Der Restlinke Jakob Augstein jammert über einen Rechtsruck in Deutschland und alle linken Blogger jammern mit. Augstein meint: Rechtsruck „ist die Einschätzung von Verfassungsschützern“.
Warum nehmen wir, warum nehmen linke Blogger plötzlich eine „Einschätzung von Verfassungsschützern“ ernst?
Ich sehe keinen Rechtsruck. Ich sehe nur, dass rechtslastige Meinungen von Sarrazin & Co. lange Zeit nicht ernst genommen wurden. Jetzt werden sie von Vielen ernst genommen und diskutiert, weil diese Meinungen mit größerer Lautstärke im Netz, auf der Straße und in den Parteiversammlungen der AfD vorgetragen werden.
Wie will man einen Rechtsruck überhaupt messen? Wenn ich zwei Schritte weiter nach links gehe, ist automatisch mein Nachbar zu meiner Rechten zwei Schritte weiter nach rechts gerückt.
Ich denke, der „Rechtsruck in Deutschland“ ist weitgehend eine optische Illusion.
Für eine optische Illusion sprechen auch folgende Umfrageergebnisse von Infratest:
Die Selbsteinschätzung aller von Infratest Befragten wanderte zwischen 2002 und 2015 von der Zahl 6 (Mitte rechts) zur Zahl 5 (Mitte links). Die Mehrheit der Deutschen ist (etwas) nach Links gerückt.
Gleichzeitig schien es den Befragten, dass alle Parteien – außer NPD und AfD – ebenfalls weiter nach links gerückt sind.
Ich finde, diese Einschätzung bestätigt sich bei genauerem Hinsehen:
1.Linkspartei
Durch den Zusammenschluss der Linkspartei mit der WASG aus dem Westen rückte die Programmatik der Partei (nicht das politische Tun) deutlich nach links (von 4 nach 3).
2.Die CDU/CSU
Einen weiteren Weg als die Linkspartei legte die CDU seit 2002 zurück. Bis 2005 trat die CDU als stramm rechte „neoliberale“ Partei auf. Seit 2005 ist die CDU wieder in der Regierung und der Kurs unter Merkel findet seither Links größere Zustimmung als Rechts. (Von 7,5 – 5,8).
Obwohl sich die CSU auch nach links bewegt hat (von 7,5 nach 6,8), ist die Differenz zur CDU größer geworden. Scheinbar ist die CSU nach rechts gerückt, tatsächlich ist die Schwesterpartei unter Merkel weiter nach links gerückt, als es den CSU-Oberen lieb ist.
3.SPD und Grüne
Die SPD hat sich wenig, die Grünen haben sich kaum bewegt.
4.NPD und AfD
Die NPD wurde in den Umfragen schon immer als „weit rechts“ eingestuft. Vielleicht unter dem Eindruck des NPD-Verbotsverfahrens wird sie nun von mehr Leuten als „Rechtsextrem“ eingeschätzt.
Die AFD begann exakt bei den politischen Standorten, die CDU und CSU verlassen haben (7,5 „Rechts“) und entwickelte sich seit dem Austritt von Lucke in Richtung „Weit rechts“ (8,2). Die AfD ist die Partei derjenigen, die die Linksbewegung von Merkel & Co. nicht mitmachen wollen und nicht mitmachen können. Die AfD ist die Partei derjenigen, die sich und die "Deutschland" von einer allgemeinen Linksbewegung bedroht und marginalisiert sehen. Die "Quelle allen Übels" suchen sie bei dem politischen Aufbruch der 68er-Bewegung.
Mein persönliches Resümee:
Es gibt keinen "Rechtsruck", sondern eine (geringfügige) politische Polarisierung in Deutschland, bei der mehr Leute sich (ein wenig) nach Links bewegt haben, als nach Rechts. Links ist allerdings immer noch viel mehr "Platz frei" als Rechts.
Und: Die mehrheitliche Einschätzung von Menschen auf der Straße ist zutreffender als die „Einschätzung von Verfassungsschützern“.
Gruß Wal Buchenberg