Habermas hilf!

  • Habermas hilf!
    Die angestaubten linken „Blätter für deutsche und internationale Politik“ wollen von ihrem Mitherausgeber Jürgen Habermaswissen, „wie man dem Rechtspopulismus den Boden entzieht“.


    Habermas weiß, dass es einen Konflikt gibt zwischen "kapitalistischem Wachstum" und einer „als sozialgerecht akzeptierten Teilhabe der Bevölkerung“. Er weiß, dass "diese beiden Elemente ... immer wieder in Konflikt geraten". Er weiß: Kapitalismus ist nicht sozial.


    Habermas meint: Das Soziale komme erst durch den Staat in den Kapitalismus herein: „Der Ausgleich zwischen kapitalistischem Wachstum und einer auch nur halbwegs als sozial gerecht akzeptierten Teilhabe der Bevölkerung am durchschnittlichen Wachstum hoch produktiver Wirtschaften konnte nur durch einen demokratischen Staat herbeigeführt werden, der diesen Namen verdient.“ Diese Meinung ist das Glaubensbekenntnis aller linken Eliten.


    Habermas weiß auch, dass dieser „soziale Staat“, der einen Ausgleich schafft zwischen Reich und Arm, zwischen Lohnarbeit und Kapital, eine seltene Eintagsfliege ist: „Eine solche Balance ... war aber, historisch gesehen, eher die Ausnahme als die Regel. Schon deshalb war die Idee einer globalen Verstetigung des „amerikanischen Traums“ eine Illusion.“

    Habermas weiß, dass die Linke sich von ihrem Anspruch als Interessenvertreter der Lohnabhängigen längst verabschiedet hat und zunehmend zum Interessenvertreter des Kapitals geworden ist: „Die Sozialdemokratien sind seit Clinton, Blair und Schröder auf eine im ökonomischen Sinne systemkonforme Linie eingeschwenkt... Dafür haben sie die Tolerierung der langfristig wachsenden sozialen Ungleichgewichte in Kauf genommen.“


    Habermas weiß, dass der Kapitalismus der Kernzone in der Krise ist: „Die wirtschaftliche Globalisierung, die Washington in den 1970er Jahren mit seiner neoliberalen Agenda eingeleitet hat, hatte im globalen Maßstab gegenüber China und den anderen aufgestiegenen BRICS-Staaten einen relativen Abstieg des Westens zur Folge.“
    „Die neue Unordnung der Welt, die Hilflosigkeit der USA und Europas angesichts der zunehmenden internationalen Konflikte ist beunruhigend...“


    Habermas weiß, dass die politischen Eliten im Westen und unsere Politikerklasse auf diese Situation nicht vorbereitet sind und mit dem Schwund ihres Einflusses in der Welt nicht zurecht kommen: „Unsere Gesellschaften müssen die Wahrnehmung dieses globalen Abstiegs, zusammen mit der technologisch bedingten, explosiv zunehmenden Komplexität der erlebten Alltagswelten, innenpolitisch verarbeiten.“

    Habermas fragt sich in dieser krisenhaften Lage: „Wie erlangen wir gegenüber den zerstörerischen Kräften einer entfesselten kapitalistischen Globalisierung wieder die politische Handlungsmacht zurück?“


    Ebenso könnte man fragen: Wie erlangen wir gegenüber dem zerstörerischen Altersprozess unsere Jugend zurück? Oder: Wie erlangen wir gegenüber einem zerstörerischen Krebsgeschwür unsere Gesundheit zurück? Das sind Fragen, auf die es keine Antwort gibt.
    Habermas träumt von der „guten alten Zeit“, als die Sozialdemokraten noch - in Regierungsbänken oder von Oppositionssitzen aus - am Ruder waren und es für alle so aussah, als hätte die Demokratie „politische Handlungsmacht“.
    Habermas hofft auf die Wiederkehr des „sozialdemokratischen Zeitalters“, als die Kapitalakkumulation boomte und damit Spielraum ließ für kräftige Lohnerhöhungen und deutliche Arbeitszeitverkürzungen, als die Steuereinnahmen des Staates noch sprudelten und die Politiker immer neue soziale Versprechungen machten, die aber langfristig in die Staatsverschuldung führen mussten.
    Habermas will wieder „zurück zum Sozialstaat!“


    Zu Beginn wusste Habermas noch von dem Konflikt zwischen Reich und Arm, zwischen Lohnarbeit und Kapital.
    Habermas hatte auch eine Ahnung davon, dass es möglicherweise für diesen Konflikt keine dauerhaften Lösungen gibt, die beide Seiten zufrieden stellen. Er ahnte, dass dieser soziale Ausgleich eine Illusion ist.
    Am Ende kehrt Habermas aber wieder zur sozialstaatlichen Hoffnung - zur „Harmonie von Lohnarbeit und Kapital“ zurück.
    Aber Habermas kennt nicht den Weg dorthin.
    Ich denke es gibt keinen Weg dorthin.


