Staat im Sozialismus?

  • Es ist m.E. grundlegend, darauf hinzuweisen:
    Im Kommunismus wird der Staat absterben. (Nach marxistischer Auffassung.)
    Und - es spielt sehr wohl eine Rolle, sogar eine bedeutende Rolle-, welche Regierung regiert.

  • Hallo basal,
    Was du schreibst, finde ich ganz richtig.
    Aber man kann und muss auch den Grund angeben, warum der Staat im Kommunismus abstirbt. Er stirbt aus dem Grund ab, weil die Menschen alle Gemeinschaftsaufgaben gemeinsam und selbst erledigen und solche Aufgaben nicht an eine feste Personengruppe delegieren. Der Staat stirbt also in dem Maße und in dem Tempo ab, wie die Menschen alle ihre gemeinschaftlichen Belange selbst regeln.
    Ich denke, das ist das, worauf Wat.oben hingewiesen hat: Der Staat schafft sich niemals selbst ab.


    Das ist auch die Kritik von Marx an all denen, die den Staat "abschaffen" wollen: Der Staat ist ein Instrument der Klassenherrschaft. Das Instrument "Staat" verschwindet nicht per Dekret, sondern muss durch passendere Instrumente (Selbstverwaltung, Jobrotation etc.) überflüssig gemacht werden.


    ".. Die kommunistische Revolution, die die Teilung der Arbeit aufhebt, (beseitigt schließlich) die politischen Einrichtungen ..." K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 364.


    Soweit und wo es heute schon selbstverwaltete Strukturen gibt, tragen diese schon zum Absterben des Staates bei.


    Gruß Wal


    Siehe:
    http://marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_s/staat.html

  • Hallo Wolf und basal,


    aber sicher habe ich davon gehört und nicht nur das, ich habe davon gelesen - bei Marx.


    Dort konnte ich auch lesen, warum es Staat gibt und daraus resultierend; wie lange. Ebenso ist bei ihm so einiges an Argumentation gegen ein Primat der Politik zu finden.


    Ja, wir sind hier im Marx-Forum und das hat auch ein Lexikon, damit ist ein schneller Überblick über nicht 'unwichtige' Kategorien von/ bei ihm möglich sind - schaut doch bitte einfach oben zum Header, da ist ein Link dorthin ;-)


    Ich erlaube mir außerdem zu wissen, wann nach Marx etwas Sozialismus genannt werden kann.


    Die bisherigen Anläufe dazu waren nur Staatssozialismus und der hat mit Sozialismus genauso viel oder wenig zu tun wie der Kapitalismus - nämlich die gesellschaftliche Produktion.


    Der Staat ist der Überbau über die materielle Basis, die Basis ruft den Überbau hervor, und nicht der Überbau die Basis.


    Erst wenn die materielle Basis (hier gesellschaftliche Produktion) keinen Überbau mehr braucht, dann ist er obsolet.
    Im übrigen ändert sich eine materielle Basis nicht allein dadurch, daß die alten Eigentümer verschwinden (sollen/ müssen) - die Produktionsweise muß sich ändern.


    Hier haben wir jetzt Warenwirtschaft. Der Staatssozialismus hatte das auch (nur).


    Meine Fragen an Euch:


    Wie ist die nächste Art zu wirtschaften - habt Ihr da schon eine Vorstellung?
    Wie ist der jetzige Stand der Produktivkräfte?
    Wie könnte eine Regierung da eingreifen und mindestens genauso wichtig: Womit?


    Liebe Grüße - Wat.

  • Hallo Wat.,


    vielen Dank für Deine Ausführungen.


    Marx bleibt im Hinblick auf zukünftige gesellschaftliche Produktionsweisen im Allgemeinen.


    Ein Aspekt meiner Interpretation der "Kapitals" ist aber ungefähr so:
    Ein Teil der Voraussetzungen und Bestimmungen einer erfolgreichen kaptialistischen Produktionsweise können auch Teil zukünftiger nicht-kapitalistischer Produktionsverhältnisse werden. Ich denke da z.B. an die Kooperation.
    Diese Fähigkeit an sich kann natürlich eine unterschiedliche Funktion erfüllen: Hier ein Teil der Konkurrenz, dort ein Teil gemeinwirtschaftlicher Arbeit.

  • Ein Aspekt meiner Interpretation der "Kapitals" ist aber ungefähr so:
    Ein Teil der Voraussetzungen und Bestimmungen einer erfolgreichen kaptialistischen Produktionsweise können auch Teil zukünftiger nicht-kapitalistischer Produktionsverhältnisse werden. Ich denke da z.B. an die Kooperation.
    Diese Fähigkeit an sich kann natürlich eine unterschiedliche Funktion erfüllen: Hier ein Teil der Konkurrenz, dort ein Teil gemeinwirtschaftlicher Arbeit.

    Hallo basal,


    Die Kooperation ist auch jetzt Kooperation.


