Kommunikation unter Linken

  • Aber noch eines zu Diskussionsstil. Ja man kann Meinungen austauschen, um Neues zu erfahren, um zu wissen was einen verbindet, ob man Ziele gemeinsam erreichen kann usw. . Aber du hast einen wissenschaftlichen Begriff von Marx, den Wert bzw. seine Bildung von meinem Verständnis her falsch dargestellt. Das habe ich kritisiert und begründet, weil ich meine, dass man deine verkehrte Auffassung von der Wertbildung im Interesse der Mitlesenden nicht einfach stehen lassen kann.


    Aber ich weiß auch, wie schwierig die Verständigung zwischen Menschen verschiedener Mentalitäten im Allgemeinen ist. Darauf hatte ja unsere gute franziska immer hingewiesen und soviel ich weiß, befasst sie sich gerade ausgiebig damit. Also sei mir nicht bös. Aber wenn's um Wissenschaftlichkeit geht, kann's kein wenn und aber geben, dann geht es nur um den wissenschaftlichen Gegenstand und da zählen nur gute Argumente und gute Begründungen bis einem die Sache einleuchtet oder zumindest plausibel ist. Aber persönlich sollten wir die Sache auf keinen Fall nehmen.


    Alles Gute
    jialing


    Hallo Jialing,
    Ja, Kommunikation ist eine ganz entscheidende Sache, die wir Linken nicht besonders gut beherrschen.
    Eine "sachlich-wissenschaftliche Kommunikation", wie du, Jialing, es hier verlangst, kann es meines Erachtens in weltanschaulichen, politisch-sozialen Fragen gar nicht geben. Bei allen politisch-sozialen Fragen werden notwendig Grundfragen unserer politisch-sozialen Anschauung und Persönlichkeit berührt. Da aus der einen oder anderen Beantwortung solcher Fragen auch immer ein Handeln und praktische Konsequenzen folgen (sollten), sind da immer notwendig Emotionen beteiligt. Wirklich "sachlich" und "wissenschaftlich" kann man nur dort argumentieren, wo einem alle möglichen Antworten ziemlich egal sind.


    Mein Eindruck ist, dass es eine große Rolle spielt, ob man in einer Kommunikation den Gesprächspartner/die Gesprächspartnerin als "Freundin/Teammitglied" oder als "Feindin/KonkurrentIn" einschätzt.


    In der Kommunikation mit einer "Feindin/Konkurrentin" ist man auf Abwehr gepolt, man ist zurückhaltend mit Informationen und man sucht überall nach Schwächen und Mängeln bei der Gegenseite.
    In der Kommunikation mit einer "Freundin/Teammitglied" gibt man gerne Informationen und auftretende Kommunikationsprobleme werden als beiderseitiges Un- und Missverständnis behandelt, nicht als "böse Absicht" und als "Angriff" der anderen Seite.
    Der Diskussionsverlauf zwischen dir und Jens ist ein klassisches Beispiel für "Konkurrenzverhalten" und daraus folgendem Scheitern der Kommunikation.
    Die Kommunikation muss scheitern, auch wenn nur eine Seite Konkurrenzverhalten zeigt.


    Ich denke: Alle Kommunikation im politischen Raum hängt entscheidend davon ab, ob wir den/die anderen als "Teammitglied/Freund" oder als "Konkurrent/Gegner" ansehen.


    Dass Linke so schwer miteinander kommunizieren, liegt meines Erachtens zu 70-80 % daran, dass wir alle andere Linken als Konkurrenten und Gegner ansehen. Zu 20-30 % liegt es daran, dass man sich der eigenen Position gar nicht sicher ist, und keine Unsicherheit, keine "Schwäche", zeigen will.


    Kommunikation unter Linken läuft deshalb immer als "Kampf zweier Linien" ab. Da wird quasi um einen ideologischen "Markt" gekämpft, wo eine Seite gewinnt, was die andere verliert. Das ist das kapitalistische Konkurrenzverhältnis.