    Wal Buchenberg, 14.12. 2016

  • Hallo,


    dass der Westen ziemlich am Ende ist, ist richtig. Der westliche Kapitalismus ist eigentlich überreif. Aber ein Großteil der Produktionsmittel existiert aufgrund von Deindustriealisierung nicht mehr. Die sind alle in China zu finden. China ist aber kein Land, wo in absehbarer Zukunft der Kommunismus zu erwarten ist. Der Staatsappartat (asiatische Produktionsweise) ist viel zu despotisch, damit sich freie Gewerkschaften usw. bilden können.


    Bleibt also nur der Westen, aber da fehlen die Produktionsmittel. Der Westen ist abhängig von Importen aus asiatischen Despotien.


    Ich sehe nicht, wo in absehbarer Zunkunft irgendwo der Kommunismus entstehen soll. Ich denke, da wird nix draus.


    Gruß


    Markus

  • Hallo Markus,


    die fehlenden Produktionsmittel sind nicht das erste Problem. Es ist ja nicht so, daß es hier überhaupt keine Produktion mehr gibt. Menschen müssen den Kapitalismus für sich als 'erledigt' ansehen.
    Ich würde liebend gern vor dem Problem stehen, daß sich Menschen die Produktionsmittel und Produktivkräfte aneignen wollen, es nur keine da sind ;)


    Liebe Sonntagsgrüße - Wat.

  • Hallo Wat.,


    was meinst du, warum der Westen so hoch verschuldet ist? Da werden massenhaft Waren importiert, aber es geht nicht viel zurück. Das wird im Laufe der Zeit auch immer weniger, weil China alles kopiert und die Produkte dann selbst herstellt. Oder China kauft ganze Firmen auf. Wal hat da letztens eine interessante Grafik gepostet, wo man das Außenhandelsdefizit sehr schön erkennen kann. Das liegt halt daran, dass im Westen nicht mehr viel produziert wird und auch nicht mehr viel produziert werden kann, weil Produktionsmittel nicht vorhanden sind.


    Die Produktionsmittel im Westen sind eben nicht ausreichend für Kommunismus.


    Gruß


    Markus

  • Hallo Markus,
    (wenn du dich hier mit Passwort anmeldest, musst du nicht auf Freischaltung warten :thumbup: )


    Die Zusammenhänge auf dem Weltmarkt - Handelsbilanzen und Zahlungsbilanzen - sind meines Erachtens ziemlich nebulös. Der Zusammenhang der Volkswirtschaften auf dem Weltmarkt ist meines Wissens nicht klar untersucht.
    Dass das ganz alte Fragestellungen sind, siehst du an folgendem Gedankengang von Marx über Großbritannien.


    „Wenn man die Tabellen A (Exporte 1844-1858, w.b.) und B (Importe 1854-1858, w.b.) vergleicht, ist zu ersehen, daß die britischen Exporte bedeutend kleiner sind als die britischen Importe und daß diese Disproportion ebenso regelmäßig wächst wie der Umfang der Exporte. Dieses Phänomen ist nun von einigen englischen Autoren dahingehend interpretiert worden, als ob die unglücklichen Briten bei anderen Nationen in Schulden geraten oder billig verkaufen und teuer einkaufen und so einen Teil der Ergebnisse ihres Fleißes dem Ausland zum Geschenk machen. Die einfache Tatsache ist, daß Großbritannien in Gestalt von Importen von anderen Nationen etwas erhält, wofür es keinerlei Äquivalent geliefert hat. Das ist der Fall bei den indischen Tributen, die in verschiedenen Formen erhoben werden, und bei anderen Lieferungen für Zinsen auf Kapital, das in früheren Perioden ausgeliehen wurde. Die wachsende Disproportion zwischen britischen Importen und Exporten beweist daher nur, daß England auf dem Weltmarkt seine Funktion als Geldverleiher noch rascher entwickelt als seine Funktion als Fabrikant und Kaufmann.“ Karl Marx, Industrie und Handel, MEW 13, 497.


