Schon in den 1920iger Jahren meinten Sozialdemokraten, man müsse die kapitalistische Wirtschaft demokratisieren und nannten das „Wirtschaftsdemokratie“. Heute knüpfen linke Reformer wieder daran an und versprechen sich davon die Lösung jener Probleme, die von der kapitalistischen Produktionsweise in zunehmend größerem Umfang produziert werden.
Tatsächlich aber ist die moderne bürgerliche Gesellschaft bereits eine „Wirtschaftsdemokratie“, nämlich eine Demokratie, die weitgehend von den Interessen der „der Wirtschaft“ bestimmt wird. Je geringer das Wachstum des Kapitals, je höher Lohnarbeitslosigkeit und Staatsverschuldung in einem kapitalistischen Land, desto offensichtlicher diese „Wirtschaftsdemokratie“.
Anlässlich der gerade stattfindenden Wahlen in Italien titelte die Frankfurter Rundschau vom 23./24. Februar:
„Die Märkte lassen wählen“ und in der Unterüberschrift hieß es:
„Berlusconi käme den Italienern teuer zu stehen. Mario Monti ist der Favorit der Investoren.“
So ist das mittlerweile in Ländern, wie Italien oder Spanien, deren kapitalistische Ökonomien zu den großen Verlierern der 2007 einsetzenden Weltwirtschaftskrise gehören und deren Staatsverschuldung explodiert ist.
„Wirtschaftsdemokratie“ heißt hier konkret, dass die „öffentliche Meinung“ geprägt ist von der Frage: Wie werden „die Finanzmärkte“ auf die Wahl dieser oder jener Partei reagieren?
Natürlich reagieren „Märkte“ überhaupt nicht, weil Märkte keine Subjekte sind. Märkte sind die Plätze, auf denen sich die reagierenden „Wirtschaftssubjekte“ tummeln. Wie werden die „Investoren“ reagieren? ... das trifft die Sache schon besser. „Investoren“ sind die Wirtschaftssubjekte, die sich auf den Finanzmärkten tummeln. Sie verfügen über das Geld, dessen Anlage eine möglichst hohe Rendite abwerfen soll. Dem Treiben dieser Anleger durch Wahlen und eine „radikal andere Wirtschafts- und Sozialpolitik“ eine Ende setzen zu wollen, ist ziemlich unrealistisch; auch wenn die Propheten eines solchen „Auswegs“ sich gern als „Realpolitiker“ bezeichnen.
Solche „Investoren“, Geldkapitalisten, sind ein Produkt von Veränderungen in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen selbst. Im Aktienkapital ist das alte kapitalistische Privateigentum „modernisiert“, sind die Funktionen des alten Kapitalisten aufgeteilt in die des bloßen Eigentümers einerseits und die Führer des Geschäfts (Manager) anderseits. Die daraus erwachsenden neuen Widersprüche zwischen „Finanzkapital“ und „Realwirtschaft“, bzw. Verlaufsformen dieser Widersprüche, nun durch „demokratische Kontrolle“ der Geldkapitalisten, der „Investoren“ etc., sozialverträglich abmildern zu wollen, ist eine Utopie, mit der weder kapitalistisches Wachstum noch soziale Emanzipation von der Lohnarbeit zu vollbringen ist.
Der Kapitalismus erlaubt nur eine Form der „Wirtschaftsdemokratie“, nämlich die der Herrschaft „der Wirtschaft“. Solange das kapitalistische Privateigentum nicht abgeschafft und durch Gemeineigentum ersetzt ist, kann es keine „Wirtschaftsdemokratie“ im Sinne einer demokratisch organisierten und geregelten Produktion und Verteilung geben. Solange es vom Kapital abhängige Lohnarbeit gibt und dieser Zustand nicht von einer Mehrheit in Frage gestellt ist, werden Wahlen immer wieder entschieden werden von der Frage, was wohl die Reaktionen der „Investoren“ günstig beeinflussen wird. Insofern ist was dran an dem Satz: „Die Märkte lassen wählen.“
Viele Grüße
Robert