Rechtsruck in der Gesellschaft (Gedanken und Fragen)


  • Ein paar Gedanken und Fragen zum zunehmenden Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft



    Schaut man sich die Entwicklung der letzten Monate an, sehe ich die Perspektive auf eine soziale Emanzipation immer düsterer. Vor allem Nationalismus, autoritär-faschistoide Gesinnungen bis hin zum offenen Rassismus haben inzwischen ihren Platz in der Öffentlichkeit gefunden - mit steigender Tendenz.


    Oft wird einigen Linken ja vorgeworfen, sie wären der Arbeiter/innenklasse gegenüber zu negativ und skeptisch eingestellt. Ist ihnen das, wenn man die Entwicklung anschaut, zu verdenken? Ich behaupte, momentan zeigt sich gut, dass Proteste und soziale Kämpfe allein keineswegs in Richtung menschenfreundlichere Lösungen führen müssen. Im Gegenteil, ist die menschenfeindliche doch viel einfacher und naheliegender, weil sie einem nichts kostet.


    Es kommt eben nicht nur darauf an etwas beschissen zu finden, sondern ob ich etwas dagegen tue und obendrein welche Schlüsse ich aus meinem Kampf gegen das was ich scheiße finde ziehe. Dass die gezogenen Schlüsse in Richtung Sozialismus/Kommunismus 2.0 gehen würden, ist meilenweit nicht abzusehen.


    Ist die Systemintegration der Lohnarbeitenden in Form einer Art übergreifenden kleinbürgerlichen Mentalität inzwischen unüberwindbar bzw. nur in eine reaktionär-faschistoide Richtung weiterhin zuspitzbar? Muss erst alles zusammenbrechen, damit der Fetischschleier der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt noch durchbrochen werden kann? Nur, wie wahrscheinlich ist das?


    Von daher stellt sich mir die Frage, ob der Zug nicht abgefahren ist, oder es halt doch einer Avantgarde bräuchte und Lenins Ausspruch, dass die Arbeiterklasse von sich aus nur ein gewerkschaftlich-reformistisches Bewusstsein hervorbringt, nicht heutzutage doch irgendwo hinhaut.


    Man bedenke, auch die spanischen Arbeiter/innen der freiheitlichen Revolution von 1936 unterlagen einem jahrelangen kulturellen und bildungsmäßigen Einfluss der Libertäten Kommunisten und Anarchosyndikalisten.


    Weiterhin ist die Frage, inwieweit die Linke Lösungen für das in der Bevölkerung rumorende Problem der Flüchtlings-Integration vorlegen kann und inwiefern den Leuten überhaupt noch offene Grenzen zu verklickern sind. Mehrheiten wird man dafür absehbar wohl keine mehr finden.


    Ich frage mich außerdem inwieweit eine Forderung nach Direkt- und Basis-/Versammlungsdemokratie auf kommunaler Ebene sinnvoll ist, wenn die Entscheidungen der Versammlungen mehrheitlich in rechte Fahrwasser driften würden. Oder müsste man damit dann eben leben, da man den Leuten schließlich nichts vorschreiben kann und "des Volkes Meinung" halt stimmt?


    Würde mich mal interessieren was ihr so zu alledem sagt.



    Grüße




    Mario

  • Hallo Mario,


    Du bist Dir da irgendwie Dein eigenes Problem, odda so.


    Warum sage ich das so?


    Ich meine, so lange Du auf der einen Seite Dich und Deine Gedanken und da "die Arbeiterklasse" oder einfach nur andere auf der (immer) anderen Seite siehst, wie willst Du da etwas zusammen/ gemeinsam/ füreinander machen/ empfinden/ denken.
    Bevor Du 'startest' hast Du Dich doch schon abgegrenzt...


    Vergiß es, wir sind nicht die Erleuchteten, die andere zu retten haben!


    Wir haben keine Lösungen vorzulegen!


    Wir hätten wenn, dann gemeinsam welche zu suchen und zu finden.


    Mit gemeinsam meine ich nicht einige sich auserwählt Fühlende - sondern (fast) alle, die hier wohnen.
    Also auch die, die erst seit kurzem hier sind - auf Deutsch: auch mit den Flüchtlingen gemeinsam.


    Nimm es mir nicht zu sehr übel, aber ich kann die ganze "Staat und Revolution" Scheiße nicht mehr hören.


    Ich will hier raus und nicht den Zarismus überwinden und sich einzig Bauern vom Zaren emanzipieren lassen.
    Und wir müssen hier ganz sicher nicht erst Lohn-, Geld- oder andere Äquivalenz-Arbeit auf hohem Niveau einführen.


    Ich will hier nicht erst rein - wie gesagt - ich will hier raus!


    ... also dürfen die Lösungen gern nicht die für/aus rückständige/n Ländern des 19. oder 20. Jahrhunderts sein.


    Wir 'brauchen' eine Mehrzahl, die sich für die Interessen der Mehrzahl einsetzt.
    Welche Interessen das sind, weiß die Mehrzahl, durch diese wird sie es nämlich erst.


    Und wenn da nicht Kommunismus drüber oder drin steht - es wären die Interessen der Mehrzahl - und allein um diese geht es.
    Um nichts und auch wirklich nichts anderes.