    Wenn produktive Kommunikation eigentlich nur unter "Freunden/Teammitgliedern" - das heißt mit Voraussetzung gemeinsamer Interessen - möglich ist, ist so ein "strömungsübergreifendes" Diskussionsforum wie das Marx-Forum ein Widerspruch in sich. Die verschiedenen linken Strömungen sind sich spinnefeind. Die "Kommunikation" zwischen ihnen ist ein bloßes Hauen und Stechen. Also ist (derzeit) ein strömungsübergreifendes Forum ein weißer Rabe, ein Einhorn.
    Trotzdem halte ich und halten wir an dem Anspruch einer strömungsübergreifenden Kommunikation fest, auch wenn dieser Anspruch (noch) illusorisch ist. Ein Stück weit gelingt diese strömungsübergreifende Kommunikation, bis eben eine Seite ihren Standpunkt angegriffen fühlt, dann ist es mit der produktiven Kommunikation vorbei.


    Darüber hinaus, demonstrieren wir mit diesem Forum den Mangel aller Linken. Jeder sieht an und in diesem Forum, dass die Diskussionen nicht produktiv sind, dass sie nicht funktionieren.
    Aber jeder, der hier nur liest, findet auch diesen Mangel an sich. Er/sie muss sich eingestehen, dass auch er/sie nicht in der Lage ist, produktiv und kooperativ in die Diskussionen mit anderen/fremden/gegnerischen politischen Ansichten einzugreifen.


    Der Mangel der strömungsübergreifenden Kommunikation ist unter Linken allgemein. Aber damit abfinden können wir uns nicht. Solange wir diese Kommunkationsunfähigkeit nicht beheben, bleiben wir als Linke marginal und unbedeutend. Deshalb bleibt das Marx-Forum wie es ist: Ein unerfüllter Anspruch.



    Hallo Franziska,
    falls du hier mitliest: du bist hier nicht vergessen und deine Texte im Marx-Forum werden immer oft noch angeklickt.
    Auch in deinem Fall war die Kommunikation schwierig. Zum größeren Teil vielleicht, weil du noch auf der Suche nach deinen Begriffen und Gedanken warst, das machte das Verständnis deiner Texte schwierig, aber auch, weil du mich und andere hier zunehmend als "Marxistenfeinde" angesehen hast, deren Ansichten nicht zu respektieren, sondern zu bekämpfen sind.


    Sei versichert: jede/r, der/die sich aus eigenem Wunsch sich vom Marx-Forum verabschiedet hat, kann auch auf eigenen Wunsch wieder zurück kommen.


    Gruß Wal


    @jialing: Ich habe keine Kontaktmöglichkeit zu Franziska, deshalb wäre es nett, wenn du ihr diese Nachricht zukommen ließest.

  • Wal,


    es ging nicht um politisch soziale Fragen, sondern um einen der wichtigsten wissenschaftlichen Begriffe der marxistischen Theorie, den Wert, und um die Richtigstellung einer falschen Bestimmung von diesem. Da kann es keinen Standpunkt geben, sondern nur um die richtige Begründung gehen, die sich logisch aus dem zugrunde liegenden Text ergibt. Und „produktiv“ war die Diskussion allemal, weil sich zumindest bei mir das Verständnis bezüglich dieses schwierigen wissenschaftlichen Gegenstandes geschärft hat (es wäre natürlich noch besser, wenn das auch für Jens gelten würde).


    Feinde gibt es generell a) weil Menschen um ihre materiellen Interesse konkurrieren müssen, b) weil sie sich in ihrer Misere ein Weltbild aus Werten* und Moral* zusammen gebastelt haben und c) weil sie in ihrer Armseligkeit unbedingt an etwas Besseres glauben* möchten. Aus diesem Gemenge entstehen dann Persönlichkeiten, von denen jede sich als etwas ganz Besonderes fühlen darf. A) haben manche Linken verstanden, b) und c) praktizieren die meisten leider genau so ausgiebig wie alle andern Menschen.


    Gerne schließen sich die Werte und Glauben vertretenden Persönlichkeiten in Gruppen zusammen, weil dort die ihnen ansonsten angetragene Feindschaft von Persönlichkeiten anderer Wertauffassungen aufgehoben ist und sie sich dort deshalb wohlfühlen. So schließen sich heutzutage Linke weniger aus Gründen politischen Gruppen und Parteien an, weil sie sich durch dieses Vehikel bessere materielle Verhältnisse erhoffen (wo dann der einzigen Feinde die herrschenden Charaktermasken wären), sondern weil sie sich dort aufgehoben fühlen, weil sie sich als bessere Menschen fühlen können, die für das Gute sind oder kämpfen usw.. Das manifestiert sich in einen (politischen) Glaubensstandpunkt, der dann logischerweise wie eine Festung verteidigt gehört, weil ja alle andere politischen Glaubensstandpunkte potentiell feindlich sein müssen, weil sie latent den (politischen) Ort bedrohen, wo sie ihre Weltanschauung offen zelebrieren und sich dabei wohlfühlen können. Der Zweck der körperlichen oder geistig Auseinandersetzungen mit den Vertretern der anderen (politischen) Glaubensstandpunkte besteht dann darin, dass der eigenen Standpunkt durchgesetzt gehört.


