Out of Africa!

  • Wirtschaftswachstum ist der kapitalistische Gottvater, Gottsohn und sein Heiliger Geist.
    Staatsverschuldung? Mehr Wachstum! Arbeitslosigkeit? Mehr Wachstum! Hungerlöhne? Mehr Wachstum! Umweltbelastung? Mehr Wachstum!


    In Deutschland ist es nicht weit her mit dem göttlichen Wachstumssegen. In den Jahren 2000 bis 2012 stieg das Bruttoinlandsprodukt pro Jahr in unserem europäischen Musterländle durchschnittlich um 1,3 Prozent und es sieht nicht so aus, als seien höhere Wachstumsraten in Sicht.
    Für Lohnarbeiter und alle Nichtkapitalisten sind das düstere Aussichten. Kapitalisten haben mehr Optionen. Sie können ihr Kapital gewinnbringend im Ausland anlegen. Nicht nur in Asien winken deutlich höhere Wachstums- und Profitraten als in Europa, auch Afrika hat sich zum kapitalistischen Hoffnungsträger gemausert.
    Nur Eritrea hatte - wie Deutschland - eine durchschnittliche Wachstumsrate von nur 1,3 Prozent seit dem Jahr 2000. Nur zwei afrikanische Länder hatten die letzten 12 Jahre niedrigere Wachstumsraten als Deutschland: Somalia und Zimbabwe.



    Laut Umfragen blicken zwei Drittel der Afrikaner optimistisch in die nächsten Jahre. Zwei Drittel der Europäer sind eher pessimistisch – zur recht
    meint Wal Buchenberg

  • Hallo Leute,
    Mir sagt das unter anderem, dass die Krise, die die Kernzone des Kapitalismus seit 2008 erfasst hat, zwar ernst und tiefgreifend ist, es handelt sich aber keineswegs um "die FINALE Krise des Kapitalismus", wovon offenbar viele radikale Linke derzeit ausgehen.
    Egal, was diese radikalen Linken mit "finaler Krise" oder mit "Krise DES Kapitalismus" meinen, sie haben dabei einen eurozentrierten Blick, der den größen Teil der Welt ausblendet und ignoriert.
    Und: Ich meine, es ist sowohl müßig als auch zynisch wie dumm auf die "finale Krise des Kapitalismus" zu warten.
    Müßig ist es, auf die "finale Krise zu warten", weil der globale Kapitalismus noch für etliche hundert Jahre Expansionsmöglichkeiten vorfindet - nur mit dem gegenwärtigen Entwicklungsmodell, ganz abgesehen von irgendwelchen "ökologischen" Entwicklungsmodellen des Kapitalismus, auf die moderne Kapitalismusanhänger hoffen.
    Zynisch ist es, auf die "finale Krise zu warten", weil jede kapitalistische Krise ein Zerstörungswerk ist, das die Lohnarbeiter viel härter trifft als die Kapitalisten. Zynisch ist es, diesem Zerstörungswerk zuzuschauen mit der Einstellung: "noch ist unsere Zeit nicht gekommen!"
    Dumm ist es auf die "finale Krise zu warten", wenn man meint, man könne jetzt in "vorrevolutionärer Zeit" nichts Sinnvolles tun.
    Wer in vorrevolutionärer Zeit nichts Sinnvolles zu tun weiß, der weiß es in revolutionärer Zeit erst recht nicht.
    meint Wal

  • Ja, ich seh es auch so, dass es Unsinn ist, darauf zu hoffen und zu warten, dass die alte Gesellschaft abstirbt und eine neue ausbricht. Als ob so etwas quasi von alleine kommt und die Menschen nix dazutun würden.


    Zu der Hoffnung, der Kapitalismus würde eines Tages von selbst durch seine Krisen zugrunde gehen, kann ich nur sagen:


    Der Kapitalismus ist es nicht, der Existenzprobleme durch seine Krisen bekommt. Sondern Krise ist, wenn trotz der Tatsache, dass Geschäft nicht mehr läuft, die Gesetze des Kapitalismus GELTEN. Auch wenn Geldvermehrung gerade nicht funktioniert, hat es um Geldvermehrung zu gehen. Mal überspitzt gesagt steht Krise dann nicht für Schwäche des Kapitalismus, sondern für seine Durchgesetztheit.


    So dann ist Krise, dann wird Kapital vernichtet, was den Produktionszweck nicht im mindesten stört, weswegen es nach der Kapitalvernichtung munter weitergeht. Ich sehe da nicht einmal theoretisch einen Ansatzpunkt für "FINAL". Also nicht ökonomisch. Höchstens politisch, wenn die Leute diesen Unsinn irgendwann nicht länger mitmachen wollen (Aber das kann man sich abschminken, beim Grad der Aufgeklärtheit der Weltbevölkerung und deren gängiger "Kapitalismuskritik")


    Wal, zu den zu Ende gehenden "Expansionsmöglichkeiten" als mögliches Ende des Kapitalismus - ich weiß nicht wie das gedacht ist. Kapital stößt doch andauernd (periodisch) an die Grenzen des Wachstums, dann wirds vernichtet und dann expandiert es wieder, weil dann hats doch wieder Expansionsmöglichkeiten.

  • Wal, zu den zu Ende gehenden "Expansionsmöglichkeiten" als mögliches Ende des Kapitalismus - ich weiß nicht wie das gedacht ist. Kapital stößt doch andauernd (periodisch) an die Grenzen des Wachstums, dann wirds vernichtet und dann expandiert es wieder, weil dann hats doch wieder Expansionsmöglichkeiten.


    Hallo Marco,
    das bezieht sich auf die spezielle Akkumulationstheorie von Rosa Luxemburg, die meinte, der Kapitalismus würde nicht auf seinem eigenen ökonomischen Fundament akkumulieren, sondern nur durch Zerstörung von vorkapitalistischen Verhältnissen.
    Anders formuliert: R. Luxemburg sah nur die Möglichkeit der sogenannten "ursprünglichen Akkumulation", andere Akkumulationsmöglichkeiten sah sie nicht.
    Ohne weiter auf diese Theorie einzugehen:
    Selbst wer diese These von R. Luxemburg akzeptiert, selbst der muss noch lange warten bis er in den "Nähe des finalen Endes" kommt. Das zeigt die Entwicklung der kapitalistischen Peripherie der letzten zehn Jahre in Asien, Lateinamerika und Afrika. Und davor gehörten ja auch Japan, Korea oder die Türkei zur "kapitalistischen Peripherie" und sind in die kapitalistische Kernzone aufgestiegen.


    Gruß Wal

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    Der Kapitalismus ist es nicht, der Existenzprobleme durch seine Krisen bekommt. Sondern Krise ist, wenn trotz der Tatsache, dass Geschäft nicht mehr läuft, die Gesetze des Kapitalismus GELTEN. Auch wenn Geldvermehrung gerade nicht funktioniert, hat es um Geldvermehrung zu gehen. Mal überspitzt gesagt steht Krise dann nicht für Schwäche des Kapitalismus, sondern für seine Durchgesetztheit.

    Hallo Marco, hallo Wal,
    das sehe ich denn doch etwas anders.


    1. Ist eine Vorstellung, wonach Krisen der Kapitalakkumulation die Wiederkehr des immer gleichen seien, mindestens so verbreitet, wie die Erwartung einer „finalen Krise“. (Dafür stehen Theoretiker wie Altvater, Heinreich etc.) Marcos Ausführungen unterstreichen das. Das lässt sich meiner Meinung theoretisch nicht halten, weil das Kapital seine Widersprüche ständig auf erweitertet Stufenleiter reproduziert und damit die Tendenz zur Überakkumulation sich verstärkt (Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit im Widerspruch zum Erhalt eines gegebenen Kapitalwerts) und die Krisen schärfer werden müssen. (Will das theoretisch nicht weiter begründen.)


    2. Empirisch lässt sich feststellen:
    Der Kapitalismus bekommt „Existenzprobleme“ durch seine Krisen. Die Weltwirtschaftskrise 1929 mündete ein in eine Depression und nicht in einen neuen Aufschwung. Erst der Krieg schuf die Voraussetzungen für die Rekonstruktion des zerfallen Weltmarktes und einen neuen Aufschwung. Dieser Aufschwung war nicht unmittelbares Resultat der „Bereinigungsfunktion“ der ökonomischen Krise!
    Schaut man sich die Entwicklung des BIP der OECD-Länder nach dem 2. Weltkrieg an, dann wird deutlich, dass die Wachstumsraten im Durchschnitt der Zyklen immer niedriger ausgefallen sind. Und wenn auch nicht jede Krise schärfer war, als die vorausgehende, so lässt sich doch eine Tendenz zu schärferen Krisen feststellen.
    Aus ungenügendem Wachstum und der Unvermeidlichkeit immer größerer Kapitalvernichtung wird ein „Existenzproblem“ des Kapitalismus, weil das ebenso unvermeidlich sozialen Widerstand und Klassenkampf produziert! (Selbst bürgerliche Ideologen wissen das, und sorgen sich darum.)


    3. Aus dieser Verschärfung der ökonomischen Widersprüche entwickelt sich auch ein „Legitimationsproblem“ des Kapitals, mit seinen Verheißungen des Glücks für alle, immerwährenden Wachstums etc.