    Bisken polemisch das ganze, sorry, aber hier noch mein letzter Satz dazu:


    Es braucht sich eine Mehrzahl auch nicht darum kümmern, ob Du/ich oder irgendein einzelner anderer will, daß der Sack Reis immer nach links umkippt.


    Liebe Grüße - Wat.


    PS. Du hast um meine Meinung gebeten - naja - so und da ist sie.


    Edit
    Ich habe hinten in meinem Blog noch einige zusätzliche Gedanken um das prinzipielle Thema "Staatssozialismus als Übergangslösung" aus einigen meiner vorherigen Beiträgen anderenorts zusammen gestellt.


    Guxu bitte ---> Staatssozialismus - Option oder Illusion?


    Dankeschön.

  • Ein paar Gedanken und Fragen zum zunehmenden Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft


    Schaut man sich die Entwicklung der letzten Monate an, sehe ich die Perspektive auf eine soziale Emanzipation immer düsterer. Vor allem Nationalismus, autoritär-faschistoide Gesinnungen bis hin zum offenen Rassismus haben inzwischen ihren Platz in der Öffentlichkeit gefunden - mit steigender Tendenz.
    (...)


    Würde mich mal interessieren was ihr so zu alledem sagt.

    Hallo Mario,
    du konstatierst einen „zunehmenden Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft“ und bringst als einzigen Beleg für diese Behauptung, dass „Nationalismus, autoritär-faschistoide Gesinnungen bis hin zu offenem Rassismus ... inzwischen ihren Platz in der Öffentlichkeit gefunden“ haben.
    Wenn du damit die Pegida-Demos samt Anhang und Meinungsmache im Internet meinst, - die beurteile ich völlig anders als du.
    Alle diese Auffassungen und Meinungen gab es längst. Nichts davon ist irgendwie neu. Man nehme nur die Veröffentlichungen von Sarrazin und Konsorten (2010) mit einigen Millionen verkaufte Auflage und die mörderischen Angriffe auf Ausländerwohnungen in den 1990er Jahren.
    Fakt ist allerdings, dass die Leser und Anhänger von Sarrazin nun auf der Straße sichtbar werden, und dass sie sich verstärkt im Internet zu Wort melden und dass nicht wenige auch mit Feuer zündeln.


    Wie ist dieses Auftauchen der Sarrazin-Gefolgsleute und Pegida-Anhänger zu beurteilen? Du behauptest, alle diese Leute „hätten ihren Platz in der Öffentlichkeit gefunden“. Ja, sie haben vielleicht ihren Platz in der Öffentlichkeit gefunden, aber keineswegs „einen Platz in der Gesellschaft“. Dass Rechte einen Platz in der Öffentlichkeit haben, ist gut, weil dann die Leute sich mit dem rechten Gedankengut befassen können, und sie sollten sich näher damit befassen, als nur diese Leute als "Pack" oder als "Nazis" abzustempeln.
    Alle diese Leute fühlen sich inzwischen weder von der Mainstream-Presse noch von der Regierung in Deutschland vertreten. Du siehst darin einen „Rechtsruck“.
    Das genaue Gegenteil ist der Fall.
    Diese Leute melden sich selbst zu Wort, weil in ihren Augen, die „Lügenpresse“ ihre rechten und rassistischen Ansichten nicht mehr so offen formuliert wie früher. Diese Leute organisieren sich in neuen Parteien, weil in ihren Augen die CDU und die CSU nicht mehr reaktionär genug sind.
    Darin kann ich keinen „Rechtsruck“ sehen.


    Ganz im Gegenteil gab es diesem Sommer während der Massen-Flüchtlingsbewegung einen kurzen Moment, wo die linksradikalen Losungen „NO BORDER!“ und „REFUGEES WELCOME“ in ganz Deutschland mehrheitsfähig wurden und sogar die konservative Regierung für ein paar Tage auf diese Losungen eingeschwenkt sind.
    Und das soll ein Rechtsruck sein? Ich bitte Dich!
    Dieser Moment im Sommer 2015 war einer der wenigen Sternstunden in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, wie es nur ganz wenige bisher gegeben hat.


    Dieser Sommermoment von 2015 ist nur vergleichbar mit folgenden anderen Ereignissen:
    -1956 erstreikten die Metallarbeiter nach 114 Tagen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
    -1974 setzten die streikenden Müllwerker für den Öffentlichen Dienst eine Lohnerhöhung von 11 % durch und leiteten damit den Rücktritt von Willy Brandt ein.
    -1989: Die Öffnung der Mauer in Berlin
    -Seit der Katastrophe von Tschernobyl (1986) forderte die Mehrheit in Deutschland den Ausstieg aus der Atomenergie. Endlich 2011, einen Tag nach der Katastrophe von Fukushima, schloss sich die Bundesregierung dieser Forderung an.



    -Das alles sind Meilensteine auf dem Weg zu einer nachkapitalistischen Gesellschaft in Deutschland.
    Gruß Wal Buchenberg


    P.S. Hallo Mario,
    Es ist für alle nützlich, wenn hier auch Bedenken und Fragen geäußert werden - so man hat.
    Das zwingt uns, unsere Standpunkte und Antworten neu zu durchdenken und zu überprüfen. :thumbup:

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