    (Politische) Diskussionen indes, die mit der Absicht geführt werden, einen ungeklärten Gegenstand zu besprechen, um ihn zu klären oder zumindest im Verlaufe der Diskussion bei der Klärung weiter zu kommen, können erstens auf gesichertes Wissen und die damit verbundenen Begrifflichkeiten nicht verzichten und müssen zweitens vom Ballast der Werte, von Moral und Glaube befreit sein. Warum kann das denn nicht der Anspruch dieses Forums sein, statt die Absicht zu verfolgen, den Linken den Spiegel vorzuhalten, dass sie nicht kommunikationsfähig sind, ohne dabei zu erklären, warum das so ist?



    *Werte, Moral, Glaube sind ja nichts anderes als als geistige Ausflüchte aus der Wirklichkeit, die den Menschen widersprüchlich, feindlich und brutal entgegentritt, ohne zu begreifen, warum das so ist.


    Gruß
    j.

  • Hallo Jialing,
    Fakt ist ja, dass deine Diskussion mit Jens in die Hose gegangen ist. Du meinst, du hast alles richtig gemacht und dich auf "Wissenschaftlichkeit" berufen. Das ist ein hoher Anspruch, und die Frage ist, ob das dein Gegenüber auch so gesehen hat.
    Soweit ich den strittigen Sachverhalt verstanden habe, hat Jens behauptet, dass "nur Arbeit Wert schafft" und du hast dem widersprochen mit der Aussage: "Nur abstrakte Arbeit schafft Wert".


    "Arbeit" ist hier allgemein verständliche Umgangssprache, "abstrakte Arbeit" ist der wissenschaftliche Begriff. Ich finde, man kann beides gelten lassen, je nach der Sprechumgebung.


    Aus Sicht von Jens hast du ihm die "Wissenschaftlichkeit" aufgedrängt und aufgezwungen. Eine hierarchiefreie Diskussion war das nicht. Deshalb hat die Kommunikation zwischen euch nicht funktioniert.


    Ich sehe keinen Sinn darin, tiefer in die Kommunikationsprobleme von euch beiden oder gar von allen Linken einzusteigen.
    Wenn du oder Franziska dazu etwas beitragen können, werde ich das mit Interesse lesen.


    Ich habe mich hier mit der Feststellung begnügt, dass die Kommunikation unter Linken (im allgemeinen) nicht funktioniert und habe erklärt und begründet, warum wir im Marx-Forum trotzdem den allgemeinen Anspruch auf unpolemische Kommunikation nicht aufgeben werden. Das ist mir wichtig.
    Und es mag sein, dass ich/wir selber nicht immer diesem Anspruch genügen. Das ist dann ein Stück Falsches im sonst Richtigen, ein Fehler, der behoben werden kann und der behoben werden soll.


    Mehr wollte und mehr kann ich dazu nichts sagen.


    Gruß Wal

  • Foren auf denen Menschen die Ansichten ihrer Weltanschauungen austauschen sind im allgemeinen Orte des Geplappers, der inhaltslosen Streiterei, der Besserwisserei oder der eitlen Selbstdarstellung. Zu Einsichten oder Erkenntnissen führen Diskussionen an solchen Plätzen in der Regel nicht, sondern entweder, wenn sie polemisch geführt werden, in noch größer Zerstrittenheit als zuvor, oder, wenn es gelingt sie freundlich zu führen, in Belanglosigkeiten.