    Auf dem CDU-Parteitag 1965, als kurz vor der ersten Nachkriegskrise in Deutschland, formulierte Theodor Blank folgende Beschwörungsformel:


    "Unsere Wirtschaft blüht, unser Wohlstand ist keine Privileg für wenige mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit für alle. Ist schon der Wirtschaftsaufbau des total verwüsteten Landes vielen wie ein Wunder vorgekommen, muß man heute 20 Jahre nach Kriegsende, erst recht die Dauer unserer Konjunktur bestaunen. Wir kennen keine allgemeine Wirtschaftskrise mehr, kaum noch Rückschläge, nicht einmal mehr Stillstand in der Wirtschaft. Die Vollbeschäftigung ist längst zum Dauerzustand geworden."
    (Marianne Welteke, „Theorie und Praxis der sozialen Marktwirtschaft“, Campus Paperbacks, 1976)


    Solche Sprüche gehören immer wieder zum Standardrepertoire der Ideologen des Kapitals. Sie werden in dieser oder jener Form in jeder Boomphase wiederholt. Es ist das Versprechen, dass mit dem Wachstum des Kapitals auch die Lebensbedingungen der Lohnarbeiter sich verbessern würden. Beides sei möglich bei "richtiger" Politik, "vernünftig" organisierter Marktwirtschaft.


    Es gibt genügend Gründe, auch einen boomenden Kapitalismus radikal zu kritisieren und seine Überwindung zu verlangen. Sich damit zu begnügen, wird aber der Sache nicht gerecht! Der Kapitalismus produziert gesetzmäßig eine Verschärfung der sozialen Gegensätze, größere Armut und existenzielle Unsicherheit. Dies ist nicht nur ein weiteres Argument für soziale Revolution und Kommunismus, sondern auch eine entscheidende Bedingung dafür! Es hat noch keine Revolutionen gegeben, die nicht das Ergebnis der Zuspitzung realer Widersprüche gewesen wäre, Ergebnis der Unfähigkeit der Herrschenden Zustände zu schaffen, in denen ihre „Sklaven“ sich selbst im Zustand dieser „Sklaverei“ am Leben erhalten können. Wie das in Ländern wie Griechenland, Spanien oder Portugal Gestalt annimmt, lässt sich gerade verfolgen. Es handelt sich um ein Versagen des kapitalistischen Privateigentums an seinen eigenen Zielen und Versprechungen!


    Es ist genauso verkehrt, die Kritik des Kapitals auf solche Zusammenbruchstendenzen zu beschränken, wie es verkehrt ist, diese Zusammenbruchstendenz zu leugnen und sie nicht für eine kommunistische Agitation zu nutzen!
    Der Kapitalismus schafft sich nicht selbst ab, aber er produziert Krisen, in denen seine Rekonstruktion eine „konservative Revolution“ verlangt, eine repressive politische Lösung die beispielsweise ausgedehnte Einführung von Zwangsarbeit (nicht doppeltfreie Lohnarbeit!) einschließt. Auch damit sollten KommunistInnen auf Grund gemachter Erfahrungen rechnen.


    Soweit, so kurz, so zugespitzt.


    Viele Grüße
    Robert

  • 2. Empirisch lässt sich feststellen:
    Der Kapitalismus bekommt „Existenzprobleme“ durch seine Krisen. Die Weltwirtschaftskrise 1929 mündete ein in eine Depression und nicht in einen neuen Aufschwung. Erst der Krieg schuf die Voraussetzungen für die Rekonstruktion des zerfallen Weltmarktes und einen neuen Aufschwung. Dieser Aufschwung war nicht unmittelbares Resultat der „Bereinigungsfunktion“ der ökonomischen Krise!
    Schaut man sich die Entwicklung des BIP der OECD-Länder nach dem 2. Weltkrieg an, dann wird deutlich, dass die Wachstumsraten im Durchschnitt der Zyklen immer niedriger ausgefallen sind. Und wenn auch nicht jede Krise schärfer war, als die vorausgehende, so lässt sich doch eine Tendenz zu schärferen Krisen feststellen.
    Aus ungenügendem Wachstum und der Unvermeidlichkeit immer größerer Kapitalvernichtung wird ein „Existenzproblem“ des Kapitalismus, weil das ebenso unvermeidlich sozialen Widerstand und Klassenkampf produziert! (Selbst bürgerliche Ideologen wissen das, und sorgen sich darum.)





    Hallo Robert,
    ich will und kann dir nicht grundsätzlich widersprechen. Auch ich schließe aus dem (tendenziellen) Fall der durchschnittlichen Profitrate (ablesbar am Fall der Wirtschaftswachstumsraten), dass der Kapitalismus nicht einfach ein Kreislauf des immer Gleichen ist, sondern eine Tendenz zur Vergrößerung der Widersprüche und Konflikte in sich birgt. Allerdings würde ich das nicht Tendenz zum "Zusammenbruch" nennen.
    Richtig finde ich weiterhin, dass du auf die historischen Wirtschaftsdaten verweist. Ich denke, das ist unser Hauptunterschied zu den ML-Marxisten und den "Parteimarxisten", dass wir die Wahrheit nicht in Zitaten, sondern in der Wirklichkeit suchen. Freilich dienen uns die Analysen von Marx als Kompaß. Aber uns bewegen und argumentieren müssen wir auf dem Boden der spür- und erfahrbaren Wirklichkeit.


    Die Beispiele und Daten, die du da angeführt hast, reichen aber meiner Meinung nach nicht, um auf eine "Zusammenbruchstendenz" zu schließen. Warum nicht?
    Erstens ist die Krise von 1929ff ein mehr oder minder singuläres Ereignis geblieben. Aus einem singulären Ereignis kann man schwerlich auf eine "Tendenz" schließen.
    Zweitens gibt es wesentliche Unterschiede zwischen 1929 und heute. 1929 bestand die Weltwirtschaft zu 95% aus den klassischen kapitalistischen Kernstaaten in Europa und den USA. Heute machen diese Kernstaaten noch maximal 60% der Weltwirtschaft aus mit weiter sinkendem Gewicht.
    Auf die sinkenden Wachstumsraten in den kapitalistischen Kernzonen habe ich auch wiederholt hingewiesen. Ich halte das für eine sehr wichtige Angelegenheit.
    Gleichzeitig gibt es aber auch die Gegentendenz, dass nämlich die kapitalistische Peripherie immer mehr an Bedeutung gewinnt und immer neue Staaten den Sprung in die Kernzonen des Kapitalismus schaffen, also immer neue Staaten im Kernbereich des Kapitalismus konkurrenzfähig werden.
    Das ist mein "Mantra", das ich seit einigen Jahren im Marx-Forum wiederhole.
    Kurz: "Der Kapitalismus" ist nicht mehr identisch mit europäischem und nordamerikanischem Kapitalismus.
    Drittens: Wer von einer "Tendenz" spricht, sollte auch in der Lage sein, innerhalb dieser Tendenz Phasen und Abschnitte zu unterscheiden. Lenin bezeichnete die Epoche nach 1917 als "höchste" oder "letzte" Stufe des Kapitalismus. Darin war Lenin wenigstens konsequent. Diese Aussage war jedoch offensichtlich zeitgebunden und hat keine Gültigkeit mehr.
    Du sagst: "Es ist genauso verkehrt, die Kritik des Kapitals auf solche Zusammenbruchstendenzen zu beschränken, wie es verkehrt ist, diese Zusammenbruchstendenz zu leugnen..."
    Eine "Tendenz" festzustellen, ohne aufzuzeigen, an welchem Punkt oder wenigstens in welchem Abschnitt dieser tendenziellen Entwicklung wir uns befinden, halte ich für wenig aussagekräftig. Überspitzt gesagt: Ein Zusammenbruch, der nach Lage der Dinge vielleicht in 1000 Jahren oder später zu erwarten sei, ergäbe eine lächerliche Theorie. Wer also "Zusammenbruch" sagt, muss auch sagen, in welchen Zeitrahmen er seinen Zusammenbruch ansiedelt. Ich denke, Zeitrahmen, die über ein Menschenleben von vielleicht 60 Jahren hinausgehen, spielen politisch und praktisch keine Rolle.