    Ich verstehe das so: Wenn dem Warenimport aus China ein Kapitalexport aus Deutschland nach China vorausgegangen ist, dann kann ein Teil der Importe aus dem in China von deutschem Kapital erwirtschafteten Profit oder aus dem Zins für deutsche Kredite bezahlt werden. Diese Import-Waren werden dann von deutschen Kapitalisten in China bestellt und auch in China mit deutschem Profit oder Zins bezahlt. Die Waren kommen nach Deutschland, ohne dass Geld von Deutschland nach China fließt.


    Im übrigen: Wenn China hier in Europa Betriebe aufkauft (- das wird noch sehr zunehmen), bleiben die Produktionsmittel ja hier. Den Menschen hier wird es ganz wurscht sein, ob sie sich für ihren Kommunismus Produktionsmittel aneignen, die Amis, Deutschen oder Chinesen gehören.


    Gruß Wal

  • Hallo Markus,


    als Antwort auf Wat schriebst Du:

    Was führt Dich zu der Annahme, dass im Westen kaum noch Produktionsmittel vorhanden sind? Der Produktionssektor im Westen, speziell in der BRD wurde umgebaut. Er ist kapitalintensiver geworden, d.h. es wird weniger menschliche Arbeitskraft verwendet. Deshalb ist er nicht mehr sehr sichtbar. Die Mehrheit der Menschen arbeitet nicht mehr in ihm und da ein Großteil des BSP durch Transaktionen zwischen Konsumenten im Westen zustande kommt dominiert der Produktionsmittelarme tertiäre Sektor in der Statistik. Nichts desto trotz existiert ein mächtiger Produktionsmittelpool im Westen, speziell in Dtl. Es werden allerdings v.a. Werkzeugmaschinen und andere Investitionsgüter in ihm produziert.


    Gruß Wanderer

  • Hi Wal,
    Hallo Wanderer,


    ich habe mich mal registriert. ;-)


    http://www.marx-forum.de/grafik/kapital/chinahandel.jpg


    Ich habe die Grafik wiedergefunden. Man sieht, dass z.B. die EU für 240 Milliarden Euro Waren aus China importiert. Exportiert werden lediglich Waren im Wert von 90 Milliarden Euro. Das sind die Zahlen für 2009. Ich würde mal gerne die Zahlen für 2015 oder 2016 sehen, da dürfte das Defizit noch größer ausgefallen sein. Jedenfalls betrug es 2009 150 Milliarden Euro. Ich weiß nicht, wie hoch die Profite von EU-Kapital in China sind. Ich bezweifle aber, dass sie 2009 150 Milliarden Euro betragen haben. Das bedeutet, wie Marx richtig festgestellt hat, dass die EU Produkte aus China bekommt, wofür sie keine Äquivalente nach China geliefert hat. Wenn wir jetzt mal die Profite des EU-Kapitals in China außer Acht lassen, dann hat sich die Volkswirtschaft EU mit 150 Milliarden Euro bei China verschuldet.


    Für die USA sieht es genau so beschissen aus.


    Das liegt m.E. an der Deindustriealisierung des Westens. Immer mehr Produktion wandert nach China. Bekleidung, Schuhe, Elektronik, Spielzeug für Kinder, Medikamente usw. usf. werden in China produziert. Hier im Westen existieren diese Industriezweige überhaupt nicht mehr. Kommunismus ohne Bekleidung? ;-)


    Firmenaufkäufe im Westen durch China sind auch problematisch. Die sind natürlich am Know-how interessiert, aber die Produktionsbedingungen sind für chinesische Kapitalisten hier uninteressant. Hier gibt's Gewerkschaften, Betriebsräte, Kündigungsschutz, Umweltauflagen usw. In China gibt's das alles nicht. Ein Paradies für Kapitalisten. Die Werkbank der Welt hat das ganze Land völlig ruiniert. Da ist wirklich fast jeder Winkel verseucht.


    https://www.bing.com/images/search?q=china+umweltverschmutzung&qpvt=china+umweltverschmutzung&qpvt=china+umweltverschmutzung&qpvt=china+umweltverschmutzung&FORM=IGRE


    Auch eine kommunistische Gesellschaft braucht Bekleidung, Schuhe, Medikamente, Computer, Smartphones usw. Da die Produktionsmittel fehlen, müssten die aus China importiert werden. Gehe ich recht in der Annahme, dass die kommunistische Gesellschaft diese nicht mehr durch Profite in China finanzieren kann? ;-) Wie soll das dann funktionieren, wenn hier der Kommunismus ausbrechen sollte? Wird der Westen dann wieder industriealisiert? Ich dachte, die Voraussetzungen (Industriealisierung usw.) schafft der Kapitalismus, damit eine klassenlose Gesellschaft möglich ist.