    Es liegt daran, dass weltanschaulich geprägte Menschen in ihrem Denken und noch mehr in ihrem Fühlen prädisponiert sind. Weltanschauungen sind irrationale geistige Orte, die erlauben, ohne größere geistige Anstrengung die irritierende Vielfalt der Dinge, Sachen und menschlichen Verhältnisse zu beurteilen und einzuordnen und darüber hinaus Sinn stiften sowie eine allgemeine Sicherheit und ein allgemeines aufgehoben Sein vermitteln. Die damit festgelegte Abgrenzung steht dabei in Konkurrenz zu Menschen (oder Kollektiven) mit anderen Weltanschauungen und zwingt dazu, einen persönlichen Standpunkt als Grundlage der Auseinandersetzung mit diesen einzunehmen. In der theoretischen Auseinandersetzung und Debatte mit Personen anderer Weltanschauungen verfolgt dann selbst die vernünftige Begründung nur noch die Absicht, die eigene Weltanschauung zu profilieren, um damit nachzuweisen, dass sie die zu bevorzugende sei, aber zumindest eine Berechtigung zur Anerkennung verdient.


    Eine Diskussion/Kommunikation unter weltanschaulich geprägten Menschen kann in der Regel nicht zur Erkenntnisgewinnung beitragen, weil in ihr letztlich Glaubensstandpunkte konfrontiert werden. Die darin vertretenen idealistischen Inhalte können durch Argumentation und Beweisführung weder bestätigt noch widerlegt werden - nihil verum, omnia licita.


    Nun laufen ja, einschließlich der Linken, eigentlich fast alle Menschen mit Werten und Weltanschauungen im Kopf herum, weshalb es ja auch, wie Wal zurecht beklagt, nicht zu fruchtbarer Kommunikation zwischen den Linken kommt. Aber wie ist Kommunikation unter Menschen möglich, wie Diskussionen unter ihnen zu führen, die das Verständnis und die Einsicht fördern? Man wird, wenn es um die Klärung gesellschaftlicher, politischer und anderer Phänomene geht, nicht darum herumkommen, das Wissen oder zumindest der Wille es zu erlangen, zur Grundlage der Absichten zu machen, die in einer Auseinandersetzung verfolgt werden sollen. Und ganz am Anfang kann eigentlich nur Marx' Leitspruch de omnibus dubitandum stehen, aus dem sich die radikale Kritik der bestehenden Verhältnisse ableitet. Und aus diesem, von jeder Weltanschauung freiem Verständnis der weltlichen Erscheinungen, leitet sich ferner ab, dass trotz aller Gegensätzlichkeit, augenblicklich nur die radikale Linke das Potential besitzt und damit in der Lage ist, die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Phänomene richtig zu erklären. Der linke Rest, und die Rechte sowieso, kann, weil der Gebrauchswertebene verhaftet, die gesellschaftlichen Erscheinungen ohnehin nur aus weltanschaulicher Sicht tautologisch und moralisch interpretieren.


    Es ist also ein radikaler, kritischer Geist vonnöten und keiner, der das Credo seiner Weltanschauung herunter leiert. Bei den meisten Linken ist Marxismus indessen zu einer Weltanschauung verkommen, weil alles ja schon geliefert, gesagt und vorhanden sei, weshalb eigene Denkanstrengungen, ein Denken im Ganzen, nicht mehr für nötig gehalten werden, sondern es ausreiche, sich mit Marx Theorie nur noch eklektisch zu befassen, um nur noch das herauszupicken was in die eigene Anschauung von Sozialismus, Kommunismus, sozialer Emanzipation usw. passt. Und so verläuft dann die Diskussion und Kommunikation auch unter Linken als eine Konkurrenzveranstaltung von Glaubensbekenntnissen.


    Die Möglichkeit, dass Diskussion/Kommunikation gelingen, also zu für den Geist fruchtbaren Ergebnissen führen kann, ist nur aber nur dann gegeben, wenn sie ohne Glaubensbekenntnisse geführt werden. Das heißt, sie müssen eine Auseinandersetzung der Resultate der eigenen Denkanstrengungen sein, die im Verlauf der Diskussion kritisch argumentativ zu überprüfen, zu korrigieren, zu verbessern, eventuell zurückzustellen und gegebenenfalls aufzugeben sind. Und solange dieses Prinzip nicht eingesehen wird, helfen auch Appelle an die Einhaltung der Form oder methodische Vorschriften nicht weiter.

  • Hallo Jialing,
    wir diskutieren hier schon länger miteinander und mit Dritten. Mir hat haben Deine Beiträge bis auf wenige Ausnahmen gefallen und geholfen. Auch an diesem Beitrag von dir habe ich nicht viel auszusetzen.