    Noch etwas:
    Wer das Ende nahen sieht, der sollte mindestens genauer angeben, was da genau zu Ende geht. "Der Kapitalismus" ist es gewiss nicht. Möglicherweise geht der "Kapitalismus des weißen Mannes" zu Ende. Das halte ich für möglich, aber ein "Ende des Kapitalismus" ist das halt nicht.
    Gruß Wal

  • Hallo Wal,
    nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: wenn ich von einer Tendenz spreche, dann meine ich damit - in Anlehnung an Marx - die widersprüchliche Durchsetzung eines ökonomischen Gesetzes. Die Verwertung von Wert durchläuft zwar Zyklen, das heißt aber nicht, dass sie sich im Kreis dreht ... um es mal ganz platt zu sagen. Das Kapital löst seine Widersprüche nur, um sie verschärft auf höhrer Stufenleiter zu reproduzieren. Die Widersprüche, die die Verwertung von Wert kennzeichnen, verschärfen sich mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit und der Höhe zu der das Kapital bereits akkumuliert ist.
    Ich spreche also nicht von einer "historischen Tendenz" im Sinne von Aufstieg und Niedergang des Kapitalismus. Werde mich schwer hüten!
    Der Niedergang der alten kapitalistischen Kernländer und der Aufstieg von Ländern wie China steht nach meiner Auffassung nicht im Widerspruch zu "meiner Zusammenbruchstendenz". Der Aufstieg der Peripherie, das enorme Wachstum des Kapitals in den BRIC-Ländern, konnte die 2007 einsetzende Weltwirtschaftskrise nicht verhindern und wird auch noch schwerere Krisen nicht verhindern. Im Gegenteil: es ist ganz unvermeidlich, dass sich auch in diesen Ländern die Wachstumsraten verringern und Weltwirtschaftskrisen dort ebenfalls stärker durchschlagen werden. Das noch anhaltende enorm starke kapitalistische Wachstum der Peripherie modifiziert aber selbstverständlich den Verlauf der Weltmarktkrisen, schafft Voraussetzungen für neues weltweites kapitalistisches Wachstum etc.
    Nichts liegt mir ferner als eine Position, wonach der Kapitalismus am Ende sei! Dessen Entwicklungspotentiale sind längst nicht ausgeschöpft. Sie werden aber freigesetzt gerade durch sich verschärfende Krisen und einer zunehmenden sozialen Polarisierung. Und: es steht erneut eine Zäsur in der kapitalistischen Entwicklung an, wenn das ganze Spektakel nicht durch eine soziale Revolution beendet wird: So wie England seine Führungposition einbüßte, so werden auch die USA ihre Führungsposition einbüßen. Wie aber dann eine "neue kapitalistische Weltordnung" aussehen wird, welches Gewicht konkret China und Indien darin spielen werden, darüber lässt sich allenfalls spekulieren und an solchen Spekulationen will ich mich nicht beteiligen.
    (Diese Zäsur wird sich meiner Meinung nach notwendig in einem Crash ausdrücken, wie in die Welt noch nicht erlebt hat.)


    Ich brech mal hier ab; diese Fragen werde ich ausführlicher in meiner theoretischen Arbeit zu behandeln und meine Position zu begründen haben.


    Viele Grüße
    Robert

  • Hallo Wal,
    nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: wenn ich von einer Tendenz spreche, dann meine ich damit - in Anlehnung an Marx - die widersprüchliche Durchsetzung eines ökonomischen Gesetzes. Die Verwertung von Wert durchläuft zwar Zyklen, das heißt aber nicht, dass sie sich im Kreis dreht ... um es mal ganz platt zu sagen. Das Kapital löst seine Widersprüche nur, um sie verschärft auf höhrer Stufenleiter zu reproduzieren. Die Widersprüche, die die Verwertung von Wert kennzeichnen, verschärfen sich mit der Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit und der Höhe zu der das Kapital bereits akkumuliert ist.
    Ich spreche also nicht von einer "historischen Tendenz" im Sinne von Aufstieg und Niedergang des Kapitalismus.







    Hallo Robert,
    Letzteres habe ich dir auch nicht unterstellt! :)
    Es bleibt aber doch die offene Frage, was sich aus dieser historischen Tendenz ergibt. Als "Ökonomen des Proletariats" sollte unsere Analyse doch helfen, sich in der Wirklichkeit zurechtzufinden.
    Um mal ganz unvorbereitet meine Gedanken auszubreiten: Ich denke: Japan zeigt uns die Zukunft Europas. In Japan selbst herrscht wirtschaftliche und politische Stagnation. Aber diese Stagnation kann deshalb lange anhalten, weil die japanischen Firmen in fast allen asiatischen Ländern Ableger haben. Und so wie VW eine "Mischkalkulation" macht (Wieviel verkaufen wir in Europa? wieviel in China? Der Saldo ist unser Profit), so machen die japanischen Kapitalisten eine "Mischkalkulation": Ihre Geschäfte in Japan liegen darnieder und stagnieren, aber sie finden außerhalb Japans noch Expansionsmöglichkeiten.
    Ich denke, das ist das Geschäftsmodell Deutschlands und Europas in der Zukunft. Die Situation des japanischen Kapitalismus können wir nicht verstehen, wenn wir nur auf Japan schauen. Die Situation des deutschen und europäischen Kapitalismus können wir nicht verstehen, wenn wir nur auf Deutschland und Europa schauen.
    Ich denke, daraus wird auch die Bedeutung Europas und der EU für das deutsche, aber auch für das französische Kapital ersichtlich: Nur in ihre nationalen Grenzen gebannt wären diese Kapitalien kaum mehr lebensfähig, das heißt nicht mehr expansionsfähig.


    Der Fall der Profitrate ist aber zuvörderst ein nationales (fast könnte man sagen: lokales) Problem. Sobald der Fall der Profitrate für ein Kapital spürbar wird, und bevor dieser Fall das Kapital lähmt, überspringt das Kapital die nationale Grenze und sucht sich Anlagemöglichkeiten außerhalb. Diese Anlagemöglichkeiten sind allerdings keineswegs so begrenzt wie Lenin sich das vorstellte, der ja meinte, die Expansion des Kapitals sei 1914 geografisch ans Ende gelangt. Das ist eine ganz grobe, unökonomische Sichtweise. Lenin war ein geschickter Politiker, aber ein schlechter Ökonom.
    Die Rechnungsweise eines Weltkonzerns ist eine "Mischkalkulation": Wenn ein Kapital 10 Lohnarbeiter für einen Tageslohn von 500 Euro (in Deutschland) und 100 Lohnarbeiter für einen Tageslohn von 50 Euro (im Ausland) ausbeutet, dann beutet es tatsächlich 110 Lohnarbeiter zu einem Tageslohn von 91 Euro aus. Rechnung wie folgt: Tageslohn A(10 x 500) + Tageslohn B(100 x 50) geteilt durch 110 Lohnarbeiter = 91 Euro pro Tag und Arbeiter. So lebt es sich für das globalisierte Kapital flott dahin, auch es in einem Land stagniert und "schwächelt".



    Ansonsten stelle ich mir den weiteren Aufstieg Asiens keineswegs idyllisch vor. Der Aufstieg Großbritanniens benötigte den Sieg über Napoleon. Die Ablösung Großbritanniens als Weltvormacht verlief über zwei Kriege. Die USA haben auf dem Weg zur Weltmacht ebenfalls Kriege gegen Mexiko, Kuba und Spanien als damalige Vormacht in Lateinamerika geführt. Der Abstieg der USA begann mit dem Vietnamkrieg.
    Auch die chinesische Führung kalkuliert Krieg ein. Das bewies sie in der Vergangenheit und das bewies ihre Reaktion auf den Inselkonflikt mit Japan.


    Die Zeiten werden ökonomisch härter und politisch unruhiger. Das sind die Tendenzen, die ich sehe.


    Gruß Wal

  • Quote

    Robert:
    1. Ist eine Vorstellung, wonach Krisen der Kapitalakkumulation die Wiederkehr des immer gleichen seien, mindestens so verbreitet, wie die Erwartung einer „finalen Krise“. (Dafür stehen Theoretiker wie Altvater, Heinreich etc.) Marcos Ausführungen unterstreichen das. Das lässt sich meiner Meinung theoretisch nicht halten, weil das Kapital seine Widersprüche ständig auf erweitertet Stufenleiter reproduziert und damit die Tendenz zur Überakkumulation sich verstärkt (Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit im Widerspruch zum Erhalt eines gegebenen Kapitalwerts) und die Krisen schärfer werden müssen. (Will das theoretisch nicht weiter begründen.)


    Mich interessiert dennoch, was das für eine Rolle spielt.
    Was heißt denn "erweiterte Stufenleiter"?
    Der Widerspruch ist immer dergleiche, da ändert sich nichts: Das Kapital produziert Rüchsichtslos gegen seine Verwertbarkeit; ob der Markt die Produkte tatsächlich versilbern kann oder nicht. Und wenn jedes Jahr ein Durchschnittsprofit erziehlt wird, welcher wieder investiert und den Anspruch auf zusätzliche Zinseszins begründet, dann ist klar, dass die zahlungskräftige Nachfrage diese Ansprüche in absehbarer Zeit nicht mehr bedienen kann.
    Also was sind die Stufen der Leiter?
    Was sich ändert, ist die Menge des investierten Kapitals, das Überakkumuliert. (Die Menge an Schuldscheinen ebenso, was letztlich dasselbe ist, da Anspruchstitel auf Geldvermehrung)
    Nun, da der Reichtum abstrakt ist, gibt es auch keine Obergrenze, ab der es nicht mehr weitergeht. Ob es um Milliarden geht oder ein paar Jahre später um Billiarden.
    An dieser "Erweiterung" kann ich also auch kein "Ende" ableiten.



    Quote

    Robert:
    Der Kapitalismus bekommt „Existenzprobleme“ durch seine Krisen.. Die Weltwirtschaftskrise 1929 mündete ein in eine Depression...

    Das mag schon sein. Aber unter "Existenzprobleme des Kapitalismus" verstehe ich, wenn seine Prinzipien zur Debatte stehen. Das ist ganz was anderes als Existenzprobleme von Kapitalisten. Oder anderen Leuten.



