Firmenpleiten und Fall der Profitrate

  • Freudig erregt und optimistisch wird dieser Tage in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen gemeldet, dass die Firmenpleiten das dritte Jahr in Folge rückläufig seien. (z.B. hier: http://www.fr-online.de/wirtsc…den,1472780,22072816.html)


    Mit rund 28300 Insolvenzen sei das der niedrigste Stand seit 2000.


    Ein Blick auf die Entwicklung der Firmenpleiten seit den 1950iger Jahren macht jedoch deutlich, wie es um die Aussichten auf erfolgreiche Kapitalverwertung mittlerweile bestellt ist.
    (siehe Anlage)


    Die Konkurrenz verwandelt sich in einen Kampf der verfeindeten Brüder (Marx, Kapital Bd. 3. S. 263). Das mittlerweile hohe Niveau der Firmenpleiten deutet hin auf das niedrige Niveau der Profitrate, die besonders wichtig ist „für alle neuen, sich selbständig gruppierenden Kapitalableger“ (Kapital Bd. 3, S. 269). Auch Krisengewinnern unter den alten Industriemächten - mit hoch akkumulierten Kapital (wie Deutschland) – gelingt es nicht, die Profitrate wieder auf ein Niveau zu bringen, dass das Risiko für neu angelegtes Kapital, von Verlust auf der ganzen Linie, drastisch reduziert. Was bleibt ist „Schwindel und allgemeine Begünstigung des Schwindels durch leidenschaftliche Versuche in neuen Produktionsmethoden, neuen Kapitalanlagen, neuen Abenteuern.“ (Kapital Bd. 3., S.269)


    Viele Grüße
    Robert

  • Hallo Robert,



    ich sehe das nicht ganz so. ich denke, dass man aus der absoluten Zahl der Firmenpleitenkeine Relation zur fallenden Profitrate herstellen kann. Man müsste schon genauer wissen, um welche Unternehmen es sich handelt. Sind es irgendwelche Einmann/frau- und sonstige Kleinstunternehmen im Dienstleistungsbereich oder handelt es sich um Fabriken mit einer hohen technischen Zusammensetzung des Kapitals?


    Aber selbst wenn letzteres zuträfe, wäre es allgemein wenig aussagekräftig, weil die deutscheIndustrie, in der die Bewegung des Gesetzes ja seinen Verlauf nimmt, nur noch einen Anteil von weniger als einem Drittel an der Reichtumsproduktion hält. In Deutschland werden im Wesentlichen nur noch Autos, Anlagegüter und Hochtechnologie (Roboter etc.) hergestellt. Dergrößte Teil der Konsumgüter (Haushaltsgeräte, Textilien, Möbel etc.) werden re-
    oder direkt importiert.


    In Deutschland werden heute überwiegend Dienstleistungen geleistet. Das ist ein Ergebnis der Restrukturierung der Gesamtwirtschaft nach der großen Krise Mitte der 70er Jahre. Außerdem wurde seitdem die Industrie in Billiglohnländer ausgelagert, ein Niedriglohnsektor geschaffen, die Arbeitszeit flexibilisiert, die Lohnstückkosten desweitern durchSozialabgabenkürzungen und Lohnpolitik gesenkt, durch steuerliche und andere staatliche Maßnahmen die Kapitalisten gefördert und die Lohnarbeiter benachteiligt. Alles in allem haben diese Maßnahmen zu einer Verdopplung der
    Profitrate (1975 etwa 7% und 2011 etwa 15%) und gleichzeitig zur Verarmung der Lohnarbeiter geführt (etwa 40%), die ja von bürgerlicher Seite in den 70er Jahren als überwunden galt.


    Ich denke, dass man im Moment nur indirekt von einer Krise wegen der fallenden Profitrate sprechen kann (auch erzielen die deutschen großen internationalen Unternehmen immer wieder neue Profitrekorde (z.B. VW)). Die Kapitalisten haben es inZusammenarbeit mit dem kapitalistischen Staat dazu gebracht, trotz derGültigkeit des Gesetzes die Profitrate zu erhöhen. Es sind sozusagen im wesentlichen die schon von Marx erwähnten dem Gesetz entgegen wirkenden Ursachen, konkret die insbesondere zur Erhöhung der Ausbeutungsrate erfolgreich durchgeführten Maßnahmen. Allerdings sind diese Maßnahmen heute erschöpft, Arbeitsproduktivität und technische Zusammensetzung desKapitals wachsen nicht mehr ausreichend und der Staat hat wegen der hohen Verschuldung keine Spielräume mehr, die sich zuspitzende Verelendung aufzuhalten. Das sind aktuell die Indikatoren,
    die die Gültigkeit des Gesetzes anzeigen. Erst in der nahen Zukunft wird es sich durch das Auseinanderdriften von Wertmasse und Preis der Ware Arbeitskraft bzw. Überakkumulation einerseits und Massenarmut andererseits auch in Deutschland bestätigen.


