Verbesserung der Wert und Mehrwerttheorie? - Nicht schon wieder!

  • Komplette Übernahme eines Beitrages von Robert Schlosser aus unserem alten Forum


    Auszug aus der Broschüre "Der Marxismus und die Sowjetunion"von Soziale Befreiung - Nelke , 25.10.2012, 23:11
    "Der Marxismus zwischen antikapitalistischer Kritik und staatskapitalistischer Ideologieproduktion"



    Verbesserung der Wert und Mehrwerttheorie? - Nicht schon wieder!


    verfasst von Robert Schlosser, 26.10.2012, 13:08
    Hallo Nelke,
    ihr schreibt:
    "Wir wollen hier deshalb die Marxsche Wert- und Mehrwerttheorie mit einigen Verbesserungen versehen kurz skizzieren."

    Verbesserungen? Darunter wird es wohl nicht mehr getan. Vielleicht versucht man erstmal zu verstehen, bevor man anfängt zu verbessern und dann auch noch in einer kurzen Skizze.
    Eure Skizze weiß ja nicht einmal, dass die Begriffe Wert und Tauschwert in der wissenschaftlichen Ökonomiekritik von Marx unterschiedliche Sachverhalte meinen. Ich gehe darauf aber nicht ein sondern komme gleich zum Kern der Sache.


    Ihr schreibt:
    "Das sowjetische Staatskapital war das größte Monopol in der Geschichte der Menschheit. Demzufolge wichen die sowjetischen Preise für Konsumgüter teilweise stark von ihrem Wert ab.
    Selbstverständlich ist auch ein Monopol bei der Preisfestsetzung grundsätzlich an die durchschnittliche Herstellungszeit von Produkten gebunden. Wenn in der Regel Buntstifte mehr Geld als Automobile kosten würden, wäre ein riesiges Chaos die Folge. Die Werttheorie gilt also auch grundsätzlich bei einem Monopol im Allgemeinen und bei dem sowjetischen Staatskapitalismus im Besonderen."


    1. Wenn in einem Markt tatsächlich ein Monopol alle anderen Privatproduzenten verdrängt hat, welche "durchschnittliche Herstellungszeit von Produkten" in diesem Markt sollte es denn dann geben und wie sollte sie sich durchsetzen und preisbestimmend werden?


    2. Natürlich gilt auch für die Monopole die "Werttheorie" insofern, als das Monopol Produktionskosten hat, also Arbeitsproduktivität, Arbeitszeit von zentraler Bedeutung sind. (Arbeitsproduktivität/Arbeitszeit spielen in jeder Produktionweise eine entscheidende Rolle. Insofern gilt die "Werttheorie", so wie ihr sie versteht, auch in jeder Produktionsweise.) Es gilt aber in diesem Markt mit einem Monopol nicht das Wertgesetz, dass sich als blindes Naturgesetz der individuellen Willkür gegenüber durchsetzt. Dies gilt nur dort und insofern, als Konkurrenz unterschiedlicher Produzenten besteht. Nur innerhalb einer solchen Konkurrenz macht es überhaupt einen Sinn von "durchschnittlicher Herstellungszeit von Produkten" zu sprechen. Und für die kapitalistische Produktionsweise ist gerade das typisch ("automatisches Subjekt").


    3. Das "riesige Chaos" von dem ihr sprecht (wenn Buntstifte mehr kosten würden als Automobile) war ja gerade typisch für die sowjetische Planwirtschaft, die keine Produktion für die Bedürfnisse frei assozierten ProduzentInnen war. Die staatlich-bürokratische Planung sorgte ständig dafür, dass die gesellschaftliche Arbeit disproportional verteilt wurde. Das geschah sowohl über Preise mehr aber noch über die "politischen" Investitionsentscheidungen selbst etc.


    4. In der sowjetischen Planungsökonomie gab es weder den industriellen Zyklus als bestimmende Bewegungsform des industriellen Kapitals (Wechsel von Prosperität und Krisen), noch gab es die systematische Produktion von Lohnarbeitslosigkeit. Beides typische Erscheinungsformen der kapitalistischen Produktionsweise. Es gab weder eine freie Konkurrenz des Kapitals noch eine unter den LohnarbeiterInnen.