    Du hast schon recht, wenn Du sagst, daß es jetzt hier um Konkurrenz geht, allerdings nur soweit und so lange es darum geht, einen Arbeitsplatz zu bekommen/ zu er-/ zu behalten. Während der Ausübung der Arbeit ist diese nur in Kooperation möglich. Auf der Stufe heutiger Arbeitsteilung ist Produktion ohne Kooperation überhaupt nicht mehr möglich.


    Kooperation ist mE das 'Zauberwort' schlechthin für eine positive Zukunft.


    Kooperation muß mE raumgreifen für eine gemeinsame Produktionsplanung und -umsetzung:

    "Wir planen und arbeiten für uns"


    Dh. Die heutige gesellschaftliche Produktion müssen wir uns gemeinsam aneignen, wir gemeinsam und nicht eine besondere Gruppe für uns oder statt uns.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Liebe Genossen, liebe Genossin Wat.,


    vielen Dank für Deine (Wats) Mitteilung!


    Oben steht sinngemäß, dass der Staatssozialismus auch nur Warenwirtschaft hatte.

    Bei der Beurteilung kapitalistischer Produktionsweise ist ein Kriterium, welche gesellschaftlichen Bereiche dieser unterliegen. Bemächtigt sich kapitalistische Produktionsweise weiterer Gebiete und Sphären oder ist sie auf dem Rückzug.


    Der Staatssozialismus hatte wahrscheinlich eine "Warenwirtschaft". Diese Waren wurden aber (überwiegend?) oder (teilweise?) nicht auf dem "freien Markt" gehandelt. Der "freie Markt" ist aber eine Bedingung kapitalistischer Produktionsweise.

    Am Beispiel "Wohnungen in der DDR" kann man vielleicht verdeutlichen, dass es ein Anliegen des Staatssozialismus war, die "Wohnung" nicht als Ware sondern als lebensnotwendiges Existenzmittel zu betrachten. Die "Wohnungen" wurden der "Marktlogik" entrissen.

    Ich gehe davon aus, dass sich weitere ähnliche Bereiche finden lassen.


    Allgemein gesagt: Ein Staatssozialismus kann ein grundlegender Schritt sein, eine sozialistische, kommunistische Gesellschaft zu erreichen.

  • Hallo Genosse basal,


    das sehe ich entschieden anders:

    Der Staatssozialismus ist kein besserer, eher ein schlechterer oder gar kein grundlegender(er) Schritt, eine sozialistische/ kommunistische Gesellschaft zu erreichen als vom Kapitalismus aus.


    Ich behaupte sogar:

    Staatssozialismus ist wohlwollend betrachtet ein Umweg (Rückweg in den Kapitalismus eingeschlossen) - und - theoretisch betrachtet eine Sackgasse.


    Ich kann's auch drastisch ausdrücken:

    Staatssozialismus ist Dummenfang.


    Er ist ein Sozialstaat, mehr nicht und nur das.

    Klar er beinhaltet gesellschaftliche Produktion, aber die hat der Kapitalismus auch schon.


    Was war/ ist da bitte für ein Unterschied für einen Arbeiter oder meinetwegen auch Werktätigen zum Lohnarbeiter imKapitalismus?


    Hältst Du es für einen gravierenden Unterschied, daß ihm ein anderer Dritter als im Kapitalismus gesagt hat, was er wie zu tun und zu lassen hat?


    Hat er nicht seine Arbeitskraft verkauft, auch wenn sie ihm irgendwie abgekauft werden mußte?


    Ich kann mich nicht daran erinnern, daß ich im Laden nichts bezahlen mußte und eine geringe Miete ist immer noch eine Miete.


    Der Arbeiter/ Werktätige hatte als solcher nichts zu entscheiden, gar nichts.


    In einem Sozialismus braucht es keine Plankommission, macht ein Demokratischer Zentralismus NULL Sinn.


    PS - ich habe hier im Marx-Forum einiges dazu in Wat.s Blog zusammen getragen.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Liebe Genossin Wat., liebe Genossen


    eine kleine Anmerkung vorneweg zu meiner Methodik: Mein Anliegen ist es (jetzt) nicht, Deinen Argumente im Gesamten, sozusagen im allgemein, andere Betrachtungsweisen oder Argumente entgegenzusetzen. Zum einen ist vieles mir nachvollziehbar, zum anderen sind es (zu) viele verschiedene Aspekte.


    Zur "Gesellschaftliche Produktion":

    Kapitalistische Produktionsweise stellt Waren her. Die Waren haben lebensnotwendigen Charakter (z.B. essen, trinken, wohnen), oder die Industrie arbeitet daran, ihnen gesellschaftliche Relevanz zu geben (Anliegen eines Teils der Werbung).

    Das Ziel: Die Waren sollen von der Gesellschaft gekauft werden. Deshalb kann man unter diesem Gesichtspunkt sagen, kapitalistische Produktionsweise ist gesellschaftliche Produktion.


    Zu dieser Produktionsweise gehören aber folgende Aspekte:

    Private Unternehmen, die letztendlich ausschließlich egoistische Interessen verfolgen, bewerkstelligen die Warenproduktion für die Gesellschaft. Die Gesellschaft ist nur Mittel zum Zweck der Mehrwertmaximierung!


