Kommunalwirtschaft heute

  • Die meisten Stadtwerke entstanden in der Zeit nach 1870 in einer Zeit der sprunghaften Industrialisierung. Häufig wurden mehrere kleine Energieanbieter zu einem kommunalen Unternehmen zusammengefasst, um die schnell wachsende Industrie und die steigenden Einwohnerzahlen mit Strom, Gas und Wasser versorgen und Müll und Abwasser entsorgen zu können. Im 20. Jahrhundert kamen auch Verkehrsbetriebe (Busse, Straßenbahn), Krankenhäuser, Stadtsparkassen und Parkverwaltungen hinzu.

    Der Staat übernimmt im Kapitalismus überall dort wirtschaftliche Aufgaben, wo eine dringende Nachfrage besteht, aber die Herstellung und Lieferung nicht profitabel (genug) organisiert werden kann. Anders gesagt: Die kommunalen Staatsbetriebe liefern Waren und Dienstleistungen, die die Privatwirtschaft nicht ebenso billig und nicht ebenso zuverlässig liefern kann. Das galt schon immer für den Straßen- oder Kanalbau. Später war das die Energieversorgung oder das Gesundheitswesen, heute sind es zum Beispiel die Verlegung von Glaskabeln oder die Anlage von Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken.

    Im Laufe der Zeit verloren die Kommunalbetriebe für die Kapitalisten an Bedeutung, immer mehr Unternehmen verließen die Städte und zogen aufs platte Land. Für uns Lohnabhängige wurde die kommunale Versorgung immer wichtiger, weil wir Lohnabhängige über immer weniger eigene Ressourcen verfügen (Familienstrukturen, aber auch Gemüsebeete, eigene Brunnen etc.)


    Die Produkte und Dienstleistungen der kommunalen Betriebe werden als kapitalistische Waren auf dem Markt (das heißt für anonyme Käufer) verkauft. Trotzdem behauptet der Gesetzgeber (im Grundgesetz) , es handele sich dabei um „öffentliche Aufgaben“ und um „Daseinsvorsorge“. An dieser politischen Fiktion ist nur so viel wahr, dass diese Dienstleistungen sowohl für die kapitalistischen Betriebe wie für die (lohnabhängige) Einwohnerschaft zur unabdingbaren Existenzgrundlage zählen. Zur Existenzgrundlage der Lohnarbeiter zählen jedoch auch das Wohnen, Kleiden und Essen. Wohnraum, Die Lieferung von Kleidung, Nahrung und Wohnraum für die Einwohner wird jedoch nicht oder nur im Ausnahmefall von den Kommunen als ihre „öffentliche Aufgabe“ und als „Daseinsvorsorge“ begriffen.

    Was „öffentliche Aufgabe“ ist, wird politisch definiert. Die Mehrzahl der Lohnabhängigen fasst unter „öffentliche Aufgabe“ ganz viel, auch den städtischen Wohnraum. Die Mehrzahl der Kapitalisten fasst unter "öffentliche Aufgabe" möglichst wenig. Der politische Kampf der Klassen entscheidet über die konkrete Ausgestaltung der Kommunalwirtschaft.

    Die kommunalen Stadtwerke sind organisatorisch am „Randbereich des Kapitalismus“ angesiedelt. Sie sind mehr oder minder staatskapitalistisch oder auch staatssozialistisch. Wären die kommunalen Dienstleistungen für alle Individuen kostenlos, dann lägen sie im Übergangsbereich des Kommunismus. Ihre Kosten würden dann auf die Gemeinde als Ganzes fallen.


    In neuerer Zeit sind viele der kommunalen Betriebe ganz oder teilweise wieder privatisiert worden. Nach europäischem Recht verfolgen die kommunalen Versorgerbetriebe „wirtschaftliche Interessen“, heißt im Klartext: Sie müssen kapitalistisch-gewinnbringend geführt werden und dürfen nicht offen und direkt subventioniert werden wie die Kulturbetriebe (Theater, Museen, Orchester).


    Die Führung und Kontrolle der Kommunalbetriebe ist Aufgabe der Stadtverwaltungen. Mit „demokratischer Kontrolle“ hat das wenig zu tun. Das Management der Kommunalbetriebe ist in den Gemeindeordnungen geregelt, und unterscheidet sich von Gemeinde zu Gemeinde.

    Es würde nichts schaden, wenn die Linken sich häufiger mal die Geschäftsberichte ihrer kommunalen Betriebe vor Ort anschauen würden: Was diese kommunalen Betriebe abdecken und was nicht, und zu welchem Preis.

    Lokale Konflikte entstehen notwendig dort, wo die Gemeinde „öffentliche Aufgaben“ an Privatkapitalisten verscherbelt, ihr Angebot zusammenstreicht oder für ihre Dienstleistungen die Preise erhöht.


    Die heutigen Kommunen sind das Feld, wo die Linken, die was verändern wollen, mit den Lohnabhängigen zu tun bekommen, die was verändern müssen.

    Siehe auch dazu: Bochumer Programm



    Die erste Zahl in den grünen Kreisen gibt die Anzahl der Mitarbeiter in den Stadtwerken an.

    Die untere Zahl den Umsatz pro Mitarbeiter. Mit 9020 Mitarbeitern sind die Stadtwerke München der größte Kommunalbetrieb. Beim Pro-Kopf-Umsatz schießt Bochum mit 5 Millionen (2015) den Vogel ab.


    Siehe auch: Kommunale Selbstverwaltung heute

    Wal Buchenberg, 22.08.2017

  • Hallo Wal,


    gilt die Aussage: "[H]eißt im Klartext: Sie müssen kapitalistisch-gewinnbringend geführt werden und dürfen nicht offen und direkt subventioniert werden wie die Kulturbetriebe (Theater, Museen, Orchester)." auch für Versorgungsbetriebe in öffentlichem Besitz? Wenn ja, was passiert mit den Überschüssen die sie erwirtschaften?


    Gruß Wanderer

  • Hallo Wanderer,

    diese Aussage entstammt sinngemäß dem oben verlinkten Artikel von Wikipedia über Kommunalwirtschaft.

    Von Städtischen Sparkassen und von Landesbanken weiß ich, dass ihre Überschüsse in den öffentlichen Haushalt wandern. Sie geben sich daher Mühe, möglichst wenig Überschuss zu produzieren.


    Gruß Wal

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