbezahlten Arbeit. Diese unbezahlte Arbeit kostet zwar den Kapitalisten nichts, aber natürlich „kostet“ sie die Lohnarbeiter Arbeitseinsatz und Arbeitszeit und geht daher in den Wert der Ware ein.

    „Nennen wir den Kostpreis k, so verwandelt sich die Formel W = c + v + m in die Formel: W = k + m, oder Warenwert = Kostpreis + Mehrwert.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 34.

    Würden die Kapitalisten ihre Waren zu Kostpreisen plus ihrem Mehrwert verkaufen, dann müssten sie wissen, wie hoch der Mehrwert ist, der unter ihrem Kommando produziert worden ist, das können sie aber nicht wissen und wollen es auch nicht wissen. Sie müssten sonst begreifen, dass ihr Mehrwert aus unbezahlter Arbeit stammt.

    Was die Kapitalisten aus Erfahrung wissen – und diese Erfahrung geht auch als Obergrenze in die Festsetzung des banküblichen Zinssatzes ein – ist, wie viel Profit man im Allgemeinen aus einem vorgeschossenen Kapital herausschlagen kann.

    Ein Kapital A von 500 macht im Allgemeinen vielleicht einen Profit von 100 und ein Kapital B von 1.000 macht im Allgemeinen einen Profit von 200.

    Vielleicht war das Kapital A zusammengesetzt aus 250 c + 250 v und hatte dann bei einer Ausbeutungsrate von z. B. 100 % einen Mehrwert von 250 m.

    Das Kapital B war vielleicht zusammengesetzt als 900 c + 100 v und hatte dann bei einer Ausbeutungsrate von z. B. 150 % einen Mehrwert von 150 m.

    Würde jedes Kapital seinen individuellen Mehrwert realisieren, dann wäre das rückständige und niedriger zusammengesetzte Kapital A profitabler als das technisch fortgeschrittene und höher zusammengesetzte Kapital B. Das kann und darf nicht sein.

    Indem die Kapitalisten den Durchschnittsprofit auf ihre individuellen Kostpreise schlagen, erreichen sie, dass nicht die organische Zusammensetzung des jeweiligen Kapitals (= das Wertverhältnis des variablen Kapitals zum konstanten Kapital = v:c) und ihre individuelle Ausbeutungsrate (= m:v) bestimmend in die Preisbildung und damit in ihren Profit eingehen, sondern allein die Größe des vorgeschossenen Gesamtkapitals.


    Auf ein größeres Kapital fällt so eine entsprechend größere Masse Profit:

    „Man hat gesehen, wie die Abweichung der Produktionspreise von den Werten dadurch entspringt: ... dass zum Kostpreis einer Ware nicht der in ihr enthaltene Mehrwert, sondern der Durchschnittsprofit hinzugeschlagen wird; ...“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 216f.

    „Der Produktionspreis schließt den Durchschnittsprofit ein. Wir gaben ihm den Namen Produktionspreis; es ist tatsächlich dasselbe, was A. Smith natural price nennt, Ricardo price of production, cost of production, die Physiokraten prix nécessaire nennen – wobei keiner von ihnen den Unterschied des Produktionspreises vom Wert entwickelt hat ...

    Man begreift auch, warum dieselben Ökonomen, die sich gegen die Bestimmung des Werts der Waren durch die Arbeitszeit, durch die in ihnen enthaltene Menge Arbeit sträuben, immer von den Produktionspreisen sprechen als von den Zentren, um die die Marktpreise schwanken. Sie können sich das erlauben, weil der Produktionspreis eine schon ganz veräußerlichte und scheinbarbegriffslose Form des Warenwerts ist, eine Form, wie sie in der Konkurrenz erscheint, also auch im Bewusstsein des normalenKapitalisten, also auch in dem der Vulgärökonomen vorhanden ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 208.

    „Dasein und Begriff des Produktionspreises und der allgemeinen Profitrate, die er einschließt, beruhen darauf, dass die einzelnen Waren nicht zu ihrem Wert verkauft werden.