    Deshalb kann man auch sagen, dass kapitalistischer Produktionsweise entscheidende Merkmale fehlen, um im eigentlichen "gesellschaftliche Produktion" darzustellen. Wichtig ist hier auch die Frage, wer bestimmt, was produziert wird. Sind es die Privaten im Rahmen ihres planlosen Plans. Planlos deshalb, weil die Akteure darauf setzen, dass es "der Markt schon richte". Oder sind es gesellschaftliche Gruppen.


    Staatssozialismus kann den Raum eröffnen, gesellschaftlichen Gruppen die Bestimmung, welche Produkte hergestellt werden, zu ermöglichen. Ein Staatssozialismus ist nicht determiniert, nach den Mechanismen kapitalistischer Produktionsweisen verfahren zu müssen. Er kann, muss aber nicht. Im Gegensatz dazu der Kapitalismus: Bei dieser Produktionsweise wird immer die Maximierung des Mehrwerts auf Kosten der Gesellschaft vorherrschend sein.


    Deshalb bietet Staatssozialismus eine größere Chance, dass die Gesellschaft bestimmt, was produziert wird! Deshalb beinhaltet ein Staatssozialismus auch die Möglichkeit, mehr als "nur" Sozialstaat zu sein. Im übrigen habe ich "nur" in Anführungszeichen gesetzt, weil es bei uns großer Kämpfe und Abwehrkämpfe bedarf, um sozialstaatliche Elemente zu erhalten. In meinen Augen es also eine Errungenschaft ist, einen "Sozialstaat" zu haben.


    Viele Grüße,

    basal

  • Zur "Gesellschaftliche Produktion":

    Kapitalistische Produktionsweise stellt Waren her. Die Waren haben lebensnotwendigen Charakter (z.B. essen, trinken, wohnen), oder die Industrie arbeitet daran, ihnen gesellschaftliche Relevanz zu geben (Anliegen eines Teils der Werbung).

    Das Ziel: Die Waren sollen von der Gesellschaft gekauft werden. Deshalb kann man unter diesem Gesichtspunkt sagen, kapitalistische Produktionsweise ist gesellschaftliche Produktion.

    Hallo Basal,
    wir haben hier einen anderen Begriff von "gesellschaftlicher Produktion". Für dich heißt "Gesellschaftliche Produktion", wenn Waren (oder Produkte) zwischen den Gesellschaftsmitgliedern ausgetauscht werden. Nach deiner Vorstellung hat es "gesellschaftliche Produktion" eigentlich schon immer gegeben. Weil die Menschen schon immer als Gemeinschaft gelebt, produziert und konsumiert haben.


    Marx nannte aber "gesellschaftliche Produktion" nicht den gesellschaftlichen Produkten- oder Warentausch, sondern tatsächlich den Produktionsbereich, der gemeinsam, gesellschaftlich, organisiert ist:

    „Im unmittelbaren (Waren-)Austausch zweier selbständiger Handwerker erscheint die vereinzelte unmittelbare Arbeit als realisiert in einem besonderen Produkt oder Teil des Produkts und ihr gemeinschaftlicher gesellschaftlicher Charakter ... nur gesetzt durch den Austausch. Dagegen in dem Produktionsprozess der großen Industrie, wie einerseits in der Produktivkraft des zum automatischen Prozess entwickelten Arbeitsmittels die Unterwerfung der Naturkräfte unter den gesellschaftlichen Verstand Voraussetzung ist, so andererseits die Arbeit des Einzelnen ... als gesellschaftliche Arbeit.“ K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, 597.

    „Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittelbaren Produkt des individuellen Produzenten in ein gesellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Gesamtarbeiters, d. h. eines kombinierten Arbeitspersonals, dessen Glieder der Handhabung des Arbeitsgegenstandes näher oder ferner stehen. Mit dem kooperativen Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres Trägers, des produktiven Arbeiters. Um produktiv zu arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand anzulegen; es genügt Organ des Gesamtarbeiters zu sein, irgendeine seiner Unterfunktionen zu vollziehen.“ K. Marx, Kapital I, MEW 23, 531.

    Siehe: Karl Marx über Gesellschaftliche Arbeit


    Weil du deinen eigenen Begriff von "gesellschaftlicher Produktion" hast, ist dir beim Sozialismus auch gar nicht wichtig, wie etwas produziert wird. Der Arbeitsprozess kommt in deinem Sozialismus nicht vor - möglicherweise kommt er deshalb nicht vor, weil sich der Arbeitsprozess in deinem Sozialismus vom heutigen, kapitalistischen Arbeitsprozess gar nicht unterscheidet.

    Dir ist wichtig, was produziert wird und wie die Produkte verteilt werden. Darüber bestimmen dann in deinem Sozialismus ominöse "gesellschaftliche Gruppen" - also nicht die Gesellschaft als Ganzes.