    Aber ich frage mich: Wer ist denn der Adressat deines Beitrages? Mich wundert schon, dass du in der Überschrift ein "MÜSSEN" verwendest. Wem gegenüber bist du oder sind wir denn in der (angenehmen oder unangenehmen) Lage, dass wir ihnen Vorschriften machen können und ihnen sagen können, was sie zu müssen haben?
    Ich denke, das einzige "Müssen", das wir gelten lassen können, sind Selbstverpflichtungen, das ist ein Müssen, das wir uns selber auferlegen.


    Wo ich einen Widerspruch habe, ist deine Aussage, "dass trotz aller Gegensätzlichkeit, augenblicklich nur die radikale Linke das Potential besitzt und damit in der Lage ist, die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Phänomene richtig zu erklären".


    In diese Aussage hast du gleich mehrere Stolpersteine versteckt:
    1. Du sagst nicht, wen du mit dieser "radikalen Linken" meinst. Nach dem üblichen Sprachgebrauch heißt "radikale Linke" = "extremistische Linke". Für mich ist die extremistische Linke kein wirklicher Hoffnungsträger für gute Erklärungen/Theorie.


    2. Du sprichst dieser nicht benannten radikalen Linken zunächst nur das "Potential für richtige Erklärungen" zu, und behauptest sofort anschließend, dass sie "damit in der Lage ist", richtige Erklärungen zu liefern.
    Das Potential für etwas haben und zu etwas in der Lage sein, sind aber zwei Zustände, die ziemlich weit auseinander liegen.
    Ich meine, das "Potential" für eine Kritik am Kapitalismus hat grundsätzlich jeder einzelne Lohnarbeiter und erst recht ein Kollektiv/Zusammenschluss von Lohnarbeitern und zwar deshalb, weil sie die kapitalistischen Widersprüche am eigenen Leib erfahren.


    3. Deine Zielvorstellung sind "richtige Erklärungen". Erklärungen sind aber nur etwas wert, wenn sie Adressaten haben, die diese Erklärungen verstehen und aufgreifen. Mein Blick auf (radikale) Linke zeigt mir, dass diese Linken sich nur an Linke richten. Ich habe den Eindruck, dass die radikale Linke nur über dürftige Erklärungen des modernen Kapitalismus verfügt. Ich sehe fast nirgends, dass radikale Linke ihre Erklärungen an Nichtlinke richten. Die meisten Lohnarbeiter sind allerdings Nichtlinke. Handlungsanweisungen und Forderungen an Nichtlinke gibt es zu Hauf ("Nazis raus", "No nation" etc), aber ohne gute Erklärungen sind solche pauschalen (Auf)Forderungen allerdings wenig wert.


    Um noch konkret zu machen, was "mein Blick auf radikale Linke" meint: Lies bitte mal die Aufrufe zum 1. Mai, dem "Kampftag der Arbeiterklasse". Das sind alles Leute, die sich zur "radikalen=revolutionären Linken" rechnen.


    Diese Mai-Aufrufe sind eine selbstverliebte Konkurrenz-Show von Selbstdarstellungen - meilenweit entfernt von jeder Bereitschaft zu Kommunikation, meilenweit entfernt vom "Potential zu richtigen Erklärungen", mit denen die Klasse der Lohnarbeiter etwas anfangen könnte.
    Wenn die radikale Linke ihr "Potential zu richtigen Erklärungen" nicht einmal zum "Kampftag der Arbeiterklasse" zeigt, wann dann?


    Gruß Wal

  • @Wal: "Mein Blick auf (radikale) Linke zeigt mir, dass diese Linken sich nur an Linke richten."
    Kann Deinen Eindruck nur bestätigen und möchte ergänzen, dass manche Leute aus der sog. "linke Szene" eher ihre persönliche Identität mit der linken Subkultur verknüpfen, als sich zu überlegen, warum linke Ideen marginalisiert sind. In den linken Zentren streitet man sich darüber, ob's "Volxküche" oder "Küfa =(Küche für alle)" heißen soll. Dass Außenstehende dann nur noch mit dem Kopf schütteln können, kann eigentlich nicht verwundern.