    Gruß


    Markus

  • ich habe mich mal registriert. ;-)

    Find ich prima, das vereinfacht und beschleunigt den Gedankenaustausch.


    http://www.marx-forum.de/grafik/kapital/chinahandel.jpg


    Ich habe die Grafik wiedergefunden. Man sieht, dass z.B. die EU für 240 Milliarden Euro Waren aus China importiert. Exportiert werden lediglich Waren im Wert von 90 Milliarden Euro. Das sind die Zahlen für 2009. Ich würde mal gerne die Zahlen für 2015 oder 2016 sehen, da dürfte das Defizit noch größer ausgefallen sein. Jedenfalls betrug es 2009 150 Milliarden Euro. Ich weiß nicht, wie hoch die Profite von EU-Kapital in China sind. Ich bezweifle aber, dass sie 2009 150 Milliarden Euro betragen haben.


    Ja, diese Ungleichgewichte im Welthandel schaffen neue Krisenherde. Ich denke, wir Linken haben uns bisher nicht genug mit den Geld- und Warenströmen des globalen Kapitalismus befasst. Ich kann nicht behaupten, dass ich das alles verstanden habe.
    Allerdings ist es für ein einzelnes Land noch keine Katastrophe, wenn es dauerhaft mit einem anderen Land eine negative Handelsbilanz hat, solange es diese negative Bilanz mit anderen Ländern ausgleichen kann.
    In dieser Grafik hat die EU tatsächlich eine negative Bilanz mit China, aber eine positive Bilanz mit den USA. Das Minus von 2014 in diesem Handelsdreieck ist daher nicht 150 Milliarden, sondern nur 100 Milliarden.


    Für die USA sieht es genau so beschissen aus.

    Die USA haben, soweit ich weiß tatsächlich mehr oder minder mit der ganzen Welt eine negative Bilanz. Das kann nicht auf Dauer gut gehen.



    Das liegt m.E. an der Deindustriealisierung des Westens. Immer mehr Produktion wandert nach China. Bekleidung, Schuhe, Elektronik, Spielzeug für Kinder, Medikamente usw. usf. werden in China produziert. Hier im Westen existieren diese Industriezweige überhaupt nicht mehr. Kommunismus ohne Bekleidung? ;-)


    "Deindustrialisierung" trifft es meines Erachtens nicht. In dem Thread "Trumps Wirtschaftspolitik" und der Diskussion mit Wanderer hatte ich darauf hingewiesen, dass die nationale Industrieproduktion, die bisher hauptsächlich Rohstoffe importiert und dann Fertigprodukte produziert und exportiert hatte, durch die Globalisierung über die ganze Welt aufgeteilt wird. Die Industriestandorte verteilen sich über verschiedene Länder, so dass in einem Land die Planung und das Management stationiert ist, in anderen Ländern Rohstoffe aus der Erde geholt werden, die dann in wieder anderen Ländern zu Halbzeugen verarbeitet werden und in einem vierten Land montiert und zusammengesetzt werden. Die Eigentümer des ganzen Prozesses, die Kapitalisten, sitzen noch in den Kernzonen des Kapitalismus.
    Der Kapitalismus durchlief diese Etappen:
    Dieser Entwicklungsprozess begann mit dem Zeitalter der Entdeckungen. Das war in Wahrheit ein Zeitalter der weltweiten Plünderung. Die europäischen Raubfahrer sind in alle Winde, zu allen Erdteilen und zu allen Küsten ausgefahren und haben mit der Waffe oder im Austausch für billigen Tand in die Schiffe geladen, was ihnen wertvoll schien: Gold, Elfenbein, Gewürze, Sklaven.
    Das war die Periode des Raubkapitalismus. Karl Marx nannte das auch „ursprüngliche Akkumulation“.