    Ich denke, da liegt genau der Unterschied zwischen deinem Sozialismusmodell und dem Sozialismusmodell, das hier im Karl-Marx-Forum (meist) vertreten und propagiert wird.


    Wichtig ist hier auch die Frage, wer bestimmt, was produziert wird. Sind es die Privaten im Rahmen ihres planlosen Plans ... Oder sind es gesellschaftliche Gruppen. ...


    Staatssozialismus kann den Raum eröffnen, gesellschaftlichen Gruppen die Bestimmung, welche Produkte hergestellt werden, zu ermöglichen.

    Viele Grüße,

    basal

    Wo eine Parteibürokratie statt der Kapitalistenklasse über die Produktion, also auch über die produktiven Arbeiter, herrscht, dann siehst du darin einen Fortschritt, weil hier "gesellschaftliche Gruppen" das Sagen haben.

    Die Kapitalistenklasse, die bei uns das Sagen hat, nennst du "die Privaten" und konstruierst einen Gegensatz zwischen den "Privaten" und den "gesellschaftlichen Gruppen".

    Tatsächlich sind unsere Kapitalisten und ihre Manager in Wirtschaft und im Staat auch "gesellschaftliche Gruppen".


    Was wir - und die Lohnarbeiter - brauchen und was wir wollen, ist nicht die Herrschaft von "gesellschaftlichen Gruppen" - also die Herrschaft einer Minderheit. Die modernen Produktionsmittel sind so komplex und vielfältig, dass sie von einer Minderheit - von Kapitalisten oder von Parteibürokraten - weder beherrschbar und noch kontrollierbar sind. Was wir brauchen und wollen, ist die Selbstorganisation der ganzen Gesellschaft, so dass die Gesamtheit der Gesellschaft (und darin vor allem die produktiven Arbeiter) das Sagen haben.


    Deshalb haben wir im "Bochumer Programm" geschrieben:

    "Im 20. Jahrhundert glaubten Sozialdemokraten und Kommunisten den Staat für die Interessen der Mehrheit dienstbar machen zu können. Alle Hoffnung, die wir in diese sozialdemokratischen und kommunistischen Interessenvertreter gesetzt hatten, wurde enttäuscht. Egal ob kapitalistische Manager, sozialdemokratische oder kommunistische Funktionäre „im Namen der Gesellschaft“ Entscheidungen trafen, immer wurde die Mehrheit von diesen Machthabern verplant und bevormundet."


    Gruß Wal

  • Lieber Genosse Wal, liebe Genossinnen und Genossen,


    vorneweg: Einer suggestiven Art der Diskussion stehe ich kritisch gegenüber bzw. weiß, dass sie auf Dauer wenig bringen wird.

    Ich möchte ein Beispiel aufzeigen, wo ich denke, dass suggestiv argumentiert wird bzw. eigene Auffassungen in Darlegungen anderer hineininterpretiert werden.

    Wo eine Parteibürokratie statt der Kapitalistenklasse über die Produktion, also auch über die produktiven Arbeiter, herrscht, dann siehst du darin einen Fortschritt, weil hier "gesellschaftliche Gruppen" das Sagen haben.

    Ich habe in meinem Beitrag keiner "Parteibürokratie" das Wort geredet. Dementsprechend und zwangsläufig sehe ich im Herrschen einer Parteibürokratie auch keinen "Fortschritt"!

    Beim Lesen von (Deinem) Wals Beitrag entsteht aber der Eindruck, als ob ich dies (diesen Unsinn) behaupten würde.


    Es gilt auch weiterhin Unterschiede zu machen, wo es solche gibt und solche gab.

    "Staatssozialismus" kann, allgemein gesagt, auf einem anderen Fundament als "kaptitalistische Produktionsweise" beruhen.


    Viele Grüße,

    basal

  • Hallo Basal,

    du sagst, meine Antwort sei "suggestiv", also manipulativ.

    Das sehe ich nicht so. Ich war bemüht, ganz sachlich auf deine Thesen zu antworten.

    Wo du meinst, ich hätte dich missverstanden oder falsch interpretiert, hast du hier die Möglichkeit, das richtigzustellen.


    Gruß Wal

  • Lieber Genosse basal,


    ja, Staatssozialismus ist etwas anderes als Kapitalismus.


    Es geht doch aber Dir, mir und ganz sicher auch Wal darum zu schauen, ob ein Weg über den Staatssozialismus (leichter oder überhaupt) in den Sozialismus/ Kommunismus führt.


    Jedenfalls hatte ich Deine Ausführungen so verstanden, daß Du Staatssozialismus als eine positive Etappe auf diesem Weg siehst.


    Gleich vorab möchte ich darauf hinweisen, daß auch ein Kapitalismus nicht ohne sozialstaatliche Konstrukte funktioniert. Und dazu zählen von Food-Marken über Arbeitslosengeld und Rente die unterschiedlichsten Elemente (national, territorial), die nicht auch Soziale Marktwirtschaft sein müssen oder können. Diese kann sich ein Kapitalismus nur bei Extraprofiten 'leisten'.


