Die Heilslehre der neuen Rechten

  • Die Kapitalistenklasse hätte nicht zur Herrschaft kommen können, wenn sie es nicht verstanden hätte, ihre Klasseninteressen hinter angeblichen Interessen der Menschheit zu verstecken. Hinter den Losungen „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“ versteckt die Kapitalistenklasse die soziale Spaltung in Reiche und Arme, die Freiheit der Konkurrenz und die „brüderliche“ Teilung des gesamten, der Lohnarbeiterklasse geraubten Mehrwerts, unter die verschiedenen Abteilungen der Kapitalisten: Industrielle, Handelsleute, Finanzleute samt ihrem staatlichen und privatem Anhang.

    Alle Kapitalistenklassen entwickelten sich und wurden mächtig innerhalb eines nationalen Rahmens. Der Prophet der kapitalistischen Produktionsweise, Adam Smith, verschreibt sich und den Kapitalismus dem „Wohlstand der Nationen“. Auch die „linke Variante“ des Kapitalismus, die „Soziale Marktwirtschaft“ und ihr Prophet, John M. Keynes, sind ganz und gar dem nationalen Rahmen verpflichtet.

    Es ist also linke Geschichtsblindheit und Unkenntnis der kapitalistischen Entwicklung, wenn heutige „Nationalliberale“ und „nationale Rechte“ mit Bausch und Bogen dem faschistischen Lager zugeordnet werden.

    Die Anhängerschaft von Trump, Le Pen, Putin oder Kaczyński, der Brexit-Anhänger und der AfD haben ihre gemeinsamen Wurzeln nicht im Faschismus, sondern in der „Nationalökonomie“.

    Die „Nationalökonomie“ ist das Feld, das diese engstirnigen Geister überblicken können. Die „Nationalökonomie“ ist der Acker, den sie wieder für kapitalistischen Profit fruchtbar machen wollen. Die „Nationalökonomie“ ist das Terrain, wo sich der Nationalstaat scheinbar als stark erweist, - das Terrain, auf dem man mit Staatsinterventionismus meint, den globalen Trend des Kapitalismus bremsen und aufhalten zu können.

    Nationalökonomie ist die Wurzel des Kapitalismus und der Stamm des Nationalismus. In jeder kapitalistischen Krise suchen die Ideologen und Politiker des Kapitals in der Nationalökonomie Heil und Rettung. Auch der Faschismus speist sich aus dieser Quelle, er ist die terroristische Übersteigerung des Nationalismus.

    Für alle – für Neoliberale, für neue Rechte und für Linksnationale wie S. Wagenknecht – ist die Nationalökonomie ihr Gesundbrunnen: Die Nationalökonomie ist die Heilslehre der nationalen Rechten von Trump über Putin und Le Pen bis Erdogan. Weil die Nationalökonomie so eine lange und auch erfolgreiche Geschichte hat, finden diese neuen Nationalisten Unterstützung nicht nur aus der kapitalistischen Elite, sondern auch in Schichten der Lohnabhängigen.

    Es bringt also nichts, die neuen Nationalisten als „Faschisten“ zu diffamieren. Wer sie gründlich kritisieren und treffen will, muss die Nationalökonomie und den globalen Kapitalismus kritisieren – der muss also nachweisen, dass die Nationalökonomie nur ein Placebo gegen die Übel des globalen Kapitalismus darstellt.

    Die europäische Idee ist allerdings keine Alternative zur Nationalökonomie, sondern nur ihre modernere, vergrößerte Form. In der EU und mit der EU hofften die kleinen europäischen Nationen besser in der globalen Konkurrenz auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Die Wirtschaft der EU ist nur eine vergrößerte Nationalökonomie. Die Hoffnungen und Behauptungen der EU auf "gemeinsamen Wohlstand" haben sich ebenso wenig erfüllt wie alle Hoffnungen und Versprechungen der Nationalökonomen auf "gemeinsamen Wohlstand" und auf "Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit".


    Wal Buchenberg, 7. Mai 2017

  • Hallo Wal,

    nach dem Post auf Facebook diesen Beitrags erhielt ich folgendes Kommentar:

    "Die Analyse ist teilweise gut aber der Begriff "Neue Rechte" ist
    ungeschickt gewählt. Er ist eigentlich durch Alain de Benoist und seine
    Anhängerschaft belegt. In Deutschland könnte man da am ehesten Götz
    Kubitschek einreihen. Aber mit "Trump bis AfD" hat das wenig zu tun."


    Ich kann mit den Namen nicht viel anfangen, aber vielleicht kannst da noch mal drauf eingehen. Schönen Gruß Matou.


  • Hallo Matou,

    Die Kritik kommt rüber wie ein Professorengutachten. Der Text ist aber keine Seminararbeit, sondern ein politischer Diskussionsbeitrag, bei dem man nicht jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legen sollte. Dass irgendein Begriff "belegt" sei, spielt vielleicht in der akademischen Diskussion eine Rolle. Die akademische Diskussion kümmert mich wenig.

    Was ich hier "neue Rechte" nenne, nennen unsere Eliten "populistische Rechte". Den Begriff "populistisch" finde ich falsch, weil er in das Gegensatzpaar "elitär - populistisch" gehört. Die "Elitären" werfen den weniger-bis-nicht Elitären vor, "populistisch" zu sein. Wer nicht "populistisch" sein will, dem bleibt nur elitär zu sein.

    Deshalb spreche ich von einer "neuen Rechten".

    Tatsächlich gibt es in der bürgerlichen Politik nichts wirklich Neues. Auch die "Neoliberalen" sind in Wirklichkeit klassische Altliberale. So sind die "neuen Rechten" auch nur eine Neuauflage der klassischen Nationalisten.

    Neu ist allerdings an den heutigen Rechten, dass sie Anklang und Unterstützung finden bei lohnabhängigen Schichten. Das ist das über die gemeinsame Plattform "Nationalökonomie" hinaus das Gemeinsame von "Trump bis AfD".

    Neue Rechte = "Nationalökonomie plus Populismus".

    Gruß Wal

  • Was die "populistischen Nationalökonomen" für ihren Einzelstaat fordern, das fordert ein populistischer "Europäer" wie Altkanzler Schröder für die gesamte EU: mehr Investitionen und mehr Staatsinterventionen.

    Schröder fordert: "Ja, es müsse mehr in Europa investiert werden, vor allem im südlichen Teil mit der hohen Jugendarbeitslosigkeit, und die Koordination der Geldpolitik müsse in der Euro-Zone zudem endlich durch eine Koordination von Wirtschafts-, Finanz- und auch Sozialpolitik flankiert werden."

    Nationalökonomen und "Europäer" sind feindliche Brüder, die dasselbe wollen (profitableres Kapital und ein befriedetes Proletariat) - nur wollen sie das auf verschiedenen Wegen: Die einen im nationalen Rahmen, die anderen im europäischen Rahmen.

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