Brexit, Erdogan und Macron

  • Jedes Wahl- und Abstimmungstheater endet damit, dass die Oberklugen mit und ohne Amt uns erzählen, warum wer wie abgestimmt hat: Für oder gegen Erdogan, für oder gegen die EU, für oder gegen diese Kandidatin.


    Niemand dieser Oberklugen hat mehr als drei Leute gefragt, warum sie so abgestimmt haben. Und selbst wenn: Irgendwelche Gründe standen gar nicht zur Wahl.

    Es hieß zwar: Wer Erdogan wählt, wählt den Faschismus. Tatsächlich stand Erdogan als Person im Vordergrund. Die Verfassungsabstimmung war eine Persönlichkeitswahl, und zur Abstimmung stand, ob Türken den Türken Erdogan lieber mögen als hochnäsige Deutsche oder aufsässige Kurden. Die Popularität Erdogans hat gleiche Wurzeln wie die Popularität Putins: Ein scheinbarer Strongman in einem Land, das mit einer Wirtschaftskrise kämpft und sich rings von Feinden umgeben sieht.


    Auch beim Brexit stand nicht zur Abstimmung, ob das Land aus der EU austritt oder nicht. Auch die Brexit-Abstimmung war eine Persönlichkeitswahl und entschied darüber, ob man den Engländer Johnson lieber mag als polnische Immigranten und Brüsseler Bürokraten.


    Demokratische Wahlen entscheiden nicht über Sachgründe, sondern über Personen.


    Auch bei der Wahl in Frankreich wird so getan, als stünden Sachgründe zur Entscheidung. Das ist Lüge. Es werden Personen gewählt, die anschließend mehr oder minder frei und willkürlich entscheiden, was sie im Amt tun oder nicht tun. Die Wahl eines Bundestagsabgeordneten oder eines Präsidenten ist nichts anderes als das Wahlkönigtum des Mittelalters: Man wählte sich ein Oberhaupt und gab damit und dadurch seine Souveränitätsrechte ab und übertrug sie an den Gewählten.


    Mehr kann auch eine moderne Demokratie nicht als dieses Wahlkönigtum - nämlich die eigenen Souveränitätsrechte an eine oder mehrere Einzelpersonen zu übertragen, die dann an unserer Statt und über unsere Köpfe hinweg Entscheidungen treffen.


    Die moderne Demokratie taugt nicht dazu, die Interessen der lohnabhängigen Mehrheit gegen einflussreiche Minderheitsinteressen durchzusetzen. Ganz im Gegenteil. Die moderne Demokratie ist dafür maßgeschneidert, dass die reiche Minderheit ihre Interessen durchsetzt, ohne von der lohnabhängigen Mehrheit behindert und überstimmt zu werden.


    Fast hätte ich vergessen: Am 7. Mai wird der Landtag in Schleswig-Holstein und am 14. Mai in NRW gewählt. Beides ist so wichtig wie ein Sack Reis in China.

    Landtage sind der Blinddarm einer Volksvertretung. Unsere Landesregierungen sind bloß ausführende Organe von Bundesgesetzen.

    Wer „mehr Demokratie“ will, der fordert Kompetenzen für die Kommunen und die Abschaffung aller Landesregierungen.


    Wal Buchenberg. 6.5.2017

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