    Es ist mE unerheblich von welcher Nomenklatura ein Staatssozialismus 'organisiert' wird, ob es Parteifunktionäre, Experten/ Wissenschaftler oder vielleicht noch andere Funktionseliten, die meinetwegen sogar gewählt werden, sind.


    Oder was meinst Du mit: "Staatssozialismus kann auch ein anderes Fundament haben"?


    Um Staatssozialismus zu sein, sind die Arbeitenden gemeinsam jedenfalls nicht die Entscheidungsträger.


    Es geht nicht nur darum den Kapitalismus zu überwinden, es geht darum Herrschaft über die Arbeit(enden) los zu werden.

    Das ist definitiv nicht das Gleiche!

    ... und mit Staatsozialismus egal in welcher Ausfärbung nicht besser, schneller oder überhaupt zu erreichen.


    PS - Und das ist nicht nur eine Meinung, das ist eine Tatsache, sorry.


    Liebe Grüße - Wat.

  • Hallo Wal,

    ich habe oben ein Beispiel ausgeführt, wo mir etwas in den Mund gelegt wurde, was ich so in dem Beitrag nicht geschrieben habe.

    Ich wiederhole es gerne noch einmal: Du behauptest, ich sähe einen "Fortschritt" darin, wenn eine "Parteibürokratie statt der Kapitalistenklasse über die Produktion" herrscht.

    Das ist aber nicht meine Meinung, geschweige denn die Argumentation die vorliegt.


    Interpretationen können daneben liegen. Und hier liegt eine Interpretation vor, die daneben liegt.


    Viele Grüße,

    basal

  • Liebe Genossin Wat., liebe Genossen,


    einer meiner Ausgangspunkte ist:

    Ein Staatssozialismus ist nicht determiniert, nach den Mechanismen kapitalistischer Produktionsweisen verfahren zu müssen.

    Gleichzeitig heißt dies aber auch, dass ein "Staatssozialismus" nach kapitalistischen Produktionsweisen verfahren kann. Falls dies der Fall sein sollte, wäre aus sozialistischer Perspektive auch nichts gewonnen!


    Die Absicht meines Beitrags besteht im Moment nicht darin, positiv zu bestimmen, welche einzelnen Aspekte gewährleistet sein müssen, um einen sozialistischen Entwicklungspfad zu ermöglichen. Ich halte mich sozusagen "im Allgemeinen auf".


    Damit meine ich:

    Es besteht die Möglichkeit, (und da verstehst Du mich, Genossin Wat., richtig) dass der "Staatssozialismus" eine positive Etappe darstellen kann.

    es geht darum Herrschaft über die Arbeit(enden) los zu werden.

    Diese Aussage ist für mich grundlegend.

    Es wäre ein Fortschritt, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter, in Kooperation, bestimmen könnten, unter welchen Bedingungen sie bestimmte Produkte herstellen.

    Ich kann mir einen zukünftigen "Staatssozialismus" vorstellen, wo dies perspektivisch gewährleistet ist. Man muss dazu aber auch nicht "Staatssozialismus" sagen.

    Mein Anliegen ist schließlich eine sozialistische Gesellschaft!


    Viele Grüße,

    basal

  • ... Die kommunistische Revolution, die die Teilung der Arbeit aufhebt, (beseitigt schließlich) die politischen Einrichtungen ... K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 364.

    Es wäre ein Fortschritt, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter, in Kooperation, bestimmen könnten, unter welchen Bedingungen sie bestimmte Produkte herstellen.

    Ich kann mir einen zukünftigen "Staatssozialismus" vorstellen, wo dies perspektivisch gewährleistet ist. Man muss dazu aber auch nicht "Staatssozialismus" sagen.

    Mein Anliegen ist schließlich eine sozialistische Gesellschaft!

    Hallo basal,

    Wenn die wirklichen Produzenten selbst bestimmen, was sie wie in welchen Mengen herstellen, wo bleiben da noch Aufgaben für einen Staat?

    Ein Staat ist das Instrument, mit dem eine Minderheit über die ganze Gesellschaft herrscht.

    „Solange die wirklich arbeitende Bevölkerung von ihrer notwendigen Arbeit so sehr in Anspruch genommen wird, dass ihr keine Zeit zur Besorgung der gemeinsamen Geschäfte der Gesellschaft Arbeitsleitung, Staatsgeschäfte, Rechtsangelegenheiten, Kunst, Wissenschaft etc. übrig bleibt, solange musste stets eine besondere Klasse bestehen, die, von der wirklichen Arbeit befreit, diese Angelegenheiten besorgte;“ F. Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 169.


    Es ist klar, dass die Selbstbestimmung der Arbeitenden und die Selbstverwaltung der Gesellschaft beginnen muss mit einer deutlichen Arbeitszeitverkürzung, damit die Arbeitenden die Zeit finden, über alle gesellschaftlichen Belange selbst/gemeinsam zu entscheiden. Durch die Selbstbestimmung der Gesellschaft verschwinden die staatlichen Rollen und Aufgaben.