    Die Produktionspreise entspringen aus einer Ausgleichung der Warenwerte, die, nach Rückerstattung der jeweiligen, in den verschiedenen Produktionssphären aufgezehrten Kapitalwerte, den gesamten Mehrwert verteilt, nicht im Verhältnis, worin er in den einzelnen Produktionssphären erzeugt ist und daher in ihren Produkten steckt, sondern im Verhältnis zur Größe der vorgeschossenen Kapitale.

    Nur so entspringt ein Durchschnittsprofit und der Produktionspreis der Waren, dessen charakteristisches Element er ist.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 769.

    Die Produktionspreise enthalten ein individuelles Element des Einzelkapitals, den Kostpreis (c + v) und ein kollektives Element aller Kapitale einer Volkswirtschaft, den Durchschnittsprofit.


    „Es ist klar, dass der Durchschnittsprofit nichts sein kann, als die Gesamtmasse des Mehrwerts, verteilt auf die Kapitalmassen in jeder Produktionssphäre nach Verhältnis ihrer Größen.“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 183.

    Da über den Durchschnittsprofit die Gesamtmasse des Mehrwerts auf alle Kapitale entsprechend ihrer Größe verteilt wird, stimmt auch für die Gesamtmasse der Waren – und nur für diese Gesamtmasse – die Formel: Der Warenwert ist Kostpreis + Mehrwert (= c + v + m).


    Gruß Wal Buchenberg

    Siehe dazu im

    Karl-Marx-Lexikon: Preis und Wert


    Herausbildung der Warengesellschaft im alten Griechenland


  • Das find ich (allgemein zur Diskussion und zur Diskussion über Gegenständlichkeit des Wertes) passend:

    ;-)

    Quote

    Der Produktionspreis schließt den Durchschnittsprofit ein. Wir gaben ihm den Namen Produktionspreis; es ist tatsächlich dasselbe, was A. Smith natural price <natürlichen Preis> nennt, Ricardo price of production, cost of production <Produktionspreis, Produktionskosten>, die Physiokraten prix nécessaire <notwendigen Preis> nennen - wobei keiner von ihnen den Unterschied des Produktionspreises vom Wert entwickelt hat -, weil er auf die Dauer Bedingung der Zufuhr, der Reproduktion der Ware jeder besondren Produktionssphäre ist.(33)Man begreift auch, warum dieselben Ökonomen, die sich gegen die Bestimmung des Werts der Waren durch die Arbeitszeit, durch das in ihnen enthaltne Quantum Arbeit sträuben, immer von den Produktionspreisen sprechen als von den Zentren, um die die Marktpreise schwanken. Sie können sich das erlauben, weil der Produktionspreis eine schon ganz veräußerlichte und prima facie begriffslose Form des Warenwerts ist, eine Form, wie sie in der Konkurrenz erscheint, also im Bewußtsein des vulgären Kapitalisten, also auch in dem der Vulgärökonomen vorhanden ist.

    Gruß Uwe

  • Quote

    Meine Hoffnung ist, dass ich noch Gelegenheit dazu haben werde, meine weiteren Gedanken hier anzubringen.

    Hallo Rainer,

    Ja, du hast hier die Möglichkeit deine Gedanken hier "anzubringen".

    Aber du solltest dabei etwas mehr Respekt vor den Gedanken der anderen zeigen. In diesem Thread geht es allein darum, wie Marx die Entwicklung der Warengesellschaft mittels des Äquivalententauschs erklärt bis hin zum Funktionieren der kapitalistischen Warenproduktion.

    Es geht in diesem Thema nicht darum, welche "Neuinterpretation der AWT" Rainer Lippert sich ausgedacht hat.

    Meine Bitte: Bleibe beim Thema, dann bleiben wir Freunde.;)

    Dein Beitrag wurde gelöscht.


    Gruß Wal

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