    Quote

    Robert:
    Aus ungenügendem Wachstum und der Unvermeidlichkeit immer größerer Kapitalvernichtung wird ein „Existenzproblem“ des Kapitalismus, weil das ebenso unvermeidlich sozialen Widerstand und Klassenkampf produziert! (Selbst bürgerliche Ideologen wissen das, und sorgen sich darum.)

    Wunschdenken.
    Denn wenn man sich den Inhalt des sozialen Widerstandes anschaut, dann kommt man nicht drauf, dass die Wirtschaftsordnung zur Debatte steht. Das Mittel aus der Armut ist für die Leute immer noch: "funktionierender Kapitalismus". So denken die -auch wenn sie es "soziale Marktwirtschaft" nennen- und so sieht auch das Ziel des Widerstandes aus:
    * Behörden, Staatsbeamte, die angeblich unfähig sind, sie ordentlich zu regieren (genau das will ein emanzipierter Bürger)
    * Unfahige oder unwillige Manger, die Mißwirtschaft betreiben (dann kommen lauter Vorschläge ökonomischer Laien zum sachgerechten Profitmachen. Schlimmstenfalls kommen sie von selber drauf, dass ein mehr an Einkommen ihre Lohnquelle bedroht)


    Also die sogenannten Klassenkämpfer sehen lauter "Verstöße" gegen eine eigentlich gute Sache, die vor dem Versagen einzelner falsch eingestellter Personen gerettet gehört. Das ist so ziemlich das Gegenteil von Kapitalismuskritik. Die haben keine Ahnung davon, dass ihre Probleme nicht aus "Miß"brauch, sondern sachgerechtem "Ge"brauch politischer und ökonomischer Macht resultieren. Oder systemnotwendig sind. Da spielt es schon gar keine Rolle mehr, dass sie nicht wissen, dass sie Klasse sind oder was mit Klasse überhaupt gemeint ist.


    Meine Kritik an der Behauptung, der Kapitalismus bekäme Probleme durch Klassenkämpfe ist die: das was da real an "Widerstand" abgeht ist doch schon längst funktional. Bestenfalls konstruktive Kritik zur Verbesserung der bestehenden Verhältnisse.


    Solange nicht ein Mindestmaß an Wissen (und entsprechender sinnvoller Kritik) über unsere Wirtschaftsweise akkumuliert, ist die nicht in Gefahr. Stufenleiter hin oder her.



    Einerseits sagst Dus ja selber "Der Kapitalismus schafft sich nicht selbst ab" andererseits tust Du aber schon so, als wäre sein Ende bereits ausgemachte Sache und Resultat einer zwangsläufigen Entwicklung. So richtig dran glauben magst Du dann doch wieder nicht, schließlich plädierst Du nicht auf "Abwarten und Tee" trinken, sondern zu kommunistischer Agitation.
    Also weißt Du die andere Bedingung - dass die Leute nicht nur ihr Unbill nicht mehr aushalten wollen, sondern es sich auch korrekt erklären. (Damit sie nicht auf die falschen hauen.) Ja wenn das so ist, dann vergiss aber die Sache mit der zwangsläufigen gesellschaftlichen Entwicklung von einer GO zur nächsten.

  • Was heißt denn "erweiterte Stufenleiter"?
    Der Widerspruch ist immer dergleiche, da ändert sich nichts:

    Hallo Marco,
    es sind zwei unterschiedliche Themen, die du hier angesprochen oder gar vermengt hast: Einmal die Frage wie verläuft die wirtschaftliche Entwicklung des Kapitalismus? Ein bloßes Auf und Ab? oder gibt es in dem Auf und Ab Trends? Augenscheinlich leugnest du hier langfristige, historische Trends. „Der Widerspruch ist immer dergleiche, da ändert sich nichts...“

    Dein zweites Thema ist die Frage: Was macht eine soziale Bewegung zu einer revolutionären Bewegung? Da halte ich dein Kriterium für realitätsblind: „Denn wenn man sich den Inhalt des sozialen Widerstandes anschaut, dann kommt man nicht darauf, dass die Wirtschaftsordnung zur Debatte steht.“
    Wenn man das als Maßstab an soziale Bewegungen anlegt, hat es noch nie in der Geschichte eine revolutionäre Bewegung gegeben. Noch nie in der Geschichte sind die Menschen hingegangen und haben gesagt: Wir wollen eine neue Produktionsweise schaffen! Das aber verlangst du von einer revolutionären Massenbewegung.
    Díeses politische und erkenntnistheoretische Thema können wir vielleicht ein anderes Mal diskutieren.


    Ich komme erst mal zu dem Hauptthema, zur Politischen Ökonomie des Kapitalismus.
    Als Ausschnitt der kapitalistischen Wirklichkeit nehme ich mal 60 Jahre Bundesrepublik



    Wäre es so, wie du behauptet hast („Der Widerspruch ist immer dergleiche, da ändert sich nichts...“), dann würde das Auf und Ab der Wirtschaftswachstumsraten (schwarze Zackenlinie) ganz waagrecht verlaufen. Das tut sie nicht. Die gelbe Trendlinie verläuft über die 60 Jahre deutlich nach unten. Heißt: Die Wachstumsraten verlangsamen sich und tendieren nach Null.
    1. Beleg, dass dein „da ändert sich nichts“ falsch ist.
    Die rote Linie zeigt die Staatsausgaben. Die verläuft in Form einer S-Kurve. Es sind da also drei Phasen zu erkennen: erste Phase: langsamer Anstieg, zweite Phase: rascher Anstieg, dritte Phase: wieder flacherer Anstieg. Meine Interpretation dieses Trends: Der Kapitalismus steht immer weniger "auf eigenen Füßen": freier Markt und freie Konkurrenz. Es werden zunehmend systemwidrige Eingriffe nötig. Und jeder staatliche Eingriff ist im Kapitalismus ein systemwidriger Eingriff, ist ein hilfloser Versuch, auf dem Boden des Privateigentums gesellschaftliche, gemeinschaftliche Interessen zu etablieren.
    2. Beleg, dass dein „da ändert sich nichts“ falsch ist.
    Eine dritte (blaue) Linie zeigt die offiziellen Arbeitslosenzahlen. Auch hier sind drei Phasen festzustellen: erste Phase: Abbau der Arbeitslosenzahlen bei hohen Wirtschaftswachstumsraten, zweite Phase: steiler Anstieg der Arbeitslosenzahlen bei sinkenden Wachstumsraten, dritte Phase: Stagnation der Arbeitslosenzahlen auf hohem Niveau bei stagnierenden Wachstumszahlen. Marx brachte das auf die Formel: Akkumulation von Kapital heißt Akkumulation von Elend.
    3. Beleg, dass dein „da ändert sich nichts“ falsch ist.
    Soweit erstmal und Gruß
    Wal

  • Also was sind die Stufen der Leiter?

    Hallo Marco,
    z.B.: wenn die Lohnarbeitslosigkeit in Deutschland während der Weltwirtschaftskrise 1974/75 die Lohnarbeitslosigkeit auf ca. 1 Mill. steigt, wenn diese Lohnarbeitslosigkeit dann während der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1980iger Jahre sich auf rund 2 Mill. verdoppelt usw. dann drückt sich darin aus, dass das Kapital seine Widersprüche auf erweiterter Stufenleiter reproduziert.


    Ähnliches lässt sich feststellen etwa in Bezug auf die Entwicklung der Staatsverschuldung.


    Man muss die Augen schon ganz schön fest verschlossen halten, um die tatsächlichen ökonomischen und sozialen Veränderungen seit den 1970iger Jahren nicht wahrzunehmen. Weil der Zyklus die Bewegungsform des industriellen Kapitals ist (jeweils beginnend mit ausgedehnter Neuanlage von Kapital, endend in einer Überproduktionskrise, resultierend in einer von Zyklus zu Zyklus sinkenden Durchschnittsprofitrate des gesellschaftlichen Gesamtkapitals) gibt es jeweils Sprünge in der Entwicklung, immer neue Stufen ökonomischer und sozialer Veränderungen.


    Die sinkende Durchschnittsprofitrate des gesellschaftlichen Gesamtkapitals führt zu nachlassender "Investitionstätigkeit", sinkender Akkumulation und damit zu immer geringeren Wachstumsraten. Alle Maßnahmen, die von Seiten der Einzelkapitale und des Staates unternommen werden, um sinkender Profitrate entgegenzuwirken, verschlechtern die Arbeits- und Lebensbedingungen der LohnarbeiterInnen. Und auch das entwickelt sich von Stufe zu Stufe (z.b. die Entwicklung der Arbeits- und Sozialgesetzgebung in Deutschland).


    Wer diese von Zyklus zu Zyklus, stufenweise sich einstellenden Veränderungen und Verschlechterungen nicht wahrnimmt, hat ein Problem mit der Realität. Wer diese Veränderungen nicht als Ausdruck des "ökomischen Bewegungsgesetzes der modernen Gesellschaft" (Marx) zu interpretieren versteht, der hat zusätzlich ein Problem mit der "Kritik der Politischen Ökonomie", die uns die Notwendigkeit/Gesetzmäßigkeit dieser Veränderungen und Verschlechterungen erklärt.

    Meine Kritik an der Behauptung, der Kapitalismus bekäme Probleme durch Klassenkämpfe ist die: das was da real an "Widerstand" abgeht ist doch schon längst funktional. Bestenfalls konstruktive Kritik zur Verbesserung der bestehenden Verhältnisse.