    "... Die kommunistische Revolution, die die Teilung der Arbeit aufhebt, (beseitigt schließlich) die politischen Einrichtungen ..." K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 364.


    Im übrigen gibt es 70 Jahre Erfahrung mit dem Staatssozialismus in der UdSSR und 40 Jahre Erfahrung mit dem Staatssozialismus in der DDR. Ob wir wollen oder nicht, diese Erfahrungen können wir bei der Diskussion über Staatssozialismus nicht ausklammern.

    Es mag sein, dass unter irgendwelchen Umständen und in irgendeiner Welt der Staatssozialismus noch einmal eine positive Rolle spielen kann. Das bleibt aber bloße Spekulation, die uns hier in Europa nicht weiterhilft.

    Ich denke: Nur wenn wir sagen können, was wir Kommunisten und die Lohnabhängigen insgesamt anders und besser machen wollen und besser machen können als der Staatssozialismus in der Sowjetunion und in der DDR, erreicht die Diskussion die erforderliche Problemhöhe und den erforderlichen Praxisbezug. Dafür ein (Einzel)Beispiel:

    Lenin hatte in der Sowjetunion an Samstagen einen zusätzlichen, unbezahlten Arbeitstag eingeführt, und das "kommunistischer Samstag" genannt, weil es keine Bezahlung dafür gab. Richtig hätte das "kapitalistischer Samstag" heißen müssen, weil es sich um unbezahlte Mehrarbeit handelte.

    Ein emanzipierter Sozialismus könnte/müsste im Gegensatz dazu an jedem Werktag den arbeitsfreien Nachmittag einführen, an dem die Arbeitenden über die Fragen ihres Unternehmens und über politische und gesellschaftliche Fragen diskutieren und entscheiden können. Das wären dann wirklich kommunistische Tage.


    Gruß Wal



  • Liebe Genossinnen und Genossen, lieber Wal,



    es könnte so sein, dass am Ende eines langen Prozesses (im Moment für mich aber kaum vorstellbar) eintritt, was im Folgenden zitiert ist:

    "... Die kommunistische Revolution, die die Teilung der Arbeit aufhebt, (beseitigt schließlich) die politischen Einrichtungen ..." K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 364.

    Der internationale Sozialismus kann aber nicht einfach zuwarten, bis dies vielleicht irgendwann einmal passiert.

    Und deshalb will ich an dieser Stelle positiv darauf hinweisen, dass die Arbeit von Genossinen und Genossen vielfältig ist. Im Hinblick auf den Staat heißt das:

    Es gibt sie, die Genossinnen und Genossen, die außerhalb staatlicher Strukturen arbeiten. Es gibt sie aber auch, die innerhalb staatlicher Strukturen arbeiten.


    Und, wieder etwas allgemeiner gesagt: Es gibt einen Unterschied zwischen einer sozialistischen Gesellschaft und der oben beschriebenen kommunistischen Revolution.


    Die Hinweise und Argumente von Dir, Genosse Wal, im Hinblick auf die Erfahrungen mit dem Staatssozialismus, werden daurch m.E. nicht negiert.


    Viele Grüße,

    basal

  • Wer meint den Staat als Mittel zur sozialen Emanzipation verwenden zu können hat nicht verstanden was der Staat eigentlich ist und ihn ausmacht. Der geht dann, ähnlich wie Lenin, davon aus, dass er bloß ein Ausschuss der Bourgeoisie wäre, dessen man sich bedienen könnte, wenn nur die richtigen Leute am Hebel sitzen. Diese alte sozialdemokratische Vorstellung wurde bei Lenin und den ihn folgenden Staatssozialisten einzig revolutionär gewendet. Derart, dass die bürgerlichen Staats-Institutionen zerschlagen und nun halt das Adjektiv "sozialistisch" davorgestellt wird. Strukturell bleibt es aber gleich.


    Überhaupt stellt sich die Frage weshalb der Staat eines Tages "absterben" oder "einschlafen" sollte wenn die gesamte Gesellschaft immer mehr von staatlicher Steuerung durchzogen wird und die entsprechende Bürokratie so immer mehr Macht bekommt. Auch Marx und Engels waren hier nicht wirklich eindeutig und teils widersprüchlich. Klettert dann irgendwann jemand auf's Rathaus und brüllt "Jetzt ist Kommunismus!", und alle Staatsbedienstete gehen nach Haus?


    Man sieht, m..M.n. ist bereits die Zwei-Phasen-Einteilung, wie sie in den ML-Parteien so beliebt ist, in Sozialismus und Kommunismus, wonach beide Phasen als quasi unterschiedliche Gesellschaftsformen beschrieben werden und der Kommunismus somit zur abstrakten Utopie verkommt, höchst problematisch und unlogisch.