  • Wal hatte geschrieben:



    Diese Mai-Aufrufe sind eine selbstverliebte Konkurrenz-Show von Selbstdarstellungen - meilenweit entfernt von jeder Bereitschaft zu Kommunikation, meilenweit entfernt vom "Potential zu richtigenErklärungen", mit denen die Klasse der Lohnarbeiter etwas anfangen könnte. Wenn die radikale Linke ihr "Potential zu richtigen Erklärungen" nicht
    einmal zum "Kampftag der Arbeiterklasse" zeigt, wann dann?


    Für mich ist die Frage, können wir uns tatsächlich überhaupt eine Welt, eine Gesellschaft ohne Lohnsklaverei vorstellen. Können wir uns vorstellen, dass so etwas funktioniert.
    Für die, die in Arbeit stecken, heißt quasi die natürliche Antwort - langer Urlaub, Schluss mit der Maloche.
    Eine Gesellschaft ohne Lohnsklaverei erfordert aber sehr aktives Interesse und Beteiligung eines Großteils der Bevölkerung. An die Stelle kann auch kein gutgemeinter, fürsorglicher Staat treten, auch nicht der "proletarische" Staat oder Staatspartei mit Führungsanspruch.
    Ich kann nicht beurteilen, ob die radikale Linke sich eine Welt ohne Lohnsklaverei und ohne "führende proletarische Partei" vorstellen kann. Vielleicht gilt dies auch nur für mich.

  • Für mich ist die Frage, können wir uns tatsächlich überhaupt eine Welt, eine Gesellschaft ohne Lohnsklaverei vorstellen. Können wir uns vorstellen, dass so etwas funktioniert. (...)
    Ich kann nicht beurteilen, ob die radikale Linke sich eine Welt ohne Lohnsklaverei und ohne "führende proletarische Partei" vorstellen kann. Vielleicht gilt dies auch nur für mich.

    Hallo bke,
    Eine Gesellschaft ohne Lohnarbeit ist sicherlich nicht leicht zu bewerkstelligen, aber dieses Ziel zu formulieren, ist nicht schwer.
    Vielleicht kannst du ja mal checken, ob und welche 1.Mai-Aufrufe sich überhaupt zu diesem Ziel bekennen. Ich denke, wer dieses Ziel nicht formuliert, hat das Thema "1.Mai-Aufruf" komplett verfehlt. Ich habe die ersten vier Aufrufe gelesen und keinen Hinweis darauf gefunden, dass die Lohnarbeit beseitigt werden solle. Für weiteres Suchen fehlt mir dann die Geduld. :(


    Gruß Wal

  • Wal,



    „Mich wundert schon, dass du in der Überschrift ein "MÜSSEN" verwendest. Wem gegenüber bist du oder sind wir denn in der(angenehmen oder unangenehmen) Lage, dass wir ihnen Vorschriften machen können und ihnen sagen können, was sie zu müssen haben?“


    Das „müssen“ ergibt sich aus Schlussfolgerung meiner Begründungen(wenn=>dann). Und die Schlussfolgerung selbst ist nicht als Postulat oder gar Vorschrift zu verstehen.



    Zum Potential der radikalen Linken (RL(:
    Die radikale Linke soll definiert sein, als politische Gruppierung, die ernsthaft an der Überwindung der Lohnarbeit interessiert ist. In dieser Zielsetzung ist sich die RL einig. Über die praktische Ausführung, über die Methode, über Unterziele ist sie uneinig. In ihrer Zielsetzung, der Überwindung der Lohnarbeit ist sie auch mit der Theorie von Karl Marx, zumindest mit wesentlichen Teilen, einig. Über das Verständnis dieser Theorie ist sie sich uneinig. Die RL, im Gegensatz zu allen andern politischen Gruppierungen, verhält sich aber zumindest positiv zu den theoretischen Grundlagen von Marx, weist also nicht das einzige wissenschaftliche Mittel zurück, die politischen und ökonomischen Erscheinungen richtig zu erklären. Weil sie aber leider, zumindest im Augenblick, theoriefeindlich ist, hat sie nur das Potential, in der Lage zu sein, die gesellschaftlichen Erscheinungen richtig zu erklären. Im Augenblick ist sie aber nicht in der Lage dazu, weil sie ein zerstrittener Haufen von Gläubigen ist, der aus moralisch-praktischer Sichtglaubt, für das richtige oder für ein gutes Ziel zu kämpfen, dem sich mehr oder weniger, irgendwann das eigentliche (geschichtliche)Subjekt der sozialen Emanzipation, der Lohnarbeiter, anschließen müsse und es sich deshalb auch erübrige, sich mit der theoretischen Erklärung zu befassen, weil sie ja schon vorhanden sei. Sie meint, aus dem Verständnis der marx'schen Theorie keinen Gewinn ziehen zu können und postuliert lieber in ermüdender Weise ihr antikapitalistisches Bekenntnis, lässt sich hin und wieder eins von der Polizei über die Rübe ziehen und meint dann, wenn sie mit dem moralischen Finger auf das Böse der Staatsgewalt hinweist, irgendwen überzeugen zu können bzw., dass damit ein Fortschritt hinsichtlich ihrer politischen Zielsetzung erreicht sei.