    Das Kapital reproduziert seine Probleme mit der Verwertung des vorhandenen Kapialwerts, indem es sie krisenhaft löst und auf höhrer Stufe erneut setzt. Untergräbt die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit den vorhandenen Kapitalwert, so ist sie gleichzeitig eines der Mittel, um die umbezahlte Mehrarbeit zu vergrößern. Dieser Konflikt wird immer wieder neu - auf erweiterter Stufenleiten - ausgetragen auf Kosten der LohnarbeiterInnen. Der soziale Widerstand dagegen ist unvermeidlich und der Kapitalismus hat seine Probleme damit. Dass dieser Widerstand "schon längst funktional" ist, ist eine ebenso kühne, wie falsche Behauptung, die mir die Frage aufdrängt, ob du schon jemals als Lohnarbeiter in einem Betrieb Widerstand geleistet hast oder an "realen" Widerstandsaktionen teilgenommen hast. Wenn dieser Widerstand tatsächlich "funktional" wäre, dann würde er nicht mit Repression beantwortet. Das wird er aber in aller Regel schon auf einem sehr wenig entwickelten Niveau, wovon ich dir ein Lied singen könnte. Die Kapitalisten jedenfalls betrachten solchen Widerstand nicht als "funktional", sondern versuchen ihn auf alle erdenkliche Weise zu unterbinden. Im Gegensatz zu dir wissen sie, was darin lauert: die Möglichkeit der Entwicklung und Verbreitung von radikaler Kritik am Kapitalverhältnis, die Möglichkeit der Entwicklung von Klassenbewusstsein. Theoretische Vorlesungen eines sind keine Alternative. Auch radikale theoretische Kritik hat nur dann eine Chance Gehör und Zustimmung zu finden, wenn sich der soziale Widerstand entwickelt. Wenn heute radikale Kritik, kommunistische Positionen so wenig Gehör finden, dann hat das verschiedene Ursachen. Eine besteht in den Inhalten der Kritik und des Kommunismus selbst und wie sie vorgetragen werden. Mit permanenter "Publikumsbeschimpfung" lässt sich kein Klassenbewusstsein entwickeln! Warum man eigentlich ständig radikale Kritik vorträgt, wenn man meint der soziale Widerstand, aus dem allein sich Klassenkampf entwickeln kann, sei "funktional", ist mir schleierhaft. Damit jedenfalls hat der Kapitalismus die wenigsten Probleme!! Das ist weder "funktional" noch "disfunktional", sondern einfach nur wirkungslos und letztlich bedeutungslos.

    Einerseits sagst Dus ja selber "Der Kapitalismus schafft sich nicht selbst ab" andererseits tust Du aber schon so, als wäre sein Ende bereits ausgemachte Sache und Resultat einer zwangsläufigen Entwicklung. So richtig dran glauben magst Du dann doch wieder nicht, schließlich plädierst Du nicht auf "Abwarten und Tee" trinken, sondern zu kommunistischer Agitation.

    Nirgends wirst du finden, dass ich schreibe, das Ende des Kapitalismus sei eine "ausgemachte Sache und Resultat einer zwangsläufigen Entwicklung". Da du mir das nicht nachweisen kannst, musst du mir unterstellen, ich täte so als ob, würde aber dann doch wieder nicht richtig daran glauben. Ein prima Verfahren! Gratulation! Du kennst mich besser als ich mich selbst und weißt sogar, woran ich glaube oder nicht glaube!!! Weil du mir das so schön erklärt hast, will ich dir auch sagen, wie ich dein Anliegen verstehe:


    1. Die Augen verschließen vor den Veränderungen der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer sozialen Folgen.
    2. Damit zugleich jeder Frage nach den Gesetzmäßigkeiten dieser Veränderungen aus dem Weg gehen.
    3. Die Bedeutung dieser Veränderungen für die Entwicklung von Klassenkampf und Klassenbewusstsein leugnen.
    4. Stattdessen sich lieber darauf beschränken, kritischen Vorträgen zu lauschen, die mit den Verhältnissen zugleich alle Ansätze von Widerstand dagegen kritisieren und sich seiner vermeintlichen geistigen Überlegenheit erfreuen.


    In einem solchen Diskussionsforum ist oft nicht mehr drin als "theoretischer Smalltalk". Vieles kann nicht so ausgeführt werden, wie es nötig wäre, um Klarheit zu schaffen; sei es in der Sache, sei es auch nur, dass die verschiedenen Standpunkte gründlich herausgearbeitet würden.
    Was den "Smalltalk" mit dir anbetrifft, so reicht der mir jetzt wieder. Das bleibt letztlich "disfunktional" für die Entwicklung von Klassenkampf.


    Gruß
    Robert

  • Quote

    es sind zwei unterschiedliche Themen, die du hier angesprochen oder gar vermengt hast: Einmal die Frage wie verläuft die wirtschaftliche Entwicklung des Kapitalismus? Ein bloßes Auf und Ab? oder gibt es in dem Auf und Ab Trends? Augenscheinlich leugnest du hier langfristige, historische Trends. „Der Widerspruch ist immer dergleiche, da ändert sich nichts...“



    "Der Wiederspruch ist immer dergleiche" meint, da kommt kein Wiederspruch dazu, oder er löst sich nicht auf; er ändert sich vom Sinn her nicht. Das ist für sich genommen eine recht sinnlose Aussage, weil das ist ja eh klar. (Oder?) Es ist nur der Auftakt für die Frage:


    Also worin besteht dann die Veränderung wenn man von "Verschärfung" der Widersprüche spricht?


    Es ändern sich doch "nur" Geldbeträge.
    Ist das gemeint?


    Und da fehlt mir die Überleitung zu naja, weils heute 1 Mrd sind und morgen sinds 10 Mrd, die (über)akkumulieren kann Übermorgen kein Kapital mehr akkumulieren; der Widerspruch löst sich auf; Kapitalismus kaputt.



    Bisher leugne ich nur die Tendenz, dass unsere Gesellschaft in eine andere Übergeht. Und die Zwangsläufigkeit dessen sowieso. Ich weiß, dass es ökonomische Gesetze im Kapitalismus gibt. Die dort gelten und nur dort. Wenn aber jemand aus solch einer Tendenz die Zukunft vorhersagen will (außer eben die, dass sich die Tendenz weiterhin tendenzgemäß entwickelt...) dann frag ich natürlich nach. Beispielsweise wenn jemand aus dem tendentiellen Fall der Profitrate schlußfolgert, dass das dahin führt, dass eines Tages gar kein Profit mehr gemacht wird. Nunja so etwas wäre mir viel zu schnell geschlußfolgert. Da das Sinken der Profitrate ja funktional fürs Profitemachen ist. Mehr als dass es eine vage Vermutung ist, würde ich solch einer Aussage erstmal nicht zugestehen.



    Der nächste fragende Gedanke, der mir beim Durchlesen kam: nun vielleicht ist mit "Verschärfung" der Widersprüche gemeint, wie sich die Leute dazu stellen. Auch da kann ich nicht erkennen, dass da jemand das Ende unserer GO betreibt oder im Sinn hat. Aber gut das ist ein Nebenthema...



    Nun hast Du ja ein neuen Gedanken ins Spiel gebracht: dass der Staat es ist, der den Untergang des Kapitalismus betreibt:


    Quote

    Der Kapitalismus steht immer weniger "auf eigenen Füßen": freier Markt und freie Konkurrenz. Es werden zunehmend systemwidrige Eingriffe nötig. Und jeder staatliche Eingriff ist im Kapitalismus ein systemwidriger Eingriff, ist ein hilfloser Versuch, auf dem Boden des Privateigentums gesellschaftliche, gemeinschaftliche Interessen zu etablieren.


    Nun, die (gegensätzlichen) ökonomischen Interessen aller Beteiligten verlangen nach einem Staat, da diese anders nicht verfolgt werden können. "freier Markt und freie Konkurrenz" mal ernstgenommen: Kein oder ungenügender staatlicher Schutz des Eigentums & Schutz der Person, wie soll dann das gegenseitige Erpressungsverhältnis in einem simplen Tauschgeschäft funktionieren: "Du kriegst erst, wenn Du gibst." Damit das nicht in Raub und Totschlag endet, ist es vonnöten, dass alle Privatinteressen beschränkt werden, bevor sie aufeinander einschlagen. Von selber kriegen die das nicht hin; es besteht aufgrund der Ökonomischen Interessensgegensätze ein enormer Regelungsbedarf. Der besteht immer und -da hast Du recht- es sieht so aus, als würde der zunehmen.
    Aber wie kommst Du auf die Idee, dass die Regelung kapitalistischer Gegensätze, damit die Wirtschaft funktioniert... Systemwidrig ist?