    Dann kam der Welt-Handelskapitalismus des 18. Und 19. Jahrhunderts. Die Briten zum Beispiel kauften Baumwolle, Tee und Seide in Indien und China und verkauften dort ihre Fertigwaren: Tuche, Bekleidung, Uhren, Geräte usw. Und jede kapitalistische Nation versuchte es den Briten gleich zutun. Das brachte zwei katastrophale Weltkriege über uns.
    Diese imperialistische Arbeitsteilung der Weltwirtschaft des 20. Jahrhunderts, wo die kapitalistische Kernzone in der Peripherie Rohstoffe und Halbzeuge einkauft und hochwertige Fertigprodukte dorthin zurückverkauft, diese Form der Arbeitsteilung ist schon Geschichte, auch wenn es unsere Linken noch nicht bemerkt haben.


    Für die heutige globale Arbeitsteilung des Kapitalismus verlieren nationale Grenzen und unterschiedene Volkswirtschaften immer mehr an Bedeutung. Während des Welthandelskapitalismus war der Handel global, die Produktion national. Der heutige Kapitalismus des 21. Jahrhunderts wirtschaftet nun zunehmend so, als wäre der ganze Globus eine einzige Wirtschaftszone, eine einzige Volkswirtschaft. Wir haben heute einen globalen Produktionskapitalismus.


    Der Buchautor John Smith (Imperialismus in the 21. Century“) schätzt, dass wertmäßig 80 Prozent des weltweiten Handels „is linked to the international production networks of Transnational Coporations“. Die UNCTAD schätzt, das „about 60 percent of global trade ... consists of trade in intermediate goods and services that are incorporated at various stages in the production process of goods and services...“


    Diese Zusammenhänge sind von den Antikapitalisten noch gar nicht voll verstanden, aber jeder kennt das Beispiel vom IPhone, das in “Silicon Valley” entworfen wird. In Asien werden die Einzelteile für rund 225 Dollar gefertigt und montiert. Dann wird es in die USA verschifft. Das macht noch einmal rund 85 Dollar Kosten. Dann wird es in den USA für 650 Dollar verkauft.
    Wenn Donald Trump nun behauptet: „Ich gehe hin und sorge dafür, dass Apple seine Computer und Iphons wieder in den USA produziert, und nicht in China!“, dann will Trump das Rad des Kapitalismus zurückdrehen.


    Das wird bei Apple und anderen betroffenen Unternehmen schwer knirschen, weil ihre Einzelteile und Halbzeuge viel teurer werden. Bei den Lohnarbeitern in den USA wird es Widerstand geben, wenn sie künftig zu „chinesischen“ Bedingungen arbeiten sollen (dies umso mehr, je mehr „Illegale“ des Landes verwiesen werden), und bei den Verbrauchern in den USA wird es lange Gesichter hervorrufen, weil die Verbraucherpreise deutlich steigen.


    Du, Markus, kommst jetzt mit einer ganz langfristigen Perspektive um die Ecke: Was bedeutet das alles für den Kommunismus?
    Diese Frage ist noch kaum angedacht. Wir haben noch nicht einmal die aktuellen Verhältnisse ganz verstanden. Tatsache ist jedenfalls, dass der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus nicht einfach eine Schlüsselübergabe ist, bei der die Kapitalisten zum Hinterausgang ihrer Betriebe verschwinden, und die Belegschaft einfach da weitermacht, was sie bis dato im Auftrag des Kapitals gemacht hat.


    Firmenaufkäufe im Westen durch China sind auch problematisch. Die sind natürlich am Know-how interessiert, aber die Produktionsbedingungen sind für chinesische Kapitalisten hier uninteressant. Hier gibt's Gewerkschaften, Betriebsräte, Kündigungsschutz, Umweltauflagen usw. In China gibt's das alles nicht. Ein Paradies für Kapitalisten. Die Werkbank der Welt hat das ganze Land völlig ruiniert. Da ist wirklich fast jeder Winkel verseucht.

    Unsere halbwegs intakte Umwelt ist der Verschmutzung in der kapitalistischen Peripherie geschuldet. Dort werden die hochgiftigen Teile der Computer zusammengesetzt und wieder verschrottet, die wir hier ganz umweltfreundlich benutzen.
    Ich finde, wir haben keinen Grund, mit Fingern auf andere Länder zu zeigen.