    Gewiss, ein „Hoffnungsträger“ für die Überwindung der Lohnarbeit ist beim gegenwärtigen Zustand die RL demnach sicher nicht. Andererseits aber ist sie der am weitesten fortgeschrittene gesellschaftliche und einzige Teil, aus dem heraus gemäß den oben genannten Gründen diese Zielsetzung erreicht werden kann.


    „Deine Zielvorstellung sind "richtige Erklärungen". Erklärungen sind aber nur etwas wert, wenn sie Adressaten haben, die diese Erklärungen verstehen und aufgreifen. Mein Blick auf (radikale) Linke zeigt mir, dass diese Linken sich nur an Linke richten. Ich habe den Eindruck, dass die radikale Linke nur über dürftige Erklärungen des modernen Kapitalismus verfügt. Ich sehe fast nirgends, dass radikale Linke ihre Erklärungen an Nichtlinkerichten. Die meisten Lohnarbeiter sind allerdings Nichtlinke. Handlungsanweisungen und Forderungen an Nichtlinke gibt es zu Hauf ("Nazis raus", "No nation" etc), aber ohne gute Erklärungen sind solche pauschalen (Auf)Forderungen allerdings wenig wert.“


    Nein, meine (grobe) Zielvorstellung ist die Überwindung der Lohnarbeit. Und da bin ich mit der RL einig, auch wenn sie das meist nur indirekt fordert. (Richtige) Erklärung und entsprechende Verbreitung und Aufklärung ist eines diesem Ziel untergeordnetes Mittel. Die RL leiert zwar nun seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Variationen ihre Glaubensbekenntnisse herunter, wodurch die zentrale Zielsetzung, die Überwindung der Lohnarbeit, verwässert, verzerrt, verfälscht und für eigentlichen Adressaten, die Lohnarbeiter, unglaubwürdig wird, aber es ist falsch, zu behaupten, dass sich ihre Forderungen nicht an die Lohnarbeiter richten würden. Im Gegenteil, sie wollen natürlich, dass diese sich massenweise unter ihrem jeweiligen Glaubensbekenntnis (gegen die andern Glaubensbekenntnisse) vereinen. Die Lohnarbeiter tun es nur nicht, weil sie mit deren Glaubensbekenntnissen nichts anzufangen wissen. So bleibt die RL unter sich und streitet sich, falls sie nicht ausgestorben, bis in alle Ewigkeit.


    Grüsse



    Edit von Wal:
    Hallo Jialing, ich habe die Zitat-Codierung eingefügt. Geh mal bitte in den Bearbeitungsmodus und klicke dann links oben im Menü das weiße Viereck an, dann siehst du die Codierung. Ein Zitat muss immer mit "quote" beginnen und mit "/quote" enden.
    Wenn du zunächst einen ganzen Beitrag zitierst, kannst du die "/quote" irgendwo einfügen, und den Rest löschen.
    Am ende wieder links oben auf das Viereck klicken. Dann bist du wieder im normalen Ansichtsmodus. Gruß Wal

  • Also mit der Forumssoftware stehe ich einfach auf Kriegsfuß. Dann eben ohne Zitat.


    Hallo jialing,


    wenn ich anderswo im Netz dieses gelesen hätte, hätte ich mit : Träum weiter geantwortet. Und die entsprechenden Smileys angehängt.


    Du postulierst ziemlich doktrinär das ganze so: Die radikale Linke soll definiert sein....


    So kannst und konntest du jede revolutionäre Bewegung der letzten Jahrzehnte definieren. Auch die Bolschewiki z. B., die dann im Stalinismus und in der Sowjetunion gemündet sind. Damit kannst du im realen Leben aber wirklich keinen Blumenstrauß ernten.


    Sollte der Beitrag gegen Forumsregeln verstoßen, dann halt löschen. Aber mit so einer strammen Parteilogik kommen wir nicht weiter.


    Andererseits hat sich in diesem Land sehr viel und so viel bewegt -ohne und trotz Radikaler Linke. :thumbsup:


    Nachtrag: Als ich den obigen Beitrag
    [i]Beim politischen Kommunizieren müssen Resultate eigener Denkanstrengung miteinander ausgetauscht werden, wenn die Kommunikation gelingen soll
    [/i]
    bin ich regelrecht zusammengezuckt; du hast mich erwischt. Es funktioniert also noch - der geschriebene Zwang. Es hätte auch ein Sollte getan, oder ne Fragestellung. Oder wenn du klargemacht hättest, dass es sich dabei um eine Maxime handelt, die für dich Gültigkeit hat. Glückliche Türkei,die für müssen 5 oder 6 Varianten zur Verfügung hat; es geht aber auch mit deutsch.

  • @bke


    „Du postulierst ziemlich doktrinär das ganze so: Die radikale Linke soll definiert sein....“


    Seit wann ist eine Hypothese doktrinär? Wenn du sie für falsch hältst, versuche sie zu widerlegen. Und wie kommst du auf den eigenartigen Gedanken, ich argumentiere im Rahmen von Parteilogik?


    „bin ich regelrecht zusammengezuckt; du hast mich erwischt. Es funktioniert also noch - der geschriebene Zwang. Es hätte auch ein Sollte getan, oder ne Fragestellung.“


    Diesmal soll also eine Schlussfolgerung Zwang sein. Hast du denn den Text vorher nicht gelesen? Die Aussage ist doch nicht als zu befolgendes Postulat zu verstehen. Wenn du halt meinst, deine Rübe nicht anstrengen zu müssen, dann plapper halt drauf los. Wohin das führt, das habe ich auch versucht, zu begründen. Kritisiere es halt, vielleicht lern' ich was dabei. Mit deinen inhaltsleeren plakativen Sprüchen hingegen kann ich nichts anfangen.


    Dein Beitrag ist gedankenloses Gerede, das lediglich darauf abzielt, mich als Dogmatiker zu denunzieren. An klärenden Argumenten bist du überhaupt nicht interessiert. Dir ist nur deine Meinung wichtig und das du es dem andern gezeigt hast. Ich hab halt wohl, zumindest bei dir, gegen eine Wand gesprochen, denn nämlich genau diese furchtbare Kommunikationsweise, wollte ich mit meinem Text kritisieren.

  • "Die Gedankenkritiker stellen an die Menschen das Postulat, ihr gegenwärtiges Bewusstsein mit dem menschlich kritischen Bewusstsein zu vertauschen und dadurch ihre Schranken zu beseitigen. Diese Forderung das Bewusstsein zu verändern, läuft auf die Forderung hinaus, das Bestehende anders zu interpretieren, d.h. es vermittelst einer anderen Interpretation anzuerkennen. Die Kritiker haben den richtigen Ausdruck für die Tätigkeit gefunden, wenn sie behaupten, nur gegen Phrasen zu kämpfen. Sie vergessen nur, das sie diesen Phrasen selbst nichts als Phrasen entgegensetzen, und das sie die wirkliche Welt keineswegs bekämpfen, wenn sie nur die Phrasen dieser Welt bekämpfen."
    K. Marx, Deutsche Ideologie MEW 3,20 (dem K.M. Lexikon entnommen)


    de Omnibus dubitandum


    z.B. bezweifele ich, das eine Bewusstseinskritik, die als Kommunikationskritik verpackt ist, unwidersprochen bleiben sollte

  • Hallo Leute,


    die Kommunikation unter Linken liegt im Argen, das zeigt auch dieser Thread.
    Die Kommunikation bleibt im Argen, wenn jeder mit Fingern auf die Mängel und Fehler der anderen zeigt, ohne ein neues/besseres Gesprächsangebot zu machen.


    Der Thread ist bis auf weiteres geschlossen.

    Als Moderatorinnen verlangen wir Sachlichkeit und Respekt vor den Menschen. Das schließt auch Respekt vor denen ein, deren Ansichten wir kritisieren.

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