  • Hallo Marco,
    Als die Lohnarbeiter sich zu Gewerkschaften zusammenschlossen, um kollektive Tarife mit den Kapitalisten zu vereinbaren, war das systemwidrig und ist es immer noch, den systemkonform sind nur Verträge zwischen individuellen Privateigentümern.
    Wenn der Staat die Kapitalisten zwingt, den Arbeitstag auf 8 Stunden oder weniger zu beschränken, dann ist das systemwidrig, weil gegen die Vertragsfreiheit der Privateigentümer.
    Wenn eine Protestbewegung durchsetzt, dass Kernkraftwerke nicht gebaut und bestehende Kernkraftwerke abgeschaltet werden, dann ist das systemwidrig, weil es die Freiheit der AKW-Eigentümer und Stromkonzerne über ihre Produktionsmittel beschneidet.
    Wenn die Arbeiterbewegung Arbeiterschutzmaßnahmen oder Lohnzahlungen im Krankheitsfall durchsetzt, dann ist das systemwidrig, weil es die Verfügungsgewalt des Kapitalisten über die Lohnarbeit einschränkt.
    Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen.
    Der Widerspruch zwischen deiner These und meiner löst sich dahingehend auf, dass du "systemkonform" alles nennst, was gewohnheitsmäßig im Kapitalismus geschieht, ohne zu schauen, in welchem Interesse es geschieht und gegen welches Interesse es geschieht. Nachts sind alle Katzen grau und alles, was im Kapitalismus passiert ohne ihn zu beseitigen, das nennst du "systemkonform".
    Das ist eine unhistorische Sicht und eine inhaltsleere Sicht auf die Sache. Unhistorisch ist es, weil du die Entwicklung vom patriarchalen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, wo der Kapitalist nicht nur Herr, sondern Tyrann in seinem Betrieb war, bis hin zum modernen "sozialdemokratisierten" Kapitalismus des 20. Jahrhunderts nicht siehst.
    Dieser Unterschied ist aber aus Sicht der Lohnarbeiter erheblich.
    Zweitens ist es eine inhaltsleere Sicht auf die Sache, weil du gar nicht angeben kannst, was deine "Systemwidrigkeit" ausmacht - es genügt dir, wenn sie den Kapitalismus nicht beseitigt hat.
    Aber auch hier gibt es einen historischen Trend: Faktisch wird das Eigentumsrecht des Kapitalisten über sein Unternehmen immer stärker ausgehöhlt und immer stärker untergraben. Kapitalisten sehen das und bekämpfen das. Du siehst es nicht und kannst dich deshalb in diesem Kampf um Rücknahme aller Beschränkungen des Kapitalismus auch nicht verhalten und nicht beteiligen.
    Gruß Wal

  • @ Robert, wenn ich Dich mißverstanden habe, dann nehm ich das zurück. Und was meine motivation angeht, dann weiß ich selber nicht, welcher teufel mich geritten hat, mir nach und neben der arbeit und familie und allen pflichten des bürgerlichen lebens auch noch den luxus anzutun mit kommunisten zu quatschen... Nungut, es ist einfach ein mix aus was wissen wollen und neugier. ich habe aber nach feierabend weder zeit noch kraft, mir das komplette kapital reinzuziehen oder mir das was ich schreibe so gründlich zu überlegen, wie es vielleicht angebracht wäre. also drück mal ein auge zu, wenn ich müll von mir gebe. bzw wenn ihr unter euch bleiben wollt, dann ist das auch ok.

  • Was ist systemwidrig?


    Quote

    Wal:
    Als die Lohnarbeiter sich zu Gewerkschaften zusammenschlossen, um kollektive Tarife mit den Kapitalisten zu vereinbaren, war das systemwidrig und ist es immer noch, den systemkonform sind nur Verträge zwischen individuellen Privateigentümern.
    Wenn der Staat die Kapitalisten zwingt, den Arbeitstag auf 8 Stunden oder weniger zu beschränken, dann ist das systemwidrig, weil gegen die Vertragsfreiheit der Privateigentümer.
    ...



    Also worin wir uns einig sind, ist dass dass Staat nicht nur die Interessen der einen sondern beider Klassen beschränkt. Ich halt das für die Art und Weise, wie er die Ökonomie am Laufen hält (also meine Definition von Konform). Dass der bürgerliche Staat direkt Partei ergreift für oder wieder eine Klasse das halte ich für Ökonomie-störend also nicht systemkonform. Das Infragestellen der Eigentumsordnung beispielsweise oder die Abkehr vom 8h Normarbeitstag, weil dann die Leute in der Blüte ihres Lebens verbraucht und nicht mehr ausbeutbar oder in Kriegen benutzbar sind. Du siehst das genau andersrum, wenn ich Dich richtig verstanden habe: Wenn er aufhört ausschließlich Partei der Kapitalisten zu sein, dann meinst Du, hier liegt ein Verstoß vor. OK. Mein Einwand wäre an der Stelle nur dass die Ökonomie so nicht (lange) funktioniert. (Wenn der Kapitalist seine Interessen unbeschränkt durchsetzen kann, ruiniert er die andere Klasse, die er ja braucht) Aber wir müssen uns nicht um Definitionsfragen streiten. Ich weiß wie Du es meinst und Du weißt wie ich es meine.





    Quote

    Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen.

    Ich weiß :-)



    Quote

    Der Widerspruch zwischen deiner These und meiner löst sich dahingehend auf, dass du "systemkonform" alles nennst, was gewohnheitsmäßig im Kapitalismus geschieht, ohne zu schauen, in welchem Interesse es geschieht und gegen welches Interesse es geschieht. Nachts sind alle Katzen grau und alles, was im Kapitalismus passiert ohne ihn zu beseitigen, das nennst du "systemkonform".

    Aber nein.
    Ich denk das mit der "systemkonformität" ist oben schon klargestellt.
    Ich weigere mich auch nicht über die Interessen nachzudenken. Ich hatte es glaube schon angedeutet - es hört sich an wie ein Widerspruch und das ist es auch: wenn die Interessen beider Klassen beschränkt werden, dann dient es den Interessen beider Klassen. Bzw dem abstrakten Allgemeininteresse. Beide Klassen können ihre Interessen nur vefolgen, wenn sie gleichzeitig beschränkt werden:
    Das Interesse des Arbeiters an einer Lohnquelle setzt voraus, dass er seine Lohnquelle nicht ruiniert. Er ist in der blöden Lage, das Interesse des kapitalisten nach Profit respektieren zu müssen. Umgekehrt kommt das Interesse des Kapitalisten nach Profit nicht um die Kosten drumrum, welche die Reproduktion der Arbeitskraft erfordert. Ohne Staat würde er es versuchen. (Naja versuchen tuts der Kapi immer aber vom Prinzip her gelten die Rechte des Arbeiters ja genauso und die werden vom Staat gegen das Privatinteresse von Bourgeoises durchgesetzt)
    Dasselbe gilt auch für die Gegensätze zwischen Mieter & Vermieter / Käufer & Verkäufer / usw. Setzt sich einer unbeschränkt durch, ruiniert der den anderen, den er zur Verfolgung seines eigenen Interesses braucht und in der nächsten Runde ist der dann nicht mehr am Start.


    Gut, dass der ökonomische Nutzen aus dieser gleichen Beschränkung aller Privatinteressen recht ungleich verteilt ist, ist klar. Ich halte das aber nicht für einen Wiederspruch. Wenn alle Menschen gleich(berechtigt) behandelt werden, dann sind die ökonomischen und biologischen Unterschiede ausschlaggebend. Wer Ökonomisch überlegen ist, hat die Mittel seine Überlegenheit weiter auszubauen, wer minder-bemittelt ist, kommt aus seiner Lohnabhängigkeit nicht wieder raus. Linke sprechen da von einer Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter aufgeht.
    Nur ne Randbemerkung - Auch die geringere Bezahlung von Frauen läßt sich daraus ableiten. Sie werden unter dengleichen Kriterien beurteilt wie Männer - wieviel Profit bringt mir dieser Mensch im Durchschnitt. Der biologische Unterschied -das höhere Ausfall-Risiko durch Schwangerschaft beispielsweise wird kompensiert, wenn die Frau eben weniger kostet. Also um verständliche Mißverständnisse gleich mal zu vermeiden: das ist nicht mein Zynismus, den ich hier heraushängen lasse sondern der Zynismus eines Systems, das Mittels gleicher Behandlung von Klassen und Geschlechtern, deren ökonomische Ungleichheit garantiert.


    Quote

    Das ist eine unhistorische Sicht und eine inhaltsleere Sicht auf die Sache. Unhistorisch ist es, weil du die Entwicklung vom patriarchalen Kapitalismus des 19. Jahrhunderts, wo der Kapitalist nicht nur Herr, sondern Tyrann in seinem Betrieb war, bis hin zum modernen "sozialdemokratisierten" Kapitalismus des 20. Jahrhunderts nicht siehst.

    Nun bis zu diesem Beitrag waren die Verhältnisse zur Entstehungszeit unserer GO auch nicht der Punkt an dem ich rumüberlegt hatte, sondern eher zeitnahere Verhältnisse. Natürlich wenn man Trends betrachten möchte, sollte man ein stückweit zurückgehen und vorausdenken.