    Ob der "volle" Kommunismus jenseits überschaubarer Gemeinden vorstellbar ist, also ein ganzes Land oder gar die gesamte Welt danach organisiert werden kann, können wir schwer sagen. Sofern das Ziel aber sein sollte sich einem derartigen Zustand so weit wie möglich zu nähern, handelt es sich dabei um einen graduellen Prozess der vermutlich nur derart vorstellbar ist, dass sich zivilgesellschaftliche Organisationen sowie die Städte und Gemeinden staatliche Kompetenzen aneignen und auf neuer Basis föderieren. Nur dann ist es vermutlich denkbar, dass die höheren Entscheidungsebenen einzig administrative sind, die politischen Entscheidungen aber von der Basis aus getroffen werden.


    Ob das wirklich so machbar ist und Politik als solche ad acta gelegt werden kann und der Staat aufgehoben, ist auch wiederum davon abhängig was man unter "Politik" und "Staat" versteht. Also ob man eher die Marx'sche Begrifflichkeit oder jene der Alltagssprache verwendet.


    Aber selbst wenn wir den Alltagsbegriff des Staates nehmen, so dürfte ein sozialistischer "Staat" einzig als ein von den Städten, Gemeinden und Zivilorganisationen abgeleitetes Gemeinwesen verstanden werden, das nicht den Anspruch hat ein abstraktes Allgemeininteresse zu vertreten das sich über die Föderierung der Teile hinwegsetzen kann. Andererseits wird es Übereinkünfte geben müssen an denen sich alle Teile halten. Das bringt die Frage nach Sanktionsmöglichkeiten in Form verbindlichen Rechts auf und wer dieses durchsetzen kann.


    Soweit einige Gedanken zum Thema.

  • Mario Ahner


    D'accord.


    Die sich Dir(?) stellende Frage nach Sanktionsmöglichkeiten in Form verbindlichen Rechts drängt sich mir so nicht auf, eher das etwas mulmige Gefühl, daß sich bei allen "de jure - Ansätzen" eine übergeordnete Machtkomponente aus der heutigen Lebenswelt 'einschummelt'.

    Ich denke, das ist aber nichts, was wir schon heute in gänze ausdiskutieren müssen.

  • Lieber Genosse Mario, liebe GuGs,


    eine einfache und klare Definition von "Staat" ist:

    "Der Staat ist das/ein Instrument der herrschenden Klasse."


    Wenn man den wissenschaftlichen Sozialismus für plausibel hält (und ich tue das), aber auch als eine mögliche Utopie betrachtet (was ich auch tue), kann der "Staat" seine Rolle verändern. Er kann theoretisch zum Instrument der Lohnabhängigen werden.


    Und, utopisch, aber denkbar: In einer herrschaftsfreien Gesellschaft bedarf es dann zwangsläufig keines Staates mehr, der irgendeine Herrschaft absichern muss.


    Institutionen, die das Zusammenleben von Menschen ermöglichen und erleichtern, könnte man auch dann als "staatlich" bezeichnen. In der Substanz hätte aber dieses "Staatlich-Sein" mit dem heutigen "Staat" nichts mehr zu tun.


    VG,

    basal

  • Hallo basal


    "Wissenschaftlicher Sozialismus" ist mE heutzutage eine Kategorie, die für sehr unterschiedliche/ gegensätzliche/ sich gegenseitig ausschließende Auffassungen herhalten muß, daß wenigstens ich diese nicht ohne vorherige Klärung in einer Diskussion übernehmen kann.


    Die von Marx oder die von Lenin?


    Liebe Grüße - Wat.

  • Liebe Genossin Wat.,


    für mich basiert "wissenschaftlicher Sozialismus" auf den Arbeiten von Marx und Engels.

    Aber natürlich gibt es viele Genossinnen und Genossen, die daran anknüpfen, ergänzen und den "wissenschaftlichen Sozialismus" weiterentwickeln. Dazu zähle ich, um nur zwei zu nennen, Luxemburg und Lenin.


    "Wissenschaftlicher Sozialismus" ist mE heutzutage eine Kategorie, die für sehr unterschiedliche/ gegensätzliche/ sich gegenseitig ausschließende Auffassungen herhalten muß,

    Diese Auffassung teile ich im Grundsatz nicht.


    Auf der einen Seite gab und gibt es in der Praxis aber (natürlich) Entwicklungen und Personen, die sich mit dem Mäntelchen "wissenschaftlicher Sozialismus" schmückten und schmücken, ohne dass dies tatsächlich der Fall war und ist.


    Auf der anderen Seite ist "Wissenschaftlicher Sozialismus" keine dogmatische Lehre, die generell nur eine Interpretation und Auslegung zulassen würde.


    Die von Marx oder die von Lenin?

    Deshalb teile ich nicht Deine Auffassung, die du hier nahelegst und zum Ausdruck bringst, dass nämlich Marx und Lenin sich ausschließen würden!


    Viele Grüße,

    basal

  • basel, du schreibst:


    "eine einfache und klare Definition von "Staat" ist:

    "Der Staat ist das/ein Instrument der herrschenden Klasse."