    Auch eine kommunistische Gesellschaft braucht Bekleidung, Schuhe, Medikamente, Computer, Smartphones usw. Da die Produktionsmittel fehlen, müssten die aus China importiert werden. Gehe ich recht in der Annahme, dass die kommunistische Gesellschaft diese nicht mehr durch Profite in China finanzieren kann? ;-) Wie soll das dann funktionieren, wenn hier der Kommunismus ausbrechen sollte? Wird der Westen dann wieder industrialisiert? Ich dachte, die Voraussetzungen (Industrialisierung usw.) schafft der Kapitalismus, damit eine klassenlose Gesellschaft möglich ist.


    Der Kapitalismus hinterlässt uns nicht nur Positives. Karl Marx hatte darauf hingewiesen, dass eine Produktionsweise erst beseitigt wird, wenn sie destruktiv wird.
    "Wir erhalten folgende Resultate ausder entwickelten Geschichtsbetrachtung:
    1. In der Entwicklungder Produktivkräfte tritt eine Stufe ein, auf welcher Produktionskräfte undVerkehrsmittel hervorgerufen werden, welche unter den bestehenden Verhältnissennur Unheil anrichten, welche keine Produktionskräfte mehr sind, sondernDestruktionskräfte .. " K.Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 69f."


    So einfach wie du, Markus, hat sich Marx den Übergang zum Kommunismus also nicht vorgestellt.


    Der heutige Kapitalismus ist destruktiv. Er zerstört Mensch und Natur - und das nicht nur in China.
    Wenn die Menschen bei uns ihr Schicksal in eigene Hände nehmen, werden wir auch eine große Bestandsaufnahme brauchen, was wir hier an Produktionsmitteln und Produktionsbedingungen haben, was wir davon brauchen können, was wir davon nicht brauchen können, was uns fehlt usw. Der Kommunismus ist nicht einfach die (verbesserte) Fortsetzung des Kapitalismus. Das dachten die Sowjetkommunisten. Der Kommunismus ist mindestens in Teilen auch ein radikaler Neuanfang.


    Siehe auch:
    Was ist vom Kapitalismus noch verwendbar?


    Gruß Wal

  • Hi Wal,


    Quote

    dass die nationale Industrieproduktion, die bisher hauptsächlich Rohstoffe importiert und dann Fertigprodukte produziert und exportiert hatte, durch die Globalisierung über die ganze Welt aufgeteilt wird. Die Industriestandorte verteilen sich über verschiedene Länder, so dass in einem Land die Planung und das Management stationiert ist, in anderen Ländern Rohstoffe aus der Erde geholt werden, die dann in wieder anderen Ländern zu Halbzeugen verarbeitet werden und in einem vierten Land montiert und zusammengesetzt werden. Die Eigentümer des ganzen Prozesses, die Kapitalisten, sitzen noch in den Kernzonen des Kapitalismus.


    Gut, da wird alles globalisiert. Kopfarbeit im Westen und Handarbeit in China und anderswo.


    Da die Produktion ja zunehmend globalisiert ist, geht dann Kommunismus auch nur im globalen Maßstab. Bis das dann irgendwann so weit ist, kann das noch Jahrhunderte dauern. Für mein Leben ist das von daher bedeutungslos. Zeitverschwendung, wenn man sich dennoch damit beschäftigt. ;-)


    Gruß


    Markus

  • Es sollte ja wohl um Habermas gehen. Bei Wals Kritik bleibt unklar, worauf er die Aussage stützt, Habermas gehe es illusorischerweise um die Rückkehr zum Zeitalter des Sozialdemo-kratismus, des Keynesianismus und der Wohlfahrtsstaaten, hier soziale Marktwirtschaft genannt. Aus seinem Gesamtwerk wird dagegen klar, daß er eine postkapitalistische Gesell-schaft der herrschaftsfreien Kommunikation als Alternative zum Kapitalismus sieht, man kann das auch Kommunismus oder Anarchie nennen. Daß er nicht nur bei der analytischen Begrifflichkeit von Marx/Engels stehenbleibt, sondern in der Auseinandersetzung mit Systemtheorie und Diskurstheorien eine zeitgemäße universalhistorische Theorie sozialer Entwicklung prasentiert, ist das, was Marx/Engels im 19.Jh. auch gemacht haben. Das Habermas "viel weiß", sagt Wal ja selbst. Und das kann kaum ironisch gemeint sein - man ist sich ja weitgehend einig in der Analyse.
    Viele Grüsse

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