    Beste Grüße


    Kim

  • Alles in allem haben diese Maßnahmen zu einer Verdopplung der Profitrate (1975 etwa 7% und 2011 etwa 15%) und gleichzeitig zur Verarmung der Lohnarbeiter geführt (etwa 40%), die ja von bürgerlicher Seite in den 70er Jahren als überwunden galt.

    Hallo Kim,
    ich hatte ja in meinem Beitrag über den Fall der Durchschnittsprofitrate des gesellschaftlichen Gesamtkapitals und die Krisen geschrieben, dass die Profitrate nur im Zyklendurchschnitt sinkt. Ihre Entwicklung verläuft ähnlich wie die der Wachstumsraten des BIP. (siehe dazu die beiden Anhänge)
    Wenn du jetzt die Profitrate des Krisenjahres 1975 mit der des Aufschwungjahres 2011 vergleichst, dann lässt sich meiner Meinung nach daraus keine Tendenz ableiten!
    Es ist aber richtig, dass besonders in Deutschland die Maßnahmen von Kapital und Staat (Steigerung der Ausbeutungsgrades der Lohnarbeit) gegen die sinkende Durchschnittprofitrate des gesellschaftlichen Gesamtkapitals Wirkung gezeigt haben. Laut Stefan Krüger hat sie sich in den letzten Zyklen stabilisiert. (siehe eine der beiden Anlagen) Die sich aufbauende Überakkumulation ist dadurch allerdings nicht verschwunden. Deren Abbau verlangt gigantische Entwertung und Vernichtung von Kapital, die nur durch eine entsprechende Krise bewerkstelligt werden kann. Wohin das auch immer führt ....
    Das anhaltend hohe Niveau der Firmenpleiten habe ich einen "Hinweis" genannt, nämlich einen Hinweis auf das niedrige Niveau der Durchschnittsprofite und - muss ich hinzufügen - der Überakkumulation, die damit zusammenhängt.
    Ferner hatte ich Marx zitiert, der darauf hinweist, dass die Höhe der Profitrate besonders wichtig ist für neue selbständige Einzelkapitale, für die die Masse des Profits eine niedrige Rate des Profits nicht kompensieren kann.
    Aus meiner Sicht ist die Frage, was das für Unternehmen sind, die da Pleite machen für das zu erklärende Phänomen eher unerheblich. In der Mehrzahl sind es jedenfalls kleine Unternehmen mit niedriger organischer Zusammensetzung und neu gegründete Unternehmen. Zwar machen mittlerweile auch vermehrt große Kapitale mit einer langen Geschichte Pleite, aber die erklären nicht die hohe Zahl.
    Im Übrigen möchte ich darauf verweisen, dass die im Durchschnitt sich erhöhende organische Zusammensetzung zwar die Ursache des tendenziellen Falls der Profitrate ist, daraus aber nicht der Schluss abzuleiten ist, dass die Kapitale mit der höchsten Zusammensetzung dann auch die ersten Opfer dieser Entwicklung sind. Das Gegenteil ist der Fall, weil eben für sie große Profitmasse sinkende Profitrate kompensieren kann und weil es zu einer Umverteilung des Mehrwerts zu diesen großen Kapitalen kommt. In der Konkurrenz stellt sich eben alles verkehrt dar. :huh: Das will ich aber nicht weiter ausführen.


    Viele Grüße
    Robert


    p.s. ein paar detailliertere Infos zur Frage, welche Unternehmen betroffen sind, findest du hier:
    http://www.wirtschaftsdienst.eu/archiv/jahr/2012/9/2849/



  • Gerne wird behauptet, das Management von insolventen Unternehmen habe sich und ihre Lohnarbeiter selbst in die missliche Lage gebracht. Genauso kann man von Tieren sagen, dass sie selbst schuld sind, wenn sie auf der Autobahn platt gefahren werden. Warum konkurrieren sie auch um den begrenzten Platz der Autobahn mit Lebewesen, die schneller und rücksichtsloser unterwegs sind?

    Allerdings bringt der Kapitalismus das Kunststück fertig, dass die Zahl der Kadaver auf der Volkswirtschaftsstraße zunimmt, wenn sich das allgemeine Wirtschafts-Tempo verlangsamt, meint Wal

  • Newly created posts will remain inaccessible for others until approved by a moderator.