    Damit gibst du jene von mir kritisierte zu einfache Definition des Staates seitens der Sozialdemokratie und des Leninismus wieder. Eine ähnliche fatale Vereinfachung findet sich auch bei Marx und Engels im Manifest der Kommunistischen Partei. Dabei fällt Marx hier hinter seinem eigenen Erkenntnisstand zurück, dass der Staat von der kapitalistischen Formbestimmtheit durchdrungen ist.


    Der Staat ist eben keine Maschine welche die Arbeiterklasse in ihrem Interesse in Bewegung setzen könnte, wie später, nach den Erfahrungen der Pariser Kommune, eingeräumt wurde. Der Staat ist eben nicht nur Unterdrückungsmittel der Bourgeoisie, sondern der "ideelle Gesamtkapitalist" (Engels) und somit Ergebnis der verallgemeinerten Warenproduktion. Wo versucht wurde diesen Dualismus durch eine "Durchstaatlichung" der Gesellschaft aufzuheben, kam stets nur eine Herrschaft neuer Bürokraten bei heraus.


    Der Leninismus kann also als grandios gescheitert betrachtet werden und - zumindest in diesem Punkt - Bakunins Kritik an der (mitunter auch von Marx) verfochtetenen Naivität, wenn nur die richtigen Leute im Sattel säßen könne der Staat emanzipatorisches Potenzial entfalten und obendrein seine Selbstauflösung voranbringen, beigepflichtet werden.


    Eine kapitalismuskritisch-sozialemanzipatorische Bewegung kann sich deshalb nicht den Staat zu eigen machen. Das heißt nicht, dass man kein Verhältnis zu ihm haben oder ihn ignorieren sollte, aber dass eine Aufhebung des Kapitalismus vermutlich nur von einer aus den Städten und Gemeinden hervorgehenden Graswurzelbewegung ausgehen kann, welche in ihrer Organisierung Teile der postkapitalistischen Gesellschaft bereits vorwegnimmt und in ihrer Vernetzung sowohl das Kapital wie staatliche Institutionen zunehmend unnötig werden lassen könnte.


    Allerdings zu meinen man könnte die bestehenden Institutionen irgendwie erobern und dann eben halt mir "proletarischen" Politikern und deren "Übergangsprogramm" von den Schaltstellen des Zentralstaates aus die Gesellschaft umformen, und dass diese Machtzentrale sich dann irgendwie auflösen würde, klingt für mich absurd. Einerseits weil es historisch bisher immer nach hinten losging und weil nicht ersichtlich ist weshalb die neuen Repräsentanten sich nicht verselbstständigen und diese neuen Machthaber dann irgendwann abtreten sollten. Vermutlich bräuchte es dann eine neue Umwälzung um diese neue herrschende Klasse wieder loszuwerden. Womit man wieder vor der Ausgangslage der ersten Umwälzung stünde.


    Eine Alternative, wenn man die Existenz eines abstrakten Allgemeinwillens in Form eines Staates für notwendig erachtet, aber Verselbstständigung von Macht und Politikern verhindern will, wäre eine "Entkernung" der Zusammensetzung der Institutionen vorzunehmen, d.h. das Wahlsystem größtmöglich zu schleifen und es durch Losverfahren zu ersetzen, wie es in der ursprünglichen Demokratie des antiken Athens der Fall war. Eine umfassende Dezentralisierung d.h. Kommunalisierung der Entscheidungsfindungen wäre aber dennoch wünschenswert, damit der Zentralstaat einzig als Koordinationsscheibe der Kommunen und fungiert und nicht als eigenständiges Machtzentrum agieren kann.


    Was Marx und Lenin anbelangt kann Lenin schwerlich als eine logisch zwangsläufige und nahtlose Weiterentwicklung des Marx'schen Werkes gelten. Ebenso sind seine politischen Strategien nicht von überzeitlichem Wert oder würden gar eine objektive Revolutionstheorie darlegen, wie es viele ML-Dogmatiker behaupten. Es gibt durchaus einen Strang des Marx'schen Denkens an dem Lenin anknüpfen konnte. Auf der anderen Seite gibt es viele Ausführungen von Marx die, wenn sie in ihrer Tiefe nachvollzogen werden, mit dem Leninismus unvereinbar sind. Man könnte sagen es ist eine Frage der Lesart.


    Letztlich kann es auch nicht darum gehen Marx als Säulenheiligen zu feiern oder seinen "wissenschaftlichen Sozialismus" einfach unkritisch als das Non-Plus-Ultra zu betrachten. Es gilt zu schauen was von Marx Arbeit hinhaut und was sich als falsch erwiesen hat. Lenin hat mehrheitlich an jene Gedankenstränge angeknüpft die sich als falsch und autoritaristisch bis totalitär erwiesen haben. Der fruchtbare Teil von Marx ist seine - bis heute oft verkürzt wahrgenommene - Kritik der politischen Ökonomie sowie seine philosophiekritischen Werke. Marx als Politiker war schon zu Zeiten der Internationalen Arbeiter-Assoziation fragwürdig und hat uns heute nicht mehr viel zu sagen. Mit Ausnahme seiner Kommuneschrift vielleicht.

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