    Meine Überlegung war einfach, wenn die Akkumulationszyklen zwischen den Kriesen "erhöhte Stufenleiter" der jeweils vorangegangene Zyklus sind, dann müssen innerhalb einiger Zyklen stetige oder tendentielle (ökonomische) Veränderungen sichtbar sein, ohne dass ich gleich bis zum Anfang der Geschichte zurückgehen muss. Da hab ich dann tatsächlich so Inhalte erwartet wie: "Die Arbeitszeiten steigen tendentiell, bis es nicht mehr geht und dann knallt es" Warum? Weil die Leute auf die Extraeinnahmen durch mehr Arbeitsstunden sosehr angewiesen sind, dass sie damit den Wert ihrer Arbeit ruinieren und noch mehr auf Überstunden angewiesen sind. Da wäre für mich ganz eindeutig eine Tendenz zum Untergang der GO erkennbar. Ja wenn die Leute mit 30 Lebensjahren schon Pflegefälle sind, dann können sich die Kapitalisten höchstens noch selber ausbeuten. Nun ist diese Tendenz ja durch staatlichen Eingriff unterbrochen worden. Weil der eingesehen hat, dass es zu seinem Schaden ist. Gut ein Linker würde darauf bestehen, dass eine soziale Bewegung das erkämpft hat. Werd ich nicht widersprechen. Aber die andere Seite, dass ein Staat, wenn er eine soziale Seite zeigt, das in eigenem Interesse tut, halt ich ebenfalls für korrekt.


    So Pause erstmal...

  • Also worin wir uns einig sind, ist dass dass Staat nicht nur die Interessen der einen sondern beider Klassen beschränkt

    Hallo Marco,
    nein, da sind wir uns überhaupt nicht einig!
    Diese Vorstellung, dass der Staat irgendwie über den kämpfenden Klassen schwebe und die Kontrahenten zur Ordnung anhält, stammt vom Schulhof, wo der Lehrer die sich prügelnden Kinder auseinandertreibt.
    Der Lehrer fühlt sich ganz wie alle Staatsbedienstete als Repräsentant einer Idee (Ordnung, Gerechtigkeit etc.)
    Als Materialist und Marx-Schüler teile ich nicht die Einbildung der Staatsdienerklasse. Als Materialist und Marx-Schüler gehe ich davon aus, dass Harmonie und Interessenausgleich zwischen Lohnarbeit und Kapital schlicht unmöglich sind. Deshalb ist es auch unmöglich, dass die Staatsdiener irgendwie unparteiisch über den streitenden Interesse und abseits der streitenden Interessen handeln können. Es sei denn man glaubt, die Interessen der Lohnarbeiter seien in den Interessen der Kapitalisten aufgehoben - oder umgekehrt. Der angebliche staatliche Interessenausgleich geht vielleicht zu 10 Prozent zu Lasten der Kapitalisten und zu 90 Prozent zu Lasten der Lohnarbeiter. So ein "Interessenausgleich" ist eine bürgerliche Illusion und Lüge.
    Siehe Karl Marx über den bürgerlichen Staat: http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_s/staat.html


    Und nur eine Minderheit der Lohnabhängigen glaubt, dass ihre Interessen bei den Staatsdienern gut aufgehoben seien:



    Gruß Wal

  • Hallo Wal,
    dann habe ich deine Beispiele wohl falsch verstanden? Das sind doch alles Beispiele, wie (auch) die Interessen der KapKlasse beschränkt werden.


    Mehr als die Tatsache, dass die Interessen aller ihre Grenzen gesetzt bekommen sagt das erstmal nicht. Also nur darin sind die Interessen gleich.


    Dass hier ein "Interessensausgleich" stattfindet, kann ich damit nicht ausdrücken. Da die Interessen qualitativ unterschiedlich sind, wüßte ich ebenfalls nicht, wie "Ausgleich" gehen sollte. Dazu müßte man die Interessen ja quantifizieren können. Wievielmal Interesse an Maximallöhnen entspricht einmal Interesse an maximaler Ausbeutung? Das ist theoretisch schon gar nicht machbar.


    Dem Mißverständnis, dass aus der Deckelung aller folgt: "da haben alle gleichermaßen was davon" wollt ich eigentlich vorbeugen, indem ich auf den unterschiedlichen Nutzen verwies. OK ich hab was geschrieben von die Leute werden gleichberechtig bahandelt. Heißt soviel wie, es gilt für alle das gleiche Recht - es ist nicht vorgesehen dass sich welche über persönliche Privilegien um ihre Schranken drumrumschmuggeln.


    Jetzt kann man noch meinen, die Gesetze seien unfair, weil 90% davon nützen dem Kapitalisten. Ja, vielleicht sinds sogar mehr. Ob fair oder nicht, der Kapitalist ist von Hause aus schon im Vorteil, vielmehr als den Schutz des Eigentums braucht es m.E. nicht, um seinen Vorteil zu garantieren.

  • Hallo
    Marco,


    es ist
    schon was richtig wenn du sagst das der Staat die Interessen der
    Klassen vertritt.


    Es wäre
    allerdings hilfreich wenn du geschrieben hättest welche Klassen du
    meist, es gibt mehr als zwei Klassen in unserer heutigen
    Gesellschaft. Auch wäre es hilfreich zu wissen was du denn mit Staat
    meinst? Sind es die ausführende Organe, die Staatsdiener als
    unkündbare Beamte die „lediglich“ das umsetzen was an anderer
    Stelle beschlossen wurde. Oder sind es die gewählten
    parlamentarischen Politiker. Oder meinst du den Staat als
    übergeordnetes Gebilde?


    In Marx
    Schriften kann immer wieder gefunden werden das es nötig ist sich
    differenziert zur jeweiligen Frage auszudrücken.


    Das ist
    auch nötig ansonsten sind die Grenzen der Dialektik erreicht. Es ist
    dann kaum möglich den Kern eines Verhältnis zu klären.


    Ich hoffe
    wir können uns einigen das der Staat egal wer die „Macht“ hat
    immer ein Zwangsverhältnis ist, innerhalb dieses Verhältnis kann
    sich allerdings die macht durch Klassen kämpfe immer verschieben.



    Gruß
    Peter


  • Dass hier ein "Interessensausgleich" stattfindet, kann ich damit nicht ausdrücken. Da die Interessen qualitativ unterschiedlich sind, wüßte ich ebenfalls nicht, wie "Ausgleich" gehen sollte. Dazu müßte man die Interessen ja quantifizieren können. Wievielmal Interesse an Maximallöhnen entspricht einmal Interesse an maximaler Ausbeutung? Das ist theoretisch schon gar nicht machbar.


    Dem Mißverständnis, dass aus der Deckelung aller folgt: "da haben alle gleichermaßen was davon" wollt ich eigentlich vorbeugen, indem ich auf den unterschiedlichen Nutzen verwies. OK ich hab was geschrieben von die Leute werden gleichberechtig bahandelt. Heißt soviel wie, es gilt für alle das gleiche Recht - es ist nicht vorgesehen dass sich welche über persönliche Privilegien um ihre Schranken drumrumschmuggeln.


    Jetzt kann man noch meinen, die Gesetze seien unfair, weil 90% davon nützen dem Kapitalisten. Ja, vielleicht sinds sogar mehr. Ob fair oder nicht, der Kapitalist ist von Hause aus schon im Vorteil, vielmehr als den Schutz des Eigentums braucht es m.E. nicht, um seinen Vorteil zu garantieren.

    Hallo Marco,
    es wäre schön wenn du die Interessen mal benennen würdest. Ein Interesse hast du ja schon gesagt das ist der"Schutz" des Eigentums. Hier wäre es nicht schlecht wenn es heißen würde , das Eigentum an Produktionsmittel.
    Das die Lohnabhängegen permanent enteignet werden sollte unstrittig sein. Welches Interesse der Lohnabhängigen werden vom bürgerlichen Staat geschützt oder entwickelt? Hierzu solltest du einmal "Das Kartenhaus" oder und "Nebensache Mensch" lesen, das kann auf der Seite vom "Verein Klartext" heruntergeladen werden.


    Gruß Peter

  • Hallo Peter



    Quote

    Peter:
    es ist schon was richtig wenn du sagst das der Staat die Interessen der Klassen vertritt. Es wäre allerdings hilfreich wenn du geschrieben hättest welche Klassen du meist, es gibt mehr als zwei Klassen in unserer heutigen Gesellschaft.


    Ja es gibt mehrere Klassenmodelle, ich finde aber nur die Einteilung der Klassen nach ihren ökonomischen Funktionen sinnvoll:
    Die Kapitalistenklasse = Privateigentümer von Produktionsmitteln
    Die Proletarier = Lohnabhängige, weil Eigentumslose. (Also ohne Zugriff auf PM)
    Ja was gibts noch?
    Die Bauern sind eine Klasse für sich - haben Eigentum, beuten sich aber selbst aus.
    Ingenieure vielleicht, obwohl ich die eher zu den Lohnabhängigen dazuzählen würde.
    Und OK, das eine oder andere Modell geht noch von einer Politikerklasse aus.
    Wie auch immer, mich interessieren eigentlich nur die ersten beiden.





    Quote

    Auch wäre es hilfreich zu wissen was du denn mit Staat meinst? Sind es die ausführende Organe, die Staatsdiener als unkündbare Beamte die „lediglich“ das umsetzen was an anderer Stelle beschlossen wurde. Oder sind es die gewählten parlamentarischen Politiker. Oder meinst du den Staat als übergeordnetes Gebilde?


    Eher letzteres. Aber ich mein natürlich nicht irgendeinen beliebigen Staat, sondern den bürgerlichen. Ich denke die Definition "Politische Gewalt der bürgerlichen Gesellschaft" trifft es ganz gut.





    Quote

    In Marx Schriften kann immer wieder gefunden werden das es nötig ist sich differenziert zur jeweiligen Frage auszudrücken. Das ist auch nötig ansonsten sind die Grenzen der Dialektik erreicht. Es ist dann kaum möglich den Kern eines Verhältnis zu klären.


    Wem sagst Du das *seufz*. Aber ich werd mir Mühe geben.



    Quote

    Ich hoffe wir können uns einigen das der Staat egal wer die „Macht“ hat immer ein Zwangsverhältnis ist, innerhalb dieses Verhältnis kann sich allerdings die macht durch Klassen kämpfe immer verschieben.


    Auf jeden Fall ist es ein Zwangsverhältnis.
    An dem zweiten Teil überlege ich noch dranrum. Die "Macht" also die politische Gewalt ist ja erstmal getrennt von den ökonomischen Klassen. Wie soll ich mir dann so eine Verschiebung vorstellen? Dass die Staatsgewalt dann doch ein wenig Partei ergreift; der Beeinflussung von Lobbyisten erliegt oder einfach ein wenig Linkeres Personal in die Ämter gewählt werden?
    Was ich mir vorstellen kann ist, dass die Proletarier, wenn sie sich einig sind, Kapitalisten und Staat erpressen können. Insoweit denke ich kann man schon von einer Machtverschiebung sprechen; auch wenn die Proletarierklasse die Staatsgewalt nicht direkt übernimmt.
    Also ich denke Du hast recht.





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    es wäre schön wenn du die Interessen mal benennen würdest. Ein Interesse hast du ja schon gesagt das ist der"Schutz" des Eigentums. Hier wäre es nicht schlecht wenn es heißen würde , das Eigentum an Produktionsmittel.


    Ja das ist in Ordnung. Wenn das Interesse einer Klasse benannt werden soll ist Schutz des Eigentums ist zu allgemein, da fällt ja auch die Zahnbürste eines Mittellosen drunter.



    Quote

    Das die Lohnabhängegen permanent enteignet werden sollte unstrittig sein. Welches Interesse der Lohnabhängigen werden vom bürgerlichen Staat geschützt oder entwickelt? Hierzu solltest du einmal "Das Kartenhaus" oder und "Nebensache Mensch" lesen, das kann auf der Seite vom "Verein Klartext" heruntergeladen werden.


    Also bevor ich mir die Texte durchgelesen habe (das mach ich später) mein ich folgendes:
    Die von Lohnarbeit abhängigen müssen ein Interesse nach einem Einkommen entwickeln :-) Klar sie habe ja keine Wahl. Aus dem folgt, dass sie den Erhalt ihrer Arbeitskraft im Auge haben müssen und ebenso eine Absicherung für die Zeiten, in denen ihre Arbeitskraft nicht (mehr) vorhanden ist oder nicht mehr gebraucht wird. Also ihre Interessen haben alle einen Bezug zu den Zwängen, denen sie ausgesetzt sind. (Ein Interesse nach "Lohnarbeit abschaffen" beispielsweise würde sich nicht eben einfach so entwickeln auch wenns gute Gründe dafür gibt)
    Auch denke ich an Schutz vor Unternehmerwillkür; dem Recht, seine Löhnhöhe auszukämpfen; dem Recht fair mit seinesgleichen Konkurrieren zu dürfen. Ich weiß nicht genau ob letzteres zu weit hergeholt ist oder ob man auf das Interesse an *fairnis* bei der Konkurrenz erst als politischer Bürger kommt, der einsieht, dass seine Interessen wegens Allgemeinwohl beschränkt gehören. OK, auf letzteres besteh ich nicht, das ist nicht gut durchdacht.

  • Hallo Marco,
    ich denke das du einige Verhältnisse für dich noch nicht geklärt hast. Es wäre sicher sehr gut wenn du noch einige Dinge nachlesen würdest. Zum Beispiel meine ich das du nicht nachvollziehst das der Arbeiter auch was verkaufen muss, seine Arbeitskraft. Die Arbeitskraft ist für den Käufer nur dann "interessant wenn sie ihm mehr einbringt als er dafür bezahlen muss. Die Bezahlung der Lohnarbeit richtet sich nach den Kosten der Reproduktion,diese Kosten werden immer weiter gedrückt, das vom Kapital und vom bürgerlichen Staat. (Zum Beispiel durch Kindergeldzahlung oder Mietzuschuss)
    Das lässt die LohnempfängerInnen sich allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt gefallen. Wenn sie dagegen aufbegehren tritt der Bürgerliche Staat auf und zwingt die Leute. Somit ist die Staatliche Gewalt lediglich ein Mittel, um das Recht auf Ausbeutung zu sichern.
    Bei dir steht es so da als seinen es zwei parallel wirkende Kräfte. Um die Form der Gewalt auszuüben brauchst du einen Inhalt.


    versuch mal ob das Dir Erkenntnisgewinn bringt:http://www.linkes-oldenburg.de/pdf/181-gerechtigkeitgerecht


    Gruß Peter

  • @ Robert, wenn ich Dich mißverstanden habe, dann nehm ich das zurück. Und was meine motivation angeht, dann weiß ich selber nicht, welcher teufel mich geritten hat, mir nach und neben der arbeit und familie und allen pflichten des bürgerlichen lebens auch noch den luxus anzutun mit kommunisten zu quatschen... Nungut, es ist einfach ein mix aus was wissen wollen und neugier. ich habe aber nach feierabend weder zeit noch kraft, mir das komplette kapital reinzuziehen oder mir das was ich schreibe so gründlich zu überlegen, wie es vielleicht angebracht wäre. also drück mal ein auge zu, wenn ich müll von mir gebe. bzw wenn ihr unter euch bleiben wollt, dann ist das auch ok.

    Hallo Marco,
    nein, ich will nicht, dass wir unter uns bleiben; und ich finde nicht, dass du Müll geschrieben hast! Wenn ich so heftig reagiert habe, dann hat das drei Ursachen:
    1. Steckt mir allerhand Erfahrung in den Knochen, wie Kapitalisten auf Widerstand von einzelnen, kleinen Gruppen, Belegschaften oder auch etwas größeren Teilen von Lohnabhängigen reagieren. (Ich meine damit jetzt nicht irgendwelche "revolutionären Umzüge"!) "Funktional" ist dieser Widerstand selbst nie; was nicht ausschließt - und das ist wohl weitgehend die Regel - dass es immer wieder gut gelingt, ihn zu "funktionalisieren", wozu er allerdings häufig auch gebrochen werden muss. Wenn jeder Widerstand, der sich noch ganz auf dem Boden dieser Gesellschaft entwickelt, tatsächlich "funktional" für das System ist, dann hat er kein sozialemanzipatorisches Potential. Dann können wir KommunistInnen einpacken und aufhören! Was soll eine radikale Kritik ohne jede Aussicht darauf praktisch werden zu können? Was soll eine radikale Kritik am Lohnsystem, wenn mit dieser Kritik zugleich eine "radikale" Kritik des einzig möglichen Akteurs (der Klasse der LohnarbeiterInnen) einhergeht, der dieses System der Lohnarbeit überwinden könnte? Die praktische Kritik am System der Lohnarbeit entwickelt sich im sozialen Widerstand und macht dabei selbst bestimmte Entwicklungen durch, die sowohl abhängen von der Entwicklung und Zuspitzung der objektiven Widersprüche, wie vom Zustand der revolutionären Theorie. (Anhand der Entwicklung beispielsweise in Griechenland ist das aus meiner Sicht sehr konkret nachvollziehbar.) Eine radikale theoretische Kritik, die das nicht versteht, kann nie praktisch werden.
    Mein Frust über die "deutschen Zustände" ist bestimmt nicht geringer als deiner, aber ich bin sicher, dass die Verhältnisse auch hier noch zum Tanzen gebracht werden. Daraus schlussfolgere ich keinen Automatismus hin zu einer sozialen Revolution!!! Aber darin allein liegt die Möglichkeit einer sozialen Revolution! Ohne sich entwickelnden sozialen Widerstand - unvermeidlich mit vielen reformistischen Illusionen in den Köpfen - geht da gar nichts. Solchen Widerstand gilt es zu unterstützen, zu fördern ... durch verständige radikale Kritik ... aber auch ganz praktisch!!! Da das meiner Meinung nach kaum passiert, bin ich mindestens so frustriert über "die radikale Linke" im besonderen wie über die "deutschen Zustände" im allgemeinen! Diesen Frust hast zu abbekommen.


    2. Hinterfragst du Sachen, die mir ganz selbstverständlich erscheinen und ich merke, dass ich eigentlich länger ausholen müsste, um mein Verständnis in der Sache gut zu begründen. Dann zwing ich mir so eine knappe Darstellung ab, bei der ich merke, dass mindestens die Möglichkeit von Missverständnissen sehr groß ist. Daraus resultiert Unzufriedenheit mit meiner eigenen Unvollkommenheit! X(


    2. Habe ich momentan ein gesundheitliches Problem und bin deshalb sowieso genervt.


    Ich lass meine Antwort auf deine Kritik weitgehend unverändert hier im Forum stehen, aber ich werde mir Mühe geben, künftig angemessener auf deine Einwände zu reagieren ... oder einfach mal zu schweigen und das, was du an Argumenten vorgetragen hast, so stehen zu lassen.


    Sorry also!


    Viele Grüße
    Robert

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