    5. Allgemeines Bewegungsgesetz der kapitalistischen Akkumulation mit progressiver Produktion einer realativen Überbevölkerung oder industriellen Reservearmee? Fehlanzeige.


    6. Die Dynamik der Produktion des relativen Mehrwerts (Verallgemeinerung von Produktivitätsfortschritten) entwickelt sich über die Konkurrenz. Im Realsozialismus Fehlanzeige, weshalb das "Einholen und Überholen" des Kapitalismus überhaupt nicht klappte.


    7. In der sowjetischen Planungsökonomie gab es keinen durch das Wertgesetz gesteuerten Prozess zur Ausgleichung von unterschiedlichen Profitraten (in Branchen und national), zur Herausbildung einer Durchschnittspofitrate, die wiederum die Anlage von Geldkapital gesteuert hätte.


    Marx sagte von seiner Kritik der Politischen Ökonomie, ihr letzter Zweck sei es, "das ökonomische Bewegungsgesetz der bürgerlichen Gesellschaft" darzustellen und zu kritisieren. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Konkurrenz die spezifische Form ist, in der sich dieses Gesetz durchsetzt. Von einer kapitalistischen Produktionsweise zu sprechen, wo es diese Konkurrenz "voneinander unabhängiger Privatarbeiten" nicht gibt, halte ich für ganz daneben. Wenn Marx in Band 1 und 2 (Produktionsprozess und Zirkulationsprozess) von der Konkurrenz abstrahiert, dann ist das eine Sache der Darstellung! Daraus zu schlussfolgern, eine kapitalistische Produktionsweise gäbe es auch ohne Konkurrenz, halte ich gelinde gesagt für ein arges Missverständnis der wissenschaftlichen Ökonomiekritik. Die Konkurrenz ist die adäquate Form, in der die Kapitale sich wechselseitig aufzwingen, was ihrem Wesen entspricht. Ohne Konkurrenz keine "Bewegung des rastlosen Gewinnens", keine kapitalistische Produktionsweise.


    Vielleicht setzt ihr euch mal mit der ausgezeichneten Kritik an der Sowjetökonomie von Wal Buchenberg auseinander, bevor ihr ausgerechnet hier einen solchen Text postet:
    http://www.marx-forum.de/gesch…n/sowjetunion_inhalt.html


    Wir sind uns einig, dass es im "Realsozialismus* Ausbeutung und Klassenherrschaft gab, aber weder beruhte die Ausbeutung auf der spezifisch kapitalistischen Produktionsweise, noch stand den LohnarbeiterInnen eine Klasse kapitalistischer Privateigentümer gegenüber. (siehe die angesprochene Analyse von Wal Buchenberg.)


    Gruß Robert


    Anhang, das Resumee von Wal Buchenberg:


    8.6. Sowjetsystem oder sowjetische Produktionsweise

    Alle linken Kritiker des Sowjetsystems wollen die Sowjetunion in die marxistische Zwangsjacke der historisch erlaubten Produktionsweisen (asiatische Produktionsweise - Sklavenhaltersystem Feudalismus Kapitalismus Sozialismus) zwängen. Diese Kritik der politischen Ökonomie des Sowjetsystems schlüpfte nicht in diese Zwangsjacke und kam zu dem Ergebnis: Das Sowjetsystem war eine eigene Produktionsweise mit eigenständigen Zielen und Methoden der Produktion und Verteilung, auch wenn es gemeinsame Merkmale mit anderen Produktionsweisen aufwies:


    - den Zentralismus der asiatischen Produktionsweise;


    - die persönliche Unfreiheit der Produzenten des Sklavensystem (sowjetische Arbeitslager) und des Feudalismus (sowjetische Werktätige);


    - die Warenproduktion des Kapitalismus;


    - der für die gesamte Volkswirtschaft im Voraus geplante Einsatz der Ressourcen des Sozialismus.


    Aber gleichzeitig wies das Sowjetsystem typische und wesentliche Besonderheiten auf, die es von jeder dieser historischen Produktionsweisen unterschied.


    - die asiatische Produktionsweise waren stabile Bauerngesellschaften, die kaum akkumulieren konnten und wollten. Das Sowjetsystem war eine kurzlebige Industriegesellschaft mit enormen Akkumulationsraten.


    - Sklaven und Leibeigene waren an persönliche Besitzer gebunden, die sowjetischen Werktätigen hatten keine persönlichen Besitzer. Ihr Besitzer war die Klasse der Planbürokraten insgesamt.


    - Die Warenproduktion des Kapitalismus umfasst die ganze Wirtschaft und ist nach dem Profitprinzip organisiert. Die sowjetische Warenproduktion erfasste nur die Konsumtionsmittelindustrie und war nicht vom Profitprinzip beherrscht.


    - Anders als in einer emanzipierten Gesellschaft ging die sowjetische Planung von einer kleinen Minderheit aus, nicht von der gesamten Gesellschaft, nicht von den wirklichen Produzenten. Die sowjetische Wirtschaft war nicht selbstverwaltet und die sowjetischen Produzenten waren nicht selbstbestimmt.


    Das Sowjetsystem war eine eigene Produktionsweise, die eine nichtkapitalistische Industrialisierung in einer agrarisch geprägten Gesellschaft bewerkstelligte, indem die mit dem Staatsapparat verwachsene Planer-Bürokratie durch ständige despotische Eingriffe die Wirtschaft auf gesamtgesellschaftlicher wie auf betrieblicher Ebene steuerte.


    Die ökonomischen Vorteile, die das Sowjetsystem gegenüber dem Kapitalismus bot, nämlich die volkswirtschaftliche Bündelung und Lenkung aller wirtschaftlichen Ressourcen, fielen ins Gewicht, als diese Ressourcen in der Sowjetunion relativ knapp waren und solange diese Ressourcen knapp waren. Aber diese ökonomischen Vorteile des Sowjetsystems mussten erkauft werden mit der Entmündigung und Bevormundung der wirklichen Produzenten, eine Despotie, die bis zur Zwangsarbeit getrieben wurde. Der staatliche Terror als Machterhalt wie als Produktivkraft ließ seit dem Tode Stalins nach, aber die wohlmeinenden Despotie des Sowjetsystems musste dennoch in dem Maße drückender werden, je mehr das Sowjetsystem die Wirtschaft entwickelte, die Gesellschaft modernisierte und das Bildungsniveau der Werktätigen hob.


    Verschärfte Akkumulation für die beschleunigte Industrialisierung war das einzige und das einzig sinnvolle Ziel des Sowjetsystems. Als die Industrialisierung erreicht war, stürzte sich die Sowjetunion ohne inneres Ziel in weltpolitische Abenteuer. Das Sowjetsystem hatte keine anderen Ziele und löste keine anderen Aufgaben als der Kapitalismus in den entwickelten Gesellschaften des Westens:


    - Vereinfachung der Klassenverhältnisse durch Enteignung der traditionell selbständigen Produzenten (Bauern, Handwerker, Freiberufler) und ihre Verwandlung in gesellschaftliche Teilarbeiter, deren Arbeit nur kombiniert wirken kann;


    - Hebung des Bildungsniveaus aller Werktätigen, Annäherung und Verbindung von Kopf- und Handarbeit im kooperativen Arbeitsprozess.


    - Verwissenschaftlichung der gesellschaftlichen Produktion;


    - Vereinfachung aller Leitungstätigkeiten in Wirtschaft und Gesellschaft;


    - kurz: Entwicklung der gesellschaftlichen Produktionskräfte.


    Das Versprechen der Emanzipation der Arbeiter, konnte das Sowjetsystem und die russische Revolution ebenso wenig einlösen wie die Französische Revolution und der Kapitalismus ihr Versprechen von Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit.


    Das Sowjetsystem ist mit der Sowjetunion zusammengebrochen als es seine inneren Entwicklungsgrenzen erreicht und überschritten hatte. Das kapitalistische System hat bewiesen, dass es krisenfester ist. Der Kapitalismus wird nicht wie das Sowjetsystem kollabieren. Er kann nur von der lohnabhängigen Mehrheit der Gesellschaft abgeschafft werden als Schritt zu einer freien Gesellschaft von selbstbestimmt Arbeitenden.


    Wal Buchenberg